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Kein Durchführungsanspruch des Betriebsrates auf Berechnung und Auszahlung von Abfindungen aus einem Sozialplan


Metadaten

Gericht ArbG Cottbus 11. Kammer Entscheidungsdatum 13.06.2019
Aktenzeichen 11 BV 10010/17 ECLI ECLI:DE:ARBGCOT:2019:0613.11BV10010.17.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 2a ArbGG, § 80 Abs 1 ArbGG, § 80 BetrVG, § 77 BetrVG

Leitsatz

1. Der Anspruch des Betriebsrates auf Durchführung einer Betriebsvereinbarung hat nicht die Befugnis zum Inhalt, vom Arbeitgeber aus eigenem Recht die Erfüllung von Ansprüchen der Arbeitnehmer aus einem Sozialplan zu verlangen.
2. Normativ begründete Ansprüche der Arbeitnehmer auf Abfindung aus einem Sozialplan können nur von den Arbeitnehmern in Urteilsverfahren geltend gemacht werden.
3. Der Betriebsrat ist nicht Prozessstandschafter der Arbeitnehmer.

Tenor

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Arbeitgeberin, Abfindungen aus einem Interessenausgleichs und Sozialplans zu berechnen und an berechtigte Arbeitnehmer auszuzahlen.

Zwischen dem Betriebsrat, der seit April 2014 bei der Beteiligten zu 2) zuletzt mit einem Restmandat im Amt ist, wurde anlässlich der Neuvergabe der Verkehrsdienstleistungen am 19. Januar 2017 eine Betriebsvereinbarung über einen Interessenausglich und Sozialplan geschlossen. Der Sozialplan sieht u. a. Abfindungszahlungen unter bestimmten Voraussetzungen vor.

Der Betriebsrat forderte den Arbeitgeber zur Umsetzung des Sozialplans auf. Er fasste am 29.08.2017 den Beschluss das vorliegende Beschlussverfahren einzuleiten.

Er ist der Ansicht, die Arbeitgeberin zahle zu Unrecht berechtigten Arbeitnehmern keine Abfindung aus und führe den Sozialplan nicht bzw. nicht zutreffend durch.

Wegen des weiteren Vorbringens des Betriebsrates wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Der Betriebsrat beantragt:

1. Die Beteiligte zu 2) wird verpflichtet, die „Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich und Sozialplan“ vom 19.01.2017 hinsichtlich der Berechnung der Abfindungen durchzuführen und die sich aus der Berechnung ergebenden Beträge an die berechtigten Arbeitnehmer auszuzahlen.

2. Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Ziffer 1 wird der Beteiligten zu 2) ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 € angedroht.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Sie trägt vor, sie habe in den unstreitigen Fällen bereits Abfindungen zur Auszahlung gebracht. In zahlreichen weiteren Fällen sei streitig, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die Zahlung der Abfindung erfüllt seien.

Wegen des weiteren Vorbringens der Arbeitgeberin wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Anträge des Betriebsrates sind unzulässig.

1. Nach § 80 Abs. 1 ArbGG findet das Beschlussverfahren nur in den in § 2 a ArbGG bezeichneten Fällen Anwendung. Die Zuständigkeit kann sich nur aus § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG ergeben. Danach sind die Gerichte für Arbeitssachen zuständig für Angelegenheiten aus dem Betriebsverfassungsgesetz. Hier macht der Betriebsrat aber nicht einen eigenen betriebsverfassungsrechtlichen Anspruch geltend, sondern es geht ihm tatsächlich pauschal um die Erfüllung der Ansprüche der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber. Ansprüche der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber bzw. die Feststellung eines Rechtsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern kann der Betriebsrat aber nicht im Beschlussverfahren geltend machen. Insoweit geht es nicht um "Angelegenheiten aus dem Betriebsverfassungsgesetz" (vgl. BAG vom 17.10.1989 – 1 ABR 75/88; vom 18.01.2005 – 3 ABR 21/04 – zitiert nach juris).

a) Entsprechend hat das Bundesarbeitsgericht bereits wiederholt ausgesprochen, dass der Betriebsrat nicht die Feststellung eines zwischen dem Arbeitgeber und den Arbeitnehmern bestehenden Rechtsverhältnisses im Beschlussverfahren verlangen kann. Die Feststellung individualrechtlicher Ansprüche der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber ist keine Angelegenheit aus dem BetrVG im Sinne von § 80 Abs. 1 ArbGG i.Verb. mit § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG (BAG vom 24. Februar 1987 - 1 ABR 73/84 - AP Nr. 28 zu § 80 BetrVG 1972, vom 24. November 1987 - 1 ABR 57/86 - BAGE 56, 346, 350 = AP Nr. 31 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu B I 2 der Gründe, vom 17.10.1989 – 1 ABR 75/88; vom 18.01.2005 – 3 ABR 21/04 – zitiert nach juris). Das BAG begründet im Beschluss vom 24. Februar 1987 näher, dass der Individualrechtsschutz des einzelnen Arbeitnehmers nicht ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung dem Betriebsrat übertragen werden kann. Auch die allgemeine Überwachungsaufgabe des Betriebsrats nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG rechtfertigt kein Beschlussverfahren, in dem von den allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO abgesehen werden könnte.

b) Anders wäre es nur dann zu beurteilen, wenn über eigene betriebsverfassungsrechtliche Ansprüche des Betriebsrats gegenüber dem Arbeitgeber zu entscheiden wäre. Diesbezüglich hat das BAG entschieden, dass ein Streit der Betriebspartner darüber, welches die zutreffende Durchführung der in § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG genannten Regelungen ist, eine betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit sei. Das BAG hat einen solchen auf § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG gestützten Antrag jedoch als unbegründet abgewiesen (BAG vom 10. Juni 1986, BAGE 52, 150 = AP Nr. 26 zu § 80 BetrVG 1972).

Soweit der vorliegende Antrag dahingehend auszulegen ist, dass der Betriebsrat eine bestimmte Durchführung begehrt ist, mangelt es bereits am Bestimmtheitserfordernis. Dabei wäre aber auch hierbei zu beachten, dass es für einzelne Berechnungsfragen an einem Feststellungsinteresse fehlen dürfte. Meinungsverschiedenheiten über die Erfüllung der Voraussetzungen des Sozialplans im Einzelfall sind im Urteilsverfahren zwischen Arbeitgeberin und Arbeitnehmer zu klären (so auch: BAG vom 18.01.2005 – 3 ABR 21/04 – zitiert nach juris).

Das BAG hat in seiner Entscheidung vom 10. Juni 1986 bereits einen eigenen Anspruch des Betriebsrats auf die zutreffende Anwendung von Tarifverträgen gegenüber den Arbeitnehmern verneint. Die gleichen Erwägungen sprechen gegen einen Anspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber auf Erfüllung von normativ begründeten Ansprüchen der Arbeitnehmer aus einer Betriebsvereinbarung.

Der Anspruch des Betriebsrats auf Durchführung einer Betriebsvereinbarung hat daher nicht die Befugnis zum Inhalt, vom Arbeitgeber aus eigenem Recht die Erfüllung von Ansprüchen der Arbeitnehmer aus dieser Betriebsvereinbarung zu verlangen.

c) Dem steht die Rechtsprechung des BAG, wonach der Betriebsrat vom Arbeitgeber die Durchführung einer Betriebsvereinbarung verlangen kann und auch einen Anspruch darauf hat, dass der Arbeitgeber Maßnahmen unterlässt, die gegen die Betriebsvereinbarung verstoßen, nicht entgegen.

Die Fälle, in denen das BAG einen Anspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber auf Durchführung einer Betriebsvereinbarung bejahte betrafen Handlungen und Maßnahmen des Arbeitgebers, zu denen sich der Arbeitgeber dem Betriebsrat gegenüber in der Betriebsvereinbarung verpflichtet hatte. Es ging zum einen um die Durchführung einer betrieblichen Ordnung, die Überwachung der Einhaltung eines Alkoholverbotes, zum anderen um die Zuweisung von Teilzeitkräften zu bestimmten Arbeitsschichten und um die im Wege der Auslegung einer Betriebsvereinbarung zu beantwortende Frage, wie Vorgabezeiten innerhalb eines Akkordsystems vom Arbeitgeber zu berechnen waren.

Von diesem Anspruch auf Durchführung einer Betriebsvereinbarung zu unterscheiden sind diejenigen Fälle, in denen durch die Betriebsvereinbarung normativ Ansprüche der Arbeitnehmer begründet werden. Darauf, dass auch diese normativ begründeten Ansprüche der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber erfüllt werden, hat der Betriebsrat keinen eigenen Anspruch gegen den Arbeitgeber. Die Betriebsvereinbarung ist ebenso wie der Tarifvertrag ein Normenvertrag und kein schuldrechtlicher Vertrag zugunsten Dritter. Ebenso wenig wie die Gewerkschaft einen eigenen Anspruch gegen den Arbeitgeber hat, tarifvertraglich begründete Ansprüche des Arbeitnehmers zu erfüllen, steht dem Betriebsrat ein solcher Anspruch aus eigenem Recht zu. Würde man einen solchen Anspruch bejahen, würde das im Ergebnis bedeuten, dass Rechtsstreitigkeiten über solche Ansprüche der Arbeitnehmer, die in den Normen einer Betriebsvereinbarung ihre Grundlage haben, zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ausgetragen werden. Damit würde der Individualrechtsschutz des einzelnen Arbeitnehmers auf das Verhältnis Arbeitgeber - Betriebsrat verlagert. Der Betriebsrat wäre ein gesetzlicher Prozessstandschafter für die Arbeitnehmer, wie etwa die Arbeitsbehörden des Landes für die in Heimarbeit Beschäftigten nach § 25 HAG. Weder § 77 Abs. 1 noch § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG kann entnommen werden, dass auch dem Betriebsrat eine so weitgehende Befugnis eingeräumt werden sollte.