Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 8. Kammer | Entscheidungsdatum | 08.04.2011 | |
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Aktenzeichen | 8 Sa 352/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 15 AGG |
Keine Benachteiligung wegen Alters oder Geschlechts bei der Zulassung weiterer Bewerber bei der Besetzung einer Beförderungsstelle
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 14. Dezember 2010 - 8 Ca 10198/10 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Der 56 jährige Kläger nimmt die Beklagte, bei der er seit Dezember 1979 in der von ihr betriebenen Spielbank, tarifvertraglich zuletzt als Sous-Chef eingestuft, zu einem Bruttomonatsentgelt von etwa 5.000,00 Euro beschäftigt war, mit der der Beklagten am 9. Juli 2010 zugestellten Klage wegen der Besetzung der Position eines Tischchefs auf der Grundlage der “Stellenausschreibung KSP 2009" vom 30. September 2009 (Bl. 12, 13 d. A.) mit der 43 jährigen, seit 1991 beschäftigten, zuletzt tariflich als Zylindercroupier eingestuften Frau R. auf Entschädigung von mindestens 15.000,00 Euro nach § 15 Abs.2 AGG wegen einer behaupteten Diskriminierung in Anspruch. Von der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird unter Bezugnahme auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils abgesehen.
Durch das Urteil vom 14. Dezember 2010 hat das Arbeitsgericht Berlin die Klage kostenpflichtig abgewiesen, den Wert des Streitgegenstandes auf 15.000,00 Euro festgesetzt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die zulässige Klage sei unbegründet, denn auch unter Berücksichtigung der Erleichterungen gemäß § 22 AGG könne nicht festgestellt werden, dass der Kläger wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes bei der Besetzung der Position als Tisch-Chef unberücksichtigt geblieben sei.
Da es nicht um die Vergabe eines öffentlichen Amtes gegangen sei, sei die Beklagte nicht verpflichtet gewesen, ein einheitlich geregeltes Bewerbungsverfahren mit festgelegten und dokumentierten Fragen durchzuführen. Einen eventuellen Auskunftsanspruch habe die Beklagte mit der Mitarbeiterinformation erfüllt. Die Bewerberin R. erfülle angesichts ihrer Tätigkeit im Spielbetrieb seit 1991 und als Zylindercroupier I das Anforderungsprofil für die Position des Tischchefs. Gemäß § 4 Abs.1 A. Nr. 7 des - nachwirkenden - Rahmentarifvertrags Klassisches Spiel (RTV) könnten auch die Zylindercroupiers I und II als Tischchef eingesetzt werden, was bei Frau R. der Fall gewesen sei. Selbst wenn die Beklagte mit der Zulassung innerbetrieblicher Bewerbungen ab Position Zylinder II gegen § 2 Abs.3 Satz 2 RTV verstoßen habe, weil dieser so zu lesen sei, dass er das Prinzip des stufenweisen Aufstiegs festlegte, sei dies kein Indiz für eine Benachteiligung des Klägers. Soweit die Beklagte über den Tarifvertrag hinausgehend mehr Bewerbern Beförderungschancen eingeräumt habe, habe sie damit jedenfalls nicht gegen das Benachteiligungsverbot gemäß § 7 Abs.1 AGG verstoßen, vielmehr dem Ziel des Gesetzes, Benachteiligungen aus Gründen des Geschlechts oder des Alters zu beseitigen, entsprochen. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils (Bl. 109 - 113 d. A.) verwiesen.
Gegen das dem Kläger am 11. Februar 2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 14. Februar 2011 mit gleichzeitiger Begründung bei dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung.
Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und vertritt weiterhin die Auffassung, Indizien vorgetragen zu haben, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten ließen, indem er dargelegt habe, dass die Beklagte mit der Ausschreibung gerade und vorrangig jüngere Mitarbeiter angesprochen, die Schwerbehindertenvertretung nicht am Verfahren beteiligt, kein einheitliches und geregeltes Auswahlverfahren mit gleichartigen Fragen durchgeführt und die Auswahlentscheidung nicht ausreichend begründet habe. Ferner habe die Beklagte die Ausschreibung wissentlich unter Verstoß gegen § 2 Abs. 3 Satz 2 des nachwirkenden RTV, wonach eine Beförderung immer nur aus der vorhergehenden Gruppe nach einer regelmäßigen einjährigen Tätigkeit in dieser Gruppe erfolgen dürfe, vorgenommen. Der Betriebsrat habe deshalb – was unstreitig ist – seine nach § 2 Abs. 5 RTV erforderliche Zustimmung verweigert. Die Mitbewerberin Frau R. sei, was die Beklagte unstreitig gestellt habe, in den Jahren 2008 und 2009 niemals als Tisch-Chef und insgesamt lediglich 18 mal als Souschef eingesetzt gewesen, während er, der Kläger, durchgehend als Souschef und Tischchef eingeteilt gewesen sei, so dass feststehe, dass die Mitbewerberin weder die Vorgaben des Tarifvertrags noch der Ausschreibung erfülle. Schließlich sei die Ausschlussfrist für die Anspruchsanmeldung durch den Aushang im Betrieb, dessen Kenntnisnahme er bestreite, bereits deshalb nicht in Gang gesetzt worden, weil der Betriebsrat kommuniziert habe, die Zustimmung zur Beförderung zu verweigern.
Der Kläger und Berufungskläger beantragt,
unter Abänderung der Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin vom 14. Dezember 2010 - 8 Ca 10198/10 - die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine angemessene, in das Ermessen des Gerichts gestellte Entschädigung in Geld, mindestens jedoch 15.000,-- € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
Die Beklagte hält die Klage bereits für verfristet, da der Kläger bereits mit dem Aushang vom 29. Januar 2010 Kenntnis von der Ablehnung seiner Bewerbung erlangt habe.
Sie, so trägt die Beklagte vor, habe nicht das Ziel gehabt, eine jüngere Mitarbeiterin zu befördern, es sei ihr ausschließlich darum gegangen, dem Tarifvertrag eine Auslegung angedeihen zu lassen, die keine alters- und geschlechtsdiskriminierende Wirkung entfalte. Zwar habe die bisherige Handhabung des Tarifvertrags darin bestanden, nie einen Mitarbeiter bei der Beförderung eine Position überspringen zu lassen und innerhalb der dadurch eingegrenzten Zahl möglicher Beförderungskandidaten auf die Betriebszugehörigkeit und die Jahre in der Endstufe der gegenwärtigen Position/Eingruppierung zu achten, die Einigungsstelle, die – was unstreitig ist – am 5. Januar 2011 die Zustimmung des Betriebsrats zur Beförderung der Frau R. ersetzt habe, habe ihre Entscheidung demgegenüber damit begründet, dass alle tariflichen Vorschriften, die ihrer Beförderung entgegenstünden wegen Diskriminierung nicht zur Anwendung kämen.
Eine die Diskriminierung vermeidende Auslegung des Tarifvertrags führe zu einer Neubewertung der Regelung in § 2 Abs. 3 RTV, wonach Voraussetzung einer Beförderung mindestens eine regelmäßige einjährige Tätigkeit in der vorhergehenden Gruppe sei, so dass ausgeschlossen werde, dass eine Beförderung kurze Zeit nach einer bereits vorangegangenen Beförderung erfolge.
Frau R. habe auch regelmäßig die Aufgaben eines Tischchefs ausgeübt, die darin bestünden, die Aufsicht am Spieltisch im Roulement auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung vom 22. August 2003 wahrzunehmen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsbegründung vom 14. Februar 2011 nebst Anlagen (Bl. 119 - 141 d. A.), der Berufungsbeantwortung vom 24. März 2011 (Bl. 146 – 154 d. A.) und der Replik vom 28. März 2011 (Bl. 155 – 156 d. A.) Bezug genommen.
I.
Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung d. Kl. ist form- und fristgerecht im Sinne der §§ 66 Abs.1 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.
II.
Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und nach dem Vorbringen des Klägers keinen Beweis von Indizien erkennen können, die die Benachteiligung wegen des Alters oder des Geschlechts bei der Besetzung der Position des Tisch-Chefs vermuten lassen. Dabei hat das Arbeitsgericht den ihm unterbreiteten Sachverhalt einschließlich des bestrittenen Vortrags des Klägers vollständig gewürdigt und die höchstrichterlich entwickelten Grundsätze zur Feststellung eines Entschädigungsanspruchs gemäß § 15 Abs. 2 AGG zutreffend angewandt. Das Berufungsgericht schließt sich deshalb den Ausführungen des Arbeitsgerichts in dem angefochtenen Urteil vollumfänglich an und sieht von einer Wiederholung ab (§ 69 Abs. 2 ArbGG).
Die Angriffe der Berufung sind nicht geeignet, die Rechtslage anders zu beurteilen und geben nur Anlass zu folgenden Anmerkungen.
1. Zwar scheitert ein Entschädigungsanspruch des Klägers nicht bereits an der Nichteinhaltung der Frist gemäß § 15 Abs. 4 AGG, denn der Kläger hat seinen Anspruch innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der Ablehnung mit der der Beklagten am 9. Juli 2010 zugestellten Klage schriftlich geltend gemacht. Entgegen der Auffassung der Beklagten begann die Frist nicht bereits mit dem Aushang vom 29. Januar 2010, da darin – zumal bei fehlender Zustimmung des Betriebsrats zur Beförderung – nicht die – individuelle – Ablehnung der Bewerbung des Klägers gesehen werden kann.
2. Als nicht entscheidungserheblich kann dahinstehen, ob die Beklagte die Schwerbehindertenvertretung ordnungsgemäß beteiligt hat, denn der Kläger kann sich auf eine Benachteiligung wegen einer Behinderung nicht berufen, weil er kein behinderter Mensch ist (vgl. zum Schutz vor Diskriminierung ohne konkrete eigene Benachteiligung BAG, Urteil vom 19.08.2010 - 8 AZR 370/09 - NZA 2011, 200, Rz. 32 ff).
3. Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, die Beklagte habe kein einheitliches und geregeltes Auswahlverfahren mit gleichartigen Fragen durchgeführt, denn die Beklagte war – wie das Arbeitsgericht bereits mit zutreffender Begründung erkannt hat – als privater Arbeitgeber dazu nicht verpflichtet.
4. Entgegen der Auffassung des Klägers lassen sich auch keine Anhaltspunkte tatsächlicher Art dafür finden, dass die Mitbewerberin das Anforderungsprofil der Stellenausschreibung nicht erfüllte, denn sie gehörte dem Betrieb der Beklagten bereits seit 1991 an, wies eine regelmäßige Tätigkeit als Tischchef im Roulement auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung vom 22. August 2003 auf und war als Zylindercroupier I eingestuft.
5. Schließlich kann sich der Kläger auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Beklagte habe die Mitbewerberin R. tarifwidrig befördert, indem sie die in § 2 Abs. 3 Satz 2 des nachwirkenden RTV aus seiner Sicht bestehende Vorgabe einer mindestens einjährigen regelmäßigen Tätigkeit in der vorhergehenden Gruppe nicht eingehalten habe.
Unabhängig davon, ob die von der Beklagten herangezogene Betrachtungsweise zutrifft, dass damit nicht die Zugehörigkeit zur jeweils darunter liegenden Gruppe des Tarifvertrags verlangt sondern nur ausgeschlossen werden solle, dass ein Bewerber nicht bereits vor Ablauf eines Jahres erneut befördert wird, spricht bereits die zwischenzeitlich durch die Einigungsstelle ersetzte Zustimmung des Betriebsrats zur Beförderung der Mitbewerberin gegen die Auffassung des Klägers, durch das Verständnis der Beklagten von den Beförderungsvoraussetzungen sei ein Indiz für eine Diskriminierung wegen des Alters bewiesen.
Hinzu kommt, dass – selbst wenn die Beklagte das Bewerberfeld entgegen dem Verständnis des Klägers von den tarifvertraglichen Vorgaben zu Unrecht erweitert hätte – dies allein zur Zulassung weiterer Bewerber um die Beförderungsstellen geführt hat, die nicht ihrerseits wegen ihres Alters oder Geschlechts mittelbar benachteiligt werden sollten und darin kein Indiz für eine Benachteiligung des Klägers wegen seines Alters oder Geschlechts gesehen werden kann.
III.
Der Kläger hat gem. § 97 Abs.1 ZPO die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.
IV.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 72 Abs. 2 ArbGG). Die Entscheidung hat keine grundsätzliche Bedeutung und ist allein an den Besonderheiten des Einzelfalls orientiert. Eine Divergenz zu anderen obergerichtlichen Entscheidungen ist nicht erkennbar.