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Betreibensaufforderung; Fiktion der Klagerücknahme; Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens; Wiedereinsetzung; höhere Gewalt; Verlust auf dem Postweg; Büroorganisation; Postausgang; wirksame Fristenkontrolle; Ausgangskontrolle; Zulassungsantrag; ernstliche Zweifel; grundsätzliche Bedeutung; Verfahrensfehler; rechtliches Gehör


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 10. Senat Entscheidungsdatum 04.02.2010
Aktenzeichen OVG 10 N 44.07 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 60 VwGO, § 92 Abs 2 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 3 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 5 VwGO

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 21. Mai 2007 wird abgelehnt.

Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt der Kläger.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 40.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Mit dem Berufungszulassungsantrag wendet sich der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts, mit dem festgestellt worden ist, dass das Klageverfahren durch (fingierte) Klagerücknahme beendet worden ist.

Gegenstand der im November 2002 erhobenen und zum Aktenzeichen VG 13 A 648.02 geführten Klage war der Antrag des Klägers auf Erteilung eines Bauvorbescheids. Diesen Antrag hatte der Beklagte mit der Begründung abgelehnt, die Erschließung des Baugrundstücks sei nicht gesichert, das Vorhaben liege im Außenbereich und sei nicht genehmigungsfähig und Belange des Naturschutzes würden berührt. Im Februar 2005 führte der damals zuständige Einzelrichter des Verwaltungsgerichts einen Ortstermin durch und wies darauf hin, dass er dazu neige, von einem Gebiet im Sinne des § 35 BauGB auszugehen, und die Erschließung des Baugrundstücks problematisch erscheine. Er regte an, die Möglichkeit der Realisierung des Bauvorhabens über einen Vorhaben- und Erschließungsplan gemäß § 12 BauGB zu erwägen, woraufhin der Kläger erklärte, entsprechende Unterlagen an das Bezirksamt übersenden und entsprechende Gespräche führen zu wollen. Im Juli 2005 bat der Kläger, zunächst keinen Termin anzuberaumen und eine Frist bis Jahresende zu notieren, weil Verhandlungen zur Entwicklung eines Vorhaben- und Erschließungsplans liefen und erfolgversprechend seien. Im September und Dezember 2005 beantragte er jeweils die Einräumung weiterer Fristen, zuletzt bis Ende März 2006, weil weiterhin eine gütliche Erledigung angestrebt werde und ein Verfahren auf Befreiung von den Vorschriften des Naturschutzes liefe.

Am 20. März 2006 teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers auf telefonische Anfrage des Verwaltungsgerichts mit, das erwähnte Befreiungsvorhaben laufe noch, und kündigte eine Sachstandsmitteilung binnen eines Monats an. Da diese nicht erfolgte, bat der nunmehr zuständige Berichterstatter am 26. April 2006 erneut um Sachstandsmitteilung und wiederholte diese Anfrage unter dem 16. Mai 2006. In dieser Verfügung wies er zugleich darauf hin, dass er für den Fall, dass er binnen eines Monats nichts vom Kläger höre, davon ausgehe, dass an einer Weiterführung des Verfahrens kein Interesse mehr bestehe. Nachdem auch diese Verfügung unbeantwortet geblieben war, forderte das Verwaltungsgericht den Kläger mit Verfügung vom 30. Juni 2006 unter Hinweis auf die Verfügung vom 16. Mai 2006 auf, das Verfahren zu betreiben. Diese Aufforderung wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 7. Juli 2006 zugestellt.

Mit Beschluss vom 11. September 2006 stellte das Verwaltungsgericht das Verfahren ein, weil der Kläger es trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betrieben habe, so dass die Klage als zurückgenommen gelte.

Unter dem 27. September 2006 beantragte der Kläger, das Verfahren weiter zu betreiben sowie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, und berief sich darauf, er habe das Verfahren mit Schriftsatz vom 1. September 2006 betrieben; dieser Schriftsatz sei am selben Tag abgesandt worden und müsse auf dem Postweg oder bei Gericht verlorengegangen sein.

Der Antrag auf Fortführung des Verfahrens wurde unter dem Aktenzeichen VG 13 A 172.06 geführt. Mit Urteil vom 21. Mai 2007 erklärte das Verwaltungsgericht das Verfahren für durch Klagerücknahme beendet, weil die Voraussetzungen der Rücknahmefiktion des § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO erfüllt seien. Es habe Anlass zum Erlass einer Betreibensaufforderung bestanden, der Kläger habe das Verfahren nicht innerhalb der Zwei-Monats-Frist betrieben. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme bei Versäumen der Betreibensfrist des § 92 Abs. 2 VwGO nur im Falle höherer Gewalt in Betracht, diese Voraussetzungen lägen jedoch nicht vor. Es sei nicht sicher, dass der Schriftsatz vom 1. September 2006 die Kanzlei am selben Tag verlassen habe, der Kläger habe eine wirksame Postausgangskontrolle nicht glaubhaft gemacht.

II.

Der auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) sowie das Vorliegen von Verfahrensmängeln (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Das Vorbringen des Klägers, das den Prüfungsumfang für das Oberverwaltungsgericht bestimmt (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO), rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht.

1. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zutreffend eine Frist für das Betreiben des Verfahrens von zwei Monaten zugrunde gelegt. Die Vorschrift über die Fiktion der Klagerücknahme bei Nichtbetreiben des Verfahrens trotz gerichtlicher Aufforderung wurde mit Wirkung vom 1. Januar 1997 (6. VwGOÄndG, BGBl. I S. 1626) eingeführt und sah damals noch eine Frist zum Betreiben des Verfahrens von drei Monaten vor. Diese wurde durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz vom 24. August 2004 (BGBl. I S. 2198) durch eine Frist von zwei Monaten ersetzt. Die Änderung trat am 1. September 2004 in Kraft, so dass zum Zeitpunkt des Erlasses der Betreibensaufforderung am 30. Juni 2006 die Zwei-Monats-Frist galt. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang auf § 17 GVG verweist, verkennt er, dass diese Vorschrift sich nur auf die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges bezieht. Dies betrifft nur die Frage, welche Gerichtsbarkeit zuständig ist, vorliegend also die Frage, ob der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet ist, und ist daher nicht, wie der Kläger offenbar meint, mit der Zulässigkeit der Klage selbst gleichzusetzen. Im Übrigen bewirkt die Gesetzesänderung nicht, dass eine bis dahin zulässige Klage allein aufgrund veränderter Gesetzeslage unzulässig wird, sondern knüpft diese Rechtsfolge an ein bestimmtes prozessuales Verhalten des Klägers während des laufenden Klageverfahrens an. Gegen die Anwendung des § 92 Abs. 2 VwGO in der geänderten Fassung auf Klageverfahren, die bei Inkrafttreten der Änderung bereits rechtshängig waren, bestehen daher keine Bedenken. Aus diesem Grund liegt auch kein Verfahrensfehler des Verwaltungsgerichts bei Handhabung der Frist vor.

2. Aus dem Vorbringen des Klägers ergeben sich auch keine ernsthaften Zweifel daran, dass das Verwaltungsgericht zu Recht von einem hinreichenden Anlass für eine Betreibensaufforderung ausgegangen ist. Die Rechtmäßigkeit einer Betreibensaufforderung setzt allerdings aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art. 19 Abs. 4, 103 Abs. 1 GG) voraus, dass im Zeitpunkt des Erlasses der Betreibensaufforderung bestimmte sachlich begründete Anhaltspunkte für einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses des Klägers bestanden haben (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 5. Juli 2000 - BVerwG 8 B 119.00 -, DVBl. 2001, 307 m.w.N.). Vorliegend hat das Verwaltungsgericht jedoch zu Recht aufgrund der konkreten Vorgeschichte und des prozessualen Verhaltens des Klägers Anhaltspunkte für den Wegfall seines Rechtsschutzbedürfnisses gesehen. Anders als der Kläger darlegt, sollte zur Fortsetzung des Verfahrens nicht lediglich ein neuer Termin anberaumt werden, vielmehr hatte das Gericht nach Durchführung des Ortstermins gerade im Interesse des Klägers noch keine Entscheidung getroffen, sondern ihm Gelegenheit gegeben, durch außergerichtliche Bemühungen die Erfolgsaussichten seiner Klage zu erhöhen. In diesem Zusammenhang hatte der Kläger mehrfach ausdrücklich um Fristverlängerung und das Absehen von einer gerichtlichen Entscheidung nachgesucht. Wenn er dann mehrere Sachstandsanfragen des Gerichts unbeantwortet lässt, obwohl ihn das Gericht zuletzt ausdrücklich auf Bedenken hinsichtlich des Fortbestands des Rechtsschutzinteresses hingewiesen hat, gibt dies Anlass zu Zweifeln, ob der Kläger das Verfahren noch fortführen will, zumal sein Schweigen auch Indiz dafür sein könnte, dass er seine Bemühungen um eine Lösung des Erschließungsproblems und damit um eine Verbesserung der Erfolgsaussichten seiner Klage aufgegeben hat.

Da somit der Erlass der Betreibensaufforderung nach § 92 Abs. 2 VwGO nicht rechtswidrig war, liegt in diesem Zusammenhang auch kein Verfassungsverstoß, insbesondere keine einen Verfahrensfehler begründende Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör vor.

3. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, bei Versäumen der Betreibensfrist könne eine Wiedereinsetzung nur im Falle höherer Gewalt in analoger Anwendung von §§ 58 Abs. 2, 60 Abs. 3 VwGO gewährt werden, vermag der Kläger ebenfalls nicht wirkungsvoll in Zweifel zu ziehen. Mit der vom Verwaltungsgericht zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt er sich nicht näher auseinander. Soweit er - dem Zitat des Verwaltungsgerichts folgend - lediglich eine alte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 1985 konstatiert, übersieht er, dass das Bundesverwaltungsgericht in ständiger - auch neuerer - Rechtsprechung entschieden hat, dass es sich bei der Frist des § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO um eine Ausschlussfrist handelt und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht kommt, es sei denn, dass ein Fall höherer Gewalt vorliegt (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 25. November 2002 - BVerwG 8 B 112.02 -, Buchholz 310 § 92 VwGO Nr. 17; Beschluss vom 6. Juli 2007 - BVerwG 8 B 51.07 -, Buchholz a.a.O. Nr. 19, jeweils zitiert nach juris; ebenso OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 30. Mai 2008 - OVG 10 N 33.06 -).

Die vom Kläger in diesem Zusammenhang behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht einmal ansatzweise dargetan. Hierzu wäre erforderlich, dass eine bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärte, konkrete und zugleich entscheidungserhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen und zudem erläutert wird, warum sie über den Einzelfall hinaus bedeutsam ist und im Interesse der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf (vgl. etwa OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 10. November 2009 - OVG 11 N 30.07 -, zitiert nach juris Rn. 20 m.w.N.; Beschluss vom 26. Oktober 2009 - OVG 10 N 49.08 -). Eine derartige Rechts- oder Tatsachenfrage hat der Kläger nicht aufgeworfen. Soweit er sich wohl auf die Frage der Anwendbarkeit der Wiedereinsetzungsvorschriften für die Frist des § 92 Abs. 2 VwGO beziehen will, ist diese Frage höchstrichterlich (und auch obergerichtlich) bereits geklärt und bedarf nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens. Soweit der Kläger hierzu vorträgt, diese Rechtsprechung widerspreche dem Verfassungsrecht, fehlt es an einer nachvollziehbaren Begründung für diese Behauptung.

4. Die Rüge des Klägers, das angefochtene Urteil verkenne, dass jedenfalls Gründe, die die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigten, gleichzeitig als Gründe der „höheren Gewalt“ zu bewerten seien, entbehrt ebenfalls einer nachvollziehbaren Begründung. Eine Gleichsetzung von Wiedereinsetzungsgründen mit höherer Gewalt würde den bereits im Gesetz angelegten Unterschied zwischen Gründen im Sinne des § 60 Abs. 1 und solchen des § 60 Abs. 3 VwGO verwischen und kommt daher nicht in Betracht.

Im Übrigen ist nicht dargetan, dass die vom Kläger aufgeworfene Behauptung entscheidungserheblich ist, dass also gerade die Beschränkung einer Wiedereinsetzung auf Gründe höherer Gewalt unter Ausschluss allgemeiner Wiedereinsetzungsgründe das Ergebnis beeinflusst hat. Das Verwaltungsgericht hat maßgeblich darauf abgestellt, dass es nicht sicher sei, dass der Schriftsatz vom 1. September 2006 die Kanzlei am selben Tage verlassen habe, die geschilderte Organisation des Kanzleibetriebes lasse es durchaus als möglich erscheinen, dass der Schriftsatz bereits vor Aufgabe zur Post verlorengegangen sei. Damit hat es zu erkennen gegeben, dass es im Falle eines Verlustes auf dem Postwege zu einem anderen Ergebnis bezüglich der Wiedereinsetzung gelangt wäre. Dies steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach ein Verlust auf dem Postweg als höhere Gewalt im Sinne eines unabwendbaren Zufalls anzusehen ist (BVerwG, Beschluss vom 25. November 2002, a.a.O.). Die vom Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang zitierte Rechtsprechung betrifft dagegen das Vorliegen (allgemeiner) Wiedereinsetzungsgründe (BVerwG, Beschluss vom 14. Juli 1988 - BVerwG 2 C 6.88 -, Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 156), so dass die Abgrenzung zur höheren Gewalt im Sinne des § 60 Abs. 3 VwGO auch nach dem Ansatz des Verwaltungsgerichts nicht entscheidungserheblich war.

Die vom Kläger auch in diesem Zusammenhang geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist wiederum nicht substantiiert dargelegt.

5. Schließlich hat der Kläger auch nicht dargelegt, dass die Verneinung des Vorliegens von höherer Gewalt durch das Verwaltungsgericht ernstlichen Richtigkeitszweifeln begegnet oder die Begründung des Gerichts aus anderen Gründen die Zulassung der Berufung rechtfertigt.

a) Der Kläger beanstandet zunächst, dass das Verwaltungsgericht im Zusammenhang mit einer Ausgangskontrolle verlangt habe, dass die einzelnen Schritte im „Postausgangsfach“ in einer solchen Weise dokumentiert würden, dass namentlich nachvollzogen werden könne, wer ein bestimmtes Schriftstück frankiert habe, wer dieses „eingetütet habe“ und wer es zur Post gebracht habe. Diese Anforderungen widersprächen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Mit diesem Vorbringen sind jedoch ernstliche Zweifel an den vom Verwaltungsgericht formulierten Anforderungen nicht dargetan. Da der Kläger nicht konkret dargelegt und durch entsprechende eidesstattliche Versicherungen glaubhaft gemacht hat, dass und unter welchen Umständen der Schriftsatz vom 1. September 2006 zur Post aufgegeben worden ist (vgl. zu diesen Anforderungen etwa BSG, Beschluss vom 13. September 2004 - B 11 AL 153.04 B -, zitiert nach juris; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 16. Oktober 1995 - BVerwG 7 B 163.95 -, Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 203), hat das Verwaltungsgericht zutreffend darauf abgestellt, ob jedenfalls hinreichend glaubhaft gemacht worden ist, dass eine wirksame Postausgangskontrolle zur Gewährleistung fristgemäßer Absendung von fristwahrenden Schriftsätzen bestanden hat. Dieser Ansatz steht in Übereinstimmung mit gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung.

Es ist anerkannt, dass der Büroablauf in einer Rechtsanwaltskanzlei so organisiert sein muss, dass jedenfalls für fristwahrende Schriftsätze, etwa durch Führung eines Postausgangsbuches oder durch einen Vermerk im Terminkalender, eine wirksame Ausgangskontrolle durchgeführt werden kann, die gewährleistet, dass Fristsachen auch tatsächlich abgesandt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Juli 1988, a.a.O.; Beschluss vom 28. Mai 2003 - BVerwG 1 B 126.03 -, Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 251; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 2008 - 1 BvR 2147/08 -, NJW 2009, 214, zitiert nach juris), wobei erforderlich ist, dass die Postausgangskontrolle den Nachweis ermöglicht, zu welchem Zeitpunkt fristwahrende Schriftsätze zur Post aufgegeben worden sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. September 1999 - BVerwG 2 B 56.99 -, Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 230). Wird der Verlust fristwahrender Schriftsätze geltend gemacht, so müssen für eine Wiedereinsetzung nicht nur die fristgerechte Bearbeitung, sondern auch die rechtzeitige Absendung des Schriftsatzes an das betreffende Gericht glaubhaft gemacht werden. Auch wenn Art und Ort des Verlustes nicht aufgeklärt werden müssen, muss jedenfalls glaubhaft gemacht werden, dass der Verlust nicht im Verantwortungsbereich des Betroffenen bzw. seines Prozessbevollmächtigten eingetreten ist (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 19. November 1991 - VI ZB 40/91 -, VersR 1992, 899; BFH, Beschluss vom 9. November 1983 - I R 210-211/81 -, jeweils zitiert nach juris). Von diesen Grundsätzen ist auch das Verwaltungsgericht ausgegangen und hat eine wirksame Postausgangskontrolle für nicht gewährleistet erachtet. Dies steht nicht im Widerspruch zu den vom Kläger angeführten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH).

Das Urteil des BGH vom 11. Januar 2001 (- III ZR 148/00 -, NJW 2001, 1577, zitiert nach juris) entspricht der gefestigten Rechtsprechung, wonach der Prozessbevollmächtigte dafür zu sorgen hat, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig bei Gericht eingeht, und zu diesem Zweck eine zuverlässige Fristenkontrolle organisieren muss. Hierbei muss durch organisatorische Maßnahmen gewährleistet sein, dass für den Postversand vorgesehene Schriftstücke zuverlässig auf den Postweg gebracht und Fristen erst dann als erledigt gekennzeichnet werden, wenn der Schriftsatz zumindest postfertig gemacht und die weitere Beförderung organisatorisch zuverlässig vorbereitet worden ist (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 2. März 2000 - V ZB 1/00 - NJW 2000, 1957; Beschluss vom 5. Februar 2003 - IV ZB 34/02 -, NJW-RR 2003, 862, zitiert nach juris; Beschluss vom 10. Dezember 2008 - XII ZB 132/08 -, zitiert nach juris, jeweils m.w.N.). Der Kläger bezieht sich auf den Leitsatz des Urteils vom 11. Januar 2001, wonach dem Erfordernis einer Ausgangskontrolle bei fristwahrenden Schriftsätzen genügt ist, wenn der Rechtsanwalt den von ihm unterzeichneten und kuvertierten Schriftsatz in einer „Poststelle“ seiner Kanzlei ablegt und aufgrund allgemeiner organisatorischer Anweisungen gewährleistet ist, dass dort lagernde Briefe ohne weitere Zwischenschritte noch am selben Tag frankiert und zur Post gegeben werden. Diese Ausführungen sind jedoch im Zusammenhang mit dem auch in diesem Urteil formulierten Erfordernis zu sehen, dass der Prozessbevollmächtigte eine zuverlässige Fristenkontrolle organisieren und insbesondere einen Fristenkalender führen muss. Der zitierte Leitsatz betrifft in diesem Zusammenhang den Zeitpunkt, zu dem die fristwahrende Maßnahme im Kalender als erledigt gekennzeichnet werden darf. Dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers vorliegend eine derartige Fristenkontrolle vorgenommen hat, ist jedoch nicht dargetan. Das Verwaltungsgericht hat darauf hingewiesen, dass die bloße Streichung der Frist im Fristenkalender keine Rückschlüsse darauf zulässt, aus welchem Anlass und zu welchem Zeitpunkt diese Streichung erfolgt ist, und daher die Anforderungen an eine Fristenkontrolle im Sinne der dargelegten Rechtsprechung nicht erfüllt. Dem ist der Kläger nicht entgegengetreten. Darüber hinaus mag zweifelhaft sein, inwieweit der Kläger hinreichend glaubhaft gemacht hat, dass eine mit der Rechtsprechung des BGH vergleichbare allgemeine Anweisung bestanden hat, jeden in der Poststelle lagernden Brief noch am selben Tag bei der Post einzuliefern (vgl. hierzu das Urteil vom 11. Januar 2001, a.a.O., Rn. 8).

Soweit sich der Kläger darauf beruft, dass es nach dem Urteil des BGH vom 18. Dezember 2002 (- IV ZB 23/02 -, NJW-RR 2003, 569, zitiert nach juris) nicht erforderlich sei, dass sich der jeweilige Auftrag, Post aus dem Postausgangsfach zu entnehmen, stets an einen konkret identifizierbaren Mitarbeiter der Kanzlei richte, hat er wiederum nicht hinreichend dargelegt, inwieweit diese Rechtsprechung auf seinen Fall anwendbar sein soll. Der BGH hat in dem zitierten Urteil ausgeführt, die allgemeine Anweisung, die in einem für fristwahrende Schriftsätze bestimmten Postausgangsfach liegende Post von Mitarbeitern zweimal täglich bzw. nach Dienstschluss frankiert und ohne weiteren Zwischenschritt am selben Tag unmittelbar zur Post bzw. einem Briefkasten bringen zu lassen, sei für die Fristenkontrolle des Rechtsanwalts ausreichend. Dass eine entsprechend detaillierte Anweisung auch im Kanzleibetrieb des Prozessbevollmächtigten des Klägers bestanden hat, ist nicht glaubhaft gemacht. Es ist aus diesem Grund nicht ersichtlich, dass das Verwaltungsgericht von den vom BGH formulierten Anforderungen abgewichen ist, so dass es auch nicht auf die vom Kläger aufgeworfene Frage ankommt, ob diese Grundsätze auch für verwaltungsgerichtliche Streitsachen gelten. Zudem ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache auch in diesem Zusammenhang nicht den Anforderungen des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt.

Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht entgegen der Ansicht des Klägers nicht allein darauf abgestellt, dass nicht namentlich festgestellt werden könne, wer die jeweiligen Postsendungen zur Post gebracht habe. Vielmehr wird im Rahmen einer Gesamtschau festgestellt, dass eine wirksame Postausgangskontrolle nicht gewährleistet sei, weil klare Verantwortlichkeiten nicht bestünden und die im jeweiligen Verfahren von den beteiligten Personen durchgeführten Handlungen im Nachhinein nicht nachvollziehbar seien. Soweit das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, die geschilderte Organisation des Kanzleibetriebs lasse es durchaus als möglich erscheinen, dass der Schriftsatz vom 1. September 2006 nicht erst nach, sondern bereits vor Abgabe zur Post verloren gegangen sei, betrifft dies nicht - wie der Kläger meint - den Weg vom Büro zur Post, sondern die Organisation innerhalb des Büros und hierbei insbesondere den fehlenden Nachweis einer zuverlässigen Fristenkontrolle.

Soweit der Kläger meint, seine Büroorganisation entspreche den Vorgaben des Bundesgerichtshofs, weshalb die gegenteilige Einschätzung des Verwaltungsgerichts unrichtig sei, hat er - wie bereits ausgeführt - gerade nicht dargelegt, dass in seinem Bürobetrieb eine wirksame Kontrolle der Fristen und des jeweiligen Postausgangs gewährleistet ist. Weder ist der geführte Fristenkalender insoweit hinreichend aussagekräftig, noch bietet der Umstand, dass das Postausgangsfach an unübersehbarer Stelle steht, hinreichende Gewähr dafür, dass ein bestimmter Schriftsatz auch in dieses Postausgangsfach gelangt und von dort dann rechtzeitig weitergeleitet wird. Inwieweit die Bearbeitung der Handakte und die Abzeichnung der dort etwa enthaltenen Verfügungen in eine allgemeine Fristen- und Postausgangskontrolle einbezogen sein mögen, ist aus dem Vortrag des Klägers nicht hinreichend ersichtlich.

b) Auch das Vorliegen eines Verfahrensfehlers im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO hat der Kläger nicht hinreichend dargetan. Er beruft sich insoweit auf eine Verletzung von Art. 103 GG, weil das Verwaltungsgericht wesentlichen Sachvortrag nicht zur Kenntnis genommen habe. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das zur Entscheidung berufene Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, wobei die Gerichte sich nicht mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich befassen müssen und Sachvortrag zudem aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lassen dürfen (vgl. nur BVerfG, Kammerbeschluss vom 27. Mai 2009 - 1 BvR 512/09 -, zitiert nach juris, Rn. 9 m.w.N.). Welchen entscheidungserheblichen Sachverhalt das Verwaltungsgericht nicht zur Kenntnis genommen haben soll, hat der Kläger jedoch nicht dargelegt. Er bezieht sich insbesondere auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, bezüglich des Vermerks „1.9.“ in der Handakte sei unklar, wer diesen Vermerk zu welchem Zeitpunkt gefertigt habe, und meint, dabei habe das Verwaltungsgericht nicht zur Kenntnis genommen, dass glaubhaft gemacht worden sei, dass dieser Datumsvermerk sich am Sonntag, den 3. September 2006, in der Handakte befunden habe und daher am Freitag, den 1. September 2006, geschrieben worden sein müsse. Damit ist jedoch nicht aufgezeigt, dass das Verwaltungsgericht wesentlichen Vortrag übergangen hätte. In den Ausführungen des Urteils ging es ersichtlich nicht nur um den Tag, an dem der Datumsvermerk angebracht wurde, sondern um den konkreten Zeitpunkt im Rahmen der Aktenbearbeitung. Hierzu genügt jedoch die vom Kläger im Zulassungsantrag zitierte Glaubhaftmachung, dass das Datum am 3. September 2006 jedenfalls vermerkt gewesen sei, nicht. Auch der Vortrag, wonach das Postausgangsfach am 3. September 2006 leer gewesen sei, war insoweit für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht erheblich, da dieses nicht eine Glaubhaftmachung der Leerung des Postausgangsfaches vermisst hat, sondern es schon für nicht hinreichend gewährleistet erachtet hat, dass der Schriftsatz überhaupt in das Postausgangsfach gelangt ist.

c) Soweit der Kläger schließlich meint, in dem angefochtenen Urteil sei nicht hinreichend berücksichtigt, dass es sich zwar um einen fristgebundenen Schriftsatz gehandelt habe, dieser aber sechs Tage vor Fristablauf abgeschickt worden sei, ist nicht ersichtlich, was der Kläger aus diesem Umstand zu seinen Gunsten herleiten will. Er beruft sich in diesem Zusammenhang darauf, angesichts der Zeitspanne bis zum Ablauf der Frist sei es nur darum gegangen, dass der Schriftsatz nicht verloren gehe. Das Verwaltungsgericht beanstandet jedoch gerade, dass die Kontrolle zur Vermeidung eines derartigen Verlustes nicht ausreichend gewesen sei.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG, wobei der Senat sich an den Empfehlungen in Nr. II.9.1.1 und 9.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Fassung Juli 2004, NVwZ 2004, 1327) orientiert hat.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).