Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 31. Senat | Entscheidungsdatum | 16.12.2010 | |
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Aktenzeichen | L 31 U 346/08 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 9 SGB 7, Nr 2108 BKVO |
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 31. Januar 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass bei ihm eine Berufskrankheit (BK) Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) vorliegt, und die Gewährung von Leistungen nach § 3 BKV.
Der 1951 geborene Kläger war nach einer bis August 1969 absolvierten Lehre zum Betonbauer als Eisenflechter tätig. Von Juli 1972 bis Anfang der 90er Jahre arbeitete er bei der Firma AS als Flechter und Zimmerer im Akkord. Seit 1996 war der Kläger bei dieser Firma als mitarbeitender Polier insbesondere auf kleineren Baustellen tätig, wo er weiterhin Schal-, Betonier- und Flechtarbeiten verrichtete. Die arbeitstechnische Gesamtbelastungsdosis nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell betrug nach den Feststellungen des Präventionsdienstes der Beklagten vom 17. September 2008 37,4 x 106 Nh. Seit August 2005 ist der Kläger nach seinen gegenüber dem im Berufungsverfahren gehörten DM H gemachten Angaben in dessen Gutachten vom 1. Juli 2009 selbständig in einer eigenen Baufirma tätig.
Im November 2000 wandte sich der Kläger an die Beklagte und teilte mit, dass sein Gesundheitszustand keine volle Arbeitsfähigkeit auf Dauer mehr zulasse und bat um Überprüfung. Die behandelnde Fachärztin für Innere Medizin Dr. H zeigte unter dem 28. November 2000 das Vorliegen einer möglichen Berufskrankheit unter Hinweis auf einen Bandscheibenprolaps an. Beigebracht wurden u. a. Unterlagen der Landesversicherungsanstalt (LVA) Berlin und ein für diese gefertigter Entlassungsbericht, in dem ausgeführt ist, dass der Kläger seit 01. November 1999 fortlaufend arbeitsunfähig und in seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Zimmerer und Eisenflechter nur noch eingeschränkt belastungsfähig sei. Der Kläger überreichte ferner ein Attest der Dr. H vom 08. Januar 2000, in dem ausgeführt ist, dass er über anhaltende therapeutisch kaum zu beeinflussende Schmerzen im Lendenwirbelsäulenbereich mit Schmerzausstrahlung in das linke Bein bis zum Großzeh sowie Taubheitsgefühle und Kribbeln in diesem Bereich bei ausgeprägter Fußheberparese links leide, sowie das Ergebnis einer Kernspintomografie der LWS vom 18. November 1999. Die Beklagte befragte den Kläger zu seinen Arbeitsverhältnissen und seinem Gesundheitszustand, holte Befundberichte des Facharztes für Neurochirurgie Dr. A und der Dr. H ein und zog die Vorerkrankungsverzeichnisse der Krankenkassen des Klägers, nämlich der AOK Berlin für die Zeit bis 31.12.97 und der KKH für die sich anschließende Zeit bei. Übersandt wurden ferner das Ergebnis von Röntgenaufnahmen der Halswirbelsäule (HWS) und Lendenwirbelsäule (LWS) aus 1986 (Beurteilung u. a.: Zustand nach thorakolumbalem Morbus Scheuermann) sowie von Computertomografien (CT) der LWS vom 04. November 1999 vom 30. Juni 1987. Beigebracht wurde ferner das Ergebnis von Röntgenaufnahmen von HWS, BWS und LWS vom 27. März 2001, wo u. a. ausgeführt ist, dass die LWS flache Diskushernien im Sinne eines alten Morbus Scheuermann zeige.
Die Beklagte holte sodann eine Stellungnahme des Landesamtes für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und Technische Sicherheit Berlin vom 27. April 2001 ein, für welches die Gewerbeärztin U ausführte, dass der Anfangsverdacht auf eine berufliche Auslösung und Unterhaltung eines degenerativen Bandscheibenleidens den Unterlagen nicht entnommen werden könne. Der im Segment L 5/S 1 aufgetretene Prolaps müsse im Zusammenhang mit den Residuen eines Morbus Scheuermann gesehen werden und korrespondiere nicht mit bandscheibenbedingten Veränderungen in der LWS-Region. Man empfehle allerdings, die Umsetzung auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz zu unterstützen.
Mit Bescheid vom 23. Mai 2001 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Entschädigung wegen einer BK 2108 sowie von prophylaktischen Maßnahmen gemäß § 3 BKV ab. Die aktuell angefertigten Röntgenaufnahmen zeigten, dass der Kläger an degenerativen Veränderungen in Form einer Chondrose bei Zustand nach einem Morbus Scheuermann an der LWS leide, ferner zeigten sich degenerative Veränderungen an der HWS und Brustwirbelsäule (BWS). Es liege kein belastungskonformes Schadensbild im Sinne eines mehrsegmentalen bandscheibenbedingten Schadens an der LWS mit einem von oben nach unten zunehmenden und über das Altersmaß hinausgehenden Erkrankungsbild vor. Für Präventionsmaßnahmen nach § 3 BKV ergebe sich kein Raum, da wegen des Nichtvorliegens eines belastungskonformen Schadensbildes keine konkrete Gefahr des Entstehens einer BK 2108 der Anlage zur BKV bestehe.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers, mit dem dieser ein Attest der behandelnden Dr. H vom 25. Juni 2001 beibrachte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31. Juli 2001 zurück.
Im gerichtlichen Verfahren überreichte der Kläger zunächst das Ergebnis weiterer Aufnahmen vom 16. August 2001 und Angaben zur arbeitstechnischen Belastung.
Das Gericht holte einen Befundbericht der Dr. H vom 24. September 2002 und sodann ein Gutachten des Chirurgen Dr. B vom 10. Februar 2003 ein, der ausführte, dass zwar eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vorliege, dass diese aber nicht durch die berufliche Exposition des Klägers hervorgerufen, sondern schicksalhaft aufgetreten sei. Neben der bei dem Kläger vorliegenden skoliotischen Fehlhaltung der BWS mit deutlichen Abstützreaktionen im Sinne spondylotischer Spangenbildungen und nachgewiesenen Osteochondrosen sei auch der ohne jeden Zweifel vorliegende Morbus Scheuermann eine wesentliche Ursache für die beim Kläger bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Bei letzterem handele es sich um eine bereits im Jugendalter aufgetretene Aufbaustörung der Wirbelsäule, verursacht durch eine mindere Qualität der bandscheibenbegrenzten Strukturen, wobei im Wachstumsalter die Knochen dem Ausdehnungsdruck des Bandscheibengewebes nicht gewachsen seien. Dies führe zu Achsabweichungen der Wirbelsäule und zu Über- und Fehlbelastungen der Bandscheiben in den benachbarten Wirbelsäulenabschnitten. Es sei also insgesamt von einer sich frühzeitig entwickelnden Störung des Wirbelsäulenaufbaus auszugehen, welche in keinen Zusammenhang mit den beruflichen Expositionen des Klägers zu bringen sei. Eine bandscheibenbedingte Erkrankung der HWS sei allerdings auszuschließen. Die Beeinträchtigungen bestünden nach Angaben des Klägers zunehmend seit 1982.
In einer Rückäußerung vom 21. April 2003 zu Einwänden des Klägers hielt Dr. B an seiner Einschätzung fest und führte weiter aus, dass bei seiner körperlichen Untersuchung keine schwerwiegenden funktionellen Beeinträchtigungen, insbesondere keine klinischen Anzeichen einer Bandscheibensymptomatik feststellbar gewesen seien. Eine besondere Betonung des – von beruflichen Belastungen besonders betroffenen – Segmentes L 4/L 5/S 1 bestehe nicht, vielmehr seien im Bereich der gesamten Brust- und Lendenwirbelsäule erhebliche degenerative Veränderungen nachweisbar.
Im Termin vom 27. Juni 2003 hat das Gericht Dr. B vernommen, insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Dieser führte erneut aus, dass der Kläger unter erheblichen degenerativen Veränderungen, an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS sowie einem chronischen Beschwerdebild mit Funktionseinschränkungen leide, welche jedoch nicht auf seine berufliche Tätigkeit zurückzuführen seien.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Gericht sodann ein Gutachten des Prof. Dr. Seingeholt. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass beim Kläger mehrsegmentale Verschleißveränderungen der Wirbelsäule, insbesondere der LWS vorlägen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit ursächlich auf seine langjährige Tätigkeit als Eisenflechter im Betonbau zurückzuführen seien. Da durch die Befragung des Klägers sowie die Untersuchungen und Auswertung der vorliegenden medizinischen Berichte/Unterlagen objektiv kein Hinweis auf eine wesentliche Vorschädigung des Achsenorgans vor Beginn seiner beruflichen Tätigkeit habe gefunden werden können, müsse man davon ausgehen, dass die derzeitigen Wirbelsäulenveränderungen im mittelbaren Zusammenhang mit den beruflichen Belastungen zu sehen seien. Zur Krankheitsvorgeschichte führte er aus, dass der Kläger 1972 14 Tage wegen eines HWS- und LWS-Syndroms, 1975 6 Tage wegen eines Lumbalsyndroms, 1983 9 Tage wegen einer Lumbalgie und 1986 7 Tage wegen einer Lumboischialgie rechts arbeitsunfähig gewesen sei, letztere sei 1987 computertomografisch als rechtsseitiger Bandscheibenprolaps L 5/S 1 nachgewiesen worden und habe eine längere Arbeitsunfähigkeit nach sich gezogen. Erst seit 1986 gebe es objektive, insbesondere bildgebende Untersuchungsdaten. Sicher sei jedoch, dass eine juvenile Osteochondrose im Sinne eines Morbus Scheuermann für die Degenerationsprozesse nicht verantwortlich gemacht werden könne. Der von Dr. B angenommene Morbus Scheuermann sei nicht nachweisbar. Ein solcher ließe sich nur bestätigen, wenn Röntgenbilder der Wirbelsäule vor dem Lehrbeginn mit entsprechenden Randleistenstörungen vorgelegt werden könnten, was nicht der Fall sei. Schmorl’sche Knötchen hätten auf keiner der vorliegenden Röntgenbilder nachgewiesen werden können. Da der Morbus Scheuermann nicht nachweisbar sei, müssten auch die weiteren Schlussfolgerungen des Dr. B hinsichtlich des arbeitsbedingten Schadenskomplexes spekulativ bleiben.
Da die langjährige schwere körperliche Tätigkeit in Beugehaltung der Wirbelsäule und das Heben und Tragen schwerer Lasten derartige degenerativ-adaptive Veränderungen an der LWS hervorrufen könnten, seien die beim Kläger festgestellten Gesundheitseinschränkungen mit großer Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen. Die Entwicklung der Osteochrondrose der unteren LWS-Segmente mit der Osteochondrose/Spondylose der oberen LWS-Segmente unter Einbeziehung der unteren BWS-Segmente wiesen auf belastungadaptive Veränderungen im betroffenen Lendenwirbelsäulenabschnitt hin und seien als relativ sicheres Zeichen für den Ursachenzusammenhang mit der Tätigkeit des Klägers zu werten. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage aufgrund der chronisch rezidivierenden lokalen bandscheibenbedingten Erkrankungen und Veränderungen an der LWS mit Bewegungseinschränkungen ohne derzeit akute Wurzelreizsymptome 20 v. H. Beigefügt waren das Ergebnis eines MRT der HWS vom 25. November 2003, ein MRT der LWS vom 20. Mai 2003 sowie weitere Untersuchungsergebnisse.
Die Beklagte brachte hierzu eine gutachterliche Stellungnahme der Dr. B/Dr. S, Institut für Medizinische Begutachtung K, vom 21. April 2004 bei, die ausführten, dass sich zwar eine bandscheibenbedingte Erkrankung zumindest zeitweise für das Segment L 5/S 1 nachweisen ließe. Entscheidend gegen eine berufliche Verursachung spreche jedoch, dass sich keine belastungsadaptiven Reaktionen zeigten und ein belastungskonformes Schadensbild fehle. Es handele sich ausschließlich um Folgen von schicksalhaften Wirbelsäulenveränderungen bei erheblichen prädiscotischen Ursachenfaktoren wie einem Beckenschiefstand mit einer lumbosakralen Asymmetrie und daraus resultierender Seitverziehung der Wirbelsäule.
Zum Gutachten des Prof. Dr. S äußerte sich ferner Dr. B mit Stellungnahme vom 15. Juni 2004 dahin, dass von einer berufsbedingten Verursachung weiterhin nicht ausgegangen werden könne, da es am belastungskonformen Schadensbild fehle und entgegen Prof. Dr. S ohne jeden Zweifel erkennbare Vorschäden bestanden hätten. Die Auffassung der Dres. B und S sei zu bestätigen.
Mit Urteil vom 31. Januar 2006 hat das Sozialgericht Cottbus die Klage abgewiesen. Es folgte hierbei den Ausführungen der Dr. B, Dr. B und Dr. S. Prof. Dr. S könne hingegen nicht gefolgt werden, dieser beschränke sich im Wesentlichen auf die Feststellung, dass ein Morbus Scheuermann nicht vorgelegen habe und folgere die Ursächlichkeit aus der Darstellung der beruflichen Tätigkeit. Hiermit verkürze der Gutachter die Kausalitätsdiskussion dahingehend, dass bei Abwesenheit erkennbarer Vorschädigungen vor Eintritt in die Berufstätigkeit und einer nach seiner Auffassung wirbelsäulengefährdenden Tätigkeit krankhafte Veränderungen der Wirbelsäule auf eben diese Tätigkeit zurückzuführen seien. Dies sei aber nicht ausreichend. Vielmehr sei ein – im Einzelnen dargestelltes – belastungskonformes Schadensbild zu fordern, eine das Gericht überzeugende Diskussion dieser Kriterien sei lediglich in den Gutachten der Dr. B und der Dr. B/Dr. S geführt worden. Leistungen nach 3 BKVO seien ebenfalls nicht zu gewähren, da eine BK Nr. 2108 der Anlage zur BKV beim Kläger nicht vorliege und da es am Risiko einer Schädigung fehle, das über den Grad hinausgehe, der bei anderen Versicherten in vergleichbarer Beschäftigung bestehe.
Gegen dieses ihm am 29. Juni 2006 zugegangene Urteil richtet sich die am Montag, dem 31. Juli 2006, eingegangene Berufung des Klägers. Der Kläger verweist auf die Ausführungen des Prof. Dr. S, der zu Recht vom Vorliegen eines Ursachenzusammenhanges zwischen seiner beruflichen Tätigkeit und den bei ihm vorliegenden Wirbelsäulenschäden ausgegangen sei. Der Kläger trägt weiter vor, dass angesichts der hohen bei ihm festgestellten arbeitstechnischen Belastung nicht von einer schicksalhaften Erkrankung gesprochen werden könne.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 31. Januar 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2001 aufzuheben, festzustellen, dass seine Erkrankung im Bereich der Lendenwirbelsäule eine Berufskrankheit im Sinne von Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung ist und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine wöchentliche Entschädigungsleistung in Höhe von 184,07 Euro für einen Zeitraum von 5 Jahren gemäß § 3 BKVO zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist auf die medizinischen Feststellungen der Dr. B/Dr. S und die von ihr im Berufungsverfahren beigebrachte Stellungnahme des Dr. P vom 25. März 2008.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes zunächst auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG eine Rückäußerung des Prof. Dr. S vom 06. August 2007 eingeholt, der ausführte, dass beim Kläger sehr wohl ein typisches belastungskonformes Schadensbild mit höheren Druckbelastungsveränderungen in den unteren und größeren Scherbelastungsreaktionen in den oberen Lumbalsegmenten vorliege. Ein Lendenscheuermann habe sich hingegen in keinem der durchgeführten bildgebenden Verfahren gezeigt. Woher Dr. B/Dr. S ihre Erkenntnisse zu fehlstatischen Ursachen des Wirbelsäulenleidens nähmen, bliebe unklar. Entgegen deren Feststellungen habe beispielsweise Dr. B einen Beckengeradestand bei gleichen Beinlängen dokumentiert. Das Sahnehäubchen auf diesen Diagnosenkrimi setzten Dr. B/Dr. S mit der undifferenzierten Aussage zu einer Spina bifida bei S 1. Beim Kläger läge indes keineswegs der hiermit typischer Weise assoziierte Spina bifida totalis oder partiales vor, sondern lediglich ein Spina bifida occulta, der schlicht als unvollständiger Bogenschluss bezeichnet werde und statisch funktionell ohne Bedeutung sei. All dieses sei jedoch keine konkurrierende Ursache hinsichtlich der Anerkennung einer BK Nr. 2108, wie auch den Konsensempfehlungen mittlerweile zu entnehmen sei. Ein belastungskonformes Schadensbild der LWS liege beim Kläger vor mit objektiv ausgeprägter Chondrose/Osteochondrose L 5/S 1, lumbalem Wurzelsyndrom und einer Begleitspondylose/Spondylarthrose in den oberen Lumbalsegmenten L 1/2 und L 2/3. Die Entwicklung sei altersuntypisch mit dem 35. Lebensjahr aufgetreten, so dass eine plausible zeitliche Korrelation bis zum Durchbruch der ersten klinischen und radiologischen Symptomatik angesichts der seinerzeit über 10 Jahre ausgeübten Tätigkeit bestanden habe.
Hierzu brachte die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme des Facharztes für Arbeitsmedizin Dr. P vom 25. März 2008 bei, der ausführte, dass eine bandscheibenbedingte Erkrankung im Sinne der Konsensempfehlungen nicht vorliege. Eine Begleitspondylose, nach der von 21 Konstellationen der Konsensempfehlungen 19 explizit als Positiv-Kriterium fragten, müsse, um eine positive Indizwirkung zu haben, über das Altersmaß hinausgehen und mindestens zwei Segmente betreffen. In den Aufnahmen aus dem Jahr 2001 habe beim Kläger lediglich das Segment Th 12/L 1 ventrale Spondylophyten gezeigt, die jedoch der Definition der Konsensempfehlungen nicht genügten. Gleiches gelte für die Aufnahmen vom 07. Februar 2003, auch hier sei keine Begleitspondylose erkennbar, die den Kriterien der Konsensempfehlungen entspreche. Belastungsinduzierte Veränderungen an der oberen LWS und der unteren BWS, die auf eine chronisch mechanische Überlastung des Achsenorgans hindeuten könnten, ließen sich ebenfalls nicht feststellen. Auch eine plausible zeitliche Korrelation zwischen der beruflichen Belastung auf der einen Seite und dem morphologischen Befund auf der anderen Seite ließe sich nicht herstellen. Weiter forderte die Konsensempfehlung eine Betonung der Bandscheibenschäden an den unteren drei Segmenten der LWS, der Kläger weise hingegen einen monosegmentalen Schaden am lumbosakralen Übergang auf, während die übrigen Bandscheiben der LWS zwischen 1986 bis 2003 keine wesentlichen Veränderungen aufgezeigt hätten. Die von Prof. Dr. S angenommene Chondrose III. Grades im Segment L 4/S 1 sowie eine Chondrose I. Grades im Segment L 4/5 habe er nicht erkennen können. Entsprechend den erhobenen radiologischen Befunden habe sich vielmehr lediglich auf diesen Segmenten eine Chondrose II. Grades befunden, so dass sich insgesamt lediglich ein monosegmentales Schadensbild auf dem Segment L 5/S 1 bestätigen ließe. Insgesamt finde sich kein belastungskonformes, von kranial nach kaudal zunehmendes Schadensbild. Die beim Kläger vorliegenden Veränderungen in der mittleren und oberen LWS seien einer juvenilen Aufbaustörung analog dem Morbus Scheuermann zuzuordnen. Die Aufbaustörung habe sich beim Kläger auch in der Lendenwirbelsäule manifestiert, derartige Veränderungen seien nach den Konsensempfehlungen als konkurrierende Ursache zur BK 2108 anzusehen. Ebenso zähle der asymmetrische lumbosakrale Übergangswirbel als konkurrierende Ursache, der sich beim Kläger in allen Aufnahmen der LWS zwischen 1986 bis 2003 nachweisen ließe. Er schließe sich insgesamt den Einschätzungen der Dr. B, Dr. S und Dr. B an.
Das Gericht hat sodann ein Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. Wl- vom 28. Juli 2008 eingeholt, der zum Ergebnis kam, dass beim Kläger vorlägen
- ein chronisch degeneratives BWS-Syndrom mit deutlichen Abnutzungserscheinungen im mittleren und unteren BWS-Abschnitt,
- eine Bandscheibendegeneration der Etage L 5/S 1 mit Prolaps und intermittierenden Nervenwurzelreizerscheinungen S 1 links größer als rechts,
- ein Zustand nach Morbus Scheuermann und
- eine geringgradige lumbo-sakrale Übergangsstörung mit Os sacrum acutum und leichtgradiger Spina bifida bei S 1.
Eine bandscheibenbedingte Erkrankung der unteren LWS liege bei nachgewiesenem Prolaps L5/S 1 vor. Insgesamt handele es sich jedoch um eine schicksalhafte Erkrankung. Dabei würde er das frühzeitige Auftreten der Lumbalgien noch nicht als Negativargument gelten lassen, zumal in den 60er und 70er Jahren kein bandscheibenspezifisches Krankheitsbild diagnostiziert und keine adäquate Diagnostik vorgenommen worden sei, um dieses Sachargument zu objektivieren. Auch die weiterhin erkennbaren möglichen Residuen des Morbus Scheuermann seien nach den aktuellen Konsensempfehlungen nicht als wesentliche konkurrierende Ursache einzustufen, sie hätten auch nachweislich im Bereich der Segmente L 1 bis L 4 nicht zu erkennbaren Veränderungen der Bandscheibenfächer oder Wirbelkörperdeckplatten geführt.
Die aktuellen Konsensempfehlungen forderten jedoch bei einem monosegmentalen Befall der unteren LWS zusätzliche in bildgebenden Verfahren feststellbare Veränderungen. Vorliegend spräche die sich ausschließlich auf eine Etage konzentrierende altersüberschreitende Abnutzung beim Fehlen entsprechender Begleitveränderungen auf den höher liegenden Segmenten und bei gleichzeitig stärkerem Befall der mittleren BWS eindeutig gegen eine beruflich induzierte Degeneration. Die Abnutzungen im Bereich der BWS hätten tendenziell im Lauf der letzten Jahre zugenommen, während sich am radiologischen Zustand der LWS bis zum Jahre 2001 nichts Grundlegendes verändert habe. Entscheidend sei, dass sich bis zu diesem Zeitpunkt, also nach fast 40jähriger beruflicher Überlastung, keine relevanten Abstützreaktionen wie eine grobe dorsale Spondylose oder ausgeprägte Osteochondrose mit Sklerosen entwickelt hätten. Bei einer derart langen beruflichen Exposition, wie sie bereits 1986 vorgelegen habe, hätte eine multisegmentale Veränderung mit dorsalen Spondylosen der unteren LWS als auch nach kaudal zunehmenden Abnutzungserscheinungen im Sinne von Osteochondrosen vorliegen müssen, dies lasse sich jedoch im Bereich der mittleren und oberen LWS überhaupt nicht erkennen. Gleichzeitig weise die mittlere BWS deutliche knöcherne Abnutzungen auf, welche als altersüberschreitend eingestuft werden müssten und zudem auch das Ausmaß an der unteren LWS eindeutig überschritten. Auch die aktuellste MRT-Aufnahme der LWS vom 19. Mai 2005 liefere weitere Belege dafür, dass beim Kläger eine schicksalhafte Erkrankung vorliege. Es zeige sich unverändert ein mittig gelagerter Prolaps des Segmentes L 5/S 1, es sei weiter ausschließlich die unterste Etage von altersüberschreitenden Veränderungen der Bandscheibe der LWS betroffen, während die Segmente L 3 bis L 5 keine zusätzlichen Bandscheibendegenerationen aufwiesen. Dies beziehe sich auch auf die bildgebenden Phänomene Black-disc oder relevanter Flüssigkeitsverlust (Vakuumphänomen). Folglich verbleibe es auch nach fast 40jähriger beruflicher Überlastung bei einem monosegmentalen Problem der unteren LWS ohne belastungsadaptive Reaktionen im Röntgenbild als auch in den Tomografieaufnahmen. Die Ausführungen des Prof. Dr. S zu belastungsadaptiven Reaktionen könne er in Übereinstimmung mit den anderen Gutachtern nicht nachvollziehen. Es habe sich zwar eine geringe dorsale Spondylose frühzeitig zu Beginn der radiologischen Diagnostik auf dem Segment L 5/S 1 gefunden, jedoch sei im Verlaufe der Jahrzehnte keine Zunahme dieses Positiv-Indizes zu erkennen gewesen. Darüber hinaus müssten dorsale Spondylosen nicht nur monosegmental aufgedeckt werden. Der Mitbefall der unteren drei Wirbelsäulensegmente sei bis zum heutigen Tag nicht erkennbar. Auch in der deutlich höheren Abnutzung in einer belastungsfernen Region (mittleren BWS) sei ein weiteres Indiz für eine schicksalhafte Abnutzungserscheinung des Achsenorganes zu sehen. Eine Eingruppierung in die vorgegebenen Fallkonstellationen der Konsensempfehlungen würde sich daher erübrigen.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG hat das Gericht sodann noch ein Gutachten des Facharztes für Chirurgie DM H vom 01. Juli 2009 eingeholt. Dieser führte aus, dass in Würdigung der nicht arbeitsbedingten Veränderungen an der Wirbelsäule davon ausgegangen werden müsse, dass die Veränderungen im Segment L 5/S 1 nicht hauptursächlich durch die Arbeitsbelastung ausgelöst oder verursacht worden seien, sondern größtenteils im Sinne einer schicksalhaften Erkrankung durch die Vorerkrankungen gebahnt worden seien. Außerberufliche Faktoren seien chronisch degenerative Veränderungen der BWS im mittleren und unteren Abschnitt mit Übergang auf L 1, eine Übergangsstörung im lumbosakralen Übergang, ein Spina bifida sowie ein Morbus Scheuermann. Im Wesentlichen schließe er sich den Gutachten der Dr. B, Dr. B/Dr. S, Dr. P und Dr. W. an. Dem Gutachten von Prof. Dr. S könne er insofern nicht folgen, als er eine schicksalhafte Genese als erwiesen erachte.
Das Gericht hat die Beteiligten mit Schreiben vom 06. November 2009 darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zu entscheiden und Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie den der Verwaltungsakte der Beklagten.
Über die Berufung konnte gemäß § 153 Abs. 4 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden werden, weil das Gericht die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu gegeben wurde.
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2001 und das erstinstanzliche Urteil sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat weder Anspruch auf Feststellung, dass bei ihm eine BK 2108 vorliegt, noch auf die Gewährung von Leistungen gemäß § 3 BKV.
Berufskrankheiten sind gemäß § 9 Abs. 1 SGG VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als solche bezeichnet und die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten Berufskrankheiten gehören nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten oder langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Die Feststellung dieser Berufskrankheit setzt voraus, dass zum einen die arbeitstechnischen Voraussetzungen in der Person des Klägers gegeben sind und dass zum anderen das typische Krankheitsbild dieser Berufskrankheit vorliegt und dieses im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre wesentlich ursächlich auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen ist. Die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht jedoch die bloße Möglichkeit ausreicht (ständige Rechtssprechung vgl. z. B. BSG, Urteil vom 2. Mai 2001, SozR 3-2200, § 551 Nr. 18 m. w. N.).
Diese Voraussetzungen für die Feststellung, dass eine BK 2108 vorliegt, sind in der Person des Klägers nicht erfüllt. Der Kläger hat zwar nach den Feststellungen des Präventionsdienstes der Beklagten mit einer Gesamtbelastungsdosis von 37,4 x 106 Nh die so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK 2108 klar erfüllt. Das Vorliegen der so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen indiziert aber keineswegs den notwendigen Kausalzusammenhang zwischen beruflicher Belastung und aufgetretener Erkrankung. Vorliegend fehlt es am Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen für diese Berufskrankheit, die auch bei einer derart hohen Belastung erfüllt sein müssen. Beim Kläger liegt zwar eine bandscheibenbedingte Erkrankung der unteren LWS bei nachgewiesenem Prolaps L 5/S 1 vor. Diese Erkrankung ist jedoch nicht ursächlich auf die berufliche Belastung zurückzuführen.
Dabei ist nach dem Merkblatt zu der BK Nr. 2108 der Anlage zur BKV (BArbBl. 10/2006, Seite 30 ff.) zu berücksichtigen, dass bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule eine multifaktorielle Ätiologie haben, weit verbreitet sind und in allen Altersgruppen, sozialen Schichten und Berufsgruppen vorkommen. Die in dem Merkblatt dargelegten Erkenntnisse zur Entstehung von Wirbelsäulenerkrankungen können jedenfalls derzeit noch als dem Stand der Wissenschaft entsprechend angewandt werden, auch wenn diese Merkblätter nicht fortgeführt werden. Bei der Kausalitätsbetrachtung sind bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule von konkurrierenden Ursachen abzugrenzen, wobei im Rahmen der Kausalitätsbetrachtung eine Gesamtschau aller möglichen Faktoren anzustellen ist. Für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkungen und Erkrankungen im Berufskrankheitenrecht gilt, wie auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung, die Theorie der wesentlichen Bedingung. Danach werden im Sozialrecht als rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Gesichtspunkte für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache sind insbesondere die versicherte Ursache bzw. das Ereignis als solches, also Art und Ausmaß der Einwirkung, konkurrierende Ursachen unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens und Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach den Einwirkungen, Befunde und Diagnosen der erstbehandelnden Ärzte sowie die gesamte Krankengeschichte. Trotz dieser Ausrichtung am individuellen Versicherten sind der Beurteilung des Ursachenzusammenhangs im Einzelfall der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand über die Ursachenzusammenhänge zwischen Ereignissen und Gesundheitsschäden zugrunde zu legen. Als aktueller Erkenntnisstand sind solche durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnenen Erkenntnisse anzusehen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also, von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht. Dazu können einschlägige Publikationen, beispielsweise die Merkblätter des zuständigen Bundesministeriums und die wissenschaftliche Begründung des ärztlichen Sachverständigenbeirats, Sektion Berufskrankheiten, zu der betreffenden BK oder Konsensusempfehlungen der mit der Fragestellung befassten Fachmediziner herangezogen werden, sofern sie zeitnah erstellt oder aktualisiert worden sind und sich auf dem neuesten Stand befinden (BSG, Urteil vom 27. Juni 2006, Az. B 2 U 13/05 R, SozR 4-2700 § 9 Nr. 9, zitiert nach juris.de, m. w. N.). Den im Berufungsverfahren gehörten Gutachtern war daher aufgegeben worden, ihre Feststellungen anhand der bereits genannten Konsensempfehlungen zur BK 2108 (Bolm-Audorff u. a., Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule, Trauma und Berufskrankheit 2005, S. 211 ff. und S. 320 ff.) zu begründen, aus welcher sich der aktuelle medizinische Erkenntnisstand zu dieser BK ergibt.
Nach dem so gefundenen Ergebnis der medizinischen Feststellungen steht fest, dass in der Person des Klägers die medizinischen Voraussetzungen für die Feststellung der BK 2108 nicht erfüllt sind. Das Gericht folgt hierbei insgesamt den Feststellungen des Dr. W-in dessen Gutachten vom 28. Juli 2008, der unter umfassender Auswertung der vorliegenden Aufnahmen aus bildgebenden Verfahren und einer Würdigung der Krankheitsentwicklung beim Kläger überzeugend begründete, dass sämtliche zu würdigenden Indizien gegen eine berufliche Verursachung sprechen. Dr. W-orientierte sich dabei an den Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung.
Danach besteht beim Kläger zwar eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS; es fehlt jedoch vorliegend bereits am so genannten belastungskonformen Verteilungsmuster der Erkrankung an der Wirbelsäule. Art, Ausprägung und Lokalisation des Krankheitsbildes müssen der spezifischen Einwirkung bzw. der beruflichen Exposition entsprechen. Der nach dem anzuwendenden Berufskrankheitentatbestand mit einer bestimmten Einwirkung korrespondierende Wirbelsäulenabschnitt muss besonders betroffen sein. Die bandscheibenbedingte Erkrankung im beruflich belasteten Abschnitt muss sich vom Degenerationszustand belastungsferner Abschnitte deutlich abheben. Für die BK Nr. 2108 ist hierbei in der Regel ein von oben nach unten in der Ausprägung zunehmender Befund erforderlich, weil die Belastungen durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeuge bzw. Heben schwerer Lasten insbesondere bei den Lendenwirbelsegmenten L5/S1 und L4/5 kumulieren. Diese Belastung ist brustwirbelsäulenwärts abnehmend, so dass die Segmente L3/3, L2/3 und L1/2 zwar auch, jedoch nur geringer belastet sind. Ein derartiges belastungskonformes Schadensbild entspricht den so genannten Konsensusempfehlungen (a. a. O., S. 212 ff.), wo dieses beschrieben wird durch den Vergleich der Veränderungen zwischen Beschäftigten mit hoher Wirbelsäulenbelastung und der Normalbevölkerung hinsichtlich der Kriterien Lebensalter beim Auftreten der Schädigung, Ausprägungsgrad in einem bestimmten Alter, Verteilungsmuster der Bandscheibenschäden an der LWS, Lokalisationsunterschiede zwischen biomechanisch hoch und mäßig belasteten Wirbelsäulenabschnitten der gleichen Person sowie der Entwicklung einer Begleitspondylose. Dabei spricht eine Betonung der Bandscheibenschäden an den unteren drei Segmenten eher für einen Ursachenzusammenhang mit der beruflichen Belastung, während ein Befall der HWS und/oder BWS je nach Fallkonstellation gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen kann. Insgesamt hat für die Zusammenhangsbeurteilung eine Abwägung verschiedener im Einzelnen genannter Positivkriterien mit den gegen eine Verursachung durch die berufliche Tätigkeit sprechenden Indizien zu erfolgen (Konsensusempfehlungen, a. a. O., Seite 216 f.).
Entsprechend den Vorgaben der Konsensempfehlungen ging Dr. W zu Recht davon aus, dass allein das Bestehen eines lediglich monosegmentalen Bandscheibenvorfalls noch nicht gegen eine berufliche Verursachung spricht, worauf auch der nach § 109 SGG gehörte DM H hinwies. Allerdings wertete Dr. W es zu Recht als klares Indiz gegen eine berufliche Verursachung, dass trotz der erheblichen beruflichen Belastung beim Kläger keinerlei belastungsadaptive Veränderungen erkennbar geworden sind. Unter Auswertung der Aufnahmen aus 1986 und 2001 legte Dr. W dar, dass sich unverändert lediglich ein mittig gelagerter Prolaps des Segments L 5/S 1 zeige, wobei allerdings auch lediglich dieses eine Segment altersüberschreitend verändert sei, während irgendwelche belastungsadaptiven Reaktionen, die bei einer derart langen beruflichen Exposition in Form einer multisegmentalen Veränderung mit dorsalen Spondylosen der unteren LWS als auch nach kaudal zunehmenden Abnutzungserscheinungen im Sinne von Osteochondrosen zu fordern wären, sich im Bereich der mittleren und oberen LWS überhaupt nicht erkennen ließen. Für eine schicksalhafte Abnutzung sprechend wertete Dr. W ferner, dass sich in einer belastungsferneren Region, nämlich der mittleren BWS, bereits frühzeitig eine deutlich höhere Abnutzung eingestellt habe, in diesem Abschnitt hat sich dann sowohl eine Befundzunahme als auch eine Befundausbreitung bis in die untere BWS entwickelt. Dem entgegen fand eine derartige Entwicklung, die angesichts der fortbestehenden beruflichen Belastung zu erwarten gewesen wäre, im Bereich der LWS nicht statt. So hat sich zwar eine geringe dorsale Spondylose frühzeitig zu Beginn der radiologischen Diagnostik auf dem Segment L 5/S 1 gezeigt, eine Zunahme dieses Positivindizes ist im Verlauf der Jahrzehnte jedoch nicht zu erkennen gewesen. Dr. W- prüft sodann die in den Konsensempfehlungen beschriebenen Konstellationen und begründet, dass allein die Konstellation B 2 diskussionswürdig wäre, dass deren Voraussetzungen, wie bereits dargestellt, vorliegend jedoch nicht erfüllt sind. Diese Vorgehensweise wird dem medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand gerecht, so dass dem so gefundenen Ergebnis zu folgen war, zumal auch die ebenfalls im Verfahren Stellung nehmenden Dr. B, Dr. B/Dr. S und Dr. P – wenn auch mit im Detail abweichenden Begründungen - eine Verursachung des beim Kläger gefundenen Schadens durch seine berufliche Tätigkeit nicht feststellen konnten. Die Anwendung der Regelbeispiele aus den Konsensempfehlungen darf dabei keineswegs schematisch erfolgen. Die einzelnen „Tatbestandsmerkmale“ der Konstellationen B 2 bis B 10 ersetzen die notwendige Gesamtbetrachtung nicht. Dies folgt bereits aus der Einleitung zur Beschreibung der Fallkonstellationen, wo ausgeführt ist, dass nur eine begrenzte Anzahl typischer Konstellationen definiert und beurteilt worden sei. Weiter zeigt dies gerade auch der vorliegende Fall, der sich eben nicht ohne weiteres unter die Regelbeispiele unter dem Buchstaben „B“, die im Grundsatz alle von einem monosegmentalen bzw. bisegmentalen LWS-Befall ausgehen, wie er auch beim Kläger vorliegt, subsumieren lässt. Denn die Konstellation B 2, die Dr. W-R für allein diskussionswürdig hielt, weil die Voraussetzungen der übrigen B-Konstellationen mit Ausnahme des monosegmentalen Befalls erst recht nicht vorliegen (es fehlen insbesondere der HWS-Schaden und die Begleitspondylose), trifft den vorliegenden Fall nicht. Denn die Konstellation B2 geht von einer mit Ausnahme des mono- bzw. bisegmentalen Schadens der LWS altersentsprechenden Wirbelsäule aus. Dies belegen die folgenden Regelbeispiele, die als Abwägungskriterien auch Schäden an anderen Wirbelsäulenabschnitten als der LWS benennen, wenn diese denn vorliegen. Die vorliegende Konstellation mit einem den LWS-Schaden übersteigenden BWS-Schaden wird aber in keinem Beispiel genannt, obwohl ein BWS-Schaden mit abzuwägen ist (a. a. O., S. 220). Dies hat Dr. W-R überzeugend getan.
Als einziger der im vorliegenden Verfahren gehörten Gutachter war Prof. Dr. S zu dem Ergebnis gekommen, dass die beim Kläger vorliegenden Einschränkungen beruflich auf seine Tätigkeit zurückzuführen seien. Dem konnte jedoch nicht gefolgt werden. Die von Prof. Dr. S erkannten belastungsadaptiven Reaktionen, die als Positivindiz für eine berufliche Verursachung zu werten gewesen wären, sind nach den ausführlichen Stellungnahmen sämtlicher anderen Gutachter hierzu anhand der zahlreichen gefertigten Aufnahmen der Wirbelsäule des Klägers gerade nicht zu erkennen. Eine nachvollziehbare Subsumtion unter die Vorgaben der Konsensempfehlungen ist auch der Rückäußerung des Prof. Dr. S vom 06. August 2007 nicht zu entnehmen. Hinsichtlich der sonstigen Einwände gegen seine gutachterlichen Feststellungen wird auf die umfassenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen, denen sich das erkennende Gericht anschließt. Soweit Prof. Dr. S den Sachverständigen, denen das Sozialgericht im Ergebnis zu Recht gefolgt war, in seiner Stellungnahme im Berufungsverfahren vom 06. August 2007 „intellektuelles Apportierverhalten“ vorgeworfen hat, weil sie sich an die im unfallversicherungsrechtlichen Schrifttum herausgearbeiteten Regeln der Kausalitätsbewertung gehalten haben, zeigt dies nur, dass Prof. Dr. S diese Kriterien nicht akzeptiert. Seine Kausalitätsbewertung (kein Vorschaden an der LWS vor Aufnahme der Tätigkeit + Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen = Verursachung des Gesundheitsschadens durch berufliche Einwirkung) entspricht den Vorgaben einer notwendigen Gesamtbetrachtung in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht. Wie bereits ausgeführt, indiziert die Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen die Kausalität gerade nicht.
Das im Berufungsverfahren auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG eingeholte Gutachten des DM H hat das durch Dr. W- gefundene Ergebnis bestätigt. DM H hat sich ausdrücklich den Vorgutachtern bzw. für die Beklagte beratend Stellung nehmenden Dr. B, Dr. B/Dr. S und Dr. P angeschlossen, jedoch nicht die Auffassung des Prof. Dr. S geteilt. Hinzuweisen ist jedoch darauf, dass das Gutachten des DM Handschick die Argumentationshöhe des Gutachtens der Dr. W- und der Stellungnahme des Dr. P zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise erreicht. Die Feststellung, dass beim Kläger eine BK Nr. 2108 vorliegt, kam daher nach allem nicht in Betracht.
Auch der geltend gemachte Anspruch auf Leistungen nach § 3 BKV besteht nicht. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BKV hat der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung einem Versicherten, der die „gefährdende Tätigkeit“ einstellt, weil die Gefahr einer Entstehung, eines Wiederauflebens oder einer Verschlimmerung einer BK für ihn nicht zu beseitigen ist, zum Ausgleich der hierdurch verursachten Minderung des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile eine Übergangsleistung zu gewähren. Die Übergangsleistung hat als unterstützende Maßnahme den Zweck, den Versicherten im Rahmen der Prävention und zur Vorbeugung weiterer Gesundheitsgefahren zur Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit zu veranlassen, so genannte „Anreizfunktion“. Die bei einem Arbeitsplatzwechsel auftretende Verdienstminderung und sonstigen wirtschaftlichen Nachteile sollen abgefedert und dem Versicherten so ein Übergang auf eine ggf. wirtschaftlich ungünstigere Situation erleichtert werden. Im Vordergrund steht bei § 3 Abs. 2 Satz 1 BKV also der Anreiz, die gefährdende Tätigkeit einzustellen. § 3 BKV hat dabei eine klare präventive Zielrichtung und ist als Maßnahme der Vorbeugung und Krankheitsverhütung von den sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung üblichen Entschädigungsleitungen zu unterscheiden. Die Vorschrift ist in die Zukunft gerichtet und will den Versicherten vor aktuellen Gesundheitsgefahren schützen. Ausdrücklich führt das BSG aus, dass § 3 BKV entsprechend dieser Zielrichtung auch bei bereits eingetretenem Versicherungsfall einer BK nicht ausgeschlossen ist, „wenn er trotzdem weiterarbeitet“ und damit „weiterhin den Einwirkungen dieser BK ausgesetzt ist“ (BSG, Urteil vom 07. September 2004, Aktenzeichen B 2 U 1/03 R, SozR 4-5671 § 3 Nr. 1; zum Übrigen auch BSG, Urteil vom 07. September 2004, Aktenzeichen B 2 U 27/03 R, SozR 4-5671 § 3 Nr. 2, m.w.N.). Neben dem Bestehen einer konkret individuellen Gefahr als erster Voraussetzung ist als Zweitvoraussetzung für den Anspruch auf Übergangsgeld die Einstellung der „gefährdenden Tätigkeit“ erforderlich. Des Weiteren ist ein doppelter Kausalzusammenhang Voraussetzung: Es muss ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang einerseits zwischen der drohenden Berufskrankheit und der Einstellung der gefährdenden Tätigkeit und andererseits zwischen dieser Einstellung und der Minderung des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile bestehen (BSG, Urteil vom 20. Februar 2001, Aktenzeichen B 2 U 10/00 R, SozR 3-5670 § 3 Nr. 5). Die Zusammenschau dieser Voraussetzungen macht deutlich, dass nur die generelle Gefahr, durch bestimmte schädigende Einwirkungen, die zur Aufnahme in die BK-Liste geführt haben, nicht ausreicht, um ein Tätigwerden des Versicherungsträgers bzw. Leistungen nach § 3 BKV beanspruchen zu können. Erforderlich ist vielmehr, dass der Versicherte über die generelle Gefahr hinaus den besonderen schädigenden Einwirkungen durch seine Arbeit ausgesetzt ist und deswegen unter einer „konkreten, individuellen“ Gefahr steht, an einer BK zu erkranken. Das BSG hat deshalb bereits ausdrücklich ausgeführt, dass „die für eine BK relevanten, besonderen, schädigenden Einwirkungen … den Versicherten am konkreten Arbeitsplatz treffen und in seiner Person die individuelle Gefahr begründen (müssen), dass sie im Sinne der Kausalitätsanforderungen in der gesetzlichen Unfallversicherung eine BK entstehen, wiederaufleben oder verschlimmern lassen“ (BSG, Urteil vom 16. März 1995, Aktenzeichen 2 RU 18/94, HV-Info 1995, 1505, m. w. N., zur Vorgängervorschrift § 3 BKVO). Wie bereits erstinstanzlich ausgeführt, sind diese Voraussetzungen für die Gewährung von Übergangsleistungen nicht erfüllt. Denn die individuelle Gefahr des Entstehens, Wiederauflebens oder Verschlimmerns einer BK besteht nach dem oben dargelegten Ergebnis der medizinischen Ermittlungen nicht. Dr. Wl- hat vielmehr überzeugend dargelegt, dass sich der beim Kläger bestehende Prolaps bei L5/S1 seit seiner Entstehung unverändert zeigt, ohne dass sich belastungsadaptive Reaktionen entwickelt haben und dass dieser Schaden schicksalsbedingt und nicht BK-relevant ist, so dass die individuelle Gefahr des Entstehens, Wiederauflebens oder Verschlimmerns einer BK nicht besteht.
Nach alledem war die Berufung daher zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, sie folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG lagen nicht vor.