Gericht | OLG Brandenburg 3. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 11.04.2011 | |
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Aktenzeichen | 15 UF 145/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung können sowohl nach § 18 Abs. 1 VersAusglG als auch nach § 18 Abs. 2 VersAusglG vom Ausgleich ausgenommen werden. Beide Regelungen schließen sich nicht gegenseitig aus.
I.
Auf die Beschwerden der Deutschen Rentenversicherung (DRV) B… und der Deutschen Rentenversicherung (DRV) K… wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Brandenburg an der Havel vom 10. August 2010 (40 F 241/09) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Im Wege der internen Teilung werden von Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung B… (Kto-Nr. …) Anrechte in Höhe von 0,2064 Entgeltpunkten sowie 1,4376 Entgeltpunkten (Ost) auf das Versicherungskonto des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung K… (Kto-Nr. …) übertragen.
2. Im Wege der internen Teilung werden von Versicherungskonto des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung K… (Versicherungskonto Nummer …) Anrechte in Höhe von 0,1556 Entgeltpunkten sowie 0,1720 Entgeltpunkten (Ost) auf das Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung B… (Kto-Nr. …) übertragen.
3. Von den Kosten des Verfahrens der 1. Instanz tragen die Antragstellerin und der Antragsgegner jeweils die Hälfte.
II.
Für das Beschwerdeverfahren werden Gerichtskosten nicht erhoben; außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Wert des Beschwerdeverfahrens: 1.645,00 €
III.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
I.
Die Antragstellerin hat die deutsche, der Antragsgegner die türkische Staatsangehörigkeit. Sie haben am 30.6.2005 die Ehe geschlossen und seitdem ihren gemeinsamen Wohnsitz in Deutschland. Der Scheidungsantrag der Antragstellerin wurde dem Antragsgegner am 12. Dezember 2008 zugestellt; das Amtsgericht hat die Ehe mit Urteil vom 16. Juli 2009 geschieden, nachdem es die Folgesache Versorgungsausgleich aus dem Scheidungsverbund abgetrennt hatte. Das Scheidungsurteil ist rechtskräftig.
In dem wiederaufgenommenen Verfahren über den Versorgungsausgleich hat das Amtsgericht Auskünfte der Versorgungsträger über die in der versorgungsrechtlichten Ehezeit (1.6.2005 bis 30.11.2008; § 3 Abs. 1 VersAusglG) erworbenen Versorgungsanwartschaften eingeholt. Danach haben beide Parteien ausschließlich Anrechte der allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung erworben, und zwar in folgender Höhe:
Der Antragsgegner
nach Auskunft der Deutschen Rentenversicherung (DRV) K… vom 14.4.2010
(1) 0,3111 Entgeltpunkte(West);
der vom Versorgungsträger vorgeschlagene Ausgleichswert (1/2 = 0,1556 Entgeltpunkte) hat gemäß § 47 VersAusglG einen korrespondierenden Kapitalwert von 931,53 €;
(2) 0,3439 Entgeltpunkte (Ost);
der vom Versorgungsträger vorgeschlagene Ausgleichswert (1/2 = 0,1720 Entgeltpunkte (Ost)) hat gemäß § 47 VersAusglG einen korrespondierenden Kapitalwert von 870,65 €;
Die Antragstellerin
nach Auskunft der DRV B… vom 16.12.2009 in erster Instanz (anders im Beschwerdeverfahren, siehe unten)
3,2678 Entgeltpunkte;
der Ausgleichswert (1/2 = 1,6339 Entgeltpunkte) hat gem. § 47 VersAusglG einen korrespondierenden Kapitalwert von 9.781,70 €.
Die Einbeziehung der Anrechte des Antragsgegners in den Versorgungsausgleich hat das Familiengericht wegen Geringfügigkeit der Ausgleichswerte nach § 18 Abs. 2 und 3 VersAusglG abgelehnt. Es hat lediglich die Anrechte der Antragstellerin ausgeglichen und im Wege der internen Teilung auf dem Versicherungskonto des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe von 1,6339 Entgeltpunkten übertragen.
Gegen diesen Beschluss haben beide Versorgungsträger form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt.
Die DRV K… macht geltend, ein Ausgleich des (West-)Anrechts des Antragsgegners sei zu Unrecht unterblieben. Beide Ehegatten hätten (West-)Anrechte in der allgemeinen Rentenversicherung erworben. Die Differenz der kapitalisierten Ausgleichswerte dieser Anrechte übersteige die Bagatellgrenze des § 18 Abs. 3 VersAusglG, so dass die Voraussetzung nach § 18 Abs. 1 VersAusglG, von einem Ausgleich dieser Anrechte abzusehen, nicht vorlägen. Die Regelung in § 18 Abs. 1 verdränge die des § 18 Abs. 2 VersAusglG; deswegen dürfe letztere Vorschrift nicht mehr geprüft werden.
Die DRV B… macht geltend, die in 1. Instanz erteilte Auskunft sei wegen einer zum 1. Januar 2010 eingetretenen Rechtsänderung überholt. Richtigerweise ergäben sich nunmehr folgende Anrechte der Antragstellerin:
(1) 0,4128 Entgeltpunkte (West);
der Ausgleichswert solle (1/2 =) 0,2064 Entgeltpunkte betragen, was gem. § 47 VersAusglG einem Kapitalwert von 1.235,66 € entspricht;
(2) 2,8751 Entgeltpunkte (Ost);
der Ausgleichswerte solle (1/2 =) 1,4376 Entgeltpunkte (Ost) betragen, was gem. § 47 VersAusglG einem Kapitalwert von 7.277,00 € entspricht.
II.
Der Versorgungsausgleich ist gem. Art. 17 Abs. 1 S. 1; Abs. 3 S. 1; 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB nach deutschem Recht durchzuführen.
Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung; beide Ehegatten sind bereits in 1. Instanz angehört worden und ihre Anrechte sind vollständig aufgeklärt. Einwände gegen die tatsächlichen Feststellungen zu Art und Höhe der Anrechte haben sie nicht erhoben, so dass von erneuter Anhörung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind (§ 68 Abs. 3 S. 2 FamFG).
Beide Beschwerden sind statthaft (§§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1 FamFG) und auch im Übrigen zulässig. Sie sind begründet; sämtliche von beiden Ehegatten in der Ehezeit erworbenen Anwartschaften sind in den Versorgungsausgleich einzubeziehen und - im Wege interner Teilung nach § 10 Abs. 1 VersAusglG - auszugleichen.
1.
Die Prüfung, ob und welche Anrechte gem. § 18 VersAusglG nicht ausgeglichen werden, erfolgt in zwei Stufen. In einem ersten Schritt ist gem. § 18 Abs. 1 VersAusglG zu prüfen, ob von einem Ausgleich beiderseitiger Anrechte gleicher Art abgesehen werden kann, weil die Differenz ihrer Ausgleichswerte gering ist. In einem zweiten Schritt folgt gem. § 18 Abs. 2 VersAusglG die Prüfung, ob der Ausgleich einzelner Anrechte wegen Geringfügigkeit unterbleibt [Hauß, FPR 2009, 214 (218); Ruland, Versorgungsausgleich, 2. Aufl., Rnr. 484; Götsche, FamRB 2010, 344 (345); Johansen/Henrich/Holzwarth, Familienrecht, 5. Aufl., Rnr. 14 zu § 18 VersAusglG; Palandt/Brudermüller, BGB, 70. Aufl., Rnr. 4 zu § 18 VersAusglG; OLG Stuttgart, - 15 UF 13/11 - Beschl. v. 18.02.2011, Zit. nach juris; OLG Karlsruhe, - 18 UF 150/10 - Beschl. v. 12.01.2011, Zit. nach juris; OLG Hamburg, - 2 UF 63/10 - Beschl. v. 10.01.2011, Zit. nach juris; OLG Jena FamRZ 2011, 38; OLG Düsseldorf, - 7 UF 182/10 - Beschl. v. 27.12.2010, Zit. nach juris].
2.
Bei der vorrangig durchzuführenden Prüfung gem. § 18 Abs. 1 VersAusglG sind die korrespondierenden Kapitalwerte der in den alten Bundesländern erworbenen (West-)Anrechte im Hinblick auf die Geringfügigkeitsgrenze des § 18 Abs. 3 VersAusglG getrennt von denen der im Beitrittsgebiet erworbenen (Ost-)Anrechte miteinander zu vergleichen (vgl. auch Ruland, Versorgungsausgleich, 2. Aufl., Rnr. 488; Borth, FamRZ 2010, 1210 (1212); Hauß, Versorgungsausgleich und Verfahren in der Praxis, Rnr. 269; Friederici, Praxis des Versorgungsausgleichs, Rnr. 4 zu § 18 m.w.N.; Götsche, a.a.O.; Thiel/Schneider, FamFR 2010, 409 (410); Senat, - 15 UF 136/10 -, Beschl. v. 12.01.2011, Zit. nach juris; OLG Stuttgart, FamRZ 2010, 1805; OLG Jena, NJW 2010, 3310; OLG Celle, FamRZ 2010, 979; wohl auch OLG München, FamRZ 2010, 1664); a.A.: Bergner, NJW 2010, 3269 (3272), FamRB 2010, 221 (222); OLG Oldenburg, - 14 UF 96/10 - Beschl. v. 07.09.2010, Zit. nach juris; OLG Koblenz, - 11 UF 403/10 - Beschl. v. 21.07.2010, Zit. nach juris; OLG Nürnberg - 11 UF 1262/10 - Beschl. v. 21.10.2010, Zit. nach juris; OLG Dresden - 23 UF 212/10 - Beschl. v. 02.06.2010, Zit. nach juris).
3.
Da die maßgeblichen Bezugsgrößen für die Anrechte auf eine gesetzliche Altersversorgung gem. § 64 Ziff. 1 SGB VI Entgeltpunkte und nicht Rentenbeträge sind, ist gem. § 18 Abs. 3 VersAusglG von einem geringfügigen Unterschied der Ausgleichswerte auszugehen, wenn ihre Differenz den Betrag von 120 % der zum Ehezeitende geltenden monatlichen Bezugsgröße gem. § 18 Abs. 1 SGB 4 nicht übersteigt (vgl. Gutdeutsch, FamRZ 2010, 949; Borth, FamRZ 2010, 1210 (1211); Bergner, FamFR 2010, 221 (223); OLG Celle, FamRZ 2010, 979; OLG Dresden – 23 UF 478/10 – Beschl. v. 09.09.2010, Zit. nach juris; OLG München, FamRZ 2010, 1664; OLG Jena, NJW 2010, 3310; a.A. Ruland, Versorgungsausgleich, 2. Aufl., Rnr. 481; OLG Stuttgart, FamRZ 2010, 1805).
Für das Jahr 2008, dem Jahr des Ehezeitendes, galt eine monatliche Bezugsgröße gem. § 18 Abs. 1 SGB 4 von 2.485,- €; 120 % davon sind 2.982,- €.
4.
Die Differenz der beiderseitigen Ausgleichswerte der Ost-Anrechte übersteigt die Bagatellgrenze des § 18 Abs. 3 VersAusglG, so dass nicht nach § 18 Abs. 1 VersAusglG von ihrem Ausgleich abgesehen werden kann.
- korrespondierender Kapitalwert des Ausgleichswerts für das ehezeitliche Anrecht der Antragstellerin bei der DRV B…
7.277,00 €
- korrespondierender Kapitalwert des Ausgleichswerts für das ehezeitliche Anrecht des Antragsgegners bei der DRV K:
870,65 €
Die Differenz der Ausgleichswerte beträgt:
6.406,35 €;
mithin mehr als 120 % der zum Ehezeitende geltenden monatlichen Bezugsgröße gem. § 18 Abs. 1 SGB 4
(2.982,- €).
5.
Während der korrespondierende Kapitalwert des Ost-Anrechts der Ehefrau mit 7.277,00 € mehr als 120 % der zum Ehezeitende geltenden monatlichen Bezugsgröße gem. § 18 Abs. 1 SGB IV (2.982,- €) beträgt, übersteigt der korrespondierende Kapitalwert des Ost-Anrechts des Ehemannes nicht die Bagatellgrenze des § 18 Abs.3 VersAusglG. Gemäß § 18 Abs. 2 VersAusglG kann vom Ausgleich solcher geringwertiger Anrechte abgesehen werden, wenn dies der Billigkeit entspricht.
a) Ob geringfügige Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung eines Ehegatten, denen gleichartige Anrechte des anderen gegenüberstehen, gem. § 18 Abs. 2 VersAusglG vom Ausgleich ausgenommen werden können, ist allerdings strittig.
aa) Nach einer Ansicht soll § 18 VersAusglG nicht auf Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung angewendet werden, weil ein Mehraufwand für die Verwaltung von Bagatellanwartschaften, dem der Gesetzgeber mit § 18 VersAusglG begegnen wollte, bei der gesetzlichen Rentenversicherung nicht entstehe [Bergner, NJW, 2010, 3269 (3272)].
bb) Einer zweiten Auffassung zufolge sei es zwar zulässig, vom Ausgleich gesetzlicher Rentenanrechte gem. § 18 Abs. 1 VersAusglG abzusehen, soweit sie gleicher Art sind. Einzelne dieser gleichartigen Anrechte könnten aber nicht gem. § 18 Abs. 2 VersAusglG vom Ausgleich ausgenommen werden, weil sich § 18 Abs. 1 und Abs. 2 gegeneinander ausschließen (OLG Hamburg, a.a.O.).
cc) Eine dritte Meinung schließlich hält den Bagatellausschluss von Anrechten in der gesetzlichen Rentenversicherung gem. § 18 Abs. 2 VersAusglG in jedem Fall für zulässig (OLG Stuttgart, - 15 UF 13/11 - Beschl. v. 18.02.2011, Zit. nach juris; OLG Karlsruhe, - 18 UF 150/10 - Beschl. v. 12.01.2011, Zit. nach juris; OLG München, - 12 UF 1625/10 - Beschl. v. 09.12.2010, Zit. nach juris).
b) Der Senat schließt sich der letztgenannten Ansicht an. Für sie streiten sowohl der Wortlaut des Gesetzes, als auch dessen Sinn und Zweck.
aa) Nach § 18 Abs. 2 VersAusglG kann vom Ausgleich einzelner Anrechte mit geringem Ausgleichswert grundsätzlich abgesehen werden (BT-Ds. 16/11903, S. 55; BT-Ds. 16/10144, S. 61). Dass diese bewusste Abweichung vom Halbteilungsgrundsatz Anrechte bei der gesetzlichen Rentenversicherung ausnimmt, ist weder dem Wortlaut des Gesetzes, noch dessen Begründung zu entnehmen. Sowohl in der Begründung des ursprünglichen Gesetzesentwurfs (BT-Ds 16/10144, S. 61), als auch der - hierauf Bezug nehmenden - Änderungsempfehlung des Rechtsausschusses (BT-Ds. 16/11903, S. 55) werden Ermessenskriterien benannt, die ausnahmsweise einen Bagatellausgleich rechtfertigen. Maßgeblich soll danach die besondere Bedeutung des Ausgleichs für einen Ehegatten, wie zum Beispiel die herausragende Dynamik des auszugleichenden Bagatellanrechts sein oder der Umstand, dass es dem Ausgleichsberechtigten gelingt, durch den Bagatellausgleich seine eigene Anwartschaft so aufzufüllen, dass hierdurch eine Wartezeit für den Bezug seiner Rente erfüllt ist. Auch in Fällen, in denen ein Ehegatte über mehrere Bagatellanrechte verfügt, die in ihrer Summe einen erheblichen Wert darstellen, sollte ein Bagatellausgleich ausnahmsweise zulässig sein, um eine unangemessene Abweichung vom Halbteilungsgrundsatz zu vermeiden. Bei welchem Versorgungsträger Bagatellanrechte bestehen, ist danach kein Kriterium dafür, ob sie ausgeglichen werden sollen oder nicht.
bb) Mit der Regelung des Bagatellausgleichsverzichts in § 18 VersAusglG hat der Gesetzgeber beabsichtigt, die Versorgungsträger und auch die Ehegatten vor unwirtschaftlichen Ergebnissen eines Hin-und-her-Ausgleichs geringfügiger Anrechte zu schützen. In erster Linie hat er sich davon leiten lassen, dass ein Bagatellausgleich im Wege der internen Teilung zu einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand für den zuständigen Versorgungsträger führen kann. Der Aufwand für Aufnahme und Verwaltung eines neuen Versicherungsnehmers kann infolge des Abzuges der dafür anfallenden Teilungskosten zudem zu einer unverhältnismäßig starken Reduzierung der ohnehin geringfügigen Anrechte führen. Zwar sind, wenn für beide Ehegatten Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung bestehen, mit dem Ausgleich dieser Anrechte keine Teilungskosten verbunden. Es wäre jedoch zu kurz gegriffen, daraus auf den Willen des Gesetzgebers zu schließen, er habe § 18 VersAusglG nicht auch auf Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung erstrecken wollen. Gesetzgeberisches Ziel war es vielmehr, eine Regelung zu schaffen, die unter Berücksichtigung aller Anrechte eine flexible interessen- und sachgerechte Entscheidung im Einzelfall ermöglicht. Danach kann es im Hinblick auf vermeidbare Belastungen der Versorgungsträger und Ehegatten mit unwirtschaftlichem Teilungsaufwand geradezu geboten sein, auf einen Bagatellausgleich gesetzlicher Anrechte zu verzichten, beispielsweise dann, wenn bei dessen Durchführung ein Ehegatte gesetzliche Anrechte erlangte, die im Hinblick auf seine an und für sich wegen Geringfügigkeit nicht auszugleichenden sonstigen Anrechte zu einem erheblichen Ungleichgewicht führen würden. Dies hätte zur Folge, dass nur wegen des Ausgleichs der Bagatellanrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung ein mit ggf. unwirtschaftlichen Teilungskosten einhergehender Bagatellausgleich in die andere Richtung erfolgen müsste. Das aber war gerade nicht Absicht des Gesetzgebers.
cc) Dieselben Gründe stehen der Auffassung entgegen, § 18 Abs. 1 VersAusgG schließe die Anwendung des § 18 Abs. 2 VersAusglG aus.
Ein Anrecht, von dessen Ausgleich bereits nach § 18 Abs. 1 VersAusglG abgesehen worden ist, kann naturgemäß nicht mehr Gegenstand der Bagatellprüfung nach § 18 Abs. 2 VersAusglG sein. Weder der Wortlaut des § 18 VersAusglG, noch dessen Sinn und Zweck rechtfertigen es, daraus im Umkehrschluss herzuleiten, dass Anrechte, deren Wertunterschied im Verhältnis zu anderen Anrechten gleicher Art die Bagatellgrenze des § 18 Abs. 3 VersAusglG übersteigt, auch dann auszugleichen sind, wenn der Wert des einzelnen Anrechts diese Bagatellgrenze nicht erreicht.
Nach der Intention des Gesetzgebers sollte der Ausgleich geringwertiger Anrechte gem. § 18 Abs. 2 VersAusglG unterbleiben, weil er unverhältnismäßig und aus Sicht der Beteiligten nicht vorteilhaft ist (BT-Ds 16/10144, S. 610). Diese Gründe für den Bagatellausschluss einzelner Anrechte entfallen aber nicht deshalb, weil neben den geringwertigen Anrechten eines Ehegatten solche des anderen Ehegatten mit höherem Wert vorhanden sind – unabhängig davon, ob diese wechselseitigen Anrechte miteinander vergleichbar sind oder nicht.
Hinzu kommt folgendes:
Sowohl Abs. 1, wie auch Abs. 2 von § 18 VersAusglG enthalten Sollvorschriften. Sie räumen damit dem Gericht einen Ermessenspielraum ein. Hiervon hat das Gericht im Sinne eines angemessenen und ausgewogenen Gesamtergebnisses Gebrauch zu machen. Auch dieser Umstand spricht dagegen, von vornherein eine Prüfung nach § 18 Abs. 2 VersAusglG auszuschließen, wenn nur eine Prüfung nach dessen Abs. 1 durchgeführt worden ist.
c) Nach den vorgenanten Kriterien entspricht es hier der Billigkeit, das Ost-Anrecht des Ehemannes auszugleichen, obwohl es geringfügig i.S.v. § 18 Abs. 3 VersAusglG ist.
Auch nach Inkrafttreten des VersAusglG ist der Versorgungsausgleich vom Halbteilungsgrundsatz geprägt (§ 1 Abs. 1 VersAusglG). Die Halbteilung soll nach der Intention des Gesetzgebers sowohl Maßstab für die Auslegung einzelner Vorschriften wie auch für Ermessensentscheidungen sein (BT-Ds 16/10144, S. 45).
Im vorliegenden Fall haben beide geschiedene Ehegatten ausschließlich Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben. Besondere Aufwendungen für den Ausgleich einzelner dieser Anrechte entstehen deshalb, wie oben dargelegt, nicht. Auch sonst liegen keine besonderen Umstände vor, denen im Rahmen von§ 18 Abs. 2 VersAusglG abzusehen, Rechnung getragen werden müsste. Dann aber verbleibt als maßgebliches Kriterium für die Ermessensentscheidung nach § 18 Abs. 2 VersAusglG nur der Halbteilungsgrundsatz; nach diesem hat der Ausgleich des Anrechts zu erfolgen.
6.
Der Ausgleich der (gleichartigen) West-Anrechte beider Ehegatten ist ebenfalls gem. § 1 Abs. 1, 10 Abs. 1 VersAusglG vorzunehmen, obwohl sowohl die Wertdifferenz wie auch die Einzelwerte geringfügig i.S.v. 18 Abs. 3 VersAusglG sind:
- Korrespondierender Kapitalwert des Ausgleichswerts für das ehezeitliche Anrecht der Antragstellerin bei der DRV B
1.235,66 €,
- korrespondierender Kapitalwert des Ausgleichswerts für das ehezeitliche Anrecht des Antragsgegners bei der DRV K
931,53 €.
Die Differenz der Ausgleichswerte beträgt:
304,13 €,
mithin weniger als 120 % der zum Ehezeitende geltenden monatlichen Bezugsgröße gem. § 18 Abs. 1 SGB IV
(2.982,- €).
Auch die jeweiligen Ausgleichswerte erreichen nicht den Betrag von 2.982,- €.
Wie bereits dargelegt, entspricht es auch insoweit hier nicht der Billigkeit, von einem Ausgleich gem. § 18 VersAusglG abzusehen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 S.2 FamFG. Im Hinblick darauf, dass Anlass des Beschwerdeverfahrens einerseits die Klärung einer in der Rechtsprechung umstrittenen Rechtsfrage andererseits eine infolge Rechtsänderung unrichtige Ehezeitauskunft war, erscheint es unbillig, die beteiligten Ehegatten gem. § 150 Abs. 1 FamFG mit den Gerichtskosten zu belasten.
IV.
Der Senat lässt nach § 70 Abs. 1, 2 FamFG die Rechtsbeschwerde zu, da dies angesichts der von dieser Entscheidung abweichenden Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Oldenburg, Koblenz, Nürnberg, Dresden und Hamburg zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Die Rechtssache hat auch grundsätzliche Bedeutung, weil von einer Vielzahl gleichartiger Fälle auszugehen ist.
V.
Der Verfahrenswert ist nach § 50 Abs. 1 S. 1 FamGKG festzusetzen. Danach beträgt er in Versorgungsausgleichssachen, über die im Scheidungsverbund (oder aber nach Abtrennung und Fortführung als selbstständige Familiensache) entschieden wird, für jedes Anrecht 10 % des in drei Monaten erzielten Nettoeinkommens der Ehegatten. Da Ost- und Westanrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung gesondert auszugleichen sind, ist für jedes dieser Anrechte gem. § 50 Abs. 1 S. 1 FamGKG der Verfahrenswert mit 10 % des in drei Monaten erzielten Nettoeinkommens der Ehegatten anzusetzen (vgl. OLG Nürnberg, - 11 UF 126/10 - Beschl. vom 21.10.2010, Zit. nach Juris). Demnach beträgt er (auf den vollen Eurobetrag abgerundete) 1.645,- € (4.113,- € x 10 % x 4).