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Baugenehmigung; Nutzungsänderung; prostitutive Einrichtung; bordellartiger Betrieb; Mischgebiet; typisierende Betrachtungsweise; Begleiterscheinungen; milieubedingte Unruhe; Prostituiertenschutzgesetz; DienstleistungsrichtlinieAtypik; Befreiung


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 2. Senat Entscheidungsdatum 29.10.2019
Aktenzeichen OVG 2 B 2.18 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2019:1029.2B2.18.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 91 Abs 1 Alt 2 VwGO, § 63 BauO BE, § 29 Abs 1 BauGB, § 6 Abs 1 BauNVO, ProstSchG, § 71 Abs 1 S 1 BauO BE, § 30 Abs 1 BauGB, § 6 Abs 2 BauNVO

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das erstinstanzliche Urteil geändert. Soweit das Verwaltungsgericht das Verfahren nicht eingestellt hat, wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin erstrebt die Erteilung einer Baugenehmigung für den Betrieb einer prostitutiven Einrichtung.

Die Klägerin ist Mieterin mehrerer miteinander verbundener „Wohneinheiten“ im zweiten Obergeschoss des Hauses B... in 1... mit insgesamt 428,51 m² Fläche. Die Räume liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans I... vom ..., der für das in Rede stehende Gebiet die Festsetzung „Mischgebiet“ trifft. Die Klägerin betreibt dort seit 1996 - zunächst nur in einem Teilbereich der später erweiterten aktuellen Mietfläche - eine prostitutive Einrichtung unter dem Namen „R... “.

Nachdem das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin gegen die Klägerin ein Nutzungsuntersagungsverfahren eingeleitet hatte, zeigte diese unter dem 2. Oktober 2015 im Genehmigungsfreistellungsverfahren gemäß § 63 BauO Bln in der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung die Nutzungsänderung der „gewerblichen Nutzung und Wohnnutzung“ der von ihr angemieteten Räume in „gewerbliche Nutzung“ an. Der Anzeige beigefügt war ein „Antrag auf Abweichung von Festsetzungen des § 7 Abs. 1 BauNVO 1962“, der wie folgt begründet wurde:

„Das Vorderhaus des Bestandsgebäudes B...wird komplett gewerblich genutzt. Da der Zugang der betreffenden Einheit im 2. Obergeschoss über das Vorderhaus erfolgt, kann es keine Vermischung von Wohnnutzung und gewerblicher Nutzung an dieser Stelle geben. Die ‚typisierende‘ Betrachtungsweise des vorliegenden Antrages sowie die damit verbundene Bewertung als störendes Gewerbe (…) ist daher in diesem Fall nicht zutreffend.

Ferner besteht diese Nutzung der Räume seit nunmehr zwanzig Jahren. Störende Einflüsse auf das Wohlbefinden der Nachbarschaft sind nicht bekannt.

Die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit und Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen der Bevölkerung, sind durch die Nutzung (gewerbliche Zimmervermietung, mithin bordellähnlicher Betrieb) in keiner Weise gestört oder beeinträchtigt.

Sowohl die historische Bausubstanz als auch das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes werden nicht verändert.“

In der am 16. Oktober 2015 nachgereichten Bau- und Betriebsbeschreibung vom 15. Oktober 2015 wurde zu dem Vorhaben unter anderem Folgendes ausgeführt:

„In den Gewerberäumen B..., 2. OG, wird eine Zimmervermietung in Verbindung mit einer Vermittlung erotischer Kontakte betrieben. Die Räume befinden sich im Vorderhaus. In diesem Vorderhaus gibt es ausschließlich Praxen, Kanzleien und Gewerbe, keine Wohnungen.

Die große Hauseingangstür öffnet eine kleine Tordurchfahrt. Davon geht seitlich links das Treppenhaus des Vorderhauses ab.

Ein Personenaufzug für das Vorderhaus ist gleich hinter dem Eingangstor in der Durchfahrt und hält im 2. OG gegenüber von unserem Eingang. Der Zugang zu den Räumen des 2. OG ist barrierefrei und für Menschen mit Gehbehinderungen erreichbar und passierbar.

Die gesamte 2. Etage des Vorderhauses wird allein durch die Zimmervermietung genutzt. Die meisten Räume sind zum Bundesplatz hin ausgerichtet, wo es kein direktes vis à vis gibt. Die Einsichtnahme durch Fenster von der gegenüberliegenden Straßenseite ist ausgeschlossen.

Im Ersten Obergeschoss befindet sich eine Arzt- und Massagepraxis. Im Dritten Obergeschoss befinden sich eine Anwaltskanzlei und ein Maklerbüro. Diese, und auch alle sonstigen Mieter im Hause kennen seit vielen Jahren die Zimmervermietung sowie die Art der hier angebotenen Dienstleistungen und haben keinerlei Einwände.

Es gibt keinerlei Außenwerbung. Laufkundschaft soll ausgeschlossen bleiben. Deshalb deutet nach außen nichts auf dieses Gewerbe hin. Auf dem Klingelschild, das sich nicht von den Klingelschildern der anderen Mieter unterscheidet, steht ‚R... ‘.“

Weiter hieß es dort:

„Der Kontakt zu den Kunden wird über E-Mail und / oder telefonisch hergestellt. Die meisten Kunden kommen nach Terminvereinbarung. Es wird allergrößter Wert auf Diskretion gelegt. Es sollen und werden Kunden angesprochen, denen ihrerseits Diskretion sehr wichtig ist.

Ein Ausschank oder die Abgabe alkoholischer Getränke ist nicht vorgesehen oder geplant.

Speisen und Getränke werden weder zubereitet noch vertrieben.

Wir erwarten täglich 5 - 30 Besucher, die meist Vermietung und Vermittlung in Anspruch nehmen, einige davon nur zu Vorgesprächen.“

Nach der Bau- und Betriebsbeschreibung sollten in dem Betrieb neben den selbständigen Prostituierten sechs Angestellte und eine weitere selbständige Kraft tätig sein. Die Öffnungszeiten waren dort angegeben mit „während der Woche von 10 - 23 Uhr, sonntags von 14 - 22 Uhr“.

Nach Überleitung des Verfahrens in das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren versagte der Beklagte die bauaufsichtliche Genehmigung mit Bescheid des Bezirksamts Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin vom 15. Januar 2016. Zur Begründung führte er aus, das Vorhaben liege im Mischgebiet und sei bei typisierender Betrachtungsweise nicht mit der dort zulässigen Wohnnutzung vereinbar. Es sei planungsrechtlich unzulässig. Es handele sich um einen bordellartigen Betrieb, der als störender Gewerbebetrieb anzusehen sei. Die von dem Gewerbe ausgehenden Störungen lägen u.a. in den milieubedingten Auswirkungen derartiger Einrichtungen auf das soziale Klima, welches das Wohnumfeld in dem betreffenden Gebiet präge. Die Behauptung der Klägerin, dass das Vorderhaus nur gewerblich genutzt werde, sei unerheblich. Es seien auch in unmittelbarer Nähe festgesetzte allgemeine Wohngebiete zu schützen. Die Befreiungsvoraussetzungen des § 31 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BauGB lägen nicht vor. Eine Befreiung werde abgelehnt.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid des Bezirksamts Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin vom 7. Juli 2016 unter Festsetzung einer Widerspruchsgebühr in Höhe von 84,16 Euro zurück.

Hiergegen hat sich die Klägerin mit ihrer am 20. Juli 2016 erhobenen Klage gewandt, wobei sie beantragt hat, festzustellen, dass ihr Vorhaben „den Festsetzungen als Mischgebiet des Bebauungsplans I... in Verbindung mit § 6 BauNVO“ entspreche. Hilfsweise hat sie beantragt, ihr eine Baugenehmigung zu erteilen. Sie hat geltend gemacht, bei ihrem Betrieb handele es sich um einen das Wohnen nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieb. Diesbezüglich hat sie auf Schreiben aus ihrer Nachbarschaft verwiesen. Sie hat sich auf Vertrauensschutz auf der Grundlage eines Widerspruchsbescheides der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen vom 6. Mai 1994 berufen, mit dem die Umwidmung eines Teils ihrer Räumlichkeiten in Gewerberaum genehmigt worden war. Außerdem hat sie auf Korrespondenz mit dem Wohnungsamt des Bezirksamts Wilmersdorf von Berlin aus dem Jahr 1997 verwiesen. Sie hat ausgeführt, der Versagungsbescheid und der Widerspruchsbescheid verstießen gegen Bestimmungen der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt. Außerdem sei die Annahme eines Milieus mit kriminellen Begleiterscheinungen durch das Inkrafttreten des Prostituiertenschutzgesetzes vom 21. Oktober 2016 ausgeschlossen. Sie habe einen Anspruch auf Gleichbehandlung mit anderen prostitutiven Einrichtungen in anderen Bezirken, gegen die nicht vorgegangen werde.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 24. Mai 2018 hat die Klägerin nur noch einen kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsantrag gestellt und ihre Klage im Übrigen zurückgenommen. In Bezug auf ihr Verpflichtungsbegehren hat sie auf ein verändertes Betriebskonzept vom 7. November 2017 verwiesen, welches einem von ihr gestellten Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis nach § 12 ProstSchG zugrunde gelegen hatte. Danach sollte der Betrieb nunmehr nur noch wochentags von 10.00 bis 22.00 Uhr, Sonnabend von 11.00 bis 22.00 Uhr und an Sonn- und Feiertagen von 12.00 bis 20.00 Uhr geöffnet sein. In den insgesamt elf Zimmern des Betriebes, von denen neun für die Ausübung prostitutiver Handlungen genutzt würden, hielten sich danach ca. fünf bis zwölf „Sexdienstleister für die Durchführung sexueller Dienstleistungen“ auf, die von ca. 15 bis 30 Kunden aufgesucht würden. Die Vorgaben des Prostituiertenschutzgesetzes würden eingehalten.

Mit Urteil vom 24. Mai 2018, dem Beklagten zugestellt am 5. Juni 2018, hat das Verwaltungsgericht das Verfahren im Hinblick auf die Klagerücknahme teilweise eingestellt. Es hat den Beklagten im Übrigen unter Aufhebung der ablehnenden Entscheidungen verpflichtet, der Klägerin die begehrte Baugenehmigung nach Maßgabe der Bau- und Betriebsbeschreibung vom 15. Oktober 2015 in der Fassung des Betriebskonzepts vom 7. November 2017 zu erteilen. Die auf die Ablehnung bezogene Widerspruchsgebühr hat es aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage sei zulässig. In die in der Änderung des Betriebskonzeptes liegende Klageänderung habe der Beklagte eingewilligt. Sie sei im Übrigen sachdienlich und als Änderung des Bauantrages unerheblich. Die Klägerin habe Anspruch auf die begehrte Baugenehmigung. Zwar liege keine sog. Wohnungsprostitution vor, die als prostitutive Einrichtung mit geringem Störpotential im Mischgebiet zulässig sei. Es handele sich aber gleichwohl um einen nicht störenden Gewerbebetrieb. Soweit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der nahezu einhelligen Rechtsprechung der Obergerichte und erstinstanzlichen Gerichte bordellartige Betriebe wie derjenige der Klägerin als in einem Mischgebiet im Sinne des § 6 BauNVO bauplanungsrechtlich unzulässig angesehen würden, weil sie mit der im Mischgebiet ebenfalls zulässigen Wohnnutzung unverträglich seien, könne dem nicht gefolgt werden. Die dieser Einschätzung zugrunde liegende sog. typisierende Betrachtungsweise sei für das Prostitutionsgewerbe nicht anzuwenden. Diese Branche sei angesichts der unklaren Begrifflichkeiten und der Vielschichtigkeit der Erscheinungsformen prostitutiver Einrichtungen (Bordelle, Laufhäuser, Massagesalons, Terminwohnungen, Modellwohnungen, bordellähnliche Einrichtungen, Eskortservice, Bars etc.) sowie des mit den jeweiligen Betriebsformen und Betriebsabläufen verbundenen Störpotenzials für die Beurteilung der planungsrechtlichen Zulässigkeit grundsätzlich ungeeignet. Es sei stattdessen in jedem Einzelfall eine Gesamtschau der bauplanungsrechtlich relevanten Auswirkungen einer prostitutiven Einrichtung vorzunehmen, bei der es in zumindest auch durch Wohnnutzung gekennzeichneten Baugebieten entscheidend darauf ankomme, ob der konkrete Betrieb mit der Wohnnutzung der näheren Umgebung vereinbar sei. Bei einer solchen Gesamtschau sei das Vorhaben der Klägerin mit der Wohnnutzung der näheren Umgebung vereinbar und der Betrieb seiner Art nach somit als sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO 1962 in dem durch den Bebauungsplan I... festgesetzten Mischgebiet allgemein zulässig.Die Klage gegen die festgesetzte Gebühr für das Widerspruchsverfahren betreffend den Bescheid vom 15. Januar 2016 sei danach ebenfalls begründet. Die Gebührenfestsetzung sei rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten. Da die Klägerin einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung gehabt habe, sei die mit dem Widerspruch angegriffene Entscheidung nicht aufrecht zu erhalten gewesen.

Hiergegen hat der Beklagte am 28. Juni 2018 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Mit am gleichen Tag beim Oberverwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 3. August 2018 macht er geltend, für Bordelle und bordellartige Betriebe in einem Mischgebiet gelte weiter die typisierende Betrachtungsweise, wenn davon auszugehen sei, dass sie die typischen Begleiterscheinungen eines Prostitutionsgewerbes mit dauerhafter Gewinnerzielungsabsicht aufwiesen. Es bestünden Erfahrungswerte, wonach der Betrieb von Bordellen in der Regel mit einem regen Zu- und Abgangsverkehr verbunden sei, und Personen anziehe, die Lärm produzierten und teilweise alkoholisiert seien. Eine Einzelfallbetrachtung sei nicht geboten, zumal eine Baugenehmigung grundstücksbezogen erteilt werde und nicht auf die Betriebsdauer durch einen konkreten Betreiber beschränkt werden könne. Bei im Einzelfall nicht störenden Betrieben stünde nicht fest, ob es bei einem „seriösen Kundenstamm“ bleibe oder sich nicht doch störende Begleiterscheinungen ergäben. Entscheidend sei insoweit keine sittlich-moralische Bewertung, sondern ein städtebauliches Konfliktpotenzial, welches nach wie vor in der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung bejaht werde. Die gängige Unterscheidung in der Rechtsprechung zwischen Wohnungsprostitution, Bordellen und bordellartigen Betrieben diene der Abgrenzung von typischen Konstellationen von solchen, in denen eine erkennbare Atypik vorliege. Selbst wenn im Übrigen vorliegend von einer Atypik ausgegangen würde, sei nicht von der planungsrechtlichen Zulässigkeit des Betriebs der Klägerin auszugehen. Denn es werde ein gemeinschaftliches Treppenhaus genutzt und der Betrieb finde auf mehr als 400 m² unter Nutzung von neun Zimmereinheiten statt, die von zehn bis elf anwesenden Prostituierten auch an Sonnabenden und Sonn- und Feiertagen genutzt würden. Anders als bei der Wohnungsprostitution seien ein „Umkippen des Milieus“ und die Erzeugung eines Trading-down-Effekts nicht ausgeschlossen. Hieran vermöge das im Jahr 2017 in Kraft getretene Prostituiertenschutzgesetz ebenso wenig etwas zu ändern wie die Dienstleistungsrichtlinie.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin darum gebeten, dass der Senat die Prüfung der planungsrechtlichen Zulässigkeit ihres Betriebes mit der Maßgabe vornehme, dass die Öffnungszeiten des Betriebes nunmehr generell auf 20.00 Uhr beschränkt würden.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. Mai 2018 - VG 19 K 195.16 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe der verkürzten Öffnungszeiten,
hilfsweise,

die Berufung uneingeschränkt zurückzuweisen.

Sie ist der Meinung, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts sei nicht zu beanstanden. Das von ihr genutzte Vorderhaus werde in erster Linie gewerblich genutzt. Das Verwaltungsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass eine typisierende Betrachtungsweise wegen der Bandbreite der bordellartigen Betriebe für die Einschätzung der planungsrechtlichen Zulässigkeit grundsätzlich ungeeignet sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei die Anwendung der Typisierung dann nicht sachgerecht, wenn der Betrieb einer Gruppe von Gewerbebetrieben zuzurechnen sei, die hinsichtlich ihrer Mischgebietsverträglichkeit zu wesentlichen Störungen führen könnten, aber nicht müssten. Es gebe in bestimmten Branchen Betriebe, deren übliche Betriebsformen von nicht wesentlich störend bis störend oder sogar erheblich belästigend reichen können. In diesem Fall sei auf die konkrete Betriebsstruktur abzustellen. Prostitutive Einrichtungen gehörten hierzu. Zudem gebe es keine belastbaren Tatsachenerkenntnisse dazu, von welchen Betriebsvarianten Störungen für die Wohnnutzung ausgingen. Das Gutachten „Berliner Wohnungsbordelle in Wohn- und Mischgebieten“ spreche gegen solche Störungen. Eine etwaige milieubedingte Unruhe entfalle jedenfalls durch die Anforderungen des Prostituiertenschutzgesetzes. Eine Anwendung der Typisierungslehre führe zu unverhältnismäßigen Ergebnissen und verstoße gegen die Dienstleistungsrichtlinie. Ihr Betrieb sei sogar weniger störend als die sog. Wohnungsprostitution. Die Regelungen des Prostituiertenschutzgesetzes verhinderten Störungen für den Fall eines Betriebsübergangs.

In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin diverse Beweisanträge gestellt, die der Senat mit in der mündlichen Verhandlung verkündeten Beschlüssen abgelehnt hat. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf die Sitzungsniederschrift nebst Anlagen (Bl. 245 ff. d.A.) verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Streitakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist zwar zulässig, aber unbegründet.

1. Die Klage ist zulässig. Dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt hat, ihren Betrieb künftig jeden Tag nur noch bis 20.00 Uhr öffnen zu wollen, ändert hieran nichts. Zwar liegt in dieser Erklärung eine Änderung des Betriebskonzepts und damit eine Änderung von Bauantrag und Verpflichtungsklage. Die Änderung des Bauantrags bietet jedoch keinen Anlass, zunächst der Baugenehmigungsbehörde Gelegenheit zu einer erneuten Prüfung der Zulässigkeit des Vorhabens zu geben. Denn sie ist angesichts des nur geringfügigen Zurückbleibens gegenüber dem ursprünglichen Bauantrag unerheblich. Die Klageänderung ist gemäß § 91 Abs. 1 Alt. 2 VwGO zulässig. Der Senat sieht sie als sachdienlich an, weil der Streitstoff im Wesentlichen gleich bleibt und eine Entscheidung des Senats geeignet ist, den sachlichen Streit zwischen den Beteiligten endgültig auszuräumen.

2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Baugenehmigung. Die Ablehnung der Baugenehmigung ist ebenso wie die erhobene Widerspruchsgebühr rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 bzw. Abs. 1 Satz 1 VwGO).

a. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Nutzung ihrer angemieteten Räumlichkeiten als prostitutive Einrichtung entsprechend ihren Bau- und Betriebsbeschreibungen. Dass sie in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, die Öffnungszeiten verkürzen zu wollen, vermag hieran nichts zu ändern.

aa. Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 BauO Bln in der aktuellen Fassung des Gesetzes vom 9. April 2018 (GVBl. S. 205, S. 381) ist eine Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Nach § 63 Satz 1 BauO Bln ist im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren, in das hier übergegangen worden ist, u.a. zu prüfen, ob das Vorhaben mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB übereinstimmt, also bauplanungsrechtlich zulässig ist. Das ist nicht der Fall.

bb. Nach § 29 Abs. 1 BauGB gelten für Vorhaben, die die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen zum Inhalt haben die §§ 30 bis 37 BauGB. Das Vorhaben der Klägerin befindet sich im Geltungsbereich des Bebauungsplans I... vom 1... für die Grundstücke beiderseits der B... und des B... zwischen H... und der R... im Bezirk W... . Dieser Bebauungsplan enthält Festsetzungen zur Art und zum Maß der baulichen Nutzung sowie zu öffentlichen Verkehrsflächen und zur überbaubaren Grundstücksfläche. Im Geltungsbereich eines derart qualifizierten Bebauungsplanes ist ein Vorhaben gemäß § 30 Abs. 1 BauGB zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

Hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung setzt der Bebauungsplan für das Vorhabengrundstück den Baugebietstyp „Mischgebiet“ fest. Nach § 6 Abs. 1 der hier anwendbaren Baunutzungsverordnung 1962 dienen Mischgebiete dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören. Zulässig sind gemäß § 6 Abs. 2 BauNVO 1962 (1.) Wohngebäude, (2.) Geschäfts- und Bürogebäude, (3.) Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften sowie Betriebe des Beherbergungsgewerbes, (4.) sonstige nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe, (5.) Anlagen für Verwaltungen sowie für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke, (6.) Gartenbaubetriebe sowie (7.) Tankstellen. Ausnahmsweise können Ställe für Kleintierhaltung als Zubehör zu Kleinsiedlungen und landwirtschaftlichen Nebenerwerbsstellen zugelassen werden (vgl. § 6 Abs. 3 BauNVO 1962). Das Vorhaben der Klägerin fällt nicht unter diese zulässigen Nutzungsarten. Es ist insbesondere kein sonstiger nicht wesentlich störender Gewerbebetrieb i.S.v. § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO 1962.

(1) Zwar spricht nichts gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass es sich bei dem Betrieb der Klägerin um einen Gewerbebetrieb handelt. Dies deckt sich mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach prostitutive Betriebe, namentlich Bordelle und bordellartige Betriebe, als Gewerbebetriebe anzusehen sind und nicht zu den Vergnügungsstätten gehören (vgl. z.B. zu § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO <„Gewerbebetriebe aller Art“> BVerwG, Beschluss vom 2. November 2015 - 4 B 32/15 - juris Rn. 4 und Urteil vom 25. November 1983 - 4 C 21.83 - juris Rn. 8 ff.; ebenso Stühler, GewArch 2018, 335 <337>; vgl. aber auch Rhein/Zitzen, NJOZ 2009, 267 <278>, die von einer freiberuflichen Tätigkeit ausgehen; hiergegen Stühler, BauR 2010, 1013 <1017>).

(2) Dem Verwaltungsgericht ist jedoch nicht darin zu folgen, dass der Gewerbebetrieb der Klägerin das Wohnen nicht wesentlich stört.

(a) Für die Beurteilung der Frage, ob ein Gewerbebetrieb zu den das Wohnen nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben im Sinne von § 6 Abs. 1 BauNVO gehört, ist in der Regel nicht von den konkreten Verhältnissen des jeweiligen Betriebes, sondern von einer (begrenzt) typisierenden Betrachtungsweise auszugehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Juni 2018 - 4 B 10.17 - juris Rn. 7 ff.; OVG Magdeburg, Urteil vom 12. Juli 2007 - 2 L 176.02 - juris Rn. 54). Eine solche Typisierung liegt den Vorschriften der §§ 2 bis 9 BauNVO über Baugebiete und die darin zulässigen Nutzungen allgemein zugrunde. Indem nämlich die Verordnung für die verschiedenen Baugebiete jeweils die allgemeine Zweckbestimmung vorgibt und sodann einen Katalog allgemein zulässiger Nutzungen anschließt, geht sie davon aus, dass diese Nutzungen im Regelfall - vom Typ her - der Zweckbestimmung des Baugebiets entsprechen (vgl. BVerwG, a.a.O.). Der konkrete Betrieb ist danach als unzulässig einzustufen, wenn Betriebe seines Typs bei funktionsgerechter Nutzung üblicherweise für die Umgebung unzumutbare Störungen hervorrufen können. Auf das Maß der konkret hervorgerufenen oder in Aussicht genommenen Störungen kommt es grundsätzlich nicht an (BVerwG, a.a.O., m.w.N.). Dieser typisierenden Betrachtungsweise liegt der Gedanke zugrunde, dass im Geltungsbereich eines Bebauungsplans im Grunde jedes Baugrundstück für jede nach dem Katalog der jeweiligen Baugebietsvorschrift zulässige Nutzung in Betracht kommen können soll, ohne dass dies zu Unverträglichkeiten führt. Das schließt es aus, die Frage der Wesentlichkeit der Störung nach der Art der vorhandenen Bebauung in der Nachbarschaft der beabsichtigten gewerblichen Nutzung zu beurteilen (vgl. BVerwG, a.a.O., m.w.N.). Im Übrigen erlaubt die Typisierung eine klare Unterscheidung der in einem bestimmten Gebiet zulässigen von den unzulässigen Vorhaben. Sie vermeidet Streitigkeiten bei der Errichtung von Betrieben, die im Einzelfall durch eine „maßgeschneiderte“ Baugenehmigung mit zahlreichen Nebenbestimmungen für ihre - an sich ungeeignete - Umgebung passend gemacht werden sollen, und Schwierigkeiten bei der späteren Überwachung derartiger Betriebe (vgl. BVerwG, a.a.O., m.w.N.).

Im Einzelfall können - was im Wesen jeder Typisierung liegt - Abweichungen auftreten. Dann bedarf die typisierende Betrachtung einer Korrektur. Der Grundsatz der Typisierung schließt es deshalb nicht aus, bei einer atypischen Fallgestaltung auf die konkreten Verhältnisse abzustellen (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 10 m.w.N.). Dies setzt aber voraus, dass die Gebietsverträglichkeit des Betriebes dauerhaft und zuverlässig sichergestellt ist (vgl. BVerwG, a.a.O.).

Eine typisierende Betrachtungsweise verbietet sich zudem, wenn der zur Beurteilung stehende Betrieb zu einer Branche gehört, deren übliche Betriebsformen hinsichtlich des Störgrades eine große Bandbreite aufweisen, die von nicht wesentlich störend bis störend oder sogar erheblich belästigend reichen kann. Ist ein Betrieb einer Gruppe von Gewerbebetrieben zuzurechnen, die hinsichtlich ihrer Mischgebietsverträglichkeit zu wesentlichen Störungen führen können, aber nicht zwangsläufig führen müssen, wäre eine abstrahierende Bewertung des konkreten Betriebs nicht sachgerecht. Ob solche Betriebe in einem Mischgebiet zugelassen werden können, hängt von ihrer jeweiligen Betriebsstruktur ab. Je nach der Größe und dem Umfang des Betriebes, der technischen und personellen Ausstattung, der Betriebsweise und der Gestaltung der Arbeitsabläufe kann dies unterschiedlich zu beurteilen sein. Maßgeblich ist hier, ob sich die Störwirkungen, die die konkrete Anlage bei funktionsgerechter Nutzung erwarten lässt, innerhalb des Rahmens halten, der durch die Gebietseigenart vorgegeben ist (BVerwG, a.a.O., Rn. 9 m.w.N.; vgl. ferner OVG Magdeburg, a.a.O.).

(b) Danach gehört der Betrieb der Klägerin zu den im Mischgebiet unzulässigen Gewerbebetrieben. Denn er stört die dort zulässige Wohnnutzung.

(aa) Der Senat teilt nicht die Auffassung des Verwaltungsgerichts (ebenso schon VG Berlin, Urteil vom 6. Mai 2009 - VG 19 A 91.07 - juris), dass es sich bei dem Prostitutionsgewerbe um eine hinsichtlich des Störgrades uneinheitliche Branche handele. Vielmehr beansprucht die (begrenzt) typisierende Betrachtungsweise auch für das Prostitutionsgewerbe nach wie vor Geltung. Es ist an der von der Rechtsprechung entwickelten herkömmlichen Unterscheidung von Wohnungsprostitution, bordellartigen Betrieben und Bordellen festzuhalten (vgl. hierzu Stühler, BauR 2010, 1013 <1022>; Fickert/Fieseler, BauNVO, 13. Aufl. 2019, Rn. 9.6 ff. zu § 4, jeweils m.w.N.). Diese Unterscheidung ergibt sich aus der Größe der genannten prostitutiven Betriebe, ausgehend von der nur wenig störenden Wohnungsprostitution über die in ihren Auswirkungen hierüber hinausgehenden bordellartigen Betriebe bis hin zu den Bordellen im eigentlichen Sinne. Sie bildet die Lebenswirklichkeit im Hinblick auf das Störpotential prostitutiver Betriebe hinreichend differenziert ab.

α. Wohnungsprostitution, deren Mischgebietsverträglichkeit in der Rechtsprechung bereits bejaht worden ist (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 13. Februar 1998 - 5 S 2570.96 - juris Rn. 16; vgl. zum Begriff der Wohnungsprostitution BVerwG, Beschluss vom 28. Juni 1995 - 4 B 137.95 - juris 3), setzt begrifflich voraus, dass die Prostitution in einer einzelnen Wohnung ausgeübt wird, in der die Prostituierte wohnt und dabei nebenher der Prostitution nachgeht (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2014 - 6 C 28.13 - juris Rn. 21). Außerdem darf die gewerbliche Nutzung nach außen nur wohnähnlich in Erscheinung treten. Sie darf dem Gebäude, in dem sie ausgeübt wird, nicht das „Gepräge“ geben (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 24. Juni 2015 - 2 A 325.15 - Rn. 17). Schließlich bedarf es einer Begrenzung im Hinblick auf die Zahl von Personen, die die Prostitution ausüben. Wohnungsprostitution liegt nach Ansicht des Senats nur vor, wenn in der Wohnung höchstens zwei Prostituierte ihrem Gewerbe unauffällig nachgehen (vgl. Fickert/Fieseler, a.a.O., Rn. 9.69; vgl. auch Stühler, GewArch 2006, 26).

Gehen prostitutive Aktivitäten unter dauerhafter Nutzung von Räumlichkeiten nach Art und Umfang hierüber hinaus, liegt keine Wohnungsprostitution mehr vor. Ein solcher Betrieb ist zu den bordellartigen Betrieben oder zu den Bordellen zu rechnen.

Solche bordellartigen Betriebe und Bordelle sind mit der im Mischgebiet zulässigen Wohnnutzung unverträglich (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 - 4 C 8.12 - juris Rn. 14 m.w.N., wo dies - ohne nähere Begründung - als „allgemeine Meinung“ bezeichnet wird; ebenso Senatsurteil vom 29. Januar 2015 - OVG 2 B 1.14 - juris Rn. 32; Senatsbeschluss vom 25. November 2015 - OVG 2 N 29.15 - GewArch 2016, 122 <123>: vgl. ferner VGH Mannheim, Urteil vom 13. Februar 1998 - 5 S 2570.96 - juris Rn. 16; OVG Koblenz, Beschluss vom 16. September 2013 - 8 A 10560.13 - juris Rn. 7 f.). Denn sie sind regelmäßig mit nach außen wirkenden Begleiterscheinungen in ihrer gerichtsbekannten Ausprägung verbunden (sog. „milieubedingte Unruhe“). Ihr belästigender Charakter folgt aus dem städtebaulichen Konfliktpotenzial, welches das Nebeneinander von prostitutiver Tätigkeit und Wohnen begründet (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Juni 2010 - OVG 2 S 15.10 - juris Rn. 6). Bei den genannten Betriebsformen der gewerblichen Prostitution ist nämlich bei der gebotenen typisierenden Betrachtung mit milieutypischen Begleiterscheinungen wie Belästigungen durch alkoholisierte oder unzufriedene Kunden, organisierte Kriminalität, Menschen- und Drogenhandel, ausbeutender Zuhälterei, Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Verstößen gegen das Waffenrecht und Gewaltkriminalität bis hin zu Tötungsdelikten zu rechnen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. November 2015, a.a.O., Rn. 4). Hinzu kommt ein mit der Ansiedlung von bordellartigen Betrieben und Bordellen verbundener möglicher sog. „Trading-down-Effekt“ auf die Umgebung (vgl. Fickert/Fieseler, a.a.O., Rn. 9.69 zu § 4).

β. Die gegen die herkömmliche Differenzierung von Wohnungsprostitution, bordellartigen Bertrieben und Bordellen angeführten Argumente des Verwaltungsgerichts und der Klägerin überzeugen nicht. Namentlich ist die Unterscheidung hinreichend differenziert, um das typische Störpotential prostitutiver Betriebe sachgerecht zu erfassen (vgl. Fickert/Fieseler, a.a.O., Rn. 9.69). Die drei Kategorien ergeben sich aus der Größe der Betriebe, wobei den größeren Betrieben der Lebenswirklichkeit entsprechend ein größeres typisches Störpotential zugewiesen ist. Dies erscheint sachgerecht und ausreichend. Ein Bedarf für die Einführung weiterer Kategorien oder für eine Betrachtung des Störpotentials im Einzelfall besteht nicht. Eine hinsichtlich des Störpotentials uneinheitliche Branche ist nicht gegeben.

Soweit das Verwaltungsgericht in seinem Urteil mit den von ihm u.a. genannten Bordellen, Laufhäusern, Massagesalons, Terminwohnungen, Modellwohnungen, bordellähnlichen Einrichtungen, Eskortservice-Betrieben und Bars verschiedene Erscheinungsformen des Prostitutionsgewerbes aufzählt, ergibt sich hieraus nicht, dass mit der herkömmlichen Unterscheidung von Wohnungsprostitution, bordellartigen Betrieben und Bordellen das typische Störpotential prostitutiver Einrichtungen nicht sachgerecht erfasst würde oder eine uneinheitliche Branche gegeben wäre. Die vom Verwaltungsgericht genannten Betriebsformen können vielmehr unproblematisch in die drei herkömmlichen Kategorien eingeordnet werden, ohne dass spezifische Störpotentiale ungewürdigt blieben. Massagesalons, Terminwohnungen und Modellwohnungen etwa gehören zu den bordellartigen Betrieben. Gründe, die die Annahme rechtfertigen, es bedürfe für ihre sachgerechte bauplanungsrechtliche Beurteilung einer weiteren Binnendifferenzierung, sind weder den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu entnehmen noch sonst zu erkennen (vgl. Stühler, BauR 2010, 1013 <1031>).

Auch soweit das Verwaltungsgericht die Auffassung vertreten hat, die Abgrenzung der besonderen Betriebsform der sog. „Wohnungsbordelle“ von der bereits erwähnten Wohnungsprostitution sei nicht nachvollziehbar, ist dem nicht zu folgen. Bei „Wohnungsbordellen“ handelt es sich um prostitutive Betriebe, die sich in Berlin vornehmlich in Altbauwohnungen etabliert haben und in denen eine „Wohnung“ nicht zu Wohnzwecken, sondern ausschließlich für die Gewerbeausübung genutzt wird. Abgrenzungsprobleme zu Fällen der Wohnungsprostitution bestehen nicht. Denn der Begriff der Wohnungsprostitution ist eng zu verstehen und hat in den letzten Jahren eine hinreichende dogmatische Präzisierung erfahren (vgl. Fickert/Fieseler, a.a.O., Stühler, BauR 2010, 1013 <1031>). Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Dass hierbei für die Unterscheidung von störenden und (eventuell) nicht störenden Gewerbebetrieben auch an das Merkmal des gleichzeitigen Wohnens angeknüpft wird, ist nicht zu beanstanden. Denn der Senat ist davon überzeugt, dass die Ausübung der Prostitution in Wohnungen, in denen sich die Prostituierten über einen längeren Zeitraum tagsüber und nachts aufhalten und bei dem die Prostituierten selbst als Mieter auftreten, deutlich diskreter erfolgt als in einer bordellartigen Einrichtung, in der die Wohnung nur für die Abwicklung von Kundenkontakten genutzt wird (vgl. Fickert/Fieseler, a.a.O.; Stühler, BauR 2010, 1013 <1031 f.>). Auch der Publikumsverkehr und die Anziehungskraft auf Außenstehende fällt bei der Wohnungsprostitution, wie sie oben definiert worden ist, deutlich geringer aus als bei sog. „Wohnungsbordellen“. Es ist nicht ersichtlich, warum die für die Annahme von Wohnungsprostitution geforderte gleichzeitige Wohnnutzung zu unverständlichen Ergebnissen führen sollte. Soweit das Verwaltungsgericht das Beispiel von drei in einer Wohngemeinschaft zugleich arbeitenden Prostituierten bildet, wäre die Annahme von Wohnungsprostitution bei der vom Senat angewandten Definition schon begrifflich ausgeschlossen. Alle weiteren denkbaren Sonderkonstellationen (vgl. etwa Rhein/Zitzen, a.a.O., S. 274) lassen sich unproblematisch über das Korrektiv der Atypik im Einzelfall lösen.

Der vom Verwaltungsgericht genannte Umstand, dass bei der Unterbringung der Betriebsstätte eines bordellartigen Betriebes in einem ehemaligen Ladengeschäft mit direktem Zugang von der Straße aus ein mögliches Störpotenzial eines Zugangs über einen Hausflur entfallen würde, rechtfertigt ebenfalls keine andere Entscheidung. Hieraus folgt nicht, dass die Anwendung der Typisierungslehre auf prostitutive Einrichtungen ausscheiden müsste oder mehr als drei Kategorien prostitutiver Betriebe unterschieden werden müssten. Entscheidend ist vielmehr, dass prostitutive Einrichtungen bei typisierender Betrachtungsweise typische Störpotentiale aufweisen, dass bordellartige Betriebe und Bordelle schon wegen ihrer Größe bei typisierender Betrachtungsweise einen größeren Kundenverkehr verursachen als die reine Wohnungsprostitution und dass sie durch die Beschäftigung einer größeren Anzahl von Prostituierten eine größere milieubedingte Unruhe in das Gebiet hereintragen, in dem auch gewohnt werden kann.

(bb) Bei typisierender Betrachtungsweise ist bei dem von der Klägerin zur Genehmigung gestellten Betrieb mit für die Umgebung unzumutbaren Störungen zu rechnen. Nach dem Betriebskonzept der Klägerin halten sich in ihren Räumen zu den Betriebszeiten mindestens fünf sog. „Sexdienstleister“ auf, die gegen Entgelt prostitutive Tätigkeiten ausüben. Eine solche Einrichtung fällt in die Kategorie bordellartiger Betrieb, der wegen seiner Begleiterscheinungen mit der im Mischgebiet zulässigen Wohnnutzung unverträglich ist. Bloße Wohnungsprostitution liegt schon wegen der Anzahl der im Betrieb arbeitenden Prostituierten nicht vor. Außerdem wohnen diese nicht in dem Betrieb der Klägerin.

(cc) Für die Feststellung des typischen Störpotentials bordellartiger Betriebe wie desjenigen der Klägerin bedarf es entgegen der Auffassung der Klägerin keiner weiteren Sachaufklärung.

α. Dass bordellartige Betriebe der hier in Rede stehenden Art ebenso wie andere bordellartige Betriebe typischerweise die oben erwähnten Störungen verursachen können, ist dem Senat aus Fällen gerichtsbekannt, in denen er mit der baurechtlichen Beurteilung von Bordellen und bordellartigen Betrieben in der Vergangenheit befasst war. Insbesondere ist das Geschäft der Prostitution danach für Kriminelle, insbesondere für die organisierte Kriminalität, interessant. Dies folgt schon aus dem Umstand, dass mit der Prostitution hohe Bargeldumsätze geschafft werden können, was bei lebensnaher Betrachtung die Annahme rechtfertigt, dass Kriminelle auf diese Einnahmen nicht zu Gunsten anderer verzichten (vgl. OVG Greifswald, Beschluss vom 22. Januar 2016 - 1 M 416.15 - juris Rn. 16).

Auf den von der Klägerin selbst aus der Zimmervermietung erwirtschafteten Gewinn kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Selbst wenn diesbezüglich nicht von großen Gewinnmargen oder Bargeldumsätzen gesprochen werden könnte, stünde dies nicht der Annahme entgegen, dass im Prostitutionsgewerbe grundsätzlich hohe Bargeldumsätze erzielt werden können. Denn dabei sind in erster Linie die Einnahmen der Prostituierten selbst in den Blick zu nehmen.

Unerheblich ist auch, dass es der Klägerin in den Jahren seit Eröffnung ihres Betriebes gelungen sein mag, Störungen durch die organisierte Kriminalität und sonstige Kriminelle zu verhindern. Denn auf die Umstände des Einzelfalles kommt es bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise nicht an.

Soweit die Klägerin auf Besonderheiten der „Berliner Wohnungsbordelle“ hinweist, zu denen sie ihren eigenen Betrieb zählt, und geltend macht, diese Betriebsform weise typischerweise nicht das mit der Prostitution sonst verbundene Störpotential auf, ist festzustellen, dass sich aus dem von ihr selbst eingereichten Gutachten „Berliner Wohnungsbordelle in Wohn- und Mischgebieten“ von Juli 2007 Gegenteiliges ergibt. Denn hierin wird u.a. davon berichtet, dass Eingangsbereiche mit Kameras ausgestattet worden seien, um die „Hausdame“ in die Lage zu versetzen, schneller auf „alkoholisierte oder eine größere Gruppe von Kunden“ reagieren zu können (S. 27). Es wird weiter ausgeführt, dass einige „Betreiber/innen … von versuchten Schutzgeldforderungen in der Vergangenheit“ berichtet hätten und konstatiert, dass der „Versuch der Einflussnahme von Zuhältern oder anderen Kriminellen auf Wohnungsbordelle … nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden“ könne (S. 35). Außerdem wird in dem Gutachten von Polizeieinsätzen, Razzien und Kontrollen durch Finanz- und Hauptzollämter berichtet (S. 35 ff.). Es gehe hierbei um die Feststellung von Anzeichen für Zuhälterei oder Menschenhandel bzw. um die Bekämpfung von Schwarzarbeit. Hierbei handelt es sich um Erscheinungsformen der dem Senat bekannten milieubedingten Unruhe, die die Annahme der Unverträglichkeit von bordellartigen Betrieben mit der im Mischgebiet zulässigen Wohnnutzung rechtfertigen. Die im Gutachten getroffene Feststellung, dass „Wohnungsbordelle“ keine Störungen verursachten (S. 42), ist insoweit nicht nachvollziehbar.

β. Das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse von Prostituierten (Prostitutionsgesetz) vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I, S. 3983) hat an dieser Einschätzung nichts geändert. Dieses Gesetz stellt lediglich klar, dass durch die Vereinbarung mit einer Prostituierten eine rechtswirksame Forderung begründet wird, wodurch den Prostituierten auch der Zugang zu den Sozialversicherungssystemen ermöglicht wird. Es verhält sich jedoch nicht zu der Frage, wie bordellartige Betriebe oder vergleichbare Einrichtungen planungsrechtlich zu bewerten sind (vgl. VGH Kassel, Beschluss vom 30. April 2009 - 3 A 1284.08 - juris Rn. 6; Senatsbeschluss vom 25. November 2015, a.a.O., S. 124; vgl. ferner OVG Berlin, Beschluss vom 9. April 2003 - 2 S 5.03 - juris Rn. 9; OVG Münster, Beschluss vom 18. April 2017 - 2 A 1217.16 - juris Rn. 6; Hornmann in: BeckOK BauNVO, Stand: 15. März 2019, Rn. 52.4 zu § 6; im Ergebnis ebenso Senatsbeschluss vom 14. Juni 2010, a.a.O., Rn. 6).

µ. Entgegen der Auffassung der Klägerin bietet der Erlass des Gesetzes zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen (Prostituiertenschutzgesetz) vom 21. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2372) ebenfalls keinen Anlass für eine andere Einschätzung. Es ist nicht zu erkennen, dass mit diesem Gesetz eine Zäsur verbunden wäre, die die Annahme milieubedingter Unruhe für den maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung oder für die Zukunft ausschlösse.

Das Prostituiertenschutzgesetz stellt in § 12 Abs. 7 zunächst klar, dass Erlaubnis- oder Anzeigepflichten nach anderen Vorschriften, insbesondere nach den Vorschriften des Gaststätten-, Gewerbe-, Bau-, Wasser oder Immissionsschutzrechts, unberührt bleiben. Es gibt hiermit zu erkennen, dass es sich keine unmittelbaren Auswirkungen auf baurechtliche Fragen beimisst (vgl. Fickert/Fieseler, a.a.O., Rn. 9.621 zu § 4; Stühler, GewArch 2016, 129 <131>).

Auch mittelbar ergeben sich aus ihm keine durchgreifenden neuen Bewertungsansätze.

Zwar dürfte es zu den Zwecken des Gesetzes gehören, einzelne Aspekte der mit dem Prostitutionsgewerbe verbundenen milieubedingten Unruhe zu beseitigen oder zumindest zu reduzieren. Es ist auch nicht zu erkennen, dass ihm dies in keiner Weise gelingen wird. Gleichwohl rechtfertigt der Umstand des Inkrafttretens des Prostituiertenschutzgesetzes nicht die Einschätzung, prostitutive Einrichtungen würden aktuell oder zukünftig nicht mehr die mit ihnen bisher verbundenen Begleiterscheinungen mit sich bringen. Zum einen wirkt das Prostituiertenschutzgesetz etwa mit dem Erfordernis der Zuverlässigkeit des Betreibers und der Anmeldepflicht für Prostituierte solchen Begleiterscheinungen nur in Teilaspekten entgegen und erfasst Einwirkungen von außen nur unzureichend. Zum anderen rechtfertigt es nicht die Annahme, dass es in erlaubten Betrieben nicht mehr zu Missständen oder Zuwiderhandlungen kommen wird. Denn gewerberechtliche Genehmigungsvorbehalte mit dem Erfordernis der Zuverlässigkeit des Betreibers, Anforderungen an Beschäftigte und sonstigen betriebsbezogenen Vorgaben sind in vielen Branchen verbreitet, ohne dass hierdurch Missstände in diesen Branchen verlässlich ausgeschlossen würden. Der Umstand, dass die Aufnahme eines Gewerbes genehmigungsbedürftig ist, steht namentlich nachträglichem Fehlverhalten durch Betreiber und Beschäftigte oder auch Störungen durch Kunden nicht entgegen.

Außerdem ist bei lebensnaher Betrachtung gerade im Bereich des Prostitutionsgewerbes damit zu rechnen, dass trotz Einführung der Erlaubnispflicht zahlreiche Einrichtungen illegal, also ohne Erlaubnis, betrieben werden. Nach den Angaben der Klägerin hat nur ein Bruchteil der ihr bekannten prostitutiven Einrichtungen einen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis nach dem Prostituiertenschutzgesetz gestellt. Hieraus folgert der Senat, dass offenbar in größerem Umfang geplant ist, prostitutive Einrichtungen ohne erforderliche Erlaubnis weiter zu betreiben. Denn davon, dass die fraglichen Betriebe alle aufgegeben werden, ist realistischerweise nicht auszugehen. Vielmehr dürften die wenigen Erlaubnisanträge darauf zurückzuführen sein, dass namentlich die Betreiber von prostitutiven Betrieben in Wohn- oder Mischgebieten die Antragstellung schon deshalb scheuen, weil sie für den Fall, dass ihr Betrieb den zuständigen Behörden bekannt wird, mit unerwünschten Maßnahmen der für sie zuständigen Baubehörde rechnen müssten. Davon abgesehen dürften zahlreiche Prostituierte, deren Tätigkeit im Prostitutionsgewerbe in ihrem Lebensumfeld bisher nicht bekannt ist, nicht bereit sein, ihre Anonymität im Rahmen der Vorgaben des Prostituiertenschutzgesetzes preiszugeben. Diese Personen werden, wenn sie ihre Tätigkeit nicht aufgeben, die Vorgaben des Gesetzes zu umgehen suchen. Sie und die Betriebe, in denen sie arbeiten, bleiben auf diese Weise weiterhin in unverändertem Umfang den bisherigen Gefahren ihres Gewerbes ausgesetzt.

Das Prostituiertenschutzgesetz stellt schließlich aus einem weiteren Grund keine baurechtlich relevante Zäsur dar: Das Prostitutionsgewerbe wird durch dieses Gesetz lediglich der Überwachung durch eine weitere Behörde unterstellt. Es ist jedoch nichts dafür ersichtlich, dass dadurch die mit dem Prostitutionsgewerbe verbundenen Begleiterscheinungen nachhaltig entfallen. Denn die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung geschildert, dass ihr Betrieb in der Vergangenheit bereits engmaschig von der Polizei und den Finanzbehörden überwacht worden sei. Auch ergibt sich eine das Prostitutionsgewerbe bzw. jedenfalls die den Behörden bekannten Betriebe dieses Gewerbes betreffende hohe Kontrolldichte aus dem von ihr eingereichten Gutachten zu Berliner Wohnungsbordellen aus dem Jahr 2007. Gründe, die die Annahme rechtfertigen, die mit der zusätzlichen Überwachung durch eine weitere Behörde verbundene geringfügig höhere Kontrolldichte ließe bei typisierender Betrachtungsweise bereits die Annahme zu, dass die Ansiedlung bordellartiger Betriebe in Mischgebieten keine negativen Begleiterscheinungen mehr mit sich bringen werde, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ändert das Prostituiertenschutzgesetz nichts an dem im Prostitutionsgewerbe generierten hohen Bargeldumsatz und die hierdurch bedingte Attraktivität der Branche für die (organisierte) Kriminalität. Diese Attraktivität kann sich im Hinblick auf die mit dem Gesetz verbundene Legalisierung des Prostitutionsgewerbes unter dem Gesichtspunkt der Geldwäschemöglichkeit sogar noch erhöhen.

(c) Eine atypische Fallgestaltung, die die Beurteilung anhand einer typisierenden Betrachtung ausschlösse, ist nicht gegeben. Der Betrieb der Klägerin weicht in seinen mit seiner Art und Betriebsweise typischerweise verbundenen Störwirkungen nicht von anderen bordellartigen Betrieben ab, geht der Größe nach sogar über das durchschnittliche Maß sog. „Wohnungsbordelle“ hinaus, wie es dem eingereichten Gutachten zu Wohnungsbordellen aus dem Jahr 2007 zu entnehmen ist. Denn die prostitutiven Aktivitäten finden auf einer Fläche von insgesamt 428,51 m² statt, wobei hierfür neun Zimmer genutzt werden. Der Betrieb war bisher wochentags von 10.00 bis 22.00 Uhr, sonnabends von 11.00 bis 22.00 Uhr und an Sonn- und Feiertagen von 12.00 bis 20.00 Uhr geöffnet und ist auf den Besuch von ca. 15 bis 30 Kunden täglich ausgelegt, wobei regelmäßig etwa fünf bis zwölf Prostituierte für die Durchführung sexueller Dienstleistungen zur Verfügung stehen. Es ist nach der Betriebsbeschreibung auch mit gelegentlicher Laufkundschaft in Form von jedenfalls zuvor unangemeldeten Kunden zu rechnen. Gründe, die die Annahme rechtfertigen, bei einem solchen Betrieb sei dauerhaft und zuverlässig sichergestellt, dass es zu keinen Beeinträchtigungen des im Haus zulässigen Wohnens kommen kann, sind nicht zu erkennen. Die Einschränkung der Öffnungszeiten dahin, dass zukünftig täglich um 20.00 Uhr geschlossen wird, reduziert die anzunehmenden Störwirkungen nur unerheblich und rechtfertigt insoweit keine andere Einschätzung.

(d) Entgegen der Auffassung der Klägerin steht die Annahme der Mischgebietsunverträglichkeit von bordellartigen Betrieben und Bordellen auch im Einklang mit den Vorgaben des EU-Rechts, insbesondere mit der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt. Zwar hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 30. Januar 2018 (- C-360/15 u.a. - ZfBR 2018, 368 <369, Rn. 108, 110>) entschieden, dass die Vorschriften des Kapitels III der Richtlinie 2006/123/EG auch auf rein innerstaatliche Sachverhalte anwendbar seien und dass es sich bei Bestimmungen in einem Bauleitplan um eine territoriale Beschränkung i.S.v. Art. 15 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 1 der Richtlinie 2006/123/EG handeln könne, die den Vorgaben des Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123/EG genügen müsse. Eine solche Bestimmung dürfe nicht diskriminieren und müsse für die Erreichung eines zwingenden Grundes des Allgemeininteresses erforderlich sowie verhältnismäßig sein, was durch das nationale Gericht zu überprüfen sei (vgl. EuGH, a.a.O., S. 371, Rn. 129 ff.). Er hat aber weiter ausgeführt, dass einem Verbot, welches den Zweck habe, im Sinne einer guten Stadt- und Raumplanung die Lebensqualität in einem bestimmten Gebiet zu erhalten und welches dem Schutz der städtischen Umwelt diene, ein zwingender Grund des Allgemeininteresses zugrunde liegen könne, der eine solche territoriale Beschränkung rechtfertigen könne (vgl. EuGH, a.a.O.; vgl. ferner BVerwG, Beschluss vom 30. Mai 2013 - 4 B 3.13 - NVwZ 2013, 1085 <1086, Rn. 4> und OVG Hamburg, Urteil vom 11. April 2019 - 2 E 10/16.N - juris Rn. 61).

Danach bestehen gegen den Ausschluss von prostitutiven Betrieben, die bei typisierender Betrachtungsweise die im Mischgebiet zulässige Wohnnutzung stören, keine durchgreifenden europarechtlichen Bedenken. Ein solcher Ausschluss ist nicht diskriminierend, weil er nicht an die Staatsangehörigkeit des Dienstleistungserbringers anknüpft. Er dient mit dem Ziel des Schutzes der städtischen Umwelt einem zwingenden Grund des Allgemeininteresses und ist zur Verwirklichung dieses Zieles geeignet, erforderlich und angemessen. Ein Abstellen auf das konkrete Störpotential im Einzelfall würde dem Anliegen, dafür Sorge zu tragen, dass im Geltungsbereich eines Bebauungsplans im Grunde jedes Baugrundstück für jede nach dem Katalog der jeweiligen Baugebietsvorschrift zulässige Nutzung in Betracht kommen soll, ohne dass dies zu Unverträglichkeiten führt, nicht im gleichen Maße zum Erfolg verhelfen.

Anzumerken ist insoweit, dass es mit der Versagung der streitgegenständlichen Baugenehmigung entgegen den anderslautenden Annahmen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht um eine generelle „Untersagung“ des von der Klägerin geführten Betriebes geht. Der Klägerin bleibt es unbenommen, für ihren Betrieb eine andere, hierfür geeignetere Umgebung zu suchen und eine Baugenehmigung für diesen neuen Standort zu beantragen.

(e) Auch der Hinweis der Klägerin auf Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigt keine andere Entscheidung.

Die Praxis anderer Bezirke bei der Erteilung von Baugenehmigungen für prostitutive Einrichtungen ist unerheblich. Abgesehen davon, dass bei der Beurteilung der Frage der Mischgebietsverträglichkeit von Vorhaben keine behördlichen Entscheidungsspielräume eröffnet sind, in deren Rahmen sich ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Hinblick auf eine bestimmte Verwaltungspraxis auswirken könnte, besteht weder ein Anspruch auf bezirksübergreifende Gleichbehandlung noch ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht.

Soweit die Klägerin außerdem auf einen vom Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin selbst genehmigten Betrieb verweist, liegt dieser Genehmigungserteilung eine andere Sachlage zugrunde. Denn ausweislich der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung war das Bezirksamt wegen eines rechtskräftigen Urteils des Verwaltungsgerichts zur Genehmigungserteilung verpflichtet.

cc. Das Vorhaben der Klägerin ist auch nicht gemäß § 31 Abs. 2 BauGB bauplanungsrechtlich zulässig. Zwar ist der erforderliche Befreiungsantrag gestellt worden (vgl. § 67 Abs. 2 BauO Bln). Die Befreiungsvoraussetzungen liegen aber nicht vor.

Nach § 31 Abs. 2 BauGB kann von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und (1.) Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, die Befreiung erfordern oder (2.) die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder (3.) die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

Durch die von der Klägerin begehrte Befreiung würden die Grundzüge der Planung berührt. Die Festsetzungen eines Baugebietes i.S.d. §§ 2 ff. BauNVO bestimmen die Grundzüge der Planung (vgl. Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Mai 2019, Rn. 36b zu § 31). Die Erteilung einer Befreiung an die Klägerin könnte insoweit dazu führen, dass die Umgebung des Vorhabens den Charakter eines Mischgebiets i.S.v. § 6 Abs. 1 BauNVO 1962 verliert. Es fiele nämlich schwer, anderen Vorhaben der in Rede stehenden Art, eine Baugenehmigung für eine Nutzungsänderung zu versagen, wenn die Klägerin über die begehrte Baugenehmigung verfügte. Abgesehen davon fehlt es an der städtebaulichen Vertretbarkeit der begehrten Befreiung und der Vereinbarkeit des Vorhabens mit öffentlichen Belangen (vgl. Söfker, a.a.O.).

b. Die Berufung hat auch im Hinblick auf das Anfechtungsbegehren der Klägerin Erfolg, welches sich auf die Aufhebung der Gebühr für das Widerspruchsverfahren hinsichtlich der Versagung der Baugenehmigung richtet. Für das Widerspruchsverfahren ist eine Gebühr in der für den Verwaltungsakt vorgesehenen Höhe zu entrichten. Die Gebührenerhebung ist durch § 16 Abs. 2 Satz 1 GebG Bln gerechtfertigt, weil der Beklagte die durch Widerspruch angefochtene ablehnende Entscheidung zu Recht aufrechterhalten hat. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Für den Ablehnungsbescheid ist nach der insoweit nicht angegriffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine Gebühr in Höhe von 84,16 Euro bestandskräftig festgesetzt worden.

Soweit die Berufung Erfolg hat und das erstinstanzliche Urteil geändert wird, folgt die Kostenentscheidung aus § 154 Abs. 1 VwGO. Im Übrigen bleibt es bei der vom Verwaltungsgericht ausgesprochenen Pflicht der Klägerin zur Kostentragung nach § 155 Abs. 2 VwGO. Hieraus ergibt sich die aus dem Tenor ersichtliche einheitliche Kostenformel.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.