Gericht | VG Potsdam 8. Kammer | Entscheidungsdatum | 17.11.2011 | |
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Aktenzeichen | VG 8 K 1833/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 8 Abs 2 S 2 KAG BB |
Der Schmutzwasserbeitragsbescheid vom 26. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2010 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Hinterlegung einer Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor diesen Betrag hinterlegt.
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Anschlussbeitrags für die zen-trale Schmutzwasserentsorgungsanlage des Wasser- und Abwasserzweckverbands Jüterbog-Fläming. Der Zweckverband, vertreten durch den Beklagten, ist nach dem Gesetz über die kommunale Gemeinschaftsarbeit im Land Brandenburg - GKG - am 15. Juli 1994 gegründet worden und für die Aufgabe der Abwasserentsorgung unter anderem auch im Gebiet der Gemeinde ... zuständig. Mit Stabilisierungsbescheid des Landkreises Teltow-Fläming vom 6. Juli 1998 (Amtsblatt für den Landkreis Teltow-Fläming vom 9. September 1999) ist die Verbandsgründung nach § 14 des Gesetzes zur rechtlichen Stabilisierung der Zweckverbände für Wasserversorgung und Abwasserentsorgung festgestellt worden.
Der Kläger ist u. a. Eigentümer des unbebauten Grundstücks Gemarkung ..., Flur Flurstück …. Es handelt sich um ein 11.559 m² großes Flurstück entlang der gleichnamigen Straße ..., welches bislang landwirtschaftlich genutzt worden ist.
Mit Bescheid vom 26. Oktober 2009 veranlagte der Beklagte den Kläger für das Flurstück zu einem Schmutzwasseranschlussbeitrag in Höhe von 6.624,00 Euro. Hiergegen legte der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 26. November 2009 Widerspruch ein, den er mit weiterem Schreiben vom 8. Januar 2010 umfänglich begründete. Unter anderem trug er vor, dass das Flurstück ... abseits des Dorfkerns im bauplanungsrechtlichen Außenbereich liege und daher nicht bebaubar sei.
Mit Bescheid vom 9. März 2010 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur bauplanungsrechtlichen Qualität führte er aus, dass das Grundstück nach der Stellungnahme der Gemeinde ... (Bauamt) vom 11. November 2009 dem Innenbereich angehöre. Auf Grund seiner Lage innerhalb der geschlossenen Bebauungen sowie nach der Eigenart der näheren Umgebung sei es als Bauland zu bewerten. Dies werde durch die vorhandene Bebauung rechts und links des Grundstücks belegt. Die Abgrenzung der wirtschaftlich bevorteilten Flächen sei auf der Grundlage der ortsüblichen Bebauungstiefen und entsprechend der Einfügung in die vorhandene Bebauung erfolgt.
Der Kläger hat am 12. April 2010 beim Verwaltungsgericht Potsdam Klage erhoben.
Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen seinen Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren und vertieft ihn bezüglich der zu Grunde gelegten Beitragssatzung.
Der Kläger beantragt,
den Anschlussbeitragsbescheid des Beklagten vom 26. Oktober 2009 (Bescheid-Nr. 12166-2009) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. März 2010 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ergänzend verweist er darauf, dass das Flurstück ... im Baulückenkataster der Gemeinde ... als bebaubare Fläche ausgewiesen sei. Dies entspreche den Darstellungen im Flächennutzungsplan der Gemeinde ... sowie den Erläuterungen ihrer Bauamtsleiterin im Schreiben vom 17. Mai 2011.
Das Verfahren ist zunächst zusammen mit anderen angefochtenen Beitragsveranlagungen unter dem Aktenzeichen VG 8 K 594/10 geführt worden. Nachdem am 24. August 2011 ein Ortstermin vor dem Berichterstatter durchgeführt worden war und in der Folge bezüglich der anderen Veranlagungen eine vergleichsweise Beendigung herbeigeführt werden konnte, ist der hiesige Rechtsstreit mit Beschluss vom 12. September 2011 abgetrennt und unter dem obigen Aktenzeichen fortgeführt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorliegenden Akte, der Gerichtsakte zum Aktenzeichen VG 8 K 594/10 sowie auf den vorgelegten Verwaltungsvorgang Bezug genommen.
Der Berichterstatter kann nach § 87 a Abs. 2 und 3 und § 101 Abs. 2 VwGO den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben.
Die Klage ist begründet, denn der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Voraussetzungen für eine Heranziehung des Klägers zu einem Schmutzwasseranschlussbeitrag für das Grundstück Gemarkung ..., Flur ., Flurstück ... sind nicht gegeben. Nach § 2 Abs. 1 der Satzung über die Erhebung von Beiträgen für den Vorteil des Anschlusses an die zentrale öffentliche Schmutzwasserentsorgungsanlage des Wasser- und Abwasserzweckverbandes Jüterbog-Fläming - Schmutzwasserbeitragssatzung (SBS) - vom 7. Oktober 2008 unterliegen der Beitragspflicht Grundstücke nur dann, wenn sie baulich oder gewerblich genutzt werden (Buchstabe a) oder für das Grundstück eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, so dass es bebaut oder gewerblich genutzt werden darf (Buchstabe b) oder das Grundstück nach Verkehrsauffassung Bauland ist und nach einer geordneten städtebaulichen Entwicklung der Gemeinde zur Bebauung ansteht (Buchstabe c). Keine dieser drei Alternativen ist vorliegend erfüllt. Die beiden erstgenannten Alternativen scheiden ohne Weiteres aus, da das Grundstück schon immer landwirtschaftlich genutzt wurde und keine bauplanungsrechtliche Nutzung dieser Fläche festgesetzt ist. Das Grundstück ist aber nach Verkehrsauffassung auch nicht Bauland und steht nach einer geordneten städtebaulichen Entwicklung der Gemeinde nicht zur Bebauung an. Nach Inaugenscheinnahme im Ortstermin vom 24. August 2011 liegt es vielmehr zur Überzeugung des Gerichts in Gänze im Außenbereich i. S. v. § 35 Abs. 1 BauGB, was dauerhaft einer Bebauung entgegensteht.
Die Zugehörigkeit zum unbeplanten Innenbereich nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB lässt sich nicht feststellen. Nach dieser Vorschrift ist ein Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Damit ein Bebauungszusammenhang im Sinne dieser Vorschrift vorliegt, wäre eine aufeinanderfolgende, mithin zusammenhängende Bebauung erforderlich, der das veranlagte Grundstück angehört. Ob ein unbebautes Grundstück, das sich einem Bebauungszusammenhang anschließt, diesen Zusammenhang fortsetzt oder ihn unterbricht, hängt davon ab, inwieweit nach der maßgeblichen Betrachtungsweise der Verkehrsauffassung die aufeinanderfolgende Bebauung trotz der vorhandenen Baulücke den Eindruck der Geschlossenheit oder der Zusammengehörigkeit vermittelt (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. November 1968 - IV C 2.66 -; Beschluss vom 1. April 1997 - 4 B 11/97 -; Beschluss vom 4. April 2007 - 4 B 7/07 -; alle zit. nach juris). Wie eng die Aufeinanderfolge von Baulichkeiten sein muss, um sich noch als zusammenhängende Bebauung darzustellen, ist nicht nach geografisch-mathematischen Maßstäben, sondern auf Grund einer umfassenden Bewertung des im Einzelfall vorliegenden konkreten Sachverhalts zu entscheiden (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. November 1968, a.a.O.). Zur Bebauung im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB gehören in der Regel nur bauliche Anlagen, die geeignet sind, dem Gebiet ein bestimmtes städtebauliches Gepräge zu verleihen. Hierzu zählen grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. März 2000 - 4 B 15/00 -; zit. nach juris). Dazu können auch landwirtschaftlichen oder erwerbsgärtnerischen Zwecken dienende Betriebsgebäude gehören. Welche Bedeutung Straßen und Wegen für die Abgrenzung von Innen- und Außenbereich zukommt, ergibt sich keinesfalls schematisch, sondern nur aus einer Bewertung der tatsächlichen Gegebenheiten (BVerwG, Beschluss vom 10. März 1994 - 4 B 50.94 -; Beschluss vom 1. April 1997, a. a. O.).
Vorliegend hat das Gericht die Überzeugung gewonnen, dass das Grundstück dem Außenbereich zuzurechnen ist. ... selbst ist auch im bauplanungsrechtlichen Sinne ein Ortsteil von ... . Ortsteil im Sinn von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. November 1968, a. a. O.; Beschluss vom 2. April 2007, a. a. O.). So liegt es hier, denn der Ortsteil ... wird im Wesentlichen von der ringförmig verlaufenden Straße ... und ihrer beidseitigen Bebauung (in weiten Teilen) geprägt, denen sich südlich ehemals landwirtschaftlich genutzte Gebäudekomplexe anschließen, welche teilweise vom Kläger für seinen holzverarbeitenden Betrieb übernommen worden sind. Nördlich von der Dorfstraße ... schließen sich landwirtschaftliche Flächen an. Gegenüber vom Flurstück ... befindet sich das Betriebsgelände des klägerischen Betriebs (Flurstück …), auf dem das dreigeschossige Verwaltungsgebäude und große Produktionshallen stehen. Von der Straße ... aus gesehen rechter Hand befindet sich das Flurstück … der Flur .., welches dem Gericht aus dem Verfahren VG 8 K 36/10 bekannt ist. Es handelt sich um ein größeres, spitzwinklig zugeschnittenes Wohngrundstück, welches straßenseitig mit zwei Gebäuden, im Übrigen rückwärtig und zum Flurstück ... hin nicht bebaut ist. Südöstlich vom Flurstück .. und damit auch schräg gegenüber von dem streitigen Grundstück befindet sich das Flurstück .. der Flur .., ein 2.644 m² großes Grundstück, das bislang nicht bebaut ist. Linker Hand vom Flurstück ... schließt sich eine vergleichsweise kleinteilige bäuerliche Wohnbebauung an (Flurstücke …… usw.).
Das Grundstück Flurstück ... stellt sich in dieser Lage nicht als unbeachtliche Baulücke zwischen der dörflichen Wohnbebauung einerseits und dem Wohngrundstück Flurstück .. der Flur .. andererseits dar. Vielmehr ragt es in seiner Breite von knapp 100 Metern als Fortsetzung des landwirtschaftlich geprägten Außenbereichs in den Siedlungszusammenhang hinein und steht dem Eindruck einer zusammenhängenden Wohnbebauung entgegen. Die Straße ... begrenzt ferner den Siedlungszusammenhang nach Norden hin. Daher stellt sich die vereinzelt gebliebene Wohnbebauung auf dem Flurstück ... auch nicht als Fortsetzung des ursprünglich landwirtschaftlich genutzten Gebäudekomplexes auf der südlichen Straßenseite dar.
Die von dem Beklagten vorgelegten Stellungnahmen der Bauamtsleiterin der Gemeinde ... vom 17. Mai 2011 sowie vom 11. November 2009 haben gegenüber diesen tatsächlichen Feststellungen kein großes Gewicht. Die bloße Bezugnahme auf einen bestandskräftigen Flächennutzungsplan überzeugt nicht, weil er lediglich die mittel- bis langfristige Planung der Gemeinde wiedergibt, nicht aber den Bestand der bestehenden Baulichkeiten, ihrer Nutzungen unter dem Blickwinkel bestehender Bebauungszusammenhänge dokumentiert. Die Festsetzung des unbebauten Flurstücks 16/1 als Dorfgebiet wird durch den Flächennutzungsplan prospektivisch angestrebt, entspricht allerdings nicht dem Siedlungszusammenhang, wie er sich tatsächlich feststellen ließ. Das Baulückenkataster der Gemeinde ... hat ebenfalls nur indizielle Bedeutung, denn es dient Architekten, Maklern und Bauwilligen als Informations- und Entscheidungshilfe, stellt aber gleichfalls nicht rechtsverbindlich fest, welche Grundstücke im unbeplanten Innenbereich liegen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
B e s c h l u s s :
Der Streitwert wird auf 6.624,- € nach § 52 Abs. 3 GKG festgesetzt