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Mindestnettobetragsverordnung; lückenhafte Regelung; Auslegung


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 18. Kammer Entscheidungsdatum 31.03.2011
Aktenzeichen 18 Sa 2719/10 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 5 TV ATZ-LBV

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 24. November 2010 - 60 Ca 5689/10 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, wie die Höhe der Aufstockung der Altersteilzeitvergütung des Klägers zu berechnen ist.

Der 1951 geborene Kläger ist seit dem 11. Februar 1985 bei der Beklagten, einem öffentlichen-rechtlichen Personennahverkehrsunternehmen, beschäftigt.

Am 10. Juli 2009 schlossen die Parteien unter Abänderung des im Rahmen des Vorruhestandsprogramms abgeschlossenen Auflösungsvertrages vom 28. November 2003 auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes (AltTZG) vom 23. Juli 1996, des Tarifvertrages zur Regelung der Altersteilzeit (TV ATZ) vom 05. Mai 1998 und der Vorstandsverfügung Nr. 2/2009 vom 18. November 2008 in der jeweils geltenden Fassung eine Altersteilzeitarbeitsvereinbarung nach dem Blockmodell für die Zeit vom 01. August 2009 bis zum 31. Juli 2011. Hinsichtlich der Aufstockungsleistungen enthält die Vereinbarung auszugsweise folgende Regelung:

 „§ 4 

Aufstockungsleistungen

 (1) Das sich aus § 3 ergebende Arbeitsentgelt wird über § 3 Abs. 1 Buchst. a Altersteilzeitgesetz in Verbindung mit § 5 Abs. 1 TV ATZ hinaus auf 100 % des bisherigen Arbeitsentgelts im Sinne von § 5 Abs. 2 TV ATZ aufgestockt.

 …“    

        

Wegen des weiteren Inhalts der Vereinbarung wird auf deren Ablichtung (Bl. 10 - 13 d. A.) verwiesen.

        

§ 5 des TV ATZ, der zuletzt durch den Änderungstarifvertrag Nr. 2 vom 30. Juni 2000 mit Wirkung ab dem 01. Juli 2000 geändert wurde, lautet auszugsweise wie folgt:

 „§ 5 

Aufstockungsleistungen

 (1) Die dem Arbeitnehmer nach § 4 zustehenden Bezüge zuzüglich des darauf entfallenden sozialversicherungspflichtigen Teils der vom Arbeitgeber zu tragenden Umlage zur Zusatzversorgungseinrichtung werden um 20 v. H. dieser Bezüge aufgestockt (Aufstockungsbetrag). …

 (2) Der Aufstockungsbetrag muss so hoch sein, dass der Arbeitnehmer 83 v. H. des Nettobetrages des bisherigen Arbeitsentgelts erhält (Mindestnettobetrag). Als bisheriges Arbeitsentgelt ist anzusetzen das gesamte, dem Grunde nach beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer für eine Arbeitsleistung bei bisheriger wöchentlicher Arbeitszeit (§ 3 Abs. 1 Unterabs. 2) zu beanspruchen hätte; ……

 (3) Für die Berechnung des Mindestnettobetrages nach Absatz 2 ist die Rechtsverordnung nach § 15 Satz 1 Nr. 1 des Altersteilzeitgesetzes zugrunde zu legen. Sofern das bei bisheriger Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt nach Absatz 2 Unterabs. 1 Satz 2 das Höchste in dieser Rechtsverordnung ausgewiesene Arbeitsentgelt übersteigt, sind für die Berechnung des Mindestnettobetrages diejenigen gesetzlichen Abzüge anzusetzen, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Altersteilzeitgesetzes).

 ...“ 

Die in § 5 Abs. 3 TV ATZ in Bezug genommenen Vorschriften des AltTZG hatten bei Inkrafttreten des Änderungstarifvertrages Nr. 2 zum TV ATZ folgenden Wortlaut:

 „§ 3 

Anspruchsvoraussetzungen

 (1) Der Anspruch auf die Leistungen nach § 4 setzt voraus, dass

 1. der Arbeitgeber auf Grund eines Tarifvertrages, einer Regelung der Kirchen und der öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften, einer Betriebsvereinbarung oder einer Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer

 a) das Arbeitsentgelt für die Altersteilzeit um mindestens 20 vom Hundert dieses Arbeitsentgelts, jedoch auf mindestens 70 vom Hundert des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten bisherigen Arbeitsentgelts im Sinne des § 6 Abs. 1 (Mindestnettobetrag), aufgestockt hat und

 …     

§ 15   

Verordnungsermächtigung.

Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung kann durch Rechtsverordnung jeweils für ein Kalenderjahr

1. die Mindestnettobeträge nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a,

2. Nettobeträge des Arbeitsentgelts für die Altersteilzeitarbeit

bestimmen. § 132 Abs. 3 und § 136 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch gelten entsprechend. Der Kalendermonat ist mit 30 Tagen anzusetzen.“

§ 136 SGB III, jetzt § 133 SGB III, betraf das um die gesetzlichen Entgeltabzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderte Bemessungsentgelt für den Bezug von Arbeitslosengeld (Leistungsentgelt).

Durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I. S. 2848) wurde die Mindestnettobetragsgrenze in § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AltTZG für ab dem 01. Juli 2004 beginnende Altersteilzeitarbeitsverhältnisse gestrichen. § 15 AltTZG wurde dahin geändert, dass das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, jetzt Bundesministerium für Arbeit und Soziales, die Mindestnettobeträge nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a in der bis zum 30. Juni 2004 gültigen Fassung durch Rechtsverordnung entsprechend den Vorschriften zum Leistungsentgelt nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch bestimmen kann.

Zuletzt bestimmte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Mindestnettobeträge durch die am 01. Januar 2008 in Kraft getretene Mindestnettobetragsverordnung vom 19. Dezember 2007 (BGBl I S. 3040) für Arbeitsentgelte bis einschließlich 5.300,00 EUR monatlich (Mindestnettobetragstabelle 2008; Ausdruck Bl. 101 ff. d. A.).

Am 12. Dezember 2008 teilte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit, dass die auf der Rechtsverordnung vom 19. Dezember 2007 beruhenden und seit dem 01. Dezember 2008 gültigen Mindestnettobeträge nach dem AltTZG auch im Jahr 2009 unverändert fortgelten. Wegen nur geringfügiger Veränderungen bestehe die Notwendigkeit zur Neufestsetzung nicht. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 17. Dezember 2009 nebst Anlage (Bl. 14 f. d. A.) verwiesen.

Mit Pressemitteilung vom 09. Dezember 2009 erklärte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, dass die derzeit gültigen Mindestnettobeträge auch für das Jahr 2010 fortgelten. Für den Erlass einer neuen Verordnung bestehe keine Notwendigkeit, weil die Förderdauer für die vor dem 01. Juli 2004 begonnenen Altersteilzeitarbeitsverhältnisse zum 30. Juni 2010 auslaufe und nur etwa 1.000 Altfälle betroffen seien. Wegen der Einzelheiten wird auf den Ausdruck der Pressemitteilung (Bl. 16 d. A.) verwiesen.

Das bisherige Arbeitsentgelt des Klägers i. S. v. § 5 Abs. 2 Satz 2 TV ATZ beträgt seit August 2009 2.868,35 EUR brutto monatlich. Der auf der Grundlage der Mindestnettobetragstabelle 2008 ermittelte hundertprozentige Mindestnettobetrag beläuft sich auf 1.731,72 EUR. Diesen zahlt die Beklagte fortlaufend an den Kläger.

Mit Schreiben vom 17. Februar 2010 (Bl. 18 ff. d. A.) machte der Kläger gegenüber der Beklagten die Zahlung eines höheren Aufstockungsbetrages ab dem 01. Januar 2010 geltend. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 03. März 2010 (Bl. 23 d. A.) ab.

Mit der am 09. April 2010 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Ermittlung des ihm zustehenden Mindestnettobetrages anhand der Mindestnettobetragstabelle 2008 verletze seinen aus § 5 Abs. 2 TV ATZ i. V. m. § 4 Abs. 1 der Altersteilzeitarbeitsvereinbarung resultierenden Anspruch auf Erhalt von mindestens 100 Prozent des bei Beibehaltung der bisherigen Arbeitszeit erzielten Nettoentgelts. Seit der Erstellung der Tabelle sei die in Steuerklasse IV auf ein Bruttoeinkommen von 2.870,00 EUR entfallende Lohnsteuer einschließlich Solidaritätszuschlag um 66,55 EUR gesunken. Entsprechend habe sich das - pauschaliert berechnete - Nettoeinkommen von 1.731,72 EUR in 2008 ab Januar 2010 auf 1.798,27 EUR erhöht. Hierauf bezogen betrage der ihm gewährte Nettobetrag nicht 100 Prozent, sondern lediglich 96,3 Prozent des bei bisheriger Arbeitszeit erzielten Nettoentgelts.

Die Verweisung in § 5 Abs. 3 Satz 1 TV ATZ erfasse eine Rechtsverordnung nach § 15 AltTZG nur insoweit, als diese auf den geltenden gesetzlichen Abzügen des Lohnzahlungszeitraums beruhe, in den der Entgeltanspruch falle. Für den Lohnzahlungszeitraum ab Januar 2010 existiere jedoch keine aktuelle Rechtsverordnung. Sein Anspruch auf Erhalt von mindestens 100 Prozent des bei unverminderter Arbeitszeit erzielten Nettoentgelts sei daher nach § 5 Abs. 3 Satz 2 TV ATZ unter entsprechender Anwendung der Berechnungsvorschriften zum Leistungsentgelt nach § 133 SGB III zu ermitteln.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ab Januar 2010 bei der Ermittlung der Altersteilzeitbezüge die Berechnung des dem Kläger nach § 5 Abs. 2 TV ATZ i.V.m. § 4 Abs. 1 der Altersteilzeitarbeitsvereinbarung vom 10. Juli 2009 zustehenden Mindestnettobetrages unter entsprechender Anwendung der Vorschriften zur Berechnung des Leistungsentgelts (§ 133 SGB III) durchzuführen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Meinung vertreten, da die Mindestnettobetrags-Verordnung vom 19. Dezember 2007 auch im Jahr 2010 fortgelte, sei diese nach dem klaren Wortlaut des § 5 Abs. 3 TV ATZ bei der Berechnung des Mindestnettoentgelts des Klägers anzuwenden. Eine Ungleichbehandlung mit Arbeitnehmern, deren Arbeitseinkommen über 5.300,00 EUR brutto im Monat liege, sei nicht gegeben. Jedenfalls wäre eine solche auch gerechtfertigt, weil die pauschalierte Berechnung zu Vereinfachungszwecken im Beurteilungsspielraum der Tarifvertragsparteien bzw. des Gesetzgebers liege. Auch nach § 133 SGB III sei eine pauschalierte Berechnungsmethode anzuwenden. § 15 AltTZG sehe keine Pflicht des Bundesministeriums zur jährlichen Anpassung der Tabelle vor. Schon in der Vergangenheit sei über mehrere Jahre hinweg eine Mindestnettotabelle mit denselben Beträgen verwendet worden. Von den Tarifvertragsparteien sei dies hingenommen worden.

Wegen des weitergehenden Vortrages der Parteien wird auf die zwischen ihnen in der Eingangsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Durch Urteil vom 24. November 2010 hat das Arbeitsgericht Berlin der Klage stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte sei verpflichtet den Aufstockungsbetrag wie vom Kläger begehrt zu berechnen, da die Regelung des § 5 Abs. 3 TV ATZ. nachträglich durch den Wegfall einer jährlich aktualisierten Mindestnettobetragstabelle lückenhaft geworden sei und es dem mutmaßlichen Willen der Tarifvertragsparteien entspreche die Berechnung des Mindestnettoentgelts entsprechend § 133 SGB III vorzunehmen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung der Entscheidung wird auf die dortigen Gründe (Bl. 154 - 158 d. A.) verwiesen.

Gegen dieses ihr am 29. November 2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 21. Dezember 2010 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 27. Januar 2011 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Beklagte vertritt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages weiterhin die Auffassung, der Aufstockungsbetrag sei nach der weiterhin gültigen Mindestnettobetragsverordnung aus dem Jahre 2007 zu berechnen. § 5 TV ATZ gewähre dem Kläger lediglich einen nach dieser Mindestnettobetragsverordnung zu bestimmenden Anspruch. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichtes sei keine unbewusste Lücke entstanden, die durch ergänzende Auslegung gefüllt werden müsse, den die Tarifvertragsparteien sei nicht davon ausgegangen, dass die Verordnung jährlich zu erlassen gewesen sei, § 15 AltTZG in der geltenden Fassung bestimme nicht einmal eine Regelungspflicht.

Der in der Tarifnorm enthaltene Verweis auf § 15 AltTZG in der alten Fassung sei kein Hinweis auf den Willen der Tarifvertragsparteien die Berechnung des Aufstockungsbetrages auf Grundlage einer steuerrechtlich aktualisierten Tabelle regeln zu wollen, sondern gebe das Vereinfachungsbestreben der Tarifvertragsparteien wieder, denn trotz der gesetzlichen Änderung im Jahre 2004 hätten die Tarifvertragsparteien an der bewährten und einfachen Methode zur Berechnung festgehalten und damit mögliche Nachteile für die Tarifbeschäftigten bewusst in Kauf genommen. Dieser Vereinfachungszweck habe unverändert Bestand.

Auch fehle es an der Befugnis der Arbeitsgerichte zur ergänzenden Auslegung, da hierin ein Verstoß gegen die Tarifautonomie zu sehen sei, da es verschiedene Möglichkeiten gebe eine etwaige Lücke zu schließen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der in der Berufungsinstanz wird auf den Berufungsbegründungsschriftsatz vom 27. Januar 2011 verwiesen.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 24. November 2010, 60 Ca 5689/10, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung und tritt den Ausführungen der Beklagten in der Berufungsinstanz entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der in der Berufungsinstanz wird auf den Berufungsbeantwortungsschriftsatz vom 14. Februar 2011 verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist gemäß den §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 b ArbGG statthaft und frist- und formgerecht i.S.d. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung der Beklagten hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Berechnung des Mindestnettobetrages nach § 5 Abs. 2 TV ATZ i. V. m. § 4 Abs. 1 der Altersteilzeitarbeitsvereinbarung der Parteien nach den Vorschriften zur Berechnung des Leistungsentgelts des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (§ 133 SGB III). Dies ergibt sich aus der ergänzende Auslegung der insoweit lückenhaft gewordenen Regelung in § 5 Abs. 3 TV ATZ.

1. Gemäß § 3 der Altersteilzeitvereinbarung erhält der Kläger Entgelt entsprechend der reduzierten Arbeitszeit, also für 18,25 Wochenstunden, das gemäß § 4 der Altersteilzeitvereinbarung über § 3 Abs. 1a AltTZG i.V.m. § 5 Abs. 1 TV ATZ (Aufstockung um 20%) hinaus auf 100% des bisherigen Arbeitsentgelts i.S.d. § 5 Abs. 2 TV ATZ aufgestockt wird.

Nach § 5 Abs. 2 TV ATZ ist als bisheriges Arbeitsentgelt anzusetzen das gesamte, dem Grunde nach beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer für eine Arbeitsleistung bei bisheriger wöchentliche Arbeitszeit zu beanspruchen hätte.

Obwohl sich grundsätzlich das monatlich an den Kläger zu leistende Altersteilzeitentgelt hiernach schon ohne weiteres berechnen ließe und zwar Monat für Monat individuell, hat der Kläger nach Auffassung der erkennenden Berufungskammer lediglich Anspruch auf Berechnung seines monatlichen Altersteilzeitentgelts nach den Regelungen des TV ATZ, denn die Altersteilzeitvereinbarung vom 10. Juli 2009 ist auf Grundlage des AltTZG, des TV ATZ und der Vorstandsverfügung Nr. 2/2009 geschlossen, so dass deren Regelungen auch ohne ausdrückliche Erwähnung im Vereinbarungstext heranzuziehen sind.

Demzufolge richtet sich auch die Berechnung des Entgelts des Klägers nach den im TV ATZ niedergelegten Grundsätzen. Das bedeutet zunächst, dass bei der Berechnung des bisherigen Nettoarbeitsentgelts nicht die individuellen Merkmale des Klägers in Ansatz zu bringen sind, sondern eine pauschalierte Berechnung erfolgt, was dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Tarifvertragsparteien die gesetzlichen Vorschriften des AltTZG zum Inhalt des § 5 Abs. 3 TV ATZ gemacht haben. Durch die Verweisung auf die Rechtsverordnung nach § 15 S. 1 Nr. 1 AltTZG in § 5 Abs. 3 S. 1 TV ATZ sowie die Wiedergabe der Berechnungsmethode, nach der diese Rechtsverordnung aufgestellt wird, in § 5 Abs. 3 S. 2 TV ATZ ergibt sich zweifelsfrei der Wille der Tarifvertragsparteien zur pauschalierten Berechnung. Diese grundsätzliche Entscheidung der Tarifvertragsparteien ist auch vorliegend für die Berechnung des Altersteilzeitentgelts des Klägers aufgrund der einführenden Bezugnahme auf den TV ATZ zu beachten.

Zweifelhaft hingegen ist, ob die einleitende Bezugnahme auf den TV ATZ auch die Zugrundelegung der konkreten auf Grundlage des § 15 Abs. 1 AltTZG erlassene Mindestnettobetragsverordnung zur Berechnung des Altersteilzeitentgelt des Klägers, also die Anwendung des in der Vereinbarung nicht in Bezug genommenen § 5 Abs. 3 S. 1 TV ATZ, vorschreibt oder auch nur rechtfertigt.

2. Letztlich konnte die erkennende Berufungskammer dies jedoch unentschieden dahinstehen lassen, denn selbst bei Heranziehung des § 5 Abs. 3 S. 1 TV ATZ hat der Klägeranspruch auf die von ihm begehrte Berechnung seines AltTZG, denn die Regelung des § 5 Abs. 3 TV ATZ ist nach Auffassung der erkennenden Berufungskammer lückenhaft geworden und diese Lücke war durch Auslegung zu schließen.

Es war davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien bei Abschluss des TV ATZ sowie der Änderungstarifverträge Nr. 1 und 2 davon ausgingen, dass das zuständige Bundesministerium eine jährlich angepasste Mindestnettobetragsverordnung erlässt, denn zurzeit des Abschlusses des TV ATZ am 05. Mai 1998 sowie des Abschlusses des letzten Änderungstarifvertrages am 30. Juni 2000, nämlich konkret bis zum 30. Juni 2004, regelte § 15 AltTZG die Pflicht zum jährlichen Erlass einer Rechtsverordnung auf Grundlage der jeweils geltenden Normen des AFG später SGB III zur Berechnung des Leistungsentgelts.

Aus dem Umstand, dass die Tarifvertragsparteien trotz der gesetzlichen Änderung per 01. Juli 2004, wonach keine kalenderjährliche Erlasspflicht mehr besteht, § 5 Abs. 3 TV ATZ nicht abgeändert haben, kann nach Auffassung der erkennenden Berufungskammer nicht geschlossen werden, dass die Tarifvertragsparteien sich aus Vereinfachungsgründen von ihrer ehemals gegebenen Vorstellung der Berechnung des Altersteilzeitentgeltes auf Basis einer jeweils aktuellen Mindestnettobetragestabelle gelöst hätten. Nach der Gesetzesänderung erließ das zuständige Ministerium nämlich am 15. Dezember 2004 eine ab 01. Januar 2005 geltende Mindestnettobetragsverordnung. Diese galt zwar ohne Änderung bis zum 31. Dezember 2007 fort, die steuerlichen Abzüge änderten sind sich in diesem Zeitraum jedoch nicht wesentlich.

Mit Wirkung vom 01. Januar 2008 erließ das zuständige Ministerium sodann eine neue Rechtsverordnung, die nach wie vor gültig ist. Während jedoch das Ministerium die Fortgeltung der Rechtsverordnung für 2009 mit den lediglich geringfügigen Änderungen gegenüber 2008 begründete, führte das Ministerium als Grund für die Fortgeltung der Verordnung für das Jahr 2010 das Auslaufen der Förderung nach dem AltTZG zum 30. Juni 2010 sowie die geringe Anzahl von nur noch ca. 1000 Altfällen im gesamten Bundesgebiet an.

Vor diesem Hintergrund kann nach Auffassung der erkennenden Berufungskammer aus dem Umstand, dass die Tarifvertragsparteien die Gesetzesänderung im Jahre 2004 bis heute nicht zum Anlass nahmen den am 31. Dezember 2009 ausgelaufenen Tarifvertrag zu ändern, lediglich schließen, dass die Tarifvertragspartei bis 2009 bewusst dem Vereinfachungszweck den Vorzug vor der lediglich prozentual geringfügigen Aktualisierung gaben und darauf vertrauten, dass das Ministerium bei einschneidenderen Veränderungen handeln werde. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien nicht vorhergesehen haben, dass das zuständige Ministerium die Rechtsverordnung fortgelten lässt aus Gründen, die nicht mit der Änderung der Abzüge in Zusammenhang stehen.

Das Nichthandeln der Tarifvertragsparteien auch anlässlich der im Jahre 2010 eintretenden steuerlichen Änderungen hat nach Auffassung der erkennenden Berufungskammer in Anbetracht des Umstandes, dass der Tarifvertrag bereits ausgelaufen war und die Tarifvertragsparteien sich in Verhandlungen über eine Nachfolgeregelung befanden, keinen Erklärungswert.

Die so entstandene Lücke des Tarifvertrages kann nach Auffassung der erkennenden Berufungskammer unproblematisch dadurch geschlossen werden, dass für die Berechnung des Altersteilzeitentgelts die der Aufstellung der Mindestnettobetragsverordnung zu Grunde liegende und von den Tarifvertragsparteien in § 5 Abs. 3 S. 2 TV ATZ wiedergegebene Berechnungsmethode herangezogen wird.

3. Der Anspruch des Klägers auf Berechnung seines Altersteilzeitentgelts nach der begehrten Methode ergibt sich nach Auffassung der erkennenden Berufungskammer auch wegen des Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, denn der Kläger erhält im Vergleich zu den Mitarbeitern, deren Entgelt das höchste in der Mindestnettobetragsverordnung ausgewiesene Arbeitsentgelt übersteigt, ein geringeres Altersteilzeitentgelt.

Bei Schaffung der Regelung des § 5 Abs. 3 durch die Tarifvertragsparteien gab es diesbezüglich keine Unterschiede, da die Tarifvertragsparteien die Berechnungsmethode, die das zuständige Ministerium bei Aufstellung der Mindestnettobetragstabelle, die in S. 1 in Bezug genommen wurde, jährlich zu Grunde zu legen hatte, in S. 2 noch einmal wiedergegeben haben.

Es war allzu davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien eine Ungleichbehandlung gerade nicht beabsichtigt haben. Die in den Jahren ab der Gesetzesänderung eingetretene Ungleichbehandlung kann daher nach Auffassung der erkennenden Berufungskammer durch den von den Tarifvertragsparteien beabsichtigten Vereinfachungszweck nicht sachlich gerechtfertigt werden.

Nach alledem war die Berufung der Beklagten mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.

III.

Gegen diese Entscheidung war gemäß § 72 Abs. 2 S. 1 ArbGG die Revision für die Beklagte zuzulassen.