Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 7. Kammer | Entscheidungsdatum | 26.04.2011 | |
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Aktenzeichen | 7 Ta 519/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 17a GVG |
I. Die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Cottbus vom 26. Januar 2011 – 4 Ca 1386/10 - wird auf seine Kosten bei einem Beschwerdewert von 1.112,00 EUR zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
1. Die Parteien streiten über die Zahlung von Vergütung für den Zeitraum Mai bis Juli 2010, in dem der Kläger für den Beklagten auf einem Bauvorhaben am Silberbergtunnel als Dumperfahrer tätig wurde und dort in 12-Stundenschichten zusammen mit zwei weiteren Dumperfahrern mit von dem Beklagten bereit gestellten Fahrzeugen (sog. Dumper) das bei Sprengungen anfallende Abraummaterial abfuhr.
Nachdem der Beklagte unter Hinweis auf die vom Kläger erstellten Rechnungen den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gerügt hat, hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 26. Januar 2011 den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für zulässig erachtet. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei als Arbeitnehmer für den Beklagten tätig geworden, weil er hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort und Arbeitstätigkeit weisungsgebunden gewesen sei. Die Tätigkeit eines Dumperfahrers bzw. Baumaschinisten werde typischer Weise im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erbracht.
Gegen diesen dem Beklagten am 2. Februar 2011 zugestellten Beschluss richtet sich seine beim Arbeitsgericht Cottbus am 14. Februar 2011 eingegangene sofortige Beschwerde. Zur Begründung führt er aus, der Kläger habe seine Arbeitszeit nicht auf Vordrucken angeben müssen, sondern dazu eigene Stundenzettel verwendet, die als Beleg für seine Rechnungen gedient hätten. Eine Vereinbarung darüber, dass der Kläger die Dumper selbst habe fahren müssen, habe nicht bestanden. Der Kläger sei als Unternehmer aufgetreten, was sich schon aus seinem Angebot als „Bauservice“ ergebe. Auch die dem Beklagten überreichte Freistellungsbescheinigung des Finanzamtes verweise auf die Selbstständigkeit des Klägers. Da er als Unternehmer dem Arbeitszeitgesetz nicht unterliege, hätte er auch während der drei freien Tage zwischen den verschiedenen Schichten einer anderweitigen Tätigkeit nachgehen können. Zudem spreche die Höhe der vereinbarten Vergütung von 24,- EUR pro Stunde gegen eine Arbeitnehmereigenschaft des Klägers.
Das Arbeitsgericht Cottbus hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 16. Februar 2011 nicht abgeholfen und den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten auch darauf gestützt, der Kläger sei arbeitnehmerähnliche Person.
2. Die zulässige Beschwerde des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig erachtet.
2.1 Die nach §§ 48 ArbGG, 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG statthafte Beschwerde des Beklagten ist form- und fristgerecht eingereicht und begründet worden, §§ 569 ZPO, 78 Abs. 1 Satz 1 ArbGG. Die Beschwerde ist daher zulässig.
2.2 Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen bejaht. Die Parteien streiten vorliegend um Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 a) ArbGG).
2.2.1 Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG sind die Arbeitsgerichte zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen „Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis“. Das Arbeitsverhältnis unterscheidet sich von dem freien Mitarbeiterverhältnis/Subunternehmer durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet, wobei eine wirtschaftliche Abhängigkeit weder erforderlich noch ausreichend ist. Arbeitnehmer ist, wer auf Grund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist (BAG v. 13.03.2008 – 2 AZR 1037/06 - DB 2008, 1575-1577). Die vertraglich geschuldete Leistung ist im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation zu erbringen. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich insbesondere darin, dass der Beschäftigte einem Weisungsrecht seines Vertragspartners (Arbeitgebers) unterliegt. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (BAG v. 22. April 1998 - 5 AZR 342/97 - BAGE 88, 263, zu I 1 der Gründe mwN; v. 19. Januar 2000 - 5 AZR 644/98 - BAGE 93, 218, zu B III 1 a der Gründe). Selbständig ist dagegen, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann, § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB.
Für die Abgrenzung von Bedeutung sind in erster Linie die Umstände, unter denen die Dienstleistung zu erbringen ist, nicht die Bezeichnung, die die Parteien ihrem Rechtsverhältnis gegeben haben, oder eine von ihnen gewünschte Rechtsfolge. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist das Letztere maßgebend. Dabei kommt es auf eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls an (BAG v. 6. Mai 1998 - 5 AZR 347/97 - BAGE 88, 327, zu I 1 der Gründe; v. 20. September 2000 - 5 AZR 271/99 - BAGE 95, 324, zu I 1 der Gründe; v. 9. März 2005 - 5 AZR 493/04 - AP BGB § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 167 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 3, zu II 1 a der Gründe).
2.2 Bei Anwendung dieser Grundsätze stellt sich das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis als Arbeitsverhältnis dar. Der Kläger war hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort und Tätigkeit wie ein Arbeitnehmer weisungsgebunden.
2.2.1 Schon die Tätigkeit des Klägers als Dumperfahrer spricht für eine Weisungsgebundenheit im Sinne eines Arbeitsverhältnisses. Diese Tätigkeit wird in der Regel im Rahmen einer fremd bestimmten Organisation mit zeitlicher Weisungsgebundenheit erbracht. Ein freies Subunternehmerverhältnis ist zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Dazu bedürfte es indes einer sehr konkreten vertraglichen Ausgestaltung der beiderseitigen Rechte und Pflichten, die ein Weisungsrecht des Arbeitgebers ausschließen würde. Eine solche vertragliche Konstellation lag hier nicht vor.
2.2.2 Das Arbeitsgericht hat weiterhin zutreffend die Weisungsgebundenheit des Klägers hinsichtlich seiner Arbeitszeit bejaht. Konkrete Vereinbarungen im Vorfeld zum Umfang und Lage der Arbeitszeit, die diese dem Weisungsrecht des Beklagten entzogen hätten, bestanden nicht. Vielmehr war der Kläger in das vom Beklagten nach Umfang und Lage vorgegebene Schichtsystem eingebunden. Er musste seine Tätigkeit im Rahmen dieses Schichtsystems des Beklagten zusammen mit den weiteren Fahrern erbringen. Dieses sah 12-Stundenschichten von 6 bis 18 Uhr oder von 18 bis 6 Uhr vor. Zudem fand nach dem vom Beklagten vorgegebenen Zeitrahmen ein Schichtwechsel statt. Die Einbindung in ein solches Schichtsystem, bei dem Umfang und Lage der Arbeitszeit durch den Arbeitgeber bestimmt werden, ist indes typisch für ein Arbeitsverhältnis. Der Kläger konnte hier auch nicht etwa allein unter Berücksichtigung des anfallenden Abraummaterials selbst entscheiden, wann und welche Schichten er übernehmen wollte. Denn er war für die Erbringung seiner Tätigkeit auf den vom Beklagten zur Verfügung gestellten Dumper angewiesen. Dieser wurde aber auch von anderen Fahrern des Beklagten verwendet, so dass er ihn seinerseits nur zu den ihm zugewiesenen Schichten nutzen konnte.
2.2.3 Konnte der Kläger aber seine Arbeitszeit nicht selbst bestimmen, konnte er seine Arbeitskraft auch nicht anderen Auftraggebern zur Verfügung stellen, was gegen eine Arbeitnehmerschaft gesprochen hätte. Denn aufgrund der zeitlichen Vorgaben konnte der Kläger Vertragsbeziehungen mit Dritten nicht eingehen, da er eine Erfüllung der vertraglichen Verpflichtung nicht hätte zusagen können. Hinzukam der erhebliche zeitliche Umfang, den die Tätigkeit des Klägers im Rahmen der 12-Stunden-Schichten beim Beklagten einnahm. Auch hier hat das Arbeitsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass der Kläger nicht wirklich anderweitig über seine Arbeitskraft verfügen konnte. Soweit die Beklagte in der Beschwerde geltend macht, der Kläger hätte an den 3 freien Tagen zwischen der Tag- und der Nachtschicht einer anderen Beschäftigung nachgehen können, ist darauf hinzuweisen, dass abgesehen von der (physischen) Notwendigkeit von Erholungszeiten auch für freie Subunternehmer dies vorausgesetzt hätte, dass die Festlegung der freien Tage gerade nicht dem einseitigen Weisungsrecht des Arbeitsgebers unterliegen würden.
2.2.4 Weiterhin musste der Kläger seine Arbeitsleistung selbst erbringen und konnte sie nicht an Dritte (Subunternehmer) übertragen. Vertragliche Vereinbarungen, die dem Kläger eine solche Möglichkeit eingeräumt hätten, lagen nicht vor. Sie wären hier aber erforderlich gewesen, um die Möglichkeit der Einschaltung von Subunternehmern annehmen zu können. Denn der Kläger benötigte für die Tätigkeit den vom Beklagten überlassenen Dumper. Er selbst verfügte nicht über ein solches Fahrzeug. Ohne eine Vereinbarung konnte er das ihm zur Verfügung gestellte Fahrzeug nicht Dritten überlassen. Zugleich spricht die Bereitstellung des wesentlichen Arbeitsmittels, nämlich des Dumpers – wie vom Arbeitsgericht ausgeführt –ebenfalls für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses.
2.2.5 Demgegenüber kamen weder der Bezeichnung des Vertragsverhältnisses durch die Parteien noch der Vergütungsvereinbarung oder der Freistellungsbescheinigung Bedeutung für die Einordnung des Rechtsverhältnisses zu. Auch die steuer- und sozialversicherungsrechtliche Behandlung ist nicht maßgebend (BAG v. 4.12.2001 – 5 AZR 667/01 - AP Nr 115 zu § 611 BGB Abhängigkeit). All diese Umstände spiegeln nur den Wunsch der Parteien über die Einordnung des Vertragsverhältnisses wieder. Maßgeblich ist indes ausschließlich, wie das Vertragsverhältnis objektiv einzuordnen ist (BAG v. 30.10.1991 – 7 ABR 19/91 - AP Nr 59 zu § 611 BGB Abhängigkeit). Aus diesen Gründen sind auch die vom Kläger für die Abrechnung erstellten Rechnungen oder seine Gewerbeanmeldung und sein Auftreten als „Bauservice“ unbeachtlich.
2.2.6 | Unter Berücksichtigung der oben angeführten maßgeblichen Umstände war das Vertragsverhältnis der Parteien als Arbeitsverhältnis einzuordnen. Mithin ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche gegeben. Die Beschwerde war zurückzuweisen, mit der Folge, dass der Beklagte die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen hat. Der Verfahrenswert war auf ein Drittel des Hauptsachestreitwertes festzusetzen (BAG v. 3.2.2009 – 5 AZB 100/08 – DB 2009, 2480-2482). |
2.2.7 | Mangels grundsätzlicher Bedeutung oder Divergenz zur höchstrichterlichen Rechtsprechung bestand kein Anlass, die Rechtsbeschwerde gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 5 GVG zuzulassen. |