Gericht | VG Frankfurt (Oder) 7. Kammer | Entscheidungsdatum | 11.02.2021 | |
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Aktenzeichen | 7 L 12/20 | ECLI | ECLI:DE:VGFRANK:2021:0211.7L12.20.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 1 GebG BB 2009, § 12 Abs 1 Nr 1 GebG BB 2009, § 80 Abs 5 S 1 VwGO, § 29 Abs 3 VwVfG, § 2 Abs 1 GebG BB 2009 |
Beantragt eine Beteiligte eines Verwaltungsverfahrens Akteneinsicht in die Behördenakten und wünscht dabei vorzugsweise die Übersendung der Verwaltungsvorgänge an ihre Bevollmächtigte, ist die daraufhin unabgesprochen und nicht gegen eine Kostenübernahmeerklärung gewährte Akteneinsicht durch Fertigung und Übersendung umfänglicher Aktenkopien der Behörde weder eine von der Antragstellerin veranlasste noch dieser als Begünstigte indiviuell zurechenbare öffentliche Leistung im Sinne des Gebührenrechts gemäß § 12 Abs. 1 GebGBbg, wenn sie die erhaltenen Aktenkopien umgehend zurücksendet.
1. Die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragstellerin gegen die in den Bescheiden vom 6. Dezember 2019 (Aktenzeichen 03685-19 und 0387.19) jeweils in Ziffer 2. enthaltenen Kostenbescheide wird angeordnet.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 41,13 Euro festgesetzt.
Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt., Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthafte und im Übrigen nicht zuletzt hinsichtlich der Voraussetzung des § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO nach der Ablehnung des vorgerichtlichen Aussetzungsantrags zulässige Antrag ist begründet.
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt., Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs oder einer Klage gegen einen belastenden Verwaltungsakt, der eine Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten zum Gegenstand hat, anordnen. Unter Beachtung des bei der Entscheidung analog anzuwendenden Maßstabs des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO kommt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nur in Betracht, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen, d. h. dieser mit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtswidrig ist, oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Daran gemessen ist dem Antrag stattzugeben, weil ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Kostenbescheide bestehen. Rechtsgrundlage der vom Antragsgegner erhobenen Gebühren für die Gewährung der Akteneinsicht in zwei bauordnungsrechtlichen Verfahren durch Übersendung von umfänglichen Aktenkopien sind die §§ 1, 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 des Gebührengesetzes für das Land Brandenburg (GebGBbg) i. V. m. §§ 1, 2 Abs. 1 Satz 1 sowie den Tarifstellen 10.11.1/10.11.2 des Gebührenverzeichnisses (Anlage 1) der Brandenburgischen Baugebührenordnung (BbgBauGebO). Die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der erhobenen Gebühren bestehen jedenfalls im Hinblick auf die Heranziehung der Antragstellerin als Gebührenschuldnerin nach § 12 Abs. 1 GebGBbg.
Nach § 1 GebGBbg sind für die öffentlichen Leistungen der Behörden auch der Gemeindeverbände Gebühren und Auslagen nach dem Gesetz zu erheben. Dabei wird in § 2 Abs. 1 Nr. 1 die öffentliche Leistung neben der Gestattung der Benutzung von Einrichtungen und Anlagen des Landes und der unter Aufsicht des Landes stehenden nichtkommunalen juristischen Personen des öffentlichen Rechts (vgl. Nr. 2) als die besondere öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit (Amtshandlung) der in § 1 Abs. 1 GebGBbg genannten Stellen definiert. Damit knüpft das Gesetz an die verfassungsrechtliche Rechtsprechung an, wonach Gebühren öffentliche Geldleistungen sind, die aus Anlass individuell zurechenbarer öffentlicher Leistungen dem Gebührenschuldner durch eine öffentlich-rechtliche Norm oder sonstige hoheitliche Maßnahme auferlegt werden und dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Februar 1979 - 2 BvL 5/76 -, BVerwGE 50, 217, 226, juris Rn. 35). Damit einhergehend sieht § 12 Abs. 1 GebGBbg vor, dass Schuldner der Gebühren und Auslagen insbesondere derjenige ist, der die Amtshandlung zurechenbar veranlasst oder zu dessen Gunsten sie vorgenommen wird (Nr. 1) oder die Gebühren durch eine vor der zuständigen Behörde abgegebene oder ihr mitgeteilte Erklärung übernommen hat (Nr. 2; die weiteren Fallgruppen in Nr. 3 und 4 der Vorschrift kommen vorliegend ersichtlich nicht in Betracht).
Davon ausgehend kann der Antragsgegner die Antragstellerin für die von ihm gewährte Akteneinsicht mangels der erforderlichen individuell zurechenbaren Sonderrechtsbeziehung nicht rechtmäßig zu Gebühren heranziehen. Zwar kann die Fertigung und Versendung von Aktenkopien zum Zwecke der Akteneinsicht durch eine Behörde grundsätzlich und regelmäßig eine gebührenpflichtige Amtshandlung im Sinne von §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 GebGBbg darstellen. Die Heranziehung der Antragstellerin als Gebührenschuldner ist aber entgegen § 12 Abs. 1 GebGBbg erfolgt. Die Antragstellerin hat die in dieser Form gewährte Akteneinsicht weder nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 GebGBbg zurechenbar veranlasst (dazu unter 1.) noch ist diese nach dieser Vorschrift zu ihren Gunsten vorgenommen worden (dazu unter 2.). Außer Frage steht im Übrigen, dass die Antragstellerin eine entsprechende Kostenübernahmeerklärung (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 GebGBbg) nicht abgegeben hat.
1. Die Antragstellerin hat die erfolgte Übersendung der Aktenkopien zur Einsichtnahme nicht zurechenbar veranlasst. Insbesondere beinhaltete ihr einheitlich mit ihren parallelen Widersprüchen gegen die Rücknahmebescheide gestellter Antrag auf Akteneinsicht nach § 1 Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Brandenburg i. V. m. § 29 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) nicht auch einen Antrag auf die (kostenpflichtige) Übersendung umfänglicher Aktenkopien. Das in § 29 Abs. 1 Satz 1 VwVfG begründete Recht eines Beteiligten auf Akteneinsicht ist nach Abs. 3 Satz 1 der Vorschrift zunächst lediglich darauf gerichtet, dass die Einsicht bei der aktenführenden Behörde erfolgt. Satz 2 dieser Regelung sieht wiederum vor, dass im Einzelfall die Einsicht auch bei einer anderen Behörde erfolgen kann und dass die aktenführende Behörde weitere Ausnahmen gestatten kann. Bereits diese Regelungssystematik legt nahe, dass die Gestattung von besonderen Formen der Akteneinsichtnahme jenseits der Einsichtnahme am Ort der aktenführenden Behörde nur dann dem die Akteneinsicht Begehrenden zuzurechnen ist, wenn er dieser Verfahrensweise – ggf. nach Rücksprache - zustimmt. Dem dürfte die weitverbreitete Praxis entsprechen, Kopien von Akten seitens der Behörden auf Wunsch gegen die Erklärung der Übernahme von Kosten zu versenden (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl., § 29 Rn. 41). Im konkreten Fall der Antragstellerin steht der Annahme, ihr Antrag habe sich auch auf die Übersendung von Aktenkopien bezogen, noch deutlicher der Umstand entgegen, dass sie sich zwei andere Formen der Akteneinsichtnahme wünschte und dabei lediglich für die Übersendung der Verwaltungsvorgänge an ihre Prozessbevollmächtigten auch eine Kostenübernahmeerklärung abgegeben hat.
2. Die Antragstellerin ist schließlich nicht deshalb gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. Gebührenschuldnerin, weil die Amtshandlung zu ihren Gunsten vorgenommen wurde. Dies wäre ausgehend von den vorherigen Ausführungen nur dann der Fall, wenn sie die ihr bzw. ihren Prozessbevollmächtigten ohne eigene Veranlassung übersandten Aktenkopien dennoch behalten und sich damit „zu Nutze“ gemacht hätte. Dem ist aber nicht so, denn ihre Prozessbevollmächtigte hat die empfangenen Aktenkopien jeweils postwendend mit den Widersprüchen gegen die Kostenbescheide vom 13. Dezember 2019 zurückgesandt und der gewährten Form der Akteneinsichtnahme widersprochen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 Gerichtskostengesetz, wobei die Kammer das Interesse der Antragstellerin im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutz entsprechend dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (vgl. www.bverwg.de, siehe dort unter „Rechtsprechung“; Nr. 1.5) mit einem Viertel des angegriffenen Betrages bewertet, der sich aus den aufaddierten angefochtenen Kostenbescheiden (insgesamt 164,50 Euro) ergibt.