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Entscheidung 26 Sa 1052/12


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 26. Kammer Entscheidungsdatum 17.10.2012
Aktenzeichen 26 Sa 1052/12 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 1 Abs 2 KSchG, § 2 KSchG, § 133 BGB, § 157 BGB, § 623 BGB

Leitsatz

1. Das mit der Kündigung unterbreitete Änderungsangebot muss eindeutig bestimmt, zumindest bestimmbar sein. Ihm muss zweifelsfrei zu entnehmen sein, welche Arbeitsbedingungen ab wann zukünftig gelten sollen (vgl. BAG 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - NZA 2012, 628 = EzA § 2 KSchG Nr. 83, Rn. 29).

2. Da sich das Schriftformerfordernis des § 623 BGB nicht nur auf die Kündigungserklärung als solche, sondern auch auf das Änderungsangebot erstreckt, ist nach der Ermittlung des wirklichen rechtsgeschäftlichen Willens weiter zu prüfen, ob dieser in der Urkunde Ausdruck gefunden hat. Bei formbedürftigen Erklärungen ist nur der Wille beachtlich, der unter Wahrung der vorgeschriebenen Form erklärt worden ist (vgl. BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 576/09 - EzA KSchG § 2 Nr. 81 Rn. 20 ff.; 16. September 2004 - 2 AZR 628/03, BAGE 112, 58, zu B I 2 der Gründe).

3. Im entschiedenen Fall war die Kündigung zu einem zu frühen Zeitpunkt, vorsorglich aber zum Ablauf der maßgeblichen Kündigungsfrist ausgesprochen worden. Das Angebot war hingegen ausschließlich mit Wirkung zu dem Zeitpunkt erklärt worden, der dem Kündigungstermin unmittelbar nachfolgte. Dieser falsche Termin war zudem auch noch in dem Kündigungsschreiben mit der zu diesem Datum erfolgenden Sitzverlagerung begründet worden. Vor diesem Hintergrund konnte die betroffene Klägerin nicht mit der gebotenen Sicherheit davon ausgehen, dass das Angebot erst nach Ablauf der zutreffenden Kündigungsfrist seine Wirkung entfalten sollte.

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 25.01.2012 - 20 Ca 11803/11 - teilweise abgeändert und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 26.07.2011 nicht aufgelöst worden ist.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die Wirksamkeit einer Änderungskündigung vom 26. Juli 2011.

Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 12. April 1984 beschäftigt. Am 18. Juli 2011 beschlossen die Gesellschafter der Beklagten, den Geschäftssitz von Berlin nach Hattersheim zu verlegen. Der Mietvertrag über die Betriebsräume in Berlin war bis zum 31. Dezember 2011 befristet abgeschlossen. Er sollte nicht verlängert werden. Für die Zeit ab dem 1. Januar 2012 mietete die Beklagte Geschäftsräume in Hattersheim an. Mit Schreiben vom 26. Juli 2011 kündigte sie der Klägerin wie auch den anderen Belegschaftsmitgliedern. In dem Kündigungsschreiben heißt es:

„…hiermit kündigen wir das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.12.2011, hilfsweise zum nächst zulässigen Termin.

Wir bieten Ihnen jedoch gleichzeitig an, das Arbeitsverhältnis ab dem 01.01.2012 wie folgt fortzusetzen:

Sie werden künftig an unserem Standort in 65795 Hattersheim am Main, R.straße .. mit den bisherigen Aufgaben bei gleicher Vergütung unter Wahrung des Besitzstandes tätig sein. Im Übrigen, soweit nicht bereits vorstehend erklärt, verbleibt es bei den bisherigen Bedingungen des Arbeitsverhältnisses.

Die Änderungskündigung erfolgt aufgrund der Verlagerung des Arbeits- und Tätigkeitsbereiches von Berlin nach Frankfurt, sodass eine Beschäftigung in Berlin nicht mehr möglich ist. Die Standortverlagerung soll wie geplant mit dem 31.12.2011 sein Ende finden. Wir hoffen auf Ihr Verständnis.

Teilen Sie uns bitte innerhalb einer Frist von einer Woche ab Zugang dieses Schreibens mit, ob Sie mit den geänderten Arbeitsbedingungen und mit einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses einverstanden sind. Andernfalls endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Kündigungsfrist…“

Die Klägerin nahm das Änderungsangebot nicht an, auch nicht unter Vorbehalt. Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Änderungskündigung sei schon deshalb unwirksam, weil sie die Änderung der Arbeitsbedingungen bereits ab dem 1. Januar 2012 nicht habe hinnehmen müssen.

Die Klägerin hat – soweit in der Berufungsinstanz noch von Bedeutung – beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 26.07.2011 … aufgelöst worden ist,

...

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Änderungskündigung sei angesichts der beschlossenen Betriebsverlagerung wirksam.

Das Arbeitsgericht hat die Klage hinsichtlich des Änderungsschutzantrags überwiegend – bis auf den Beendigungszeitpunkt - abgewiesen und das im Wesentlichen damit begründet, die Beklagte habe eine nicht zu beanstandende unternehmerische Entscheidung getroffen. Das Kündigungsschreiben könne nicht dahin ausgelegt werden, dass – für den Fall, dass die zum 31. Dezember 2011 erklärte Kündigung die Kündigungsfrist nicht wahre – das Änderungsangebot gleichwohl zum 1. Januar habe wirken sollen.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 7. Mai 2012 zugestellte Urteil am 6. Juni 2012 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet. Bei einem vorfristigen Änderungsangebot sei regelmäßig nicht davon auszugehen, dass dieses zum „richtigen“ Zeitpunkt gelten solle. Es sei durchaus denkbar, dass der Arbeitgeber die vorfristige Änderung der Arbeitsbedingungen bewusst anbiete, weil eine Weiterarbeit des Arbeitnehmers ab diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich ist. Auch eine Umdeutung scheide aus. Die Rechtssicherheit verlange, dass zweifelsfrei klargestellt sei, zu welchen Arbeitsbedingungen das Arbeitsverhältnis fortbestehen solle.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 25. Januar 2012 – 20 Ca 11803/11 - teilweise abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 26. Juli 2011 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Die Klägerin habe sich nicht einfach auf den wörtlichen Sinn der Erklärung verlassen dürfen.

Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Vortrag der Parteien in den Schriftsätzen vom 5. Juni 2012, vom 23. Juli 2012 und vom 31. August 2012 sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 13. September und vom 17. Oktober 2012.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II. Die Berufung ist auch begründet, da die Klage begründet ist.

Die Beklagte hat sich nicht darauf beschränkt, der Klägerin eine Änderung der Arbeitsbedingungen vorzuschlagen, die sie billigerweise hinnehmen muss. Das wäre nur bei einem Angebot der Fall gewesen, welches eine Änderung der Arbeitsbedingungen zum 1. März 2012 vorgesehen hätte. Als ein solches war die Erklärung der Beklagten im Kündungsschreiben aber jedenfalls nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit zu verstehen.

1) Bei einer betriebsbedingten Änderungskündigung ist das Änderungsangebot des Arbeitgebers daran zu messen, ob dringende betriebliche Erfordernisse gemäß § 1 Abs. 2 KSchG es bedingen und ob der Arbeitgeber sich darauf beschränkt hat, solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Eine Änderungskündigung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschlossen hat, bei deren innerbetrieblicher Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmerin im fraglichen Betrieb entweder ganz oder jedenfalls zu den bisherigen Arbeitsbedingen entfällt (vgl. BAG 12. August 2010 - 2 AZR 558/09 - AP Nr. 146 zu § 2 KSchG 1969 = NJW 2011, 251 = EzA § 2 KSchG Nr. 78, Rn. 14 f.).

2) Die Beklagte hat sich nicht darauf beschränkt, eine Änderung vorzuschlagen, die die Klägerin billigerweise hinnehmen muss.

a) Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist nur wirksam, wenn sich der Arbeitgeber bei Vorliegen eines Kündigungsgrundes darauf beschränkt hat, solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Im Rahmen von § 1 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 2 KSchG ist dabei zu prüfen, ob das Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist. Dieser Maßstab gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer das Änderungsangebot abgelehnt oder unter Vorbehalt angenommen hat. Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Diese Voraussetzungen müssen für alle Vertragsänderungen vorliegen. Ausgangspunkt ist die bestehende vertragliche Regelung. Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom bisherigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (vgl. BAG 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - NZA 2012, 628 = EzA § 2 KSchG Nr. 83, Rn. 28).

Das mit der Kündigung unterbreitete Änderungsangebot muss eindeutig bestimmt, zumindest bestimmbar sein. Ihm muss zweifelsfrei zu entnehmen sein, welche Arbeitsbedingungen ab wann zukünftig gelten sollen. Da der Arbeitnehmer von Gesetzes wegen innerhalb kurzer Frist auf das Vertragsangebot des Arbeitgebers reagieren und sich entscheiden muss, ob er die Änderung der Arbeitsbedingungen ablehnt, ob er sie mit oder ohne Vorbehalt annimmt, ist dies schon im Interesse der Rechtssicherheit zu fordern. Nur so kann der Arbeitnehmer eine abgewogene Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung des Angebots treffen. Unklarheiten gehen zulasten des Arbeitgebers. Sie führen zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung (vgl. BAG 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - NZA 2012, 628 = EzA § 2 KSchG Nr. 83, Rn. 29).

b) Danach sind die Änderungen der Arbeitsbedingungen im Streitfall schon deshalb ungerechtfertigt, weil dem Änderungsangebot jedenfalls nicht zweifelsfrei entnommen werden kann, dass dieses erst ab dem 1. März 2012 gelten sollte.

aa) Ein Änderungsangebot kann auch dann den Bestimmtheitserfordernissen genügen, wenn sich sein Inhalt erst durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) hinreichend sicher ermitteln lässt. Dabei können und müssen auch außerhalb des Kündigungsschreibens liegende, zur Erforschung seines Inhalts geeignete Umstände herangezogen und berücksichtigt werden. Da sich das Schriftformerfordernis des § 623 BGB nicht nur auf die Kündigungserklärung als solche, sondern auch auf das Änderungsangebot erstreckt, ist nach der Ermittlung des wirklichen rechtsgeschäftlichen Willens weiter zu prüfen, ob dieser in der Urkunde Ausdruck gefunden hat. Bei formbedürftigen Erklärungen ist nur der Wille beachtlich, der unter Wahrung der vorgeschriebenen Form erklärt worden ist (vgl. BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 576/09 - EzA KSchG § 2 Nr. 81 Rn. 20 ff.; 16. September 2004 - 2 AZR 628/03, BAGE 112, 58, zu B I 2 der Gründe).

bb) Die Beklagte hat in einer Vielzahl von Fällen im Wesentlichen inhaltsgleiche Änderungskündigungen ausgesprochen. Ihre Erklärungen sind deshalb nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von einem verständigen und redlichen Empfänger unter Berücksichtigung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Ansatzpunkt für die Auslegung typischer Willenserklärungen ist in erster Linie ihr Wortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie die Erklärung aus der Sicht typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligter Verkehrskreise zu verstehen ist (vgl. BAG 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - NZA 2012, 628 = EzA § 2 KSchG Nr. 83, Rn. 32).

cc) Dem Änderungsangebot der Beklagten in dem Kündigungsschreiben lässt sich jedenfalls nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit entnehmen, dass es für die Zeit ab dem 1. März 2012 maßgeblich sein sollte. Dem steht zunächst der Wortlaut entgegen, wonach die Änderung bereits für die Zeit ab dem 1. Januar 2012 eintreten sollte. In dem Kündigungsschreiben wird dieser Termin zudem ausdrücklich begründet. Zum 1. Januar 2012 sollte der Umzug nach Hattersheim mit der Folge stattfinden, dass in Berlin Arbeitsplätze nicht mehr zur Verfügung stehen würden. Vor diesem Hintergrund konnte ein verständiger Kündigungsempfänger in der Situation der Klägerin nicht annehmen, das Angebot solle erst für die Zeit nach Ablauf der „richtigen“ Kündigungsfrist maßgeblich sein. Dagegen spricht auch die seitens der Beklagten vorgenommene Differenzierung. Während im Rahmen der Kündigungserklärung der Wille zum Ausdruck kommt, diese ggf. erst mit Ablauf einer zutreffenden Kündigungsfrist aussprechen zu wollen, findet sich zu dem Angebot eine entsprechende Formulierung in dem Schreiben nicht. Das Änderungsdatum ist vielmehr sogar ausdrücklich mit der Sitzverlegung zum 1. Januar 2012 begründet.

III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu tragen, da sie in vollem Umfang unterlegen ist.

IV. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.