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Entscheidung S 14 AY 1/12


Metadaten

Gericht SG Neuruppin Entscheidungsdatum 29.11.2013
Aktenzeichen S 14 AY 1/12 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Kläger begehren die Gewährung der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in bar.

Die Kläger stammen aus Afghanistan und haben am 19. Oktober 2010 Asylanträge gestellt. Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14. März 2011 sind die Anträge abgelehnt worden. Mit Zuweisungsbescheiden vom 27. Januar 2011 sind die Kläger dem Landkreis xxx zur Aufenthaltsnahme im Übergangswohnheim zugewiesen worden.

Der Beklagte gewährte den Klägern auf Antrag Leistungen nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) ab 27. Januar 2011. Zum 1. Juli 2011 änderte der Beklagte die Leistungsgewährung, indem er zusätzliche Barbeträge für individuelle Ernährung und Hygiene gewährte.

Am 3. August 2011 stellten die Kläger den (vorgefertigten) Antrag auf die Leistungsgewährung in Barauszahlung ab 1. September 2011. Auf die Anforderung des Beklagten nach individuellen Gründen für die Notwendigkeit einer Barauszahlung, benannten die Kläger diverse Gründe; insbesondere Unannehmlichkeiten beim Einkauf mit Wertgutscheinen, nicht Einkaufbarkeit von Informations- und Kommunikationsmedien sowie Kleidung, spezielle Lebensmittel, Schreibwaren sowie nicht Bezahlbarkeit von Schulessen, Mitgliedsbeitrag in Vereinen und Eintrittsgeldern im Kino und Schwimmbad.

Mit Bescheid vom 2. November 2011 bewilligte der Beklagte laufende Leistungen gemäß § 3 Asylbewerberleistungsgesetz für den Monat November 2011 in Höhe von 163,60 € Taschengeld, 659,57 € für Ernährung, Bekleidung, Hygiene, hauswirtschaftlichen Bedarf abzüglich 55,00 € Kosten für Energie und hauswirtschaftlichen Bedarf. Zu der Art der Leistung regelte der Beklagte die Zahlung von 281,62 € in Bargeld und 486,55 € in Wertgutscheinen.

Die Kläger legten am 6. Dezember 2011 Widerspruch ein, mit der (vorformulierten) Begründung, seitens der Landesregierung sei eine Änderung der Art der Leistungsgewährung angekündigt worden.

Zum 1. Januar 2012 sind die Kläger aus dem Übergangswohnheim in eine eigene Wohnung umgezogen.

Der Beklagte hat die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 27. Dezember 2011 zurückgewiesen. Die für eine Barzahlung benannten Gründe seien keine Besonderheit des Einzelfalles, sondern beträfen alle Asylbewerber. Nach der Verwaltungsvorschrift des Landes Brandenburg bestehe der grundsätzliche Vorrang von Sachleistungen. Die Ermessensausübung sei dahingehend erfolgt, dass anstelle von Sachleistungen Gutscheine ausgegeben würden.

Die Kläger haben am 30. Januar 2012 Klage erhoben. Sie sind der Ansicht, das Ermessen des Beklagten sei auf Null reduziert, nur eine Barauszahlung der zustehenden Leistungen sei rechtmäßig. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Asylbewerberleistungsgesetz seien gleichartige Alternativleistungen geregelt. Die Ausübung des Auswahlermessens seitens des Beklagten sei nicht erkennbar. Dabei hätte er die Grundrechte der Kläger auf menschenwürdiges Existenzminimum, freie Entfaltung der Persönlichkeit, Informationsfreiheit, Religionsfreiheit, und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung berücksichtigen müssen, die durch die Ausgabe der Wertgutscheine verletzt seien. Weiterhin sei der Gleichheitsgrundsatz verletzt; die Kläger hätten keinen Einfluss auf die Zuweisung zum Landkreis xxx gehabt; in anderen Regionen erfolge Barauszahlung. Die Kläger sind der Ansicht, nachfolgende Bescheide für weitere Leistungszeiträume seien gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden, da es sich um Dauerrechtsverhältnisse handelte. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Arbeitslosengeld II sei auch die Dispositionsfreiheit der Kläger verletzt, bei der Pauschalleistung einzelner Bedarfe individuell abgrenzen zu können. Ab dem 1. August 2012 habe sich das Klagebegehren teilweise hinsichtlich der Höhe erledigt, nicht bezüglich der Art der Leistung. Mit Schriftsatz vom 28. November 2013 hat die Prozessbevollmächtigte als Klagerweiterung den Bescheid vom 2. Januar 2012 und Widerspruchsbescheid vom 26. November 2013 in die Klage einbezogen.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des Bescheides vom 02.11.2011 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 27.12.2011 sowie des Bescheides vom 02.01.2012 in der Fassung der Bescheide vom 26.11.2013 zu verurteilen, die den Klägern noch zustehenden Leistungen nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz in bar auszuzahlen, hilfsweise festzustellen, dass die Gutscheingewährung statt Barleistung in den Bescheiden vom 02.11.2011, 27.12.2011 sowie 02.01.2012 rechtswidrig gewesen ist.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, die Klage sei unzulässig, da der Leistungszeitraum verstrichen sei. Falls das Gericht die Klage für zulässig halten sollte, sei sie unbegründet, da die gesetzlich vorgesehenen Bedarfe gedeckt würden. Darüber hinaus gehende benannte Bedarfe seien kein Bedarf nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz. Die Leistungsart stünde in einem Rangverhältnis und es müsse die Erforderlichkeit zur Notwendigkeit für eine bestimmte Leistungsart bestehen. Er habe keine Nichtanwendungs- bzw. Verwerfungskompetenz für gesetzliche Bestimmungen. Ein Dauerverwaltungsakt läge nicht vor, da ausdrücklich die Leistungen für einen bestimmten Zeitraum gewährt worden seien. Nachfolgende Bescheide hätten den angefochtenen Bescheid nicht abgeändert oder ersetzt. Ab dem 1. Juni 2013 bestehe keine Anspruchsberechtigung mehr nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, wegen geändertem Aufenthaltsstatus.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten, sowie der weiteren Einzelheiten des Rechtsstreits, wird auf den Verwaltungsordner des Beklagten und die Gerichtsake im Einzelnen Bezug genommen. Die Akten haben vorgelegen, und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unzulässig.

Die Kammer hält die Klage allerdings nicht deshalb für unzulässig, weil der Leistungszeitraum (November und Dezember 2011) bereits verstrichen ist. Denn nach der Rechtssprechung des Bundessozialgerichts (BSG) können Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz auch für die Vergangenheit zu erbringen sein, wenn die Bedürftigkeit noch gegeben ist (Urteile vom 20. Dezember 2012 Az. xxx; 26. Juni 2013 Az: xxx).

Die Klage ist jedenfalls deshalb unzulässig, weil die Kläger die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten haben, in Form von Sachleistungen für die Unterkunft, hauswirtschaftlichen Bedarf und Energie sowie Bargeld und Wertgutscheinen. Sie haben die Leistungen offensichtlich auch entgegen genommen und verbraucht, sodass eine Rückgabe der Wertgutscheine gegen Bargeldzahlung ausgeschlossen ist. Für das rückwirkende Begehren Bargeld statt Wertgutscheine zu erhalten, fehlt ihnen das Rechtsschutzbedürfnis.

Auch die mit Schriftsatz vom 28. November 2013 erfolgte Einbeziehung des Bewilligungsbescheides vom 2. Januar 2012 und Widerspruchsbescheides vom 26. November 2013 ist unzulässig. Es handelt sich hierbei um eine Klageänderung gemäß § 99 Abs. 1 SGG, in die der Beklagte nicht eingewilligt hat, und die auch nicht sachdienlich ist. Es handelt sich nicht lediglich um eine Erweiterung des Klagantrages in der Hauptsache i. S. von § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG.

Streitgegenstand gemäß § 95 SGG ist der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides. Angefochten ist der Bescheid vom 2. November 2011, der Widerspruchsbescheid ist vom 27. Dezember 2011. Streitgegenstand ist das, was in dem Bescheid geregelt wird (BSG-Urteil vom 17. Juni 2008 Az: B 8/9b AY 1/07 R, FEVS 60,193; BSG-Urteil vom 17. Juni 2008 Az: B 8 AY 11/07 R; Bayerisches Landessozialgericht Urteil vom 9. August 2012 Az: L 8 SO 206/10).

Der Beklagte hat in dem Bescheid vom 2. November 2011 die Leistungen ausdrücklich für den Monat November 2011 geregelt. In der Begründung hat er darauf hingewiesen, dass die bewilligte Leistung zunächst für den Monat gewährt wird, bis zum Eintritt von Änderungen. Bis dahin erfolgt stillschweigende monatliche Neubewilligung. Zu einer solchen Regelung hat das BSG in dem Urteil vom 17. Juni 2008 Az: B 8/9b AY 1/07 B ausgeführt, nach einem solchen objektiven Regelungsgehalt mit zeitlicher Beschränkung auf einen Monat, erfolge die Bewilligung für die Folgemonate nach § 33 Abs. 2 SGB X auf andere Weise jeweils konkludent durch Überweisung. So ist der Regelungsgehalt des angefochtenen Bescheides vom 2. November 2011 zu verstehen.

Zum 1. Januar 2012 ist in den tatsächlichen Verhältnissen der Kläger eine Änderung eingetreten, mit dem Auszug der Kläger aus dem Übergangswohnheim und Bezug der eigenen Wohnung. Damit waren die Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz anders zu berechnen. Dies findet Ausdruck in dem Bescheid vom 2. Januar 2012, der die Leistungen für den Monat Januar 2012 regelt. Mit diesem neuen Bescheid hat sich der angefochtene Bescheid gemäß § 39 Abs. 2 SGB X erledigt. Der Bescheid vom 2. Januar 2012 ändert den angefochtenen Bescheid vom 2. November 2011 in keiner Weise ab (§ 86 SGG) noch ersetzt er ihn (§ 96 SGG). Die geänderten Verhältnisse und der neue Bescheid vom 2. Januar 2012 begrenzen somit den streitbefangenen Leistungszeitraum auf die Monate November und Dezember 2011. Zwar können, nach dem Urteil des BSG vom 17. Juni 2008 Az: B 8/9b AY 1/07 R Folgebescheide bei entsprechender inhaltlicher Regelung in direkter Anwendung von § 96 Gegenstand des Verfahrens werden, doch ist diese Fallkonstellation vorliegend nicht gegeben, da der angefochtene Bescheid auf einen Leistungsmonat begrenzt ist. In dem vom BSG entschiedenen Fall waren Leistungen „ab“ einem Zeitpunkt bewilligt worden ohne zeitliche Begrenzung.

Die hilfsweise in der mündlichen Verhandlung formulierte Feststellungsklage ist ebenfalls unzulässig. Zunächst ist der Bescheid vom 2. Januar 2012 nicht Klagegegenstand.

Eine Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG ist nur zulässig, wenn ein berechtigtes Interesse an der Feststellung einer Rechtswidrigkeit vorliegt. Hat sich gemäß § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

Der Verwaltungsakt vom 2. November 2011 hat sich in zweierlei Weise erledigt, einmal durch zeitlichen Ablauf des Bewilligungszeitraumes, zum anderen durch die seit 1. Juni 2013 nicht mehr bestehende Leistungsberechtigung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Ein berechtigtes Interesse kann bestehen bei Wiederholungsgefahr, bei Notwendigkeit zur Durchsetzung von Folgeansprüchen oder bei Rehabilitationsinteresse. Ein solches Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur ist vorliegend nicht erkennbar, aber auch nicht vorgetragen worden. Mit dem Ausscheiden aus der Leistungsberechtigung nach Asylbewerberleistungsgesetz besteht insbesondere keine Wiederholungsgefahr.

Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 193 SGG abzuweisen.

Urteil:

sgBAUSTEIN/RM_ZIN1.RTFBelehrung: Zulässige Berufung Inland 1.Instanz.