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Exmatrikulation; Beuth Hochschule für Technik Berlin; Diplomstudiengang Wirtschaftsingenieurwesen/Maschinenbau; endgültiges Nichtbestehen eines Prüfungsfachs; Geltendmachung einer Prüfungsunfähigkeit; Teilnahme an der Klausur; Rücktritt; ärztliche Bescheinigung; verspätet; Antrag auf Zulassung der Berufung; (keine) ernstlichen Richtigkeitszweifel; Grundrecht auf freie Berufswahl; Grundsatz der Chancengleichheit der Mitprüflinge; Mitwirkungspflicht des Prüflings


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 5. Senat Entscheidungsdatum 14.02.2014
Aktenzeichen OVG 5 N 1.12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen Art 12 Abs 1 GG, § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 124a Abs 4 S 4 VwGO, § 124a Abs 5 S 2 VwGO, § 15 S 3 Nr 4 HSchulG BE, TFHRaPrO BE 2004

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 1. Dezember 2011 wird abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 5 000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Der allein auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Antrag hat keinen Erfolg. Das Vorbringen des Klägers, das den Prüfungsumfang für das Oberverwaltungsgericht bestimmt (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO), rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht.

Die Rügen des Klägers begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Sie sind nicht geeignet, einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung der angegriffenen Entscheidung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage zu stellen.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den auf der Grundlage des § 15 Satz 3 Nr. 4 BerlHG erlassenen Exmatrikulationsbescheid vom 12. Juni 2009 wegen endgültig nicht bestandener Prüfungsleistungen in dem Pflichtfach „Englisch für Wirtschaftsingenieure I“ als unbegründet abgewiesen. Nach § 12 Abs. 3 Satz 4 der Grundsätze für Prüfungsordnungen der Technischen Fachhochschule Berlin (Rahmenprüfungsordnung-RPO III) - i.F. RPO III - seien bei Leistungsnachweisen maximal drei Prüfungsversuche zulässig. Der Kläger, der seit dem Wintersemester 2004/2005 im Diplom-Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen/Maschinenbau an der Beklagten (vormals Technische Fachhochschule Berlin - TFH -) studiere, habe das genannte Pflichtfach endgültig nicht bestanden, weil er drei Prüfungsversuche ohne eine ausreichende Note absolviert habe. Ein weiterer Prüfungsversuch stehe ihm nicht mehr zu. Entgegen der Auffassung des Klägers sei er von der Klausur vom 25. März 2009 nicht mit der Folge wirksam zurückgetreten, dass dieser Prüfungsversuch nicht gezählt würde. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 RPO III seien Gründe für Prüfungsverhinderungen bei Abschlussprüfungen unverzüglich dem zuständigen Vorsitzenden schriftlich mitzuteilen und nachzuweisen.

Verhinderungsmitteilungen wegen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung seien gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 RPO III unverzüglich durch ein ärztliches Attest zu belegen. Daran fehle es hier. Der Kläger habe seine Prüfungsunfähigkeit nicht unverzüglich nachgewiesen.

Der Einwand des Klägers, dass er durch die „unstreitige Mitteilung“ an den Dozenten der Veranstaltung noch am Prüfungstag „ordnungsgemäß“ von der Prüfung zurückgetreten sei, ist im Hinblick darauf, dass er eine Prüfungsverhinderung am Prüfungstag nicht schriftlich angezeigt, sondern tatsächlich an der Klausur teilgenommen und ein ärztliches Attest erst mit Schreiben vom 17. April 2009 eingereicht hat, nicht nachvollziehbar.

Das Verwaltungsgericht hat bereits das Vorliegen eines Rücktrittsgrundes zur Wahrung der Chancengleichheit der übrigen Prüflinge verneint, weil sich der Kläger trotz Kenntnis einer möglichen gesundheitlichen Beeinträchtigung wegen der gehäuften Todesfälle in seiner Familie auf eigenes Risiko der Prüfung unterzogen habe. Soweit der Kläger dem entgegenhält, die Klausurteilnahme sei nicht eigenverantwortlich geschehen, vielmehr habe er zunächst „für sich selbst die Entscheidung getroffen“, die Klausur nicht zu schreiben, und er sei erst auf dem Heimweg durch einen telefonisch übermittelten Hinweis des Dozenten zu einer Teilnahme an der Klausur genötigt worden, vermag das dem Zulassungsantrag nicht zum Erfolg zu verhelfen. Die in Rede stehende sinngemäße Äußerung des Dozenten, „dass er hoffe, der Kläger würde seine Entscheidung absichern, so dass es zu keinem Nachteil für ihn kommen würde“, erschöpft sich im Kern darin, auf mögliche - vom Kläger nach § 9 RPO III tatsächlich zu erfüllende - (materielle und formelle) Anforderungen für die Anerkennung einer Prüfungsunfähigkeit aufmerksam zu machen, und lässt daher von vornherein keinen nötigenden Charakter erkennen. Dass darüber hinaus die zusätzliche Motivation des Klägers durch den Dozenten, „konzentriert an der Lösung der Aufgaben zu arbeiten“, einer eigenverantwortlichen Klausurteilnahme entgegengestanden haben soll, erschließt sich dem Senat nicht.

Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht einen wirksamen Rücktritt des Kläger unbeschadet des Fehlens eines Rücktrittsgrundes auch damit verneint, dass die Einreichung der ärztlichen Bescheinigung vom 20. April 2009, die dem Kläger für den 25. März 2009 Prüfungsunfähigkeit attestiert, fast vier Wochen nach Ablegen der Prüfung und fast drei Wochen nach Kenntnis von dem nicht ausreichenden Ergebnis der Prüfung nicht unverzüglich sei. Die These des Klägers, dass die verzögerte Einreichung der ärztlichen Bescheinigung unschädlich sei, weil an die Beurteilung der Unverzüglichkeit angesichts des Grundrechts auf freie Berufswahl aus Art. 12 Abs. 1 GG keine zu hohen Anforderungen zu stellen seien, wenn hiervon - wie im vorliegenden Fall - der endgültige Verlust der Prüfungschance abhänge und die Chancengleichheit der Mitprüflinge nicht berührt sei, verfängt nicht. Dem Kläger ist zwar zuzugestehen, dass die Frage, ob eine Mitteilung im Rechtssinne unverzüglich ist, stets auch im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG zu beurteilen ist und sich hieraus insbesondere im Fall des endgültigen Nichtbestehens der Prüfung durch Verletzung der den Prüfling treffenden Nebenpflicht zur unverzüglichen Mitteilung eines Säumnisgrundes Schranken ergeben. Das schmälert jedoch nicht die Mitwirkungspflicht des Prüflings, soweit sie dem Schutz des Grundsatzes der Chancengleichheit dient. Allein dieser, das gesamte Prüfungsrecht beherrschende Grundsatz rechtfertigt die einschneidende Folge der verspäteten Mitteilung, nämlich den gegebenenfalls endgültigen Verlust einer Prüfungschance und damit der Möglichkeit, überhaupt in dem gewählten Beruf tätig zu sein (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13. Mai 1998 - BVerwG 6 C 12.98 -, juris Rn. 18, 19). Es mag sein, dass die Chancengleichheit der Mitprüflinge in einem Fall der Prüfungsversäumnis nicht berührt ist, wenn ein wichtiger Grund für die Versäumung der Prüfung zweifelsfrei vorliegt und somit keine Gefahr besteht, dass der säumige Prüfling, der dies geltend macht, sich gleichheitswidrig gegenüber den Mitprüflingen eine zusätzliche Prüfungschance zu verschaffen sucht. So liegt der Fall hier aber nicht. Anders als der Kläger meint, steht eine offensichtliche und von dem Dozenten auch bezeugbare Krankheit am Prüfungstag gerade nicht fest. Auf Letzteren hat der Kläger nach den insoweit nicht substanziiert in Zweifel gezogenen Ausführungen des Verwaltungsgerichts lediglich einen „sehr angespannten Eindruck“ gemacht, der nicht notwendigerweise auf eine (unerkannte) Prüfungsunfähigkeit zurückzuführen gewesen sei. Hieran ändert der Hinweis des Klägers nichts, dass die Beklagte seine gesundheitliche Situation nie bestritten habe und ihr eine Einsichtnahme in die Krankenunterlagen und Befragung des behandelnden Arztes ohne weiteres möglich gewesen sei. Der Kläger verkennt, dass es nicht die Aufgabe der Beklagten, sondern des Prüflings ist, die Prüfungsunfähigkeit unverzüglich geltend zu machen und nachzuweisen (vgl. zur Mitwirkungspflicht Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 7. Oktober 1988 - BVerwG 7 C 8.88 -, juris Rn. 13). Ungeachtet dessen war die Chancengleichheit der Mitprüflinge des Klägers jedenfalls deshalb evident betroffen, weil er an der Prüfung teilgenommen und erst nach Bekanntgabe des unzureichenden Prüfungsergebnisses eine ärztliche Bescheinigung vorgelegt hat. Es liegt auf der Hand, dass bei dieser Fallkonstellation der Grundsatz der Chancengleichheit in besonderer Weise Bedeutung gewinnt, weil der Prüfling versucht ist, Unklarheiten auszunutzen und sich gleichheitswidrig gegenüber den Mitprüflingen eine zusätzliche Prüfungschance zu verschaffen (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13. Mai 1998, a.a.O., juris Rn. 23). Diese Gefährdung lässt sich - wie in § 9 Abs. 1 und 2 RPO III geschehen - dadurch verringern, dass der Prüfungsstelle eine eigene, möglichst zeitnahe Gelegenheit zur Überprüfung der Gründe des Rücktritts gegeben wird. Vor diesem Hintergrund ist mit Blick auf das verfassungsrechtliche Gewicht einer auch berufsöffnenden Prüfung und des Grundsatzes der Chancengleichheit entgegen der Auffassung des Klägers keine großzügige, sondern eine strenge Auslegung der hier einschlägigen Verfahrensregelung geboten, um dem Grundrecht der Berufsfreiheit in besonderer Weise Wirksamkeit zu verleihen (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13. Mai 1998, a.a.O., juris Rn. 24).

Vermag nach alldem der Kläger die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass er mangels unverzüglichen Nachweises seiner Prüfungsunfähigkeit nicht wirksam von der Klausur am 25. März 2009 zurückgetreten sei, nicht ernsthaft in Zweifel zu ziehen, kann die Beantwortung der von ihm aufgeworfenen Frage, ob mit dem Bescheid des Prüfungsausschusses der Beklagten vom 14. Mai 2009 sein Rücktritt bestandskräftig abgelehnt worden ist, dahingestellt bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).