Gericht | OLG Brandenburg 2. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 08.03.2017 | |
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Aktenzeichen | 10 WF 27/17 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2017:0308.10WF027.17.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 1712 BGB, § 1715 BGB |
Zur Frage, wann sich der Unterhaltsschuldner dem minderjährigen Kind gegenüber darauf berufen kann, es sei infolge einer noch bestehenden Beistandschaft seitens des Jugendamtes durch die das Verfahren einleitende Mutter nicht gesetzlich vertreten.
1.1. Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.
Dem Antragsgegner wird zur Rechtsverteidigung in vollem Umfang Verfahrenskostenhilfe bewilligt. Auch insoweit wird ihm Rechtsanwältin … in H… beigeordnet.
Kosten werden nicht erstattet.
Die gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Dem Antragsgegner ist für die beabsichtigte Rechtsverteidigung Verfahrenskostenhilfe in vollem Umfang zu bewilligen, da insgesamt hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht, §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Im summarischen Verfahren der Verfahrenskostenhilfe (vgl. hierzu Zöller/Geimer, ZPO, 31. Aufl., § 114 Rn. 19; Verfahrenshandbuch Familiensachen/Gutjahr, 2. Aufl., § 1 Rn. 167) ist zugunsten des Antragsgegners davon auszugehen, dass der Antragsteller im gerichtlichen Verfahren nicht ordnungsgemäß vertreten ist, mithin der Antrag auf Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung von Kindesunterhalt unzulässig ist.
Gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 51 Abs. 1 ZPO bestimmt sich die Fähigkeit eines Beteiligten, vor Gericht zu stehen, die Vertretung nicht verfahrensfähiger Beteiligter durch andere Personen (gesetzliche Vertreter) und die Notwendigkeit einer besonderen Ermächtigung zur Verfahrensführung nach den Vorschriften des Bürgerlichen Rechts, soweit nichts Abweichendes geregelt ist. Wer sich auf Verfahrensunfähigkeit beruft, muss entsprechende Tatsachen für hinreichende Anhaltspunkte vortragen. Lässt sich nicht feststellen, oder verbleiben nicht klärbare Zweifel, ob einer Beteiligter verfahrensfähig ist, so muss er als verfahrensunfähig angesehen werden (Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 35. Aufl., § 52 Rn. 8). Die fehlende Verfahrensvoraussetzung würde zur Abweisung des Antrags als unzulässig führen (vgl. Zöller/ Vollkommer, a.a.O., § 52 Rn. 12).
Der Antragsgegner macht hier geltend, der minderjährige Antragsteller sei durch die im Rubrum des Antrags genannte Mutter nicht ordnungsgemäß gesetzlich vertreten, weil eine Beistandschaft des Jugendamts bestehe. Wenn dieser Einwand durchgreift, ist allerdings von Unzulässigkeit des Antrags auszugehen.
Zwar wird gemäß § 1716 Satz 1 BGB durch die Beistandschaft die elterliche Sorge nicht eingeschränkt. Das hat grundsätzlich zur Folge, dass die elterliche Sorge und die Beistandschaft nebeneinander bestehen und der sorgeberechtigte Elternteil und der Beistand Unterhalt außergerichtlich parallel geltend machen können (vgl. Palandt/Götz, BGB, 76. Aufl., § 1716 Rn. 1). Anders verhält es sich aber im gerichtlichen Verfahren. Wird das Gericht durch das Jugendamt als Beistand vertreten, ist die Vertretung durch den sorgeberechtigten Elternteil ausgeschlossen, § 234 FamFG. Mithin haben im gerichtlichen Verfahren die Verfahrenshandlungen des Beistands Vorrang (OLG Jena, FamRZ 2014, 965, 966). Der Beistand ist kraft Gesetzes der alleinige Vertreter des Kindes. Der Sorgeberechtigte ist zur Verfahrensführung nicht mehr befugt (Johannsen/ Henrich/Maier, Familienrecht, 6. Aufl., § 234 FamFG Rn. 2). Bestände im vorliegenden Fall Beistandschaft durch das Jugendamt, wäre die Mutter als Sorgeberechtigte nicht mehr befugt, ein Unterhaltsverfahren einzuleiten.
Dafür, dass eine Beistandschaft bestanden hat und auch noch besteht, sind hinreichende Anhaltspunkte gegeben. Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 2.12.2916 ein Schreiben des Landkreises … vom 18.11.2016 vorgelegt, in dem er, der Antragsgegner, um Ausfüllen und Übersendung eines Fragebogens gebeten worden ist. Dabei hat der Landkreis hinsichtlich der Unterhaltsangelegenheit für den Antragsteller ausgeführt, der Antragsgegner sei dem Kind zum Unterhalt verpflichtet, das Kind werde in der Angelegenheit durch das Jugendamt … vertreten. Diese Formulierung spricht eindeutig für eine Beistandschaft.
Dass eine Beistandschaft nicht bestanden hat oder zumindest nicht mehr besteht, hat der Antragsteller nicht hinreichend dargetan. Im Schriftsatz vom 16.1.2017 (Bl. 49) ist allein davon die Rede, der Mutter sei von einer Beistandschaft des Jugendamtes nichts bekannt gewesen, sie selbst habe keine Beistandschaft veranlasst, das Jugendamt sei angeschrieben und um Aufklärung gebeten worden, die Mutter gehe davon aus, das Jugendamt sei tätig geworden, weil von dort aus Unterhaltsvorschussleistungen gezahlt worden seien. Das Ergebnis der Bemühungen um Klärung mit dem Jugendamt hat der Antragsteller aber seither nicht mitgeteilt. Dass das Jugendamt des Landkreises … im Hinblick auf geleisteten Unterhaltsvorschuss tätig geworden ist, kann nicht angenommen werden. Dagegen spricht nicht nur die Formulierung, das Kind werde durch das Jugendamt vertreten. Vielmehr hat der Antragsgegner mit seinem Schriftsatz vom 2.12.2016 (Bl. 18) neben dem Schreiben des Jugendamtes des Landkreises … vom 18.11.2016 (Bl. 21) auch als Anlage AG3 ein Schreiben des Jugendamtes des Bezirksamts M… - Kosteneinziehung - OV - vom 9.11.2016 vorgelegt, in dem das Einverständnis mit der Begleichung von Unterhaltsrückständen durch monatliche Zahlungen in Höhe von 50 € ab November 2016 erklärt wird und die Aufforderung enthalten ist, die Zahlung auf ein angegebenes Konto unter Angabe des Namens des Kindes und der Unterhaltsvorschusskontonummer zu zahlen. Hierbei handelt es sich offensichtlich um einen Unterhaltsvorschussvorgang durch ein B… Jugendamt. Dass darüber hinaus auch noch das Jugendamt des Landkreises M… im Rahmen geleisteten Unterhaltsvorschusses tätig geworden ist, kann mangels hinreichender Anhaltspunkte nicht angenommen werden.
Dafür, dass das Jugendamt des Landkreises … als Beistand tätig geworden ist, spricht auch der Umstand, dass die Beistandschaft gemäß § 1712 Abs. 1 BGB auf schriftlichen Antrag erfolgt und die Beistandschaft auch erst endet, wenn der Antragsteller dies schriftlich verlangt, § 1715 Abs. 1 Satz 1 BGB. Mithin bedarf es insoweit schriftlicher Erklärungen. Dass das Jugendamt hier ohne solche tätig geworden wäre, kann nicht angenommen werden.
Eine Beendigung der Beistandschaft durch das Jugendamt ist nicht belegt. Im angefochtenen Beschluss führt das Amtsgericht aus, das Jugendamt habe dem Gericht gegenüber bestätigt, dass die Beistandschaft beendet sei. Ohne näheren Beleg ist der Antragsgegner aber nicht gehalten, vom Einwand, der Antragsteller sei nicht ordnungsgemäß gesetzlich vertreten, Abstand zu nehmen. Das gilt ungeachtet des in der Akte befindlichen Vermerks, wonach eine Mitarbeiterin des Jugendamtes auf telefonische Anfrage mitgeteilt hat, die Mutter habe die Beistandschaft am 9.12.2016 beendet. Denn damit ist nicht hinreichend sicher nachgewiesen, dass insoweit das Formerfordernis nach § 1715 Abs. 1 Satz 1 BGB beachtet worden ist.
Nur vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass eine Beendigung der Beistandschaft ab 9.12.2016 allerdings zur Zulässigkeit des Antrags des Antragstellers führen würde. Als Verfahrensvoraussetzung muss die Verfahrensfähigkeit nämlich im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung gegeben sein (Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 52 Rn. 12). Da - wie ausgeführt - hinsichtlich des außergerichtlichen Tätigwerdens mit Rücksicht auf § 1613 Abs. 1 BGB Verfahrenshandlungen des sorgeberechtigten Elternteils und des Beistands nebeneinander wirksam sind, wären insoweit vorliegend sowohl die von der Mutter initiierte Antragsschrift, soweit sie auch außergerichtliche Wirkung hat, als auch das Schreiben des Jugendamts des Landkreises … vom 18.11.2016 zu beachten.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.