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Winterbeschäftigungsumlage - Baubetrieb - Baumarkt - Säumniszulage - Baubetriebs-Verordnung


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 18. Senat Entscheidungsdatum 10.10.2018
Aktenzeichen L 18 AL 28/18 ECLI ECLI:DE:LSGBEBB:2018:1010.L18AL28.18.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 354 SGB 3, § 109 Abs 3 SGB 3, § 216 Abs 2 SGB 3, § 101 Abs 2 SGB 3

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 8. November 2017 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für das Klage- und Berufungsverfahren auf jeweils 3.146,20 € festgesetzt.

Tatbestand

Streitig ist die Verpflichtung der Klägerin zur Entrichtung von Winterbeschäftigungsumlage (WU) und Säumniszuschlägen iHv insgesamt 3.146,20 €.

Die Klägerin erwarb im Jahr 2006 vom Landkreis T-F Schloss und Gutshof St mit den dazugehörigen Grundstücken. Die Gebäude befanden sich in sanierungsbedürftigem Zustand. Nachdem die Klägerin ein Nutzungskonzept für einen Beherbergungsbetrieb und einen Reiterbetrieb erarbeitet hatte, meldete sie am 25. Mai 2007 entsprechend diesem Nutzungskonzept ein Gewerbe „Durchführung von Veranstaltungen einschließlich gastronomischer Versorgung (ohne Ausschank alkoholischer Getränke), Beherbergung, Betrieb einer Reitanlage, Beginn der angemeldeten Tätigkeit 1. Januar 2006“ an. Im Jahr 2009/2010 begann die Klägerin mit der Durchführung der Sanierungsmaßnahmen am Schloss und an den Gebäuden des Gutshofs. Zu diesem Zweck beauftragte sie Fremdfirmen und Architekten und stellte im Juli 2011 fünf Mitarbeiter ein, und zwar als Bauhelfer (G K, 11. Juli 2011 bis 8. Oktober 2011), Maurer und Allround-Handwerker (W D, 20. Juli 2011 bis 8. Dezember 2012), Zimmerer und Allround-Handwerker (D R, 4. Juli 2011 bis 3. April 2012), Maurer (L M, 20. Juli 2011 bis 7. Dezember 2012) und Bauhelfer (M L, 19. Juli 2011 bis 7. Dezember 2012). In den jeweiligen, auf zwei Jahre befristeten Arbeitsverträgen wurde unter anderem ausgeführt, die Tätigkeiten der Mitarbeiter seien bei der Sanierung der denkmalgeschützten Gutshofanlage Schloss St und bei der Errichtung der Reitanlage von Schloss St zu erbringen. Das Aufgabengebiet umfasse 2011 die Fertigstellung der Gutshäuser sowie Restarbeiten im Schloss und in 2012 die Errichtung der Reitanlage mit Reithalle und Stallgebäuden. Die Arbeitnehmer konnten des Weiteren für Arbeiten im Bereich des Garten- und Landschaftsbaus bzw – pflege eingesetzt werden. Für die Sanierung erhielt die Klägerin Fördermittel vom Land Brandenburg. Alle Arbeitnehmer wurden im Dezember 2012 entlassen. Die Klägerin nutzt das Anwesen seitdem als Veranstaltungsort für Großveranstaltungen (Hochzeiten, Tagungen und Konzerte), es finden auch Photo-Shootings bzw Dreharbeiten statt. Die Klägerin vermietet zu diesem Zweck die Räumlichkeiten und Zimmer und Suiten für insgesamt 94 Personen. Ein Teil der Räumlichkeiten im Schlossgebäude wird von der Klägerin und ihrem Ehemann zu eigenen Wohnzwecken genutzt.

Die Agentur für Arbeit P stellte nach Prüfung des Betriebes der Klägerin am 11. August 2011 fest, dass es sich seit dem 11. Juli 2011 um einen Baubetrieb im Sinne der Baubetriebe-Verordnung handle. Daraufhin wurde der Klägerin durch Bescheid der Beklagten vom 24. Januar 2013 mitgeteilt, dass sie ihrer Verpflichtung zur Meldung bzw. zur Zahlung der WU nicht nachgekommen sei und deshalb für den Zeitraum Dezember 2011 bis April 2012 insgesamt 1.250,- € als WU zzgl 6,55 € Mahngebühren erhoben würden. Da keine Meldungen über Bruttolohnsummen vorlägen, seien die Umlagebeträge geschätzt worden. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und machte geltend, sie führe keinen gewerblichen Baubetrieb und sei deshalb nicht zur Erbringung einer Umlage verpflichtet. Durch Bescheid vom 20. Februar 2013 setzte die Beklagte die Beiträge der Klägerin zur WU für Mai 2012 bis September 2012 iHv 1.250,- € nebst Mahngebühren iHv 6,55 € fest. Auch hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Durch Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2015 wies die Beklagte die Widersprüche der Klägerin als unbegründet zurück. Im Betrieb der Klägerin seien im Rahmen der Renovierung des Schlosses und des Gutshofs St zeitlich überwiegend und gewerblich bauliche Leistungen im Sinne der Baubetriebe-Verordnung (BaubetrV) ausgeführt worden. Die Arbeiten hätten nicht ausschließlich dem Eigenbedarf gedient, sondern seien auf nachhaltige Gewinnerzielung gerichtet gewesen, da die Klägerin die Absicht gehabt habe, Teile des Schlosses und der Gebäude als Beherbergungsbetrieb und fremdgenutzte Reitanlage zu nutzen.

Durch Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg (LAG) vom 16. September 2014 - 1 Sa 1441/14 - wurde die Klägerin verurteilt, für den Zeitraum von Juli 2011 bis November 2011 Sozialkassenbeiträge zu zahlen, weil der Betrieb dem betrieblichen Geltungsbereich nach § 1 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV Bau) unterfalle. Durch Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 19. Mai 2016 – 65 Ca 61397/15 –, bestätigt durch Urteil des LAG vom 16. November 2017 - 14 Sa 989/17 - erfolgte eine entsprechende Verurteilung der Klägerin für die Zeit von Dezember 2011 bis Dezember 2012 (Zugelassene Revision anhängig).

Am 20. Februar 2015 hat die Klägerin gegen die Bescheide vom 24. Januar 2013 und 20. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2015 vor dem Sozialgericht P (SG) Klage erhoben. Die Mitarbeiter der Klägerin seien zur Instandsetzung des Gutshofes Schloss St eingesetzt gewesen und hätten überwiegend Reparatur- und Instandhaltungsmaßnahmen ausgeführt. Deshalb habe es sich bei der Sanierung nicht um eine baugewerbliche Tätigkeit gehandelt. Vielmehr sei ein Großteil der Arbeiten durch externe Fachfirmen, die von zwei Architekten beauftragt worden seien, ausgeführt worden. Allein aus der Anmeldung eines Gewerbes durch die Klägerin könne nicht geschlossen werden, dass die Tätigkeit auf eine nachhaltige Gewinnerzielung gerichtet gewesen sei. Durch die Schaffung von Beherbergungsmöglichkeiten sei nicht die Schaffung einer berufsmäßigen, auf Gewinnerzielung gerichteten Erwerbsquelle beabsichtigt gewesen, denn durch die Nutzung des Schlosses und des Gutshofes als Beherbergungsbetrieb seien keine nachhaltigen Einnahmen erzielbar, es könnten lediglich die Kosten der Unterhaltung der Anlage erwirtschaftet werden. Die Zimmer und Suiten hätten zudem nur im Rahmen von besonderen Feierlichkeiten angemietet werden können, dementsprechend seien im Jahr 2012 lediglich 10 und im Jahr 2013 lediglich acht Hochzeiten durchgeführt worden. Dabei habe die Klägerin nur die Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt und die Zimmer und Suiten an die Gäste vermietet. Durch die durch den Beherbergungs- und Veranstaltungsbetrieb erzielten Einnahmen seien jedoch nicht nur die für die Erhaltung des Anwesens erforderlichen Arbeitskräfte entlohnt, sondern auch weitere Sanierungs- und Erhaltungsmaßnahmen finanziert worden. Eine nachhaltige Vermögensmehrung habe nicht stattgefunden, die Tätigkeit habe nicht der Schaffung eines Vermögens gedient, dessen Verwertung auch beabsichtigt gewesen sei. Vielmehr sei die Immobilie als Altersruhesitz für die Klägerin und deren Ehemann erworben worden. Die zwischenzeitlich testamentarisch fixierte Überleitung des Schlossbetriebs in eine Kulturstiftung im Falle des Ablebens der Klägerin und ihres Ehemannes belege, dass keine Gewinnerzielungs- oder -vermehrungsabsicht bestehe.

Durch Leistungsbescheid vom 23. Dezember 2015 hat die Beklagte die WU für den Zeitraum Juli 2011 bis November 2011 iHv 692,64 € zzgl Mahngebühren iHv 5,- € geltend gemacht und durch weiteren Leistungsbescheid vom 23. Dezember 2015 WU iHv 2000,- € zzgl. 10,- € Mahngebühren für den Zeitraum Oktober 2012 bis Mai 2013. Gegen diese Bescheide hat die Klägerin mit Schreiben vom 5. Januar 2016 Widerspruch eingelegt. Ebenfalls durch Bescheid vom 23. Dezember 2015 hat die Beklagte Säumniszuschläge bis zum 23. Dezember 2015 iHv insgesamt 562,50 € gefordert.

Durch Änderungs-Leistungsbescheid vom 1. März 2016 hat die Beklagte unter Abänderung des Änderungs-Leistungsbescheides vom 20. Februar 2013 für den Zeitraum 1. Mai 2012 bis 30. September 2012 WU iHv 1947,60 € zzgl. 10,- € Mahngebühren festgestellt.

Durch Änderungs-Leistungsbescheid vom 1. März 2016 hat die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 24. Januar 2013 eine WU für den Zeitraum Dezember 2011 bis April 2012 iHv 1.851,13 € zzgl. 9,55 € Mahngebühren errechnet.

Durch weiteren Änderungs-Leistungsbescheid vom 1. März 2016 hat die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 23. Dezember 2015 WU iHv 725,96 € zzgl Mahngebühren iHv 5,- € für den Zeitraum Juli 2011 bis November 2011 gefordert.

Ebenfalls durch Änderungs-Leistungsbescheid vom 1. März 2016 hat die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 23. Dezember 2015 WU iHv 2.320,- € zzgl Mahngebühren iHv 12,- € für den Zeitraum Oktober 2012 bis Mai 2013 gefordert.

Durch weiteren Änderungs-Leistungsbescheid vom 1. März 2016 hat die Beklagte für den Zeitraum 17. Januar 2012 bis 18. Juni 2013 unter Abänderung des Bescheides vom 1. März 2016 Säumniszuschläge iHv 571,50 € festgestellt.

Unter Abänderung der jeweiligen Bescheide vom 1. März 2016 hat die Beklagte durch Änderungs-Leistungsbescheid vom 14. März 2016 für den Zeitraum Oktober 2012 bis Mai 2012 WU iHv insgesamt 1.570,- € zzgl Mahngebühren iHv 10,- €, durch Änderungs-Leistungsbescheid vom 14. März 2016 für den Zeitraum Mai 2012 bis September 2012 WU iHv insgesamt 697,60 € zzgl Mahngebühren iHv 6,55 €, durch Änderungs-Leistungsbescheid vom 14. März 2016 WU für den Zeitraum Dezember 2011 bis April 2012 iHv 619,20 € zzgl Mahngebühren iHv 6,55 € gefordert und durch Änderungs-Leistungsbescheid vom 14. März 2016 für die Sollmonate Juli 2011 bis September 2012 Säumniszuschläge für den Zeitraum 17. Januar 2012 bis 18. Juni 2013 iHv insgesamt 234,- € festgesetzt.

Gegen die Bescheide vom 14. März 2016 und die Bescheide vom 1. März 2016 hat die Klägerin mit Schreiben vom 21. März 2016 Widerspruch eingelegt.

Mit Bescheid vom 17. März 2016 hat die Beklagte die Säumniszuschläge iHv 1.725 € bis zum 17. März 2016 festgestellt.

Durch Widerspruchsbescheid vom 21. März 2016 hat die Beklagte den von der Klägerin mit Schreiben vom 8. Januar 2016 eingelegten Widerspruch gegen die Festsetzung der WU als unbegründet zurückgewiesen und den Forderungsbetrag berichtigt (725,40 €). Durch Widerspruchsbescheid vom 23. März 2016 hat die Beklagte den gegen die Festsetzung des Säumniszuschlages im Bescheid vom 14. März 2016 eingelegten Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 7. April 2016 hat die Klägerin ihre Klage betreffend die Festsetzung der WU für die Zeiträume 1. Juli 2011 bis 30. November 2011 und 1. Oktober 2012 bis 31. Mai 2013 erweitert, die Beklagte hat der Klageerweiterung mit Schriftsatz vom 6. Mai 2016 zugestimmt.

Durch Änderungs-Leistungsbescheid vom 2. Mai 2016 hat die Beklagte für die Sollmonate Juli 2011 bis Mai 2013 im Zeitraum 23. Juli 2013 bis 22. Dezember 2015 Säumniszuschläge iHv insgesamt 952,50 € festgestellt und den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 17. März 2016 durch Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2016 als unbegründet zurückgewiesen. Mit Schriftsatz vom 18. Mai 2016 hat die Klägerin ihre Klage auch dahingehend erweitert.

Durch Änderungsbescheid vom 22. Juli 2016 hat die Beklagte die für die Sollmonate Juli 2011 bis Dezember 2012 im Zeitraum vom 23. Juli 2013 bis 22. Dezember 2015 angefallenen Säumniszuschläge auf insgesamt 540,- € festgesetzt, nachdem die Klägerin mitgeteilt hatte, dass sie ab Januar 2013 keine Arbeitnehmer mehr beschäftige. Durch weiteren Änderungsbescheid vom 22. Juli 2016 hat die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 14. März 2016 die WU für den Zeitraum Oktober 2012 bis Dezember 2013 iHv 320,00 € festgesetzt und die Festsetzung für die Zeit ab Januar 2013 aufgehoben. Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis der Beklagten angenommen.

Durch Urteil vom 8. November 2017 hat das SG der Klage stattgegeben und die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Eine Verpflichtung der Klägerin zur Abführung der WU habe nicht bestanden. Denn bei dem von der Klägerin im streitigen Zeitraum geführten Betrieb habe es sich nicht um einen Betrieb des Baugewerbes iSd § 101 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) gehandelt. Die im Betrieb der Klägerin beschäftigten Personen hätten keine Bauleistungen auf dem Baumarkt erbracht und insbesondere nicht überwiegend gewerbliche Bauleistungen. Ob ein solcher Betrieb vorliege, sei sozialrechtlich zu beurteilen, weshalb den arbeitsgerichtlichen Urteilen keine präjudizielle Wirkung zukomme. Entscheidend für die Umlageverpflichtung sei, welche Tätigkeit dem Betrieb das Gepräge gebe. Der Betrieb der Klägerin sei jedoch auf Beherbergung ausgerichtet, Produktionsaufgaben und Produktionsziele seien nicht auf die Herstellung von Bauwerken und auf das Erbringen sonstiger baulicher Leistungen auf dem allgemeinen Baumarkt gerichtet gewesen.

Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Sie meint, im streitgegenständlichen Zeitraum habe es sich bei dem Betrieb der Klägerin um einen Baubetrieb im Sinne des § 101 Abs. 2 SGB III gehandelt, weshalb die Klägerin zur Entrichtung von WU verpflichtet sei. Die von der Klägerin im Juli 2011 eingestellten fünf Arbeitnehmer hätten ausschließlich bauliche Arbeiten verrichtet. Dementsprechend sei im Urteil des LAG vom 16. April 2014 ausgeführt worden, dass die Arbeitnehmer ausnahmslos bauliche, vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasste Arbeiten ausgeführt hätten. Der Positivkatalog des VTV sei jedoch überwiegend identisch mit § 1 Abs. 2 BaubetrV, so dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Auslegung der Tatbestände der BaubetrV die entsprechenden Regelungen der Tarifverträge der Bauwirtschaft heranzuziehen seien. Die von den Arbeitnehmern der Klägerin ausgeführten Arbeiten hätten als bauliche Tätigkeiten der Herstellung bzw der Instandsetzung, Instandhaltung und Änderung von Bauwerken iSd § 101 Abs. 2 Satz 2 SGB III gedient. Die Klägerin habe mit ihrem Betrieb auch gewerblich überwiegend Bauleistungen auf dem Baumarkt erbracht. Bei den sanierten Gebäuden habe es sich auch nicht um Gebäude gehandelt, die von der Klägerin und deren Ehemann selbst genutzt werden sollten, vielmehr seien die darin befindlichen Räumlichkeiten vermietet worden. Damit habe sich die Betriebstätigkeit der Klägerin nicht in der Befriedigung von Eigenbedarf erschöpft.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 8. November 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend. Der Begriff der baugewerblichen Tätigkeit nach § 101 Abs. 2 SGB III bzw § 175 Abs. 2 SGB III in der bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung könne nicht mit jenem gleichgesetzt werden, der der Einstufung von Unternehmen nach § 1 Abs. 2 VTV Bau zugrunde zu legen sei. Erforderlich sei für eine baugewerbliche Tätigkeit nach § 101 Abs. 2 SGB III, dass der Betrieb überwiegend Bauleistungen auf dem Baumarkt erbringe. Die Mitarbeiter der Klägerin hätten jedoch unstreitig keinerlei Bautätigkeiten auf dem Baumarkt erbracht, an betriebsfremden Bauobjekten seien keinerlei Leistungen erbracht worden. Es komme insoweit nicht darauf an, ob die Leistungen als solche als gewerblich einzustufen seien.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (vgl §§ 153 Abs. 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung geworden sind.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat die im Tenor des angefochtenen Urteils bezeichneten Bescheide zu Recht aufgehoben. Denn diese sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Sie ist im streitbefangenen Umfang nicht zur Entrichtung der WU und der Säumniszuschläge verpflichtet.

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind folgende Bescheide:

Winterbeschäftigungs-Umlage Zeitraum 1. Juli 2011 bis 30. September 2011

Bescheid vom 23. Dezember 2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 1. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2016:

WU: 735,40 €
Mahngebühren 5,00 €

Winterbeschäftigungs-Umlage Zeitraum 1. Dezember 2011 - 30. April 2012

Bescheid vom 24. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2015 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 1. März 2016 und vom 14. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2016:

WU: 619,20 €
Mahngebühren 6,55 €

Die Bescheide vom 1. März 2016, 14. März 2016 und vom 21. März 2016 sind gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden.

Winterbeschäftigungs-Umlage Zeitraum 1. Mai 2012 bis 30. September 2012

Bescheid vom 20. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2015 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 1. März 2016 und vom 14. März 2016:

WU: 697,60 €
Mahngebühren 6,55 €

Die Bescheide vom 1. März 2016 und vom 14. März 2016 sind gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden.

Winterbeschäftigungs-Umlage Zeitraum 1. Oktober 2012 bis 31. Dezember 2013

Bescheid vom 23. Dezember 2015 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 1. März 2016 und vom 14. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2016 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 22. Juli 2016:

320,- €

Säumniszuschläge Zeitraum 17. Januar 2012 bis 18. Juni 2013

Bescheid vom 23. Dezember 2015 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 1. März 2016 und 14. März 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. März 2016

234,- €

Säumniszuschläge Zeitraum 23. Juli 2013 bis 22. Dezember 2015

Bescheid vom 17. März 2016 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 2. Mai 2016 und in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2016 und des Bescheides vom 22. Juli 2016.

540,00 €

Die streitigen Zeiträume 1. Juli 2011 bis 30. November 2011 und 1. Oktober 2012 bis 31. Mai 2013 sind durch Klageänderung gemäß § 99 Abs. 1 SGG, der die Beklagte zugestimmt hat, Gegenstand des Rechtsstreits geworden. Hinsichtlich der Säumniszuschläge für den Zeitraum 23. Juli 2013 bis 22. Dezember 2015 liegt ebenfalls eine zulässige Klageänderung vor, auf die sich die Beklagte ohne zu widersprechen eingelassen hat (vgl § 99 Abs. 2 SGG).

Gemäß § 354 SGB III (in der ab dem 1. April 2006 geltenden Fassung des Gesetzes zur Förderung ganzjähriger Beschäftigung - BGBl I S 926 - <aF>, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 2011 - BGBl I S 2854 -, in Kraft ab 1. April 2012) und der hierzu erlassenen Verordnung werden die Mittel für die ergänzenden Leistungen nach § 175a SGB III aF (ab 01. April 2012 § 102 SGB III) einschließlich der Verwaltungskosten und der sonstigen Kosten, die mit der Gewährung dieser Leistungen zusammenhängen, in den durch Verordnung nach § 182 Abs. 3 SGB III aF (ab 1. April 2012 § 109 Abs.3 SGB III) bestimmten Wirtschaftszweigen durch Umlage erbracht. Die Umlage wird unter Berücksichtigung von Vereinbarungen der Tarifvertragsparteien der Wirtschaftszweige von Arbeitgebern oder gemeinsam von Arbeitgebern und Arbeitnehmern aufgebracht und getrennt nach Zweigen des Baugewerbes und weiteren Wirtschaftszweigen abgerechnet (§ 354 Satz 2 SGB III).

Nach § 182 Abs. 3 SGB III aF (jetzt § 109 Abs. 3 SGB III) wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, auf Grundlage von Vereinbarungen der Tarifvertragsparteien durch Rechtsverordnung festzulegen, ob, in welcher Höhe und für welche Arbeitnehmer die ergänzenden Leistungen nach § 175a Abs. 2 bis 4 SGB III aF (ab 01.04.2012 § 102 Abs. 2 bis 4 SGB III) in den Zweigen des Baugewerbes und den einzelnen Wirtschaftszweigen erbracht werden. Näheres ist in der seit dem 1. Mai 2006 in Kraft getretenen Winterbeschäftigungs-Verordnung, zuletzt geändert durch Artikel 1 der Fünften Verordnung zur Änderung der Winterbeschäftigungs-Verordnung vom 24. Juni 2013 (BGBl. I S 1681), geregelt. Mit der Winterbeschäftigungs-Umlage (§§ 354-356 SGB III) bringen Arbeitnehmer und Arbeitgeber der Bauwirtschaft die Mittel für die das beitragsfinanzierte Saison-Kurzarbeitergeld ergänzenden Leistungen (Zuschuss-Wintergeld, Mehraufwands-Wintergeld sowie Sozialversicherungsbeiträge) auf.

Mit der aufgrund des § 216 Abs. 2 SGB III aF erlassenen BaubetrV vom 28. Oktober 1980 (BGBl. I S 2033), zuletzt geändert durch Art. 37 des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20. Dezember 2011 (BGBl I S 2854) wird bestimmt, in welchen Zweigen des Baugewerbes die ganzjährige Beschäftigung in der Bauwirtschaft zu fördern ist und welche Zweige nicht in die Förderung einbezogen sind.

Nach Maßgabe der obigen Grundsätze unterfällt der Betrieb der Klägerin in der streitgegenständlichen Zeit nicht dem Anwendungsbereich der BaubetrV. Gemäß § 175 Abs. 2 Satz SGB III aF (ab 1. April 2012 § 101 Abs. 2 SGB III) ist ein Betrieb des Baugewerbes ein Betrieb, der gewerblich überwiegend Bauleistungen auf dem Baumarkt erbringt. Daran fehlt es vorliegend jedoch bereits deshalb, weil die von den Mitarbeitern der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum erbrachten Bauleistungen nicht auf dem Baumarkt gewerblich erbracht wurden. Durch dieses Tatbestandsmerkmal wird klargestellt, dass nur allgemein auf diesem Markt angebotene Bauleistungen die betriebliche Zuordnung zu § 101 Abs. 1 Nr. 1 SGB III ermöglichen. Werden wie vorliegend nur für eigene Zwecke des Unternehmens Bautätigkeiten entfaltet und Bauleistungen für den Betrieb durch eigene Mitarbeiter erbracht, ohne dass diese auf dem Baumarkt angeboten oder nachgefragt werden, so ist eine Zuordnung zum Anwendungsbereich des § 101 SGB III ausgeschlossen (vgl Urteil des BSG vom 23. November 1981 - 10 RAr 13/81 – juris – Rn 24). Denn bei diesen Betrieben realisiert sich nicht das spezifische Risiko eines Betriebes, der seine Leistungen auf dem Markt anbietet und dessen wirtschaftliche Existenz in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Wetter steht (vgl Müller-Grune in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, Stand 3. August 2016, Rn 39 zu § 101; Kühl in Brand, Kommentar zum SGB III, Rn 16 zu § 101). Die Gewinnerzielung erfolgt bei solchen Betrieben aus der Nutzung der Gebäude und nicht aus der Erbringung der Bauleistungen für den eigenen Bedarf. Es liegt deshalb bereits keine gewerbliche Erbringung von Bauleistungen vor (vgl § 101 Abs. 2 Satz 1 SGB III).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der Streitwert – auch für das erstinstanzliche Verfahren (vgl zur Änderungsbefugnis des Rechtsmittelgerichts § 63 Abs. 3 Gerichtskostengesetz <GKG>; BSG, Beschluss vom 10. Juni 2010 – B 2 U 4/10 B = SozR 4-1920 § 43 Nr 1) - wird gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm den §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 3 GKG auf 3.146,20 € festgesetzt (zur Nichtanwendbarkeit des § 43 Abs. 1 GKG auf Säumniszuschläge vgl BSG aaO).

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.