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Eintragung in das Melderegister; Wohnung; Begriff der Wohnung im Sinne des Meldegesetzes; Wohnwagen, ortsfest abgestellter -; bauplanungs- oder bauordnungsrechtliche Unzulässigkeit des Wohnens unmaßgeblich; tatsächliches Wohnen durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht; Bestreiten der Meldebehörde; unzureichende Ermittlungen; Klärung im Hauptsacheverfahren erforderlich; Stattgabe


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 5. Senat Entscheidungsdatum 23.02.2010
Aktenzeichen OVG 5 S 32.09, OVG 5 M 62.09 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 8 Nr 2 MeldeG BB, § 12 Abs 1 MeldeG BB, § 12 Abs 3 MeldeG BB, § 15 S 3 MeldeG BB, § 173 VwGO, § 88 Abs 2 ZPO, § 294 ZPO

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 9. November 2009 mit der Maßgabe geändert, dass die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet wird, den Antragsteller mit der Anschrift W., 15806 Zossen, in das Melderegister einzutragen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller beantragte unter dem 29. Juli 2009 bei der Meldebehörde der Stadt Zossen, ihn unter der Anschrift W. in 15806 Zossen in das Melderegister einzutragen.

Mit der Begründung, die Antragsgegnerin weigere sich, seinen Antrag auf Eintragung in das Melderegister zu bescheiden und ihm einen Personalausweis sowie eine Lohnsteuerkarte auszustellen, weshalb er keine Leistungen nach dem SGB II mehr erhalte, hat der Antragsteller am 13. September 2009 beim Verwaltungsgericht Potsdam den Erlass einer einstweiligen Anordnung und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2009 hat die Antragsgegnerin erwidert, sie habe die Anmeldung zunächst im Melderegister vermerkt, das Melderegister jedoch von Amts wegen berichtigt und den Antragsteller rückwirkend zum 27. Juli 2009 wieder abgemeldet. Die Gründe hierfür ergäben sich aus einem Bescheid vom 18. September 2009, der dem Antragsteller am 14. Oktober 2009 durch die Polizei habe übergeben werden sollen; der Zustellversuch sei jedoch erfolglos geblieben. Der in Bezug genommene Bescheid ist damit begründet, dass es sich bei dem Grundstück W. um ein ehemaliges Funkkontroll- und Messdienstgelände der Deutschen Post handele, das bauplanungsrechtlich im Außenbereich liege, nunmehr illegal als Abstell- und Lagerplatz genutzt werde und den dauerhaften Aufenthalt von Menschen und deren Ansiedlung auf dem Areal nicht zulasse. Gegen den Grundstückseigentümer sei bereits ein Nutzungsverbot verfügt worden.

Mit Beschluss vom 9. November 2009 hat das Verwaltungsgericht Potsdam die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung abgelehnt, der Antragsteller habe nicht ansatzweise glaubhaft gemacht, dass er unter der angegebenen Adresse eine Wohnung im Sinne des § 15 des Brandenburgischen Meldegesetzes - BbgMeldeG - als Hauptwohnung nutze. Die Antragsgegnerin habe mit der Antragserwiderung unter Bezugnahme auf ihren an den Antragsteller gerichteten Bescheid vom 18. September 2009 vorgetragen, dass das Grundstück im Wesentlichen mit einem ehemaligen Funktionsgebäude bebaut sei, das nicht als Wohnung benutzt werden könne, und heute als Abstell- und Lagerplatz diene. Diesem Vorbringen sei der Antragsteller nicht entgegengetreten. Da die Antragsgegnerin unter diesen Umständen nicht verpflichtet sei, den Antragsteller zum Melderegister anzumelden (Antrag zu 1.), könnten auch seine auf Ausstellung und Aushändigung eines Personalausweises (Antrag zu 2.) und einer Lohnsteuerkarte (Antrag zu 3.) gerichteten Anträge keinen Erfolg haben.

Dieser Beschluss ist dem Antragsteller ausweislich der Postzustellungsurkunde am 12. November 2009 unter der Anschrift W. durch Einlegen in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten zugestellt worden.

Mit seiner auf die Ablehnung des Antrags zu 1) und des Prozesskostenhilfegesuchs beschränkten Beschwerde macht der Antragsteller geltend, dass er dem Vorbringen der Antragsgegnerin nicht habe entgegentreten können, weil er deren Schriftsatz nicht erhalten habe. Ferner trägt er unter Vorlage einer - undatierten - eidesstattlichen Versicherung vor, dass er einen auf dem 22.000 qm großen Grundstück seit Juli 2007 dauerhaft abgestellten, von jenseits der Grundstücksgrenzen nicht sichtbaren und mit Sanitär- und Heizungseinrichtungen ausgestatteten Wohnwagen bewohne; eine andere Wohnung habe er nicht.

Die Antragsgegnerin bestreitet, dass sich der Antragsteller auf dem Grundstück aufhalte. Die Leiterin des Ordnungsamtes habe es im Oktober und November 2009 mehrfach im Beisein von Mitarbeitern der Polizeiwache Zossen aufgesucht, dort jedoch weder den Antragsteller noch sonstige Personen angetroffen. Ein mit der Zustellung eines für den Grundstückseigentümer bestimmten Bescheides beauftragter Polizeibeamter habe unter dem 10. Januar 2010 mitgeteilt, dass die seit Wochen vorhandene Schneedecke auf dem Areal unberührt sei. Es gebe zwar Fußspuren, die bis zum Briefkasten am Tor des Grundstücks führten; diese habe er jedoch offenbar selbst hinterlassen, als er vor Weihnachten dort ermittelt habe. Die ursprünglich am Briefkasten vorhandenen Namensschilder seien bereits vor Wochen entfernt worden. Ferner sei ihm von einem Mitarbeiter der Post gesagt worden, dass auch er seit Monaten keine Bewegung auf dem Grundstück habe feststellen können, weshalb Postsendungen als nicht zustellbar zurückgesandt werden müssten. Unter diesen Umständen - so die Antragsgegnerin - sei die eidesstattliche Versicherung des Antragstellers nicht das Papier wert, auf welchem sie stehe.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers, mit der er sein Begehren (nur) hinsichtlich der (erneuten) Eintragung in das Melderegister weiterverfolgt, ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat seinen vorläufigen Rechtsschutzantrag insoweit zu Unrecht abgelehnt.

Es stellt sich schon die Frage, ob das mit der Antragserwiderung von der Antragsgegnerin Vorgetragene tatsächlich geeignet gewesen ist, begründete Zweifel an einer Wohnnutzung unter der von dem Antragsteller angegebenen Meldeanschrift zu rechtfertigen. Dem von ihr in Bezug genommenen, dem Antragsteller nach Aktenlage allerdings bis heute nicht bekannt gegebenen Bescheid vom 18. September 2009 dürfte nämlich eher zu entnehmen gewesen sein, dass die Antragsgegnerin sich zu einer „Bereinigung“ des Melderegisters durch Rückgängigmachen der ursprünglichen Eintragung allein deshalb veranlasst gesehen hat, weil die Nutzung des im Außenbereich liegenden Grundstücks zu Wohnzwecken nach ihrem Dafürhalten „illegal“ und gegen den Grundstückseigentümer bereits ein entsprechendes Nutzungsverbot ausgesprochen worden war. Soweit in dem fraglichen Bescheid nachfolgend ausgeführt ist, dass das lediglich mit einem für eine Wohnnutzung ungeeigneten ehemaligen Funktionsgebäude bebaute Grundstück faktisch als Abstell- und Lagerplatz genutzt werde, stellte dies - wie sich aus der an den Grundstückseigentümer gerichteten Ordnungsverfügung vom 22. Juli 2009 ergibt, die der Erwiderung ebenfalls beigefügt war - eine ersichtlich verkürzte Darstellung der tatsächlichen Verhältnisse dar. Denn dort ist unter anderem von auf dem Grundstück abgestellten Containern, Bau-, Zirkus- und Wohnwagen sowie von einer „… weiteren Benutzung für den mehr oder weniger dauernden Aufenthalt von Menschen …“ (Hervorhebung nicht im Original) die Rede. Da aber unter den Begriff der Wohnung nach § 15 Satz 3 BbgMeldeG im Grundsatz auch Wohnwagen fallen und die Meldepflicht unabhängig von anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften besteht (§ 12 Abs. 4 BbgMeldeG), spricht alles dafür, dass sich das Verwaltungsgericht nicht damit hätte begnügen dürfen, Rechtsschutz mit der Begründung zu versagen, der Antragsteller sei der ihm - zumal nach Aktenlage ohne die von der Antragsgegnerin in Bezug genommenen Anlagen - übersandten Antragserwiderung nicht entgegengetreten.

Jedenfalls auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens ist davon auszugehen, dass der Antragsteller einen die (Wieder-) Eintragung in das Melderegister betreffenden Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat. Seinen an Eides statt versicherten Angaben zufolge nutzt er zum Wohnen einen seit März 2003 von der Firma des jetzigen Grundstückseigentümers gemieteten Wohnwagen, der seit Juli 2007 auf dem Areal des 22.000 qm großen Grundstücks W. ortsfest abgestellt ist. Damit hat er die Voraussetzungen für seine Eintragung in das Melderegister bzw. die Berichtigung des Melderegisters durch erneute Eintragung (vgl. § 8 Nr. 2, § 12 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, § 15 Satz 3 BbgMeldeG) glaubhaft gemacht. Die hiergegen vorgebrachten Einwände der Antragsgegnerin stehen dem nicht entgegen.

Anders als die Antragsgegnerin meint, kommt es darauf, ob das Wohnen auf dem Grundstück aus bauplanungs- und/oder bauordnungsrechtlichen Gründen unzulässig ist, nicht an. Melderegister haben die Funktion, jederzeit Identität und Anschrift einer Person feststellen und nachweisen zu können; zu diesem Zweck haben Meldebehörden die in ihrem Zuständigkeitsbereich wohnhaften Personen, soweit sie der Meldepflicht unterliegen, zu registrieren (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 BbgMeldeG). Dieser faktischen Zweckbestimmung des Registers entspricht es, dass die Meldepflicht unabhängig von anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften besteht. Insofern ist auch das allein dem Grundstückseigentümer gegenüber ausgesprochene Nutzungsverbot für die Frage, ob der Antragsteller in das Melderegister einzutragen ist, ohne Belang.

Soweit die Antragsgegnerin nunmehr geltend macht, der Antragsteller habe unter der fraglichen Anschrift tatsächlich nie gewohnt und habe dort auch nicht wohnen können, hat sie tragfähige Anhaltspunkte hierfür bislang nicht zu belegen vermocht. Ihre Behauptung, das Grundstück sei nicht „an die lebensnotwendigen Medien“ wie Strom-, Gas-, Wasser- oder Abwasserversorgung angeschlossen, wird vom Antragsteller dezidiert bestritten. Eine Antwort auf die sich aufdrängende Frage, worauf die Erkenntnisse der Antragsgegnerin beruhen, ob sie etwa das Ergebnis einer Überprüfung vor Ort oder anhand der Bauunterlagen sind, bietet die Beschwerdeerwiderung nicht. Nichts anderes gilt für die weitere, ebenfalls substantiiert bestrittene Behauptung der Antragsgegnerin, es fehle an den für ein Wohnen notwendigen Sanitär- und Heizungseinrichtungen. Nach Aktenlage hat die Antragsgegnerin den Wohnwagen noch nicht einmal von außen gesehen. Der Antragsteller trägt hierzu vor, sein Wagen sei so abgestellt, dass er von außerhalb der Grundstücksgrenzen des 22.000 qm großen Areals nicht sichtbar sei. Aus welchen Gründen allein schon diese Angabe „im Rahmen der Güterabwägung“ gegen eine „Anmeldung unter einer zulässigen Wohnung“ sprechen soll, wie die Antragsgegnerin unter Hinweis auf fehlende Rettungsmöglichkeiten im Notfall geltend macht, ist nicht nachvollziehbar, erst Recht nicht vor dem Hintergrund, dass das Grundstück unstreitig über einen Zufahrtsweg verfügt. Was schließlich den Vortrag der Antragsgegnerin angeht, der Antragsteller habe sich bei mehrfachen Überprüfungen durch ihre Mitarbeiter zu keiner Zeit auf dem Grundstück aufgehalten, ist ihr aufgegeben worden, diese Behauptung durch konkrete Angaben, wer das Grundstück wann mit welchem Ergebnis besichtigt hat, zu substantiieren und durch entsprechende Vermerke zu belegen. Dem ist sie nicht nachgekommen, sondern hat lediglich ein Schreiben der Polizeiwache Zossen vom 10. Januar 2010 vorgelegt, das einen Bericht über den vergeblichen Versuch der Zustellung eines an den Grundstückseigentümer gerichteten Widerspruchsbescheides u.a. unter der Anschrift W. enthält. Nach diesem Bericht könnte in der Tat einiges dafür sprechen, dass sich der Antragsteller bei den gegenwärtigen Witterungsverhältnissen nicht auf dem Grundstück aufhält. Das allein reicht jedoch für die Annahme, der Antragsteller habe dort entgegen seinen Angaben zu keiner Zeit eine Wohnung gehabt oder habe sie, ohne seiner Abmeldepflicht nachzukommen (vgl. § 12 Abs. 2 BbgMeldeG), endgültig aufgegeben, nicht aus. Unter diesen Umständen muss die Klärung der tatsächlichen Aufenthaltsverhältnisse des Antragstellers seit Juli 2009 und der Frage, welche Bedeutung in diesem Zusammenhang der am 10. Januar 2010 getroffenen Feststellung zukommt, dass die ehemals an dem zum Grundstück gehörenden Briefkasten befindlichen Namensschilder nicht mehr vorhanden waren, dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Ob die im Januar 2010 zu den Akten gereichte eidesstattliche Versicherung des Antragstellers falsch gewesen ist oder nicht, wird sich dann zeigen. Die Zulässigkeit, sich ihrer im vorläufigen Rechtsschutzverfahren als Mittel der Glaubhaftmachung tatsächlicher Behauptungen zu bedienen, steht jedenfalls außer Frage (vgl. §§ 173 VwGO, 294 ZPO).

Abschließend bleibt im Hinblick auf die Bitte der Antragsgegnerin, ihr eine Kopie der Vollmachtsurkunde der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers zu übersenden, anzumerken, dass eine Vollmacht weder vorgelegt noch von Amts wegen angefordert worden ist, weil bei Auftreten eines Rechtsanwalts die Prüfung der Vollmacht nur stattfindet, wenn besondere Umstände dazu Anlass geben, die Bevollmächtigung in Zweifel zu ziehen (vgl. § 173 VwGO in Verbindung mit § 88 Abs. 2 ZPO; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, Kommentar, 65. Aufl., Rn. 18 zu § 88). Solche Umstände zeigt die Antragsgegnerin nicht auf; sie sind auch sonst nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Hat die Antragsgegnerin danach die Kosten beider Rechtszüge zu tragen, erübrigt sich die Entscheidung über die Prozesskostenhilfebeschwerde des Antragstellers ebenso wie die über seinen Bewilligungsantrag für die Rechtsmittelinstanz. Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG und trägt der Beschränkung auf die Melderegistereintragung Rechnung.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).