Gericht | VG Frankfurt (Oder) 5. Kammer | Entscheidungsdatum | 11.02.2015 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | VG 5 K 1093/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der Bescheid vom 18. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. November 2011 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten des Klägers zum Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festgesetzten Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung eines Anschlussbeitrages durch den Beklagten für die an die öffentliche-zentrale Schmutzwasserentsorgungsanlage des Beklagten angeschlossenen Grundstücke in R..., Gemarkung R..., Flur 3..., Flurstücke 1...und 1....
Die Grundstücke sind insgesamt 6.053 m² groß; es handelt sich um ehemaliges Bodenreformland. Die Grundstücke standen ursprünglich im Eigentum der verstorbenen C.... Nach dem Tode der Frau C... wurde eine (noch ungeteilte) Erbengemeinschaft, bestehend aus fünf Personen, Eigentümerin des Grundstücks. Die Erbengemeinschaft wurde 1994 als Eigentümerin ins Grundbuch eingetragen. Mitglied dieser Erbengemeinschaft war u.a. Frau I.... Frau I... ist (nach-)verstorben. Der Kläger ist (Mit-)Erbe nach Frau I.... Die Erbengemeinschaft H... besteht inzwischen aus 11 Personen. Der Erbschaftsanteil des Klägers beträgt 1/70.
Da es sich bei den Grundstücken um Bodenreformland handelte, erstritt das Land Brandenburg durch rechtskräftige Urteile des LG Frankfurt (Oder) einen Anspruch auf einen hälftigen Miteigentumsanteil an den Grundstücken. In Folge der Urteile ist eine Auflassungsvormerkung zu Gunsten des Landes Brandenburg im Grundbuch eingetragen worden; die Auflassungsvormerkung ist bisher nicht vollzogen. Das Land Brandenburg ist mithin nicht als (Mit-)Eigentümer im Grundbuch eingetragen.
Auf dem Grundstück wurden zu DDR-Zeiten durch die Arbeiter-Wohnungsbau-Genossenschaft „Karl Marx“ mit staatlicher Genehmigung mehrere Wohnhäuser (Mehrfamilienhäuser) errichtet. Der Arbeiter-Wohnungsbau-Genossenschaft „Karl Marx“ wurde im Mai 1960 durch den damaligen Rat der Gemeinde ein Nutzungsrecht an den Grundstücken verliehen. Im Grundbuch ist ein Besitzrecht zu Gunsten der Wohnungsbaugenossenschaft R... e.G. eingetragen, die Rechtsnachfolgerin der vormaligen Arbeiter-Wohnungsbau-Genossenschaft „Karl Marx“ ist. Die Wohnungen werden durch die Wohnungsbaugenossenschaft R... e.G. vermietet.
Mit Schreiben vom 25. September 1995 teilte die Wohnungsbaugenossenschaft R... e.G. Herrn F..., der von ihr als Vertreter der Erbengemeinschaft bezeichnet wurde, mit, dass sie ein Angebot zum Ankauf des Bodens unterbreite. Unter Bezugnahme auf die Vorschriften des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes (SachenRBerG) gab die Wohnungsbaugenossenschaft R... e.G. an, dass sie das Grundstück von der Erbengemeinschaft zu einem Preis von 167.000 DM erwerben wolle. Mit Schreiben vom 26. Oktober 1995 erläuterte die Wohnungsbaugenossenschaft R... e.G. gegenüber einem Mitglied der Erbengemeinschaft Details ihres Kaufangebotes; sie nahm wiederum Bezug auf das SachenRBerG. Die Mitglieder der Erbengemeinschaft erhoben keine Einwendungen gegen das Ankaufverlangen der Wohnungsbaugenossenschaft R... e.G.. Ein notarielles Vermittlungsverfahren nach dem SachenRBerG wurde von den Beteiligten nicht beantragt.
Mit Schreiben vom 04. Oktober 2010 teilte die Wohnungsbaugenossenschaft R... e.G. dem Brandenburger Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen mit, dass sie der Erbengemeinschaft H... im Jahre 1995 und 1996 ein Kaufangebot i.S.d. SachenRBerG unterbreitet habe.
Mit Bescheid vom 18. August 2011 setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger einen Anschlussbeitrag in Höhe von 19.805,42 Euro fest. Dies wurde damit begründet, dass der Kläger Miteigentümer des an die öffentliche-zentrale Schmutzwasserentsorgungsanlage des Beklagten angeschlossenen Grundstücks und daher Beitragspflichtiger sei.
Der Kläger legte gegen den Bescheid am 13. September 2011 Widerspruch ein. Er begründete den Widerspruch damit, dass vorrangig der Nutzer des Grundstücks, die Wohnungsbaugenossenschaft R... e.G., als Beitragspflichtige heranzuziehen sei. Der Nutzer trete an die Stelle des Eigentümers, da die Voraussetzungen der §§ 9, 15, 16 SachenRBerG erfüllt seien. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass dem Kläger lediglich ein Erbschaftsanteil von 1/70 zustünde und das Grundstück im (Mit-)Eigentum einer ungeteilten Erbengemeinschaft und des Landes Brandenburg stehe. Mithin habe der Kläger letztlich nur einen Miteigentumsanteil von 1/140 am Grundstück.
Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 02. November 2011 zurückgewiesen. Die Zurückweisung wurde damit begründet, dass der Einwand, der Nutzer sei vorrangig heranzuziehen, zurückzuweisen sei. Der Kläger sei im Grundbuch eingetragener (Mit-)Eigentümer des Grundstücks und daher beitragspflichtig. Der Kläger hafte als (Mit-)Erbe gesamtschuldnerisch für den gesamten Beitrag. Das Besitzrecht der Wohnungsbaugenossenschaft Rüdersdorf würde keine Beitragspflicht begründen.
Im Hinblick auf die Tatsache, dass die vorhandenen Mehrfamilienhäuser der Wohnungsbaugenossenschaft R... e.G. auch auf weiteren, im Eigentum Dritter stehenden, Grundstücken errichtet wurden, beantragte die Wohnungsbaugenossenschaft Rüdersdorf e.G. die Durchführung eines Bodenordnungsverfahrens gemäß § 64 LwAnpG. Mit Anordnungsbeschluss vom 10. November 2011 wurde ein Bodenordnungsverfahren angeordnet, dass bisher noch nicht abgeschlossen ist.
Mit Bescheid vom 16. Dezember 2011 setzte der Beklagte für dasselbe Grundstück auch gegenüber der Wohnungsbaugenossenschaft R... e.G. einen Beitrag in Höhe von 19.805,42 Euro fest. Hiergegen legte die Wohnungsbaugenossenschaft R... e.G. Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2012 zurückgewiesen wurde. Die Zurückweisung wurde u.a. damit begründet, dass die Wohnungsbaugenossenschaft R... e.G. Beitragsschuldnerin sei, da vorliegend der Nutzer des Grundstücks heranzuziehen sei. Die Wohnungsbaugenossenschaft habe ihr Wahlrecht i.S.d. SachenRBerG ausgeübt. Die Wohnungsbaugenossenschaft hat hiergegen am 05. Juli 2012 Klage erhoben (5 K 768/12). Die Klage der Wohnungsbaugenossenschaft R... e.G. wurde mit Urteil vom 11. Februar 2015 abgewiesen.
Der Kläger hat am 18. November 2011 Klage erhoben. Er trägt vor, der Beitragsbescheid sei rechtswidrig, da vorrangig die Wohnungsbaugenossenschaft R... beitragspflichtig sei. Die Wohnungsbaugenossenschaft habe auf dem Grundstück Mehrfamilienhäuser errichtet; zu ihren Gunsten sei im Grundbuch ein Besitzrecht eingetragen. Weiterhin habe sie gegenüber der Erbengemeinschaft ein Kaufangebot gemäß den Bestimmungen des SachenRBerG abgegeben und somit ihr Wahlrecht gemäß § 15, § 16 SachenRBerG wirksam ausgeübt. Im Übrigen sei durch die Wohnungsbaugenossenschaft R... e.G. ein Bodenordnungsverfahren beantragt worden. Mithin liege ein vorrangiges, qualifiziertes Nutzungsrecht vor, welches die Beitragspflicht des Klägers verdrängen würde. Im Übrigen sei der Anspruch des Beklagten verjährt, da es nach Ansicht des Klägers auf die erste Satzung ankomme. Das Grundstück sei unstreitig bereits 1990 an eine zentrale-öffentliche Schmutzwasserentsorgungsanlage angeschlossen gewesen. Die anderslautende Rechtsprechung, die auf § 8 Abs. 7 Satz 2 Kommunalabgabengesetz n.F. abstelle, verkenne, dass es sich um eine unzulässige echte Rückwirkung handeln würde.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 18. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02. November 2011 aufzuheben und die Hinzuziehung des Bevollmächtigten des Klägers im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, dass im Hinblick auf die bestehenden rechtlichen Unsicherheiten zwei Beitragsbescheide erlassen worden seien. Im Hinblick auf den Vortrag des Klägers sei davon auszugehen, dass dieser beitragspflichtig sei. Da die Wohnungsbaugenossenschaft R... e.G. die Durchführung eines Bodenordnungsverfahrens beantragt habe, komme es nicht (mehr) auf die Ausübung des Wahlrechts an. Bereits dieser Antrag stelle ein Verfahrenshindernis dar. Im Übrigen würden die Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der Satzung und verfassungsrechtlich begründete Bedenken gegen die Beitragserhebung nicht greifen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen, die zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wurden.
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 18. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02. November 2011 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Der Beklagte war nicht berechtigt, den Kläger als Beitragspflichtigen heranzuziehen. Die Beitragspflicht des Klägers ist gemäß § 8 Abs. 2 Satz 4 bis 6 Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg (KAG) i. V. m. § 6 Abs. 1 der Schmutzwasserbeitragssatzung des Wasserverbandes S... vom 02. Dezember 2009 (BS) ausgeschlossen, weil vorliegend der Nutzer des Grundstücks, die Wohnungsbaugenossenschaft R... e.G. – an Stelle der im Grundbuch bezeichneten Eigentümer - vorrangig heranzuziehen war. Die die Beitragspflicht des Eigentümers verdrängende Beitragspflicht des Nutzers eines Grundstücks i. S. d. § 9 Sachenrechtsbereinigungsgesetz (SachenRBerG) entsteht gemäß § 8 Abs. 2 Satz 4 bis 6 KAG i. V. m. § 6 Abs. 1 BS dann, wenn zum Zeitpunkt des Erlasses des Beitragsbescheides das Wahlrecht über die Bestellung eines Erbbaurechts oder den Ankauf des Grundstücks gemäß §§ 15, 16 SachenRBerG ausgeübt und gegen den Anspruch des Nutzers keine nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz statthaften Einreden und Einwendungen geltend gemacht worden sind. Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 6 2. Halbsatz KAG i. V. m. § 6 Abs. 1 Satz 4 BS bleibt anderenfalls die Beitragspflicht des Grundstückseigentümers unberührt. Maßgeblicher Zeitpunkt ist gemäß dem Gesetzeswortlaut und dem Wortlaut der Satzung der Zeitpunkt des Erlasses des Beitragsbescheides. Vorliegend ergibt sich unter Berücksichtigung der vorgelegten Unterlagen, dass zu Gunsten der Wohnungsbaugenossenschaft R... e. G. ein Nutzungsrecht i. S. d. § 9 SachenRBerG besteht. Die ehemalige Arbeiter-Wohnungsbau-Genossenschaft „Karl Marx“, deren Rechtsnachfolger die Wohnungsbaugenossenschaft R... e. G. ist, ist unstreitig Eigentümerin der auf dem veranlagten Grundstück errichteten Wohngebäude. Vom damaligen Rat der Gemeinde R... wurde der Arbeiter-Wohnungsbau-Genossenschaft „Karl Marx“ mit Schreiben vom 24. Mai 1960 ein Nutzungsrecht an den o.g. Flurstücken verliehen. Weiterhin erfolgte die Errichtung der Wohnblöcke durch die Arbeiter-Wohnungsbau-Genossenschaft „Karl Marx“ mit staatlicher Genehmigung. Dies wird durch die das Nutzungsrecht bestätigende Erklärung der mit der Vorbereitung des Bodenordnungsverfahrens betrauten Vermessungsingenieurin gestützt und ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Im Grundbuch ist ein Besitzrecht der Wohnungsbaugenossenschaft R... e. G. eingetragen. Damit sind die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 SachenRBerG erfüllt. Die Wohnungsbaugenossenschaft R... e. G. ist gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 2 SachenRBerG Rechtsnachfolgerin der Arbeiter-Wohnungsbau-Genossenschaft „Karl Marx“.
Das Wahlrecht über die Bestellung eines Erbbaurechts oder den Ankauf wurde wirksam ausgeübt, § 8 Abs. 2 Satz 6 1. Halbsatz KAG i. V. m. § 15 Abs. 1 SachenRBerG, § 16 Abs. 1 Satz 1 SachenRBerG. Denn die Wohnungsbaugenossenschaft R... e.G. machte 1995 als Nutzerin der auf den Grundstücken errichteten Gebäude ein ihr zustehendes Ankaufsrecht gemäß §§ 15, 16 SachenRBerG gegenüber der Erbengemeinschaft H... geltend. Die Wohnungsbaugenossenschaft Rüdersdorf e. G. hat mit Schreiben vom 25. September 1995 unter Bezugnahme auf das SachenRBerG ausdrücklich erklärt, dass sie das streitgegenständliche Grundstück ankaufen will. In der Bezeichnung des gewünschten Vertrages (hier: Ankauf) liegt zugleich die Ausübung des Wahlrechts, es sei denn der Erklärende hat sich die Wahl ausdrücklich vorbehalten (Vossius, Kommentar zum Sachenrechtsbereinigungsgesetz, § 15 Rn. 5). Die Ausübung des Wahlrechts erfolgte durch einseitige, empfangsbedürftige und rechtsgestaltende Willenserklärung. Mit der Erklärung erlosch das Wahlrecht, § 16 Abs. 1 Satz 2 SachenRBerG. Im ausdrücklich als Kaufangebot bezeichneten Angebot vom 25. September 1995 teilte die Wohnungsbaugenossenschaft R... mit, dass sie bereit sei, 167.000, - DM als Kaufpreis für das Grundstück zu zahlen. Das Kaufangebot war an die Erbengemeinschaft H..., vertreten durch F..., gerichtet. Gemäß dem eindeutigen Inhalt ihrer Erklärung wollte die Wohnungsbaugenossenschaft R... das Grundstück ankaufen und kein Erbbaurecht bestellen. Es handelte sich auch nicht lediglich um ein unverbindliches Angebot zur Einleitung von Vertragsverhandlungen, wie aus dem eindeutigen Inhalt der Schreiben ersichtlich ist. Mit weiterem Schreiben vom 26. Oktober 1995 erläuterte die Wohnungsbaugenossenschaft R... das Kaufangebot schriftlich gegenüber weiteren Mitgliedern der Erbengemeinschaft. Die Mitglieder der Erbengemeinschaft erhoben keine Einwendungen gegen das Ankaufverlangen der Wohnungsbaugenossenschaft. Ein notarielles Vermittlungsverfahren nach dem SachenRBerG wurde nicht beantragt. Dies wird auch durch das weitere Verhalten der Wohnungsbaugenossenschaft Rüdersdorf gestützt. Mit Schreiben vom 04. Oktober 2010 teilte die Bevollmächtigte der Wohnungsbaugenossenschaft R... dem Brandenburger Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen mit, dass sie der Erbengemeinschaft H... in den Jahren 1995/1996 ein Kaufangebot i.S.d. SachenRBerG unterbreitet habe.
Die vorgenannten Schreiben genügen auch den gesetzlichen Formvorschriften. Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 SachenRBerG erfolgt die Wahl durch schriftliche Erklärung.
Entgegen ihrer Ansicht kann sich die Wohnungsbaugenossenschaft R... e.G. nicht mit Erfolg darauf berufen, dass das Wahlrecht nicht wirksam ausgeübt worden sei, da die Erklärung über den Ankauf nicht allen Mitgliedern der Erbengemeinschaft zugegangen sei. Denn die Wohnungsbaugenossenschaft R... e.G. wandte sich wissentlich und willentlich an den von ihr als Vertreter der Erbengemeinschaft benannten F... und gab diesem sowie weiteren Mitgliedern der Erbengemeinschaft gegenüber verbindliche Erklärungen ab. An diese Erklärungen ist die Wohnungsbaugenossenschaft R... e.G. gebunden, auch wenn aus den vorhandenen Unterlagen in Folge des Zeitablaufs nicht vollständig rekonstruiert werden kann, ob die Erklärung über die Ausübung des Vorkaufsrechts in den Jahren 1995/1996 allen Mitgliedern der Erbengemeinschaft bekannt gegeben wurde (vgl. Vossius, Kommentar zum SachenRBerG, § 16 Rn. 8). Die Wohnungsbaugenossenschaft R... e.G. kann sich wegen des Verbots einer Zuwiderhandlung gegen das eigene frühere Verhalten (venire contra factum proprium) nicht auf die vermeintliche Unwirksamkeit ihres Angebots berufen. Das Verbot einer Zuwiderhandlung gegen das eigene frühere Verhalten (venire contra factum proprium), ist eine Ausprägung des Verbots der unzulässigen Rechtsausübung, die in dem das gesamte Recht, mithin auch das öffentliche Recht, beeinflussenden Grundsatz von Treu und Glauben wurzelt (BVerwG, Urteil vom 18. April 1996, - 4 C 22/94 -, BVerwGE 101, 58-64). So liegt es hier. Die Wohnungsbaugenossenschaft R... e.G. ist selbst durchgängig von der Wirksamkeit ihrer Erklärung zur Ausübung ihres Wahlrechts und damit der Verbindlichkeit ihres Kaufangebotes sowie der Vertretungsmacht des Herrn F... ausgegangen. So hat sie z.B. mit Schreiben vom 04. Oktober 2010 gegenüber dem Brandenburger Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen erklärt, dass sie der Erbengemeinschaft H... ein Kaufangebot i.S.d. SachenRBerG unterbreitet habe. Bisher hat zudem kein Mitglied der Erbengemeinschaft die Bevollmächtigung des Herrn F... in Frage gestellt, so dass – mindestens – von einer Duldungsvollmacht und einer wirksamen Vertretung der Erbengemeinschaft H... ausgegangen werden muss. Die Wohnungsbaugenossenschaft R... e.G. kann sich daher vorliegend – potentiell zu Lasten der Erbengemeinschaft - nicht darauf berufen, dass sie kein Angebot abgegeben habe bzw. dieses unwirksam sei. Sie muss sich vielmehr an ihren eigenen Verhalten festhalten lassen.
Die Beitragspflicht der Wohnungsbaugenossenschaft R... ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz statthafte Einwendungen geltend gemacht wurden. Statthafte Einwendungen, die von Amts wegen zu berücksichtigen sind, oder Einreden i. S. d. SachenRBerG bestanden zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht. Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 6 1. Halbsatz KAG ist auf den Zeitpunkt des Erlasses des ersten Beitragsbescheides abzustellen, mithin auf den 18. August 2011. Das SachenRBerG lässt bereits mit der Wahlrechtserklärung, nicht erst mit Erfüllung des Anspruchs, die Konkretisierung des Leistungsgegenstandes eintreten (Vossius, Kommentar zum SachenRBerG, § 16 Rn. 10). Dies entspricht den Belangen der Rechtssicherheit, denn anderenfalls bestünden erhebliche Zweifel, nach welchen Anspruchsgrundlagen in der Zeit zwischen Ausübung des Wahlrechts und dem Bewirken der geschuldeten Leistung (Grundbucheintragung der Wohnungsbaugenossenschaft als Eigentümerin) das Rechtsverhältnis zu beurteilen wäre (Vossius, Kommentar zum SachenRBerG, § 16 Rn. 10). Insoweit war auch in den Blick zu nehmen, dass § 8 Abs. 2 Satz 6 KAG darauf abstellt, dass durch den Eigentümer keine Einwendungen gegen den Ankauf erhoben wurden. Unstreitig haben die im Grundbuch eingetragenen Mitglieder der Erbengemeinschaft gegen das Ankaufsbegehren keine Einwendungen erhoben. Eine nachträgliche Änderung des Beitragspflichtigen und ein Wiederaufleben der Beitragspflicht des Eigentümers scheiden nach der Systematik der Vorschrift aus. Insoweit war zu berücksichtigen, dass gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 SachenRBerG das Wahlrecht bereits mit der Erklärung erlischt und der Nutzer sich an seiner Erklärung – mit allen sich daraus ergebenden Rechtsfolgen – festhalten lassen muss. Weiterhin war in den Blick zu nehmen, dass die am 10. November 2011 erfolgte Anordnung eines Bodenordnungsverfahrens gemäß § 28 Nr. 2 SachenRBerG zwar grundsätzlich eine von Amts wegen zu beachtende Einwendung darstellt (Vossius, Kommentar zum SachenRBerG, § 28 Rn. 1). Die Anordnung des Bodenordnungsverfahrens ist jedoch erst nach dem 18. August 2011 erfolgt. Mithin bestanden zum relevanten Zeitpunkt, d. h. dem Zeitpunkt des Erlasses des ersten Beitragsbescheides keine die Beitragspflicht des Nutzers ausschließenden Einwendungen i. S. d. SachenRBerG. Dass der Antrag auf Durchführung eines Bodenordnungsverfahrens zuvor gestellt wurde, ändert im vorliegenden Fall im Ergebnis nichts. Der Antrag würde zwar die Durchführung eines notariellen Vermittlungsverfahrens gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 2 SachenRBerG ausschließen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Februar 2000, 11 B 52.99, - juris -). Ein notarielles Vermittlungsverfahren wurde vorliegend jedoch weder beantragt, noch eingeleitet oder sonst durchgeführt. Das KAG stellt hingegen auf die materiell-rechtliche Entstehung der Beitragspflicht und nicht auf die formale Durchführung eines Vermittlungsverfahrens ab.
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass eine Verbindung der Verfahren 5 K 1093/11 und 5 K 768/12 zur gemeinsamen Entscheidung aus verfahrensrechtlichen und prozessökonomischen Gründen nicht angezeigt war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Gründe, die Berufung nach §§ 124, 124 a VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.
Die Zuziehung des Prozessbevollmächtigten des Klägers für das Vorverfahren war gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären, weil es dem Kläger aus der Sicht einer verständigen, nicht rechtskundigen Partei nicht zuzumuten war, den Rechtsstreit ohne anwaltliche Hilfe zu führen. Dies gilt insbesondere für das Kommunalabgabenrecht, da hier der Bürger in aller Regel nicht in der Lage ist, seine Rechte gegenüber der Verwaltung ohne rechtskundigen Rat ausreichend zu wahren (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg, Beschlüsse vom 6. Dezember 1999 - 2 E 34/99, 2 E 36/99 und 2 E 38/99 -).