Gericht | SG Frankfurt (Oder) 29. Kammer | Entscheidungsdatum | 25.01.2012 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | S 29 R 211/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 1 FRG, § 14a FRG, § 15 FRG, Art 4 SozSichAbk POL 1975, Art 5 SozSichAbk POL, Art 17 SozSichAbk POL, Art 18 SozSichAbk POL, Art 27 SozSichAbk POL, § 46 SGB 6, § 67 SGB 6, § 68 SGB 6, § 77 SGB 6, § 254b SGB 6, § 254d SGB 6 |
1. Der § 46 SGB VI begründet einen eigenständigen Anspruch des Hinterbliebenen auf Gewährung einer Hinterbliebenenrente.
2. Liegen die persönlichen Voraussetzungen für die Berücksichtigung von rentenrechtlichen Zeiten in der Person des Hinterbliebenen - hier insbesondere des Deutsch - Polnischen Sozialversicherungsabkommens und des Fremdrentengesetzes nicht vor, kann die inländische Rente des Hinterbliebenen deutlich hinter der Rente des Verstorbenen zurückbleiben.
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Beteiligten streiten um die Höhe einer Witwenrente. Insbesondere ist streitig, ob die im Zeitraum vom 1. August 1945 bis 30. September 1958 vom verstorbenen Ehemann der Klägerin in Polen zurückgelegten Beitragszeiten von der Beklagten bei der Berechnung der deutschen Witwenrente mitberücksichtigt werden müssen.
Der im Jahr 1927 in Polen geborene und am 11. Mai 2010 in Deutschland verstorbene Ehemann der Klägerin lebte und arbeitete bzw. leistete seinen Wehrdienst vom 1. August 1945 bis 30. September 1958 in Polen. Danach siedelte er in das Gebiet der ehemaligen DDR, später Bundesrepublik Deutschland über, wo er weitere Beitragszeiten erarbeitete bzw. Vorruhestandsgeld bezog. Ab dem 1. Januar 1992 bezog der verstorbene Ehemann der Klägerin eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Ab dem 1. Oktober 1992 wurde ihm eine Regelaltersrente gewährt. Bei der Rentengewährung fanden sowohl die in Deutschland als auch die in Polen zurückgelegten Beitragszeiten Berücksichtigung. Zuletzt betrug die Rente des verstorbenen Ehemannes der Klägerin 786,18 Euro, wovon nach Abzug der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung 708,75 Euro zur Auszahlung kamen. Im Jahr 1995 heiraten die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann. In diesem Jahr erfolgte der Zuzug der Klägerin in das Bundesgebiet.
Nach dem Ableben des verstorbenen Ehemannes stellte die Klägerin mit Datum vom 27. Mai 2010 einen Antrag auf Gewährung einer Hinterbliebenenrente bei der Beklagten. Diese wurde ihr mit Bescheid vom 23. September 2010 ab dem 1. Juni 2010 gewährt. Hierbei gewährte die Beklagte der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Juni 2010 bis 31. August 2010 monatlich einen Betrag von 488,74 Euro, wobei nach Abzug der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ein Betrag von 440,60 Euro zur Auszahlung kam. Ab dem 1. September 2010 gewährte die Beklagte der Klägerin monatlich eine Hinterbliebenenrente von 293,24 Euro, wovon nach Abzug der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung 264,36 Euro zur Auszahlung kamen. Der Rentenbescheid ging der Klägerin erst am 25. Oktober 2010 zu.
Gegen diesen Rentenbescheid legte die Klägerin schriftlich Widerspruch ein, der am 2. November 2010 bei der Beklagten einging. Die Klägerin brachte vor, dass die Witwenrente 60% der letzten Rente ihres Ehemannes betragen müsse. Dieser habe über 700 Euro erhalten. Sie bekäme jedoch lediglich 264,36 Euro ausgezahlt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 2011 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass auf Grund der Vorschriften der Deutsch – Polnischen Sozialversicherungsabkommen (DPSVA) und ihres erst im Jahr 1995 erfolgten Zuzuges nach Deutschland die in Polen zurückgelegten Versicherungszeiten ihres verstorbenen Ehemannes nicht von der Beklagten berücksichtigt werden könnten. Die Berechnung der Hinterbliebenenrente sei im Übrigen zutreffend erfolgt.
Mit Schriftsatz vom 1. März 2011, Eingang bei Gericht am 9. März 2011 hat die Klägerin gegen die vorgenannten Entscheidungen der Beklagten Klage erhoben. Diese begründete sie damit, dass die gezahlten Leistungen von dem abwichen, wie es ihr bei einer Proberechnung vorgerechnet worden sei. Die Leistungen entsprächen nicht 60% der Rentenhöhe ihres verstorbenen Ehemannes.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 23. September 2010 und ihres Widerspruchbescheides vom 8. Februar 2011 zu verurteilen, ihr für den Zeitraum vom 1. Juni 2010 bis 31. August 2010 eine Hinterbliebenenrente in Höhe von 100% der letzten Altersrente ihres verstorbenen Ehemannes zu gewähren und für den Zeitraum ab dem 1. September 2010 eine Hinterbliebenenrente in Höhe von mindestens 60% der letzten Altersrente ihres verstorbenen Ehemannes zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat mit Rentenbescheid vom 16. Mai 2011 die Hinterbliebenenrente der Klägerin auf Grund der zum 1. Juli 2011 erfolgten Rentenanpassung neu berechnet und der Klägerin ab dem 1. Juli 2011 eine Hinterbliebenenrente in Höhe von 296,16 Euro gewährt, wovon 266,10 Euro an die Klägerin zur Auszahlung kamen.
Mit Rentenbescheid vom 25. August 2011 hat die Beklagte die Rente der Klägerin erneut neu berechnet. Eine Änderung der Rentenhöhe ergab sich aus dieser Berechnung nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 25. Januar 2012 sowie die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (VSNR), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Die form- und fristgerecht erhobene und als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs.1, Abs.4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 23. April 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung einer höheren Witwenrente durch die Beklagte.
1.
Die Beklagte hat die Witwenrente der Klägerin richtig berechnet. Insbesondere hat die Beklagte rechtmäßig die von dem verstorbenen Ehemann im Zeitraum vom 1. August 1945 bis 30. September 1958 in Polen zurückgelegten Beitragszeiten bei der Berechnung der Witwenrente der Klägerin nicht mehr berücksichtigt.
a.
Rechtsgrundlage für die Gewährung der großen Witwenrente der Klägerin ist § 46 Abs.2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Dass die Voraussetzung für die Gewährung einer großen Witwenrente auf Grund des Ablebens des versicherten Ehemannes der Klägerin und dem Erreichen der Altersgrenze von 47. Jahren durch die Klägerin erfüllt sind, steht außer Streit. Rentenbeginn ist gemäß § 99 Abs.2 SGB VI der erste Tag des Monats nach dem Ableben des Versicherten, wenn dieser wie vorliegend bereits eine Rente von der Beklagten bezogen hatte. Rentenbeginn ist somit der 1. Juni 2010.
b.
Die Höhe der Witwenrente wird nach der allgemeinen Rentenformel des § 64 SGB VI bestimmt. Gemäß dieser Norm ergibt sich der Monatsbetrag der Rente, wenn 1.) die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, 2.) der Rentenfaktor und 3.) der aktuelle Rentenwert miteinander multipliziert werden.
aa. Rentenfaktor
Der Rentenfaktor ist in § 67 SGB VI geregelt. Er beträgt gemäß § 67 Nr.6 SGB VI bei großen Witwenrenten bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats, in dem der Ehegatte verstorben ist 1,0 (dies ist das so genannte Sterbevierteljahr, das die Klägerin auch als „Abfindung“ bezeichnete), danach beträgt er 0,6.
bb. aktueller Rentenwert
Der aktuelle Rentenwert ergibt sich für Beitragszeiten, die auf dem Gebiet der alten Bundesländer zurückgelegt wurden aus § 68 SGB VI. Für Beitragszeiten, die auf dem Gebiet der neuen Bundesländer (des so genannten „Beitrittsgebiets“) zurückgelegt wurden, tritt gemäß § 254b SGB VI an die Stelle des aktuellen Rentenwerts ein aktueller Rentenwert (Ost), der gemäß der in § 255a SGB VI enthaltenen Formel errechnet wird. Der Rentenwert (Ost) betrug vom 1. Juli 2009 bis zum 30. Juni 2011 24,13 Euro und beträgt seit der Rentenanpassung zum 1. Juli 2011 24,37 Euro
cc. Persönliche Entgeltpunkte unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors
Als letzter Wert in die Berechnung einzustellen sind die durch die Beiträge zur Rentenversicherung erworbenen persönlichen Entgeltpunkte unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors.
(1) Zugangsfaktor
Der Zugangsfaktor ist in § 77 SGB VI geregelt. Der Zugangsfaktor richtet sich nach dem Alter des Versicherten bei Rentenbeginn oder bei Tod und bestimmt, in welchem Umfang Entgeltpunkte bei der Ermittlung des Monatsbetrags der Rente als persönliche Entgeltpunkte zu berücksichtigen sind. Wird eine Rente vorzeitig in Anspruch genommen oder verstirbt der Versicherte vor Erreichen der Regelaltersgrenze so kann es zu Abzügen vom in die Rentenformel grundsätzlich einzustellenden Wert von 1,0 kommen. Es kann jedoch auch zu Zuschlägen kommen, wenn der Versicherte die Rente trotz erreichen der Regelaltersgrenze nicht in Anspruch nimmt.
Vorliegend ist der Ehemann der Klägerin deutlich nach Erreichen der Regelaltersgrenze verstorben. Die Altersrente hat er mit Erreichen der Regelaltersgrenze in Anspruch genommen. Der Zugangsfaktor beträgt somit 1,0.
(2) Persönliche Entgeltpunkte
Die Höhe der persönlichen Entgeltpunkte wird für Zeiten die in den alten Bundesländer zurückgelegt wurden gemäß § 66 SGB VI i.V.m. § 70ff SGB VI errechnet. Hierbei wird im Wesentlich ermittelt, ob der Versicherte im jeweiligen Versicherungsjahr versicherungspflichtige Entgelte in Höhe des jährlichen Bundesdurchschnittseinkommens erzielt hat. Hat er genau den Bundesdurchschnitt erarbeitet erhält er für dieses Jahr 1,0 Entgeltpunkte. Hat er weniger verdient, erhält er entsprechend weniger Entgeltpunkte, hat er mehr verdient erhält er – bis zum Erreichen der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze (im Sinne einer Obergrenze) – mehr Entgeltpunkte.
Für Beitragszeiten, die in den neuen Bundesländern zurückgelegt wurden, erhält der Versicherte gemäß § 254b SGB VI i.V.m. § 254d SGB VI Entgeltpunkte (Ost). Hierbei wird das jährliche Durchschnittseinkommen mit einem sich aus der Anlage 10 des SGB VI für jedes Jahr individuell errechneten Wert (bis zu 3,2330 für das Jahr 1989) multipliziert, bevor der Jahresverdienst des Versicherten mit dem Bundesdurchschnittsverdienst (der alten Bundesländer) verglichen wird. Hintergedanke dieser Regelung ist, dass die Löhne und Gehälter in den neuen Bundesländern deutlich geringer waren als die Löhne und Gehälter in den alten Bundesländern und es, wenn auch in geringerem Umfang nach wie vor sind. Hierdurch wird verhindert, dass alle Rentner in den neuen Bundesländern deutlich niedrigere Renten beziehen als die Rentner in den alten Bundesländern. Diese so genannte Hochrechnung der Entgeltpunkte Ost ist auch eine gewisse Kompensation dafür, dass der Rentenwert (Ost) wiederum etwas geringer ist, als der Rentenwert der für die in den alten Bundesländern zurückgelegten Zeiten gilt (ausführlich zu dieser Problematik: Sozialgericht Frankfurt (Oder), Urteil vom 14. September 2010, Aktenzeichen S 29 R 593/10, zu recherchieren unter www.sozialgerichtsbarkeit.de). Der verstorbene Ehemann der Klägerin hat nur deutsche Versicherungszeiten in den neuen Bundesländern erbracht, so dass für diese Zeiten der Rentenwert (Ost) und Entgeltpunkte (Ost) anzusetzen sind.
(3) Höhe der bei der Witwenrente der Klägerin zu berücksichtigenden Entgeltpunkte
Die Höhe der bei der Witwenrente der Klägerin zu berücksichtigenden Entgeltpunkte (Ost) beträgt für 337 Monate Beitragszeiten, die der verstorbene Ehemann der Klägerin im Zeitraum vom 6. Oktober 1958 bis zum 30. September 1992 auf dem Gebiet der neuen Bundesländer (sprich im Wesentlichen der ehemaligen DDR) erworben hat 20,2545 Entgeltpunkte (Ost). In Bezug auf die genaue Berechnung der Höhe dieser Entgeltpunkte wird auf Anlage 3 des streitgegenständlichen Bescheides vom 23. September 2010 verwiesen. Die 8,0699 Entgeltpunkte, welche auf eine Tätigkeit des verstorbenen Ehemannes der Klägerin auf dem Gebiet der ehemaligen Volksrepublik Polen für die Zeit August 1945 bis September 1958 erworben wurden, können bei der Berechnung der Rente der Klägerin – anders als noch bei der Berechnung der Rente ihres verstorbenen Ehemannes - nicht berücksichtigt werden, da die Klägerin im Gegensatz zu ihrem verstorbenen Ehemann nicht die Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Fremdrentengesetzes (FRG) noch des Artikel 4 Abs.1 und 2 des Deutsch – Polnischen Sozialversicherungsabkommens vom 9. Oktober 1975 (DPSVA 1975) erfüllt.
Bei der Berechnung der Witwenrente können nicht ohne Weiteres die Beitragspunkte des verstorbenen Ehepartners übernommen werden. Die Witwenrente ist ein eigener und kein rein von der Rente des verstorbenen Ehegatten abgeleiteter Rentenanspruch der Witwe. Liegen im Versicherungsverlauf des Ehegatten Versicherungszeiten vor, die nur auf Grund besonderer Ausnahmeregelungen bei der Berechnung der deutschen Rente Berücksichtigung finden konnten, ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Berücksichtigung dieser Zeiten für die Witwe ebenso gelten. Dieses Prinzip ergibt sich deutlich aus § 14a FRG in dem es wörtlich heißt:
„Bei Renten wegen Todes an Witwen und Witwer von Personen, die nicht zum Persönlichkeitsbereich des §§ 1 gehören, werden Zeiten nach diesem Gesetz nicht angerechnet. Dies gilt nicht für Berechtigte, die vor dem 01.01.2002 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland genommen haben und deren Ehegatte vor diesem Zeitpunkt verstorben ist.“
(so im Ergebnis auch Landessozialgericht Berlin – Brandenburg, Urteil vom 19. Januar 2006, Aktenzeichen L 3 RJ 72/04, zu recherchieren unter www.sozialgerichtsbarkeit.de).
(a). Berücksichtigung der Beitragszeiten von 1945 – August 1958 nach dem FRG
Die Klägerin erfüllt die Voraussetzung für die Berücksichtigung der Beitragszeiten nach § 1 FRG nicht. Die Klägerin ist insbesondere nicht aus Polen vertrieben worden, bzw. als deutschstämmige Spätaussiedlerin aus Polen ausgereist, sondern im Jahr 1995 freiwillig als polnische Staatsbürgerin nach Deutschland übergesiedelt. Für diesen Fall bestimmt § 14a FRG, dass die im Ausland zurückgelegten Zeiten nicht bei der Berechnung der Witwenrente berücksichtigt werden können. Diese Norm ist einschlägig, da die Klägerin wie dargestellt nicht selbst zum Personenkreis des § 1 FRG gehört und ihr Ehegatte nach dem 1. Januar 2002 verstorben ist. Eine Zurechnung der im Ausland erworbenen Beitragszeiten gemäß § 15 FRG ist somit ausgeschlossen.
(b). Berücksichtigung der Beitragszeiten von 1945 – August 1958 nach dem DPSVA 1975
Die Klägerin erfüllt im Gegensatz zu ihrem verstorbenen Ehegatten auch nicht selbst die Voraussetzungen des Art. 4 Abs.1, Abs.2 des DPSVA von 1975. Gemäß Art. 4 Abs.1 und 2 DPSVA hatte der Staat in dem der Versicherte seinen Wohnsitz genommen hatte bei der Rentengewährung sowohl die deutschen als auch die polnischen Versicherungszeiten zu berücksichtigen (so genanntes „Integrationsprinzip“). Das DPSVA von 1975 wurde jedoch abgelöst durch das Deutsch – Polnische Sozialversicherungsabkommen vom 8. Dezember 1990 (DPSVA 1990). Gemäß den Regelungen des DPSVA 1990 hatte gemäß Art. 17 und 18 des DPSVA 1990 ab dem 1. Januar 1991 jeder Staat für die in seinem Gebiet erworbenen Beitragszeiten eine eigene Rente zu erbringen, es sei denn es lagen nicht mehr als 6 Monate an Beitragszeiten in einem der beiden Vertragsstaaten vor (Art. 17 Abs.2 und 3, in diesem Fall musste der jeweils andere Vertragsstaat doch alle Beitragszeiten wie eigene Beitragszeiten berücksichtigen). Das Integrationsprinzip wurde gemäß Art. 5 des DPSVA 1990 ausdrücklich aufgegeben. Jedoch galt gemäß Art. 27 Abs.2 für die vor dem 1. Januar 1990 erworbenen Zeiten eine Sonderregelung dahingehend, dass bereits erworbene Ansprüche und Anwartschaften von den Änderungen im DPSVA von 1990 nicht berührt wurden. Art. 27 Abs.2 des DPSVA von 1990 hat folgenden Wortlaut:
„Die vor dem 1. Januar 1991 aufgrund des Abkommens vom 9. Oktober 1975 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung (Abkommen von 1975) von Personen in einem Vertragsstaat erworbenen Ansprüche und Anwartschaften werden durch dieses Abkommen nicht berührt, solange diese Personen auch nach dem 31. Dezember 1990 ihren Wohnort im Hoheitsgebiet dieses Vertragsstaates beibehalten. Für die Ansprüche dieser Personen in der Renten- und Unfallversicherung gelten die Bestimmungen des Abkommens von 1975; hierbei sind für die Anspruchsvoraussetzungen und Höhe der Leistungen die Rechtsvorschriften maßgebend, die am jeweiligen Wohnort für Versicherungszeiten und Arbeitsunfälle (Berufskrankheiten) gelten, die dort zurückgelegt worden oder eingetreten sind...“
Gemäß Art. 27 Abs. 4 des DPSVA 1990 wird der Stichtag für die weitere Anwendung des DPSVA 1975 vom 01. Januar 1991 auf den 01. Juli 1991 für Personen verlegt, die ohne eigenes Verschulden nicht bis zum 01. Januar 1991 ihren Wohnort in den jeweils anderen Vertragsstaat verlegt haben.
Hiervon profitierte der verstorbene Ehemann der Klägerin, da er bereits vor dem 1.Januar 1991 in das deutsche Gebiet eingereist war. Für ihn galt somit Art. 4 Abs.1, Abs.2 des DPSVA 1975 weiter, da er nach 1990 nie seinen Wohnsitz in ein anderes Land verlegte. Daher musste die Beklagte für ihn auch die Rentenleistungen für die Beitragszeiten von August 1945 bis September 1958 erbringen, da er bereits entsprechende Rentenanwartschaften erworben hatte.
Anders ist die Rechtlage jedoch für die Klägerin. Diese ist erst nach dem 1. Januar 1990 bzw. 01. Juli 1991 nach Deutschland eingereist und hatte somit zu diesem Zeitpunkt noch keine Rechte oder Anwartschaften nach dem DPSVA 1975 erworben, die gemäß den Übergangsvorschriften von Art. 27 Abs. 2 und 27. Abs. 4 DPSVA 1990 erhalten werden konnten. Daher sind für ihren Fall die Vorschriften der Art. 17 und 18 des DPSVA 1990 und nicht des Art. 4 des DPSVA 1975 anwendbar. Gemäß diesen Vorschriften hat jeder zuständige Träger für die in seinem Zuständigkeitsbereich erbrachten Versicherungszeiten einer Rente nach den jeweils geltenden nationalen Vorschriften zu erbringen. Somit ist der polnische Leistungsträger für die Erbringung der Witwenrente für den Beitragszeitraum August 1945 bis September 1958 zuständig und der deutsche Leistungsträger, vorliegend die Beklagte ist die Erbringung der Witwenrente im Beitragszeitraum ab Oktober 1958 zuständig, da der verstorbene Ehemann der Klägerin die zuerst genannten Zeit in Polen erbracht hat und erst die darauf anschließenden Zeiten auf dem Gebiet der ehemaligen DDR und der Bundesrepublik Deutschland.
dd. Berechnung der Rentenhöhe
Die Rentenhöhe berechnet sich somit wie folgt:
(1) Für den Zeitraum 1. Juni 2010 bis 31. August 2010
Für den Zeitraum 1. Juni 2010 bis 31. August 2010 ergibt sich folgende monatliche Rentenhöhe:
20,2545 Entgeltpunkte (Ost) (1,0 Zugangsfaktor x 20,2545 Entgeltpunkte (Ost)) x 1,0 Rentenfaktor (so genanntes „Sterbevierteljahr“ bzw. „Abfindung“) x Rentenwert (Ost) von 24,13 Euro = 488,74 Euro. Dieses entspricht dem von der Beklagten berechneten Betrag. Nach den Abzügen für die Pflichtversicherung der Klägerin in der Krankenversicherung der Rentner und der Pflegeversicherung verbleibt ein Auszahlungsbetrag von 440,60 Euro.
(2) Für den Zeitraum 1. September 2010 bis 30. Juni 2011
Für den Zeitraum 1. September 2010 bis 30. Juni 2011 ergibt sich folgende monatliche Rentenhöhe:
20,2545 Entgeltpunkte (Ost) (1,0 Zugangsfaktor x 20,2545 Entgeltpunkte (Ost)) x 0,6 Rentenfaktor (für die große Witwenrente) x Rentenwert (Ost) von 24,13 Euro = 293,24 Euro. Dieses entspricht dem von der Beklagten berechneten Betrag. Nach den Abzügen für die Pflichtversicherung der Klägerin in der Krankenversicherung der Rentner und der Pflegeversicherung verbleibt ein Auszahlungsbetrag von 264,36 Euro.
(3) Für den Zeitraum ab dem 1. Juli 2011
Für den Zeitraum ab dem 1. Juli 2011 ergibt sich folgende monatliche Rentenhöhe:
20,2545 Entgeltpunkte (Ost) (1,0 Zugangsfaktor x 20,2545 Entgeltpunkte (Ost)) x 0,6 Rentenfaktor (für die große Witwenrente) x neuer Rentenwert (Ost) von 24,37 Euro = 296,16 Euro. Dieses entspricht dem von der Beklagten berechneten Betrag. Nach den Abzügen für die Pflichtversicherung der Klägerin in der Krankenversicherung der Rentner und der Pflegeversicherung verbleibt ein Auszahlungsbetrag von 266,10 Euro. Dieser Betrag ist maßgebend, bis der Rentenwert (Ost) vom Gesetzgeber erneut angepasst, d.h. erhöht wird.
c.
Da die von der Kammer berechnete Rentenhöhe für die Witwenrente der Klägerin mit der von der Beklagten gewährten Renten übereinstimmt, sind die angegriffenen Bescheide nicht zu beanstanden. Die Klage war somit abzuweisen.
2.
Die Kostengrundentscheidung basiert auf der Vorschrift des § 193 SGG und folgt dem Ergebnis der Hauptsache.