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Entscheidung 9 UF 146/10


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 24.03.2011
Aktenzeichen 9 UF 146/10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die befristete Beschwerde der Kindesmutter gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 7. Oktober 2010 - Az. 39 F 55/10 - wird zurückgewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 1. ist die allein sorgeberechtigte Mutter der heute 10-jährigen V…, des 8-jährigen St…, der 6-jährigen S… und des 3¾ Jahre alten J… H…. Sie und die Kinder lebten gemeinsam mit dem Kindesvater.

Das Jugendamt ist auf Initiative der Kindesmutter seit Ende 2007 involviert. Anlass waren seinerzeit massive Probleme der ältesten Tochter V…; im Sommer 2008 geriet sodann zunehmend St… in den Fokus.

Im Frühjahr 2009 trennten sich die Kindeseltern durch Auszug des Kindesvaters. Zum 1. Juli 2009 bezog die Kindesmutter auf dringendes Anraten des Jugendamtes mit ihren vier Kindern eine Wohnung in einem Familienwohnprojekt in H…. Dort war eine Betreuung an sechs Stunden täglich von Montag bis Freitag sichergestellt. Veranlasst durch konkrete Äußerungen V…s, die den Verdacht eines sexuellen Missbrauchs durch ihren Vater aufkommen ließen und von der Kindesmutter, deren Beziehung zum Kindesvater wieder auflebte und die - absprachewidrig - auch eine Übernachtung des Kindesvaters im Wohnprojekt zuließ, hat das Jugendamt am 14. August 2009 V… und S… in Obhut genommen und parallel dazu ein Sorgerechtsverfahren eingeleitet und zugleich um Erlass einer einstweiligen Anordnung dahin nachgesucht, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht für alle Kinder und zudem für die Töchter V… und S… das Sorgerecht für die Teilbereiche Gesundheitsfürsorge und Antragstellung vorläufig auf das Jugendamt übertragen werde.

Im Anhörungstermin am 25. August 2009 erklärte die Kindesmutter ihr Einverständnis mit der vorläufigen Unterbringung ihrer Töchter in einer Bereitschaftspflege und mit der Fortsetzung ihres Aufenthalts mit den Söhnen im Wohnprojekt. Danach sahen alle Beteiligten keinen Bedarf für vorläufige gerichtliche Maßnahmen mehr. In der Hauptsache wurde ein familienpsychologisches Gutachten in Auftrag gegeben.

Der Kindesvater beteiligte sich an der Begutachtung nicht. Mit dem am 13. April 2010 vorgelegten Gutachten kommt der Sachverständige mit näherer Darlegung zu der Empfehlung, dass die Fremdunterbringung der Töchter fortzusetzen und zudem die Herausnahme der beiden Söhne veranlasst sei. Zur Herstellung ihrer Erziehungsfähigkeit hat der Sachverständige der Kindesmutter die Inanspruchnahme sozialpädagogischer und psychotherapeutischer Hilfe angeraten.

Das Jugendamt hat sich die Empfehlungen des Sachverständigen zu Eigen gemacht und nach der Geburt von M… am …. April 2010 erneut erhebliche Schwierigkeiten in der Alltagsbewältigung außerhalb der Betreuungszeiten im Wohnprojekt geschildert.

Die Kindesmutter ist dem Antrag des Jugendamtes entgegengetreten. Ihr sei bewusst, dass sie Hilfe benötige; sie sei auch uneingeschränkt mitwirkungsbereit; die Erziehungsratschläge der Familienberaterin seien verinnerlicht und würden befolgt. In ihren Schilderungen der Besorgnis erregenden Umstände in der Wohnung und dem familiären Zusammenleben übertrieben die Betreuer in dem Wohnprojekt allerdings. In Bezug auf den nachgeborenen M… gebe es jedenfalls gar keinen Grund für familiengerichtliche Maßnahmen.

Im Verhandlungstermin am 16. September 2009 hat das Jugendamt hervorgehoben, dass trotz des intensiven Personaleinsatzes keine wirklich spürbare Verbesserung im Versorgungs- und Erziehungsverhalten der Mutter festzustellen sei und diese auch nur eingeschränkt zuverlässig in der Wahrnehmung verabredeter Termine sei. Im Nachgang zu diesem Verhandlungstermin hat das Jugendamt die Familienhilfe sofort eingestellt und die Kindesmutter „überredet“, die Söhne J… und St… in einem Kinderhaus stationär unterbringen zu lassen; in Bezug auf M… wurde eine Fremdunterbringung nach Entlassung aus dem Krankenhaus angekündigt; parallel dazu ist am 20. September 2010 das Nutzungsverhältnis in dem Familienwohnprojekt gekündigt worden.

Mit Beschluss vom 7. Oktober 2010 hat das Amtsgericht der Kindesmutter das elterliche Sorgerecht für die Teilbereiche Aufenthaltsbestimmungsrecht, Gesundheitsfürsorge schulische Belange und Recht zur Beantragung von Hilfen zur Erziehung entzogen und auf das Jugendamt als Pfleger übertragen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Kindesmutter mit ihrer zulässig eingelegten befristeten Beschwerde, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens erster Instanz die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zu erreichen sucht.

Im Senatstermin am 24. Februar 2010 ist eine verantwortliche Mitarbeiterin des Wohnprojektes in H… zu ihren Beobachtungen im Zuge der Betreuung der Kindesmutter und ihren Kindern befragt worden. Ferner hat der gerichtlich beauftragte Sachverständige sein Gutachten erläutert. Sämtliche Beteiligten erhielten ausführlich Gelegenheit zur Äußerung. Schließlich hat der Senat, nachdem die Kindesmutter ihr Rechtsmittel in Bezug auf die Töchter V… und S… zurückgenommen hat, die dann noch betroffenen Kinder St… und J… angehört, wobei sich letzterer inhaltlich nicht äußern mochte; M… konnte schon altersbedingt nicht befragt werden.

II.

Die gemäß § 621 e Abs. 1 und 3 ZPO in Verbindung mit §§ 517, 520 ZPO zulässige befristete Beschwerde der Kindesmutter hat in der Sache keinen Erfolg.

Die von der Kindesmutter gegen die Entscheidung des Amtsgerichts erhobenen Einwände geben dem Senat keine Veranlassung zu einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung in Bezug auf die - nach Teilrücknahme des Rechtsmittels - hier noch allein betroffenen Kinder St…, J… und M…. Das Amtsgericht ist zu Recht zu der Einschätzung gelangt, dass der Kindesmutter das elterliche Sorgerecht für die Teilbereiche Aufenthaltsbestimmungsrecht, Gesundheitsfürsorge, schulische Belange und Recht zur Beantragung von Hilfen zur Erziehung für die Söhne zu entziehen ist, weil die Voraussetzungen der §§ 1666, 1666 a BGB vorlagen und unverändert zu bejahen sind.

Nach § 1666 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 6 BGB kann das Familiengericht, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl der Kinder gefährdet ist und die Eltern nicht willens oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden, den Sorgeberechtigten das Sorgerecht teilweise oder vollständig entziehen. Dabei sind Maßnahmen, mit denen eine Trennung der Kinder von der elterlichen Familie verbunden ist, nur zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann (§ 1666 a Abs. 1 Satz 1 BGB).

Bei der Auslegung des Begriffs des Kindeswohls ist zu berücksichtigen, dass gemäß Art. 6 Abs. 1 und 2 des Grundgesetzes (GG) die Familie besonders geschützt ist. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Die Erziehung des Kindes ist damit primär in die Verantwortung der Eltern gelegt, die grundsätzlich frei von staatlichen Eingriffen nach eigenen Vorstellungen darüber entscheiden können, wie sie die Pflege und Erziehung ihrer Kinder gestalten und damit ihrer Elternverantwortung gerecht werden wollen. Dabei zählen die Eltern und deren sozioökonomische Verhältnisse grundsätzlich zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes, wobei auch in Kauf genommen wird, dass Kinder durch den Entschluss der Eltern wirkliche oder vermeintliche Nachteile erleiden. Diese primäre Entscheidungszuständigkeit der Eltern beruht auf der Erwägung, dass die Interessen des Kindes grundsätzlich am besten von ihnen wahrgenommen werden. Es gehört nicht zur Ausübung des staatlichen Wächteramtes aus Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG, die Eltern von der Pflege und Erziehung ihres Kindes auszuschalten oder gar selbst diese Aufgabe zu übernehmen und gegen den Willen der Eltern für eine den Fähigkeiten des Kindes bestmögliche Förderung zu sorgen. Eine Trennung des Kindes von seiner Familie gegen den Willen der Sorgeberechtigten ist deshalb erst dann zulässig, wenn das elterliche Fehlverhalten bzw. Versagen ein solches Ausmaß angenommen hat, dass das Kind bei einem Verbleiben bzw. einer Rückkehr in die Familie in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist. Dies ist der Fall, wenn bereits ein Schaden eingetreten ist, aber auch wenn eine Gefahr gegenwärtig und in solchem Maße vorhanden ist, dass sich bei seiner weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt. Dabei kann das Kindeswohl gefährdet sein, ohne dass die Eltern ein Schuldvorwurf trifft oder jedenfalls ihr Verschulden bewiesen werden kann. So können Eltern trotz bestem Willen und persönlichem Einsatz der Erziehungsaufgabe nicht gewachsen sein. Wenn das elterliche Sorgerecht (in Teilbereichen) entzogen und damit zugleich die Trennung der Kinder von der Familie gesichert oder ermöglicht wird, darf dies nur unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfolgen. Dieser gebietet es, dass Art und Ausmaß des staatlichen Eingriffs sich nach dem Grund des Versagens der Eltern und danach bestimmen müssen, was im Interesse des Kindes geboten ist. Der Staat muss daher nach Möglichkeit zunächst versuchen, durch helfende, unterstützende, auf (Wieder-)Herstellung eines verantwortungsgerechten Verhaltens der leiblichen Eltern gerichtete Maßnahmen sein Ziel zu erreichen (vgl. BVerfG FamRZ 2009, 1472; 2008, 492 und 2185; OLG Saarbrücken FamRZ 2010, 1092; OLGR Hamm 2009, 795; OLG Köln, Beschluss vom 28. Oktober 2005, Az. 4 UF 129/05).

Gemessen an diesen Grundsätzen war und ist die Herausnahme der Söhne aus dem mütterlichen Haushalt gerechtfertigt gewesen und weiterhin unabdingbar, um einer weiteren Gefährdung des Kindeswohls von St…, J… und M… wirksam zu begegnen.

Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Sch…, denen sich der Senat nach eigener kritischer Würdigung anschließt, ist die Kindesmutter aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur (unverschuldet) erziehungsunfähig. Sie ist - auch intellektuell bedingt - nur unzureichend mit rationalen Konfliktlösungstechniken vertraut, verfügt über eine geringe Frustrationstoleranz bei Verdrängung von Problemen oder Schuldzuweisungen an Dritte und ist mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert. In der Interaktionsbeobachtung ist deutlich geworden, dass der Kindesmutter ein emotional-ausgewogenes Erziehungsverhalten insgesamt fehlt, sie keine Anregungen geben kann, tatsächlich schon auf Ansprache ihrer Kinder kaum adäquat reagieren kann und auch deshalb die Kommunikation ganz maßgeblich von den Kindern gestaltet wurde.

Es passt ins Bild nicht nur der Feststellungen des Sachverständigen, sondern insbesondere auch der Beobachtungen der Betreuer in dem Wohnprojekt und nicht zuletzt zu dem im Rahmen der Anhörung vom Senat selbst gewonnenen Eindruck, dass die Kindesmutter hinsichtlich der Probleme in der Betreuung ihrer Kinder zur Verharmlosung neigt. Sie ist kaum in der Lage, ihr eigenes Verhalten zu reflektieren, eigene Schwächen und Defizite, die im Alltagsmanagement offen zutage treten, wahrzunehmen und kritisch zu hinterfragen. Eine Übernahme von Verantwortung ist nicht zu erkennen, stattdessen herrschen kindlich unreife Rechtfertigungsmechanismen vor.

Die Kindesmutter hat trotz der sehr engmaschigen Betreuung und Unterstützung in dem Wohnprojekt keine Einsicht in ihre erheblichen und strukturellen Mängel in der Betreuung und Versorgung ihrer Kinder; sie war nicht in der Lage, die ihr erteilten Ratschläge zu verinnerlichen und selbständig danach zu handeln; tatsächlich wurden vielfach die Bemühungen des Helfersystems um die Einhaltung einfachster hygienischer und gesundheitlicher Standards und die Schaffung einer stringenten Tagestruktur im Alltagsleben, das den Kindern wenigstens äußerliche Sicherheit geben würde, unterlaufen. Frau B… vom Wohnprojekt hat dem Senat eine Vielzahl von Beobachtungen oder Vorfällen glaubhaft - und in ihrem Kern von der Kindesmutter auch unwidersprochen - geschildert, die diese Einschätzung tragen. Besonders bedenklich sind die noch zuletzt beobachteten unerträglichen hygienischen Zustände durch Kot (auf dem Fußboden und im Kleiderschrank) und Erbrochenes (auch auf der Matratze der Kinder), das die Kindesmutter erst nach mehrfacher Aufforderung und Tage später geneigt war, zu entfernen. Auch in der Bekämpfung wiederholten Läuse- und insbesondere - eher ungewöhnlichen und eigentlich zwanglos vermeidbaren - Flohbefalls der Kinder war die Kindesmutter nachlässig. Zwar hat sie die Behandlung der Kinder vorgenommen, zugleich aber vergessen, dass auch sie selbst gegen Ungezieferbefall behandelt werden musste. Auf den entsprechenden Bericht der Betreuerin hat die Kindesmutter noch im Senatstermin unbeherrscht und in äußerst gereiztem Ton mit der Bemerkung reagiert, die Betreuer seien „selbst schuld, wenn sie bei mir nach Läusen suchen“. Auch die „übliche“ Körperhygiene der Kinder (Duschen, Zähneputzen) musste begleitet werden. Insoweit ist es schon bezeichnend, dass St… seine Mutter an die Notwendigkeit seines Zähneputzens erinnert hat, das Kind also die Verantwortung übernommen hat, die die Kindesmutter nicht wahrnehmen konnte oder wollte. Eine regelmäßige ritualisierte Ernährung der Kinder war die Mutter nicht willens sicherzustellen, von einer gesunden abwechslungsreichen Ernährung ganz zu schweigen. Die Versuche der Betreuer, hier zu Fortschritten zu gelangen, wurden sogar zunehmend dadurch aktiv torpediert, dass die Kinder mit Süßigkeiten versorgt wurden, so dass sie zur normalen Essenszeit keinen Hunger hatten.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Kindesmutter die Kinder, und hier insbesondere natürlich den ältesten Sohn St…, dazu angehalten hat, den - die übliche Ernährung ersetzenden - Genuss von Süßigkeiten oder andere Vorfälle auf Nachfrage der Betreuer zu negieren, was das Kind in einen Loyalitätskonflikt gestürzt hat, ohne dass dies von der Kindesmutter bemerkt worden wäre. Eine Aufgeschlossenheit für die Bedürfnisse ihrer Kinder oder gar ein Vorrang derselben vor eigenen Interessen, ist bei der Kindesmutter nicht zu erkennen. Insbesondere St… wurde stiefmütterlich behandelt, nicht nur im regulären Alltag, sondern insbesondere in gesundheitlichen Angelegenheiten und vor allem im emotionalen Bereich. So musste die Kindesmutter zur Auftragserteilung für die Anfertigung einer erforderlichen Brille für St… wiederholt aufgefordert werden. Auch die Versorgung des an einer Hauterkrankung leidenden Jungen mit Salbe erfolgte nicht zuverlässig.

Besonders ins Gewicht fällt, dass die Kindesmutter nicht in der Lage ist, St… in den Arm zu nehmen; tatsächlich fällt der Kindesmutter eigenen Bekundungen zufolge jede Berührung des St… außerordentlich schwer. St… erfährt demnach in der Herkunftsfamilie keine emotionale Zuwendung; er erlebt keine Geborgenheit und Sicherheit. Es liegt auf der Hand, dass allein diese Unzulänglichkeit eine schwerwiegende Kindeswohlgefährdung darstellt. Der Junge wird den Mangel an Aufmerksamkeit und Zuwendung als Ablehnung seiner Person erleben, was zu einer Beeinträchtigung seines Selbstwertgefühls führen und sich massiv nachteilig auf seine Persönlichkeitsentwicklung auswirken wird.

Auch bei J… und M… sind die vorbeschriebenen erheblichen Mängel in der äußeren Versorgung und Betreuung zutage getreten; auch hier zeigen sich Unzulänglichkeiten in der Entwicklung der Mutter-Kind-Beziehung. So ist J… mehrfach nicht nur allein im Garten bei geöffnetem Tor hin zu einer viel befahrenen Straße, sondern auch auf der Fensterbank stehend bei geöffnetem Fenster beobachtet worden, ohne dass die Kindesmutter in der Nähe gewesen wäre oder gar selbständig eingegriffen hätte. Die Verfahrenspflegerin hat etwa auch Verhaltensauffälligkeiten dahin geschildert, dass J… „über Tische und Bänke gegangen“ ist und St… Sachen an den Kopf geworfen hat - sichtbare Zeichen für einen Mangel an Grenzsetzung und Regeleinhaltung.

Insbesondere in der Versorgung des M… zeigen sich Besorgnis erregende Unzulänglichkeiten. Die Kindesmutter, die in der Geburtsvorbereitung schon äußerst zögerlich die notwendigen gesundheitlichen und organisatorischen Maßnahmen eingeleitet hat, reagiert nicht adäquat auf das Weinen des Kindes, ist nicht in der Lage, die sachgerechte Versorgung des Kindes sicherzustellen, ist nachlässig im Wechseln der Windeln. M… musste innerhalb von vier Monaten viermal wegen Lungenentzündung und/oder eines viralen Magen-Darm-Infekts stationär im Krankenhaus behandelt werden. Neben die Versäumnisse in der äußerlichen Grundversorgung tritt auch hier eine emotionale Vernachlässigung des Sohnes schon im Kleinstkindalter. Das Kind erfährt wenig Körperwärme, Nähe, freundliche Ansprache und Zuwendung.

Aus den vorstehenden Schilderungen lässt sich zuverlässig ein Erziehungsversagen schon im Alltagsmanagement ablesen, das durch ihr - jede liebevolle Zuwendung vermissen lassendes - Verhalten gegenüber den im Haushalt lebenden Kindern und insbesondere durch die im Haushalt immer wieder vorgefundenen hygienischen Verhältnisse eindrücklich belegt wird. Die Kindesmutter ist nicht in der Lage, das Familienleben - auch durch Rituale - zu strukturieren oder den Kindern Anregungen zu geben. Darüber hinaus ist die Kindesmutter außer Stande, ihren Kindern die für eine gesunde seelische Entwicklung unverzichtbare Bindung zu geben.

Auch der Senat vermochte im Verhalten oder den Äußerungen der Kindesmutter nicht ansatzweise eine emotionale Beteiligung der Kindesmutter in diesem Verfahren zu erkennen; ein Gefühl für ihre Kinder und deren Bedürfnisse konnte sie nicht vermitteln. Der Senat musste den Eindruck gewinnen, dass die Kindesmutter das Beschwerdeverfahren weniger im Interesse ihrer Kinder als vielmehr deshalb geführt hat, weil die Herausnahme der Kinder als - ungerechtfertigter - Angriff auf die eigene Person wahrgenommen wird.

Die hier vorgefundene Gefährdung des Wohls der Kinder lässt sich anders als durch den mit einer Herausnahme der Kinder aus dem mütterlichen Haushalt einhergehenden Entzug des elterlichen Sorgerechts in wesentlichen Teilbereichen nicht wirksam abgewendet werden.

Die Kindesmutter hat auch vor dem Senat nicht erkennen lassen, dass in ihr wirklich eine Einsicht in die allein in ihrer Person bestehenden Probleme bei der Versorgung und Betreuung der Kinder gewachsen ist. Befragt danach, wie bei einer etwaigen Rückkehr der Kinder in den Haushalt unterstützende Maßnahmen aussehen könnten, blieb die Kindesmutter eine plausible Antwort schuldig. Aus ihrer Sicht bedarf es offenbar nur eines Ansprechpartners, der im - nicht näher beschriebenen - Bedarfsfalle (mit Rat und/oder Tat?) zur Verfügung steht. Tatsächlich nämlich glaubt die Kindesmutter, zukünftig Haushaltsführung und Kindererziehung mindestens weitestgehend selbständig bewerkstelligen zu können. Befragt nach dem Grund danach, führt die Kindesmutter aus, dies werde jetzt klappen, weil kein Druck mehr von anderer Seite vorhanden ist; keinesfalls sei eine Familienhilfe mit einem hohen Stundensatz vonnöten.

Mit diesen Äußerungen belegt die Kindesmutter einmal mehr, dass sie eigentlich davon überzeugt ist alles richtig zu machen. Selbst die - in der Vergangenheit wiederholten - Schläge ins Gesicht der Kinder werden zwar für die Zukunft zunächst - vermeintlich - selbstsicher ausgeschlossen mit der Ankündigung, sie „würde heute zig mal mehr reden statt zu hauen“; im gleichen Atemzug aber wird das bisher geübte Fehlverhalten negiert und verharmlost mit dem Bemerken „Ein Klaps auf den Hintern hat noch niemandem geschadet“.

Eine ernst zu nehmende Einsicht in ihre eigenen Probleme in der Alltagsbewältigung und Kindererziehung fehlt der Kindesmutter nach Überzeugung des - auch insoweit sachverständig beratenen - Senates tatsächlich bis heute. Ohne eine solche Einsicht aber fehlt die Veränderungsbereitschaft, die wiederum unabdingbare Voraussetzung für eine nachhaltige Verbesserung der Erziehungskompetenzen ist. Die fehlende Veränderungsbereitschaft lässt sich auch aus der weitestgehend fruchtlos verlaufenen sehr zeit- und personalintensiven Betreuung in dem Familienwohnprojekt ablesen. Frau B… hat eindrücklich von einer nach dem Einzug in das Projekt zunächst euphorischen Stimmung der Kindesmutter berichtet, die im Zuge der engmaschigen, lästiger werdenden und immer weniger willkommenen Betreuung deutlich nachließ und zuletzt in eine sogar destruktive Haltung mündete, in der die Kindesmutter an einer fruchtbaren Zusammenarbeit nicht mehr interessiert war. Bei dieser Sachlage ist nicht erkennbar, wie durch ambulante Maßnahmen den Gefahren für das Kindeswohl wirksam begegnet werden könnte.

Der Senat hat durchaus verstanden, dass St…, der als einziger der betroffenen Kinder einer Anhörung durch den Senat zugänglich war und der trotz spürbarer Erfolge beim Abnehmen Hänseleien durch Mitbewohner der Wohngruppe ertragen muss und auch in der Schule keine Freunde hat, die Fremdunterbringung ablehnt und - deshalb - zur Mama zurück möchte. Das ist - zumal mit Blick auf die Versprechungen der Kindesmutter für den Fall der Rückkehr (z.B. Schwimmbad- und Kinobesuche) - menschlich ohne weiteres nachvollziehbar.

Der Senat ist allerdings der Überzeugung, dass der Junge mit der zu erwartenden Enttäuschung über die hier getroffene Entscheidung mit Unterstützung der in der Einrichtung eingesetzten Betreuer aufgefangen werden kann und er die unbestreitbaren Anfangsschwierigkeiten letztlich wird überwinden können.

Die bei Rückkehr in den mütterlichen Haushalt zu erwartenden und ambulant nicht wirksam abzuwehrenden Gefahren für das Wohl des Kindes sind demgegenüber gravierender, so dass bei allem Verständnis für die aktuellen Wünsche und Nöte des Kindes eine Fortsetzung der Fremdunterbringung unumgänglich ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 94 Abs. 3 Satz 2 KostO, 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 30 Abs. 2 und 3 KostO.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 621 e Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist nicht veranlasst, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.