Gericht | OVG Berlin-Brandenburg Fachsenat für Personalvertretungssachen | Entscheidungsdatum | 25.08.2011 | |
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Aktenzeichen | OVG 60 PV 15.10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 43 Abs 1 S 1 PersVG BE, § 43 Abs 1 S 4 PersVG BE, § 44 PersVG BE, § 256 Abs 1 ZPO |
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 21. September 2010 geändert.
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
I.
Im Streit ist, ob der Beteiligte zu 1 in Ansehung von § 44 PersVG Berlin dem Personalratsmitglied C... (Beteiligte zu 2) gegen dessen Willen und ohne Zustimmung des Personalrats ein neues Arbeitsgebiet zuweisen durfte.
Die Beteiligte zu 2 ist bei der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) als Sekretärin/Sachbearbeiterin (Verg.Gr. VII Fallgruppe 1a der Anlage 1a zum BAT-O) vollzeitbeschäftigt. Mit Verfügung vom 17. Juni 2010 wies ihr der Beteiligte zu 1 neue Arbeitsaufgaben zu: Anstatt im Sekretariat des Informations- und Kommunikationsreferats (IuK-Sekretariat) werde sie künftig im Wesentlichen in der Bibliothek tätig sein. Anlass der Maßnahme war ein Gespräch zwischen der Beteiligten zu 2 und der ebenfalls im IuK-Sekretariat auf einer befristeten Teilzeitstelle beschäftigten Arbeitnehmerin K... am 30. März 2010. Der Inhalt des Gesprächs ist zwischen den Verfahrensbeteiligten streitig. Der Beteiligte zu 1 gelangte nach seinen Ermittlungen zu der Auffassung, dass die Beteiligte zu 2 gegenüber F... in der Konkurrenz um eine Vollzeitstelle im IuK-Sekretariat ein unangemessenes Verhalten, teilweise unter Ausnutzung ihrer Machtposition als Personalratsmitglied, an den Tag gelegt und dadurch den Betriebsfrieden im IuK-Referat nachhaltig gestört habe. Demgegenüber gelangte der Antragsteller nach eigener Untersuchung zu dem Ergebnis, dass eine grobe Verletzung der Schweigepflicht oder einer sonstigen Pflicht eines Personalratsmitglieds nicht festzustellen sei. Er verweigerte deshalb die Zustimmung zu der Übertragung eines anderen Arbeitsgebietes an sein Mitglied. Gleichwohl setzte der Beteiligte zu 1 die Maßnahme um, wogegen die Beteiligte zu 2 sich vor dem Arbeitsgericht zur Wehr setzt.
Am 23. Juli 2010 hat der Antragsteller das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren mit dem Antrag eingeleitet
festzustellen, dass der Beteiligte zu 1 seine Rechte aus § 44 PersVG dadurch verletzt hat, dass er der Beteiligten zu 2 ohne seine Zustimmung Aufgaben einer Mitarbeiterin der Bibliothek zugewiesen hat.
Die Beteiligte zu 2 hat sich dem Feststellungsantrag angeschlossen.
Der Beteiligte zu 1 hat dagegen die Auffassung vertreten, § 44 PersVG Berlin sei im konkreten Fall verfassungskonform dahingehend einzuschränkend auszulegen, dass die Umsetzung der Beteiligten zu 2 der Zustimmung des Personalrats nicht bedürfe. Denn der Betriebsfrieden könne nur durch ihre Herausnahme aus dem IuK-Bereich wiederhergestellt werden. Da diese Maßnahme dem Schutz der anderen Mitarbeiterin diene und ohne sie die Erfüllung des Amtsauftrags erschwert wäre, dürfe die Umsetzung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht von der Zustimmung der insoweit demokratisch nicht legitimierten Personalvertretungen abhängen.
Mit Beschluss vom 21. September 2010 hat das Verwaltungsgericht Berlin die beantragte Feststellung getroffen und zur Begründung ausgeführt: Der Beteiligte zu 1 habe der Beteiligten zu 2 ein anderes Arbeitsgebiet nicht ohne die dafür bei Personalratsmitgliedern erforderliche Zustimmung des Antragstellers zuweisen dürfen. Es fehle an dem Merkmal „aus wichtigen dienstlichen Gründen unvermeidbar“. Denn die unterstellte Störung des Betriebsfriedens habe der Beteiligte zu 1 unschwer auch dadurch beheben können, dass er nicht die Beteiligte zu 2, sondern die Mitarbeiterin S... umsetzt. Einen grundrechtlichen Schutz eines bestimmten Arbeitsplatzes gebe es nicht. Die Einschränkung der Direktionsbefugnis des Dienststellenleiters durch das absolute Vetorecht des Personalrats aus § 44 PersVG Berlin sei verfassungsrechtlich unbedenklich.
Zwischenzeitlich wurde die Beteiligte zu 2 mit Beschluss des Antragstellers vom 12. November 2010, bestätigt durch die Dienststellenleitung am 18. November 2010, vollständig von ihrer dienstlichen Tätigkeit freigestellt.
Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 1. Er meint, mit der vollständigen Freistellung der Beteiligten zu 2 sei das Verfahren erledigt. Die Maßnahme entfalte keine Rechtswirkungen mehr. Ein Rechtsschutzinteresse sei mangels Wiederholungsgefahr nicht erkennbar. In der Sache vertritt er weiterhin die Ansicht, dass es der Zustimmung des Personalrats zur Umsetzung eines seiner Mitglieder nicht bedürfe, wenn die Maßnahme aus wichtigen dienstlichen Gründen unvermeidbar sei, die Unvermeidbarkeit ihren Grund im vorrangigen Grundrechtsschutz einer anderen Mitarbeiterin habe und sie zu keiner messbaren Beeinträchtigung der Personalratsarbeit führe. Bei einer anderen Auslegung sei das in § 44 PersVG Berlin vorgesehene absolute Vetorecht des Personalrats mit dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip unvereinbar.
Der Beteiligte zu 1 beantragt,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 21. September 2010 zu ändern und den Antrag zurückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er trägt vor: Die Umsetzung entfalte weiterhin Rechtswirkungen zu Lasten der Beteiligten zu 2. Es bestehe die Gefahr, dass ihre Stelle im IuK-Referat neu besetzt werde. Für eine Tätigkeit in der Bibliothek verfüge sie nicht über die notwendigen Fachkenntnisse. Auch wenn die sich daraus ergebenden Nachteile erst nach Ende der Freistellung aufträten, werde doch durch die Umsetzung ein unzulässiger Druck auf das Personalratsmitglied ausgeübt, wenn dieses einer Stelle zugeordnet werde, die es fachlich nicht ausfüllen könne. Er habe zudem Sorge, dass aufgrund des überproportional hohen Anteils von Bibliotheksmitarbeitern im Personalrat, die Funktionsfähigkeit der Bibliothek bzw. die notwendige personale Disponibilität für die Personalratstätigkeit nicht gewährleistet sei. Schließlich dürfe der Schutz des § 44 PersVG Berlin während der Freistellung nicht entfallen, weil sonst freigestellte Personalratsmitglieder schlechter gestellt würden als nicht freigestellte Mitglieder. In der Sache ist er weiterhin der Auffassung, dass nicht die Beteiligte zu 2, sondern F... den Betriebsfrieden störe, und dass die Anwendung von § 44 PersVG Berlin verfassungsrechtlich unbedenklich sei.
Die Beteiligte zu 2 schließt sich dem Antrag des Antragstellers an.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten einschließlich Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 ist begründet.
Der Feststellungsantrag des Antragstellers ist wegen Fortfalls des Rechtsschutzinteresses unzulässig geworden.
Die zwischen den Verfahrensbeteiligten streitigen Fragen, ob es sich bei der Zuweisung von Aufgaben in der Bibliothek an die Beteiligte zu 2 um die Übertragung eines anderen Arbeitsgebietes im Sinne von § 44 PersVG Berlin handelt und ob das in diesem Fall bestehende Erfordernis der Zustimmung des Personalrats zur Umsetzung seines Mitglieds wegen der Besonderheiten des Einzelfalls aus verfassungsrechtlichen Gründen entfällt, bedürfen keiner Entscheidung mehr. Nachdem die Beteiligte zu 2 ab 20. Oktober 2010 gem. § 43 PersVG Berlin vollständig von ihrer dienstlichen Tätigkeit freigestellt worden ist, ist die in Rede stehende Umsetzungsverfügung des Beteiligten zu 1 vom 17. Juni 2010 gegenstandslos geworden und hat sich das Feststellungsbegehren des antragstellenden Personalrats erledigt; ein gleichwohl fortbestehendes Feststellungsinteresse ist nicht zu erkennen. Da der Antragsteller von der Möglichkeit einer unstreitigen Verfahrensbeendigung keinen Gebrauch gemacht hat, ist die stattgebende Entscheidung der Fachkammer zu ändern und der Antrag in vollem Umfang zurückzuweisen.
a) Die vollständige Freistellung von ihrer dienstlichen Tätigkeit im Sinne von § 43 Abs. 1 Satz 1 PersVG Berlin bedeutet für die Beteiligte zu 2, dass sie von ihrer Arbeitspflicht auf dem ihr zuletzt zugewiesenen Arbeitsplatz befreit ist und sie insoweit nicht mehr dem Direktionsrecht ihres Dienstherrn unterliegt (vgl. Germel-mann/Binkert, PersVG Berlin, 2. Aufl., Rn. 13 ff. zu § 42 und Rn. 6 ff., 24 zu § 43; zur ähnlich lautenden Regelung in § 46 Abs. 4 BPersVG: Lorenzen u.a., BPersVG, Rn. 140 zu § 46; Altvater u.a., BPersVG, 7. Aufl., Rn. 71 zu § 46; GKÖD, Band V, K § 46 Rn. 38; Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Juni 1990 - BVerwG 6 P 18.88 -, juris Rn. 23, und vom 28. September 2010 - BVerwG 1 WB 41.09 -, juris Rn. 48). Die übrigen Pflichten aus dem Dienst- und Arbeitsverhältnis bleiben jedoch unberührt. So hat die Beteiligte zu 2 während ihrer Freistellung die gleichen Arbeitszeiten wie bisher, verbringt sie jedoch statt auf ihrem Arbeitsplatz nunmehr in der Personalvertretung (vgl. Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Juni 1990, a.a.O., Rn. 23). Daraus folgt, dass die Übertragung eines anderen Arbeitsgebietes mangels Arbeitspflicht in der Zeit der Freistellung für die Beteiligte zu 2 keine Rechtswirkungen entfaltet. Dasselbe gilt auch für den Antragsteller: Vermag die Verfügung vom 17. Juni 2010 keine Pflicht der Beteiligten zu 2 zu begründen, während der Zeit ihrer Freistellung in dem zugewiesenen Tätigkeitsbereich (Bibliothek) zu arbeiten, ist sie auch nicht geeignet, die Arbeit des Antragstellers zu erschweren.
Die vom Antragsteller dagegen ins Feld geführte Stellenzuordnung ist für die hier allein in Rede stehende Schutzfunktion von § 44 PersVG Berlin ohne Belang. Auch wenn der Beteiligte zu 1 die Stelle, der die von der Beteiligten zu 2 im IuK-Referat bislang verrichteten Tätigkeiten zugeordnet sind, dauerhaft anderweitig vergibt, berührt dies Stellung und Tätigkeit der Beteiligten zu 2 im Personalrat während der Freistellung ebenso wenig wie die Arbeit des Antragstellers. Die vom Antragsteller aufgeworfene Frage, ob der „überproportionale Anteil“ von Personalratsmitgliedern in der Bibliothek nicht deren Funktionsfähigkeit oder die Funktionsfähigkeit des Personalrats beeinträchtigt, stellt sich nur dergestalt, dass der Beteiligte zu 1 die ihm vom Gesetz zugemuteten Arbeitsausfälle wegen Personalratstätigkeiten bis hin zu vollständigen Freistellungen dort und andernorts in der Dienststelle auf geeignete Weise ausgleichen muss.
b) Die Umsetzungsverfügung vom 17. Juni 2010 entfaltet auch für die Zeit nach Ende der Freistellung der Beteiligten zu 2 keine Rechtswirkungen mehr. Zwar hat ein Personalratsmitglied während der Freistellung Anspruch auf Vergütung in der gleichen Höhe wie vor der Freistellung; auch darf die Freistellung nicht zu einer Beeinträchtigung seines beruflichen Werdegangs führen (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 4 PersVG Berlin). Jedoch hat das Mitglied nach Ende der Freistellung keinen Anspruch auf Beschäftigung auf dem zuvor innegehabten Arbeitsplatz (allg. Ansicht, vgl. Altvater, a.a.O., Rn. 81 zu § 46; Ilbertz/Widmaier, BPersVG, 11. Aufl., Rn. 26 zu § 46). Insbesondere kann das freigestellte Personalratsmitglied nicht beanspruchen, dass sein Dienstposten oder Arbeitsplatz, den er bis zur Freistellung innehatte, unbesetzt bleibt und der damit verbundene Aufgabenkreis lediglich von einer Vertretungskraft wahrgenommen wird (vgl. GKÖD, a.a.O., Rn. 59h). Es besteht lediglich ein Anspruch darauf, dass Tätigkeiten übertragen werden, die der Besoldungs- und Vergütungsgruppe entsprechen, die das Mitglied vor oder während der Freistellung erreicht hat (vgl. Richardi u.a., BPersVR, 3. Aufl., Rn. 96 zu § 46; Lorenzen u.a., a.a.O., Rn. 174 zu § 46; Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Juli 2008 - BVerwG 6 PB 12.08 -, juris Rn. 4). Ein anderes kann sich zwar aus einer entsprechend abweichenden Arbeitsvertragsgestaltung ergeben (vgl. Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Oktober 1977 - BVerwG VII P 17.76 -, juris Rn. 27 f.); dafür ist hier aber weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Somit hat der Beteiligte zu 1 nach Ende der Freistellung zu entscheiden, auf welchem Arbeitsplatz die Beteiligte zu 2 beschäftigt wird. Die in Rede stehende Verfügung vom 17. Juni 2010 entfaltet daher auch für die Zeit nach der Freistellung keine Rechtswirkungen.
c) Ungeachtet des Umstandes, dass der Antragsteller im Hinblick auf die Erledigung des Streitfalles seinen konkreten Feststellungsantrag auch nach Hinweisen des Vorsitzenden in der mündlichen Anhörung nicht auf einen vom konkreten Vorgang losgelösten, abstrakten Feststellungsantrag umgestellt hat, wäre eine solche Umstellung unbehelflich. Denn es fehlte an einem für einen abstrakten Feststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO notwendigen Feststellungsinteresse. Eine dafür einzig in Betracht kommende Wiederholungsgefahr besteht nicht. Der Beteiligte zu 1 macht dem Antragsteller das Zustimmungserfordernis nach § 44 PersVG Berlin nicht generell, sondern nur in Fällen wie dem vorliegenden streitig. Mit vergleichbaren Fällen jedoch, in denen einem Personalratsmitglied ein anderes Arbeitsgebiet zugewiesen wird, um - aus Sicht des Dienststellenleiters - eine/n anderen Beschäftigte/n vor dessen verbalen Angriffen zu schützen und in denen deshalb - aus Sicht des Dienststellenleiters - Verfassungsrecht keine andere Möglichkeit als die Umsetzung des Personalratsmitglieds zulässt, ist nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu rechnen (vgl. zur Wiederholungsgefahr Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Januar 2006 - BVerwG 6 P 5.05 -, juris Rn. 8, vom 9. Juli 2007 - BVerwG 6 P 9.06 -, juris Rn. 11 und vom 22. Oktober 2007 - BVerwG 6 P 1.07 -, juris Rn. 12). Vergleichbare Fälle hat es bei der BBAW nach der Erinnerung der Verfahrensbeteiligten in der Vergangenheit auch noch nicht gegeben.
Die Rechtsbeschwerde war mangels Zulassungsgrundes nicht zu eröffnen.