Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 24. Senat | Entscheidungsdatum | 22.11.2013 | |
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Aktenzeichen | L 24 KA 31/12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 106a SGB 5 |
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 29. Februar 2012 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitig ist die Abrechnungsfähigkeit von Gebührenordnungspositionen des EBM betreffend Zusatzpauschalen für Beobachtung und Betreuung neben solchen für Transfusionen für das 2. bis 4. Quartal 2008.
Die Kläger sind als Fachärzte für innere Medizin mit Schwerpunkt Hämatologie und Internistische Onkologie zugelassen und in einer Gemeinschaftspraxis in B a d H tätig. Die Beklagte erteilte ihnen am 23. Oktober 2008 einen Honorarbescheid für das Quartal 2/2008, der sachlich-rechnerische Richtigstellungen gegenüber den von den Klägern abgerechneten Gebührenordnungspositionen enthielt.
Die Kläger erhoben am 26. Oktober 2010 Widerspruch gegen diesen Bescheid, soweit in ihm in 47 Fällen statt der Gebührenordnungsposition 01511 die Gebührenordnungsposition 01510 angesetzt und in 49 Fällen die Gebührenordnungspositionen 02110 und 02111 ausgeschlossen wurden. Es handele sich um Fälle der Transfusionstherapie bei Patienten mit konsumierenden Erkrankungen, welche einen hohen zeitlichen pflegerischen und ärztlichen Aufwand erforderten. Eine mindestens 4-stündige praxisklinische Betreuung sei in jedem Einzelfall notwendig gewesen. Nach dem aktuellen EBM schlössen die Gebührenziffern 02110 und 02111 nicht die Betreuungsziffern 01510 bis 01512 aus.
Durch Widerspruchsbescheid vom 2. Februar 2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine Anfrage bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung habe ergeben, dass die Gebührenziffern 01510 bis 01512 EBM nicht abgerechnet werden könnten, wenn keine andere Leistung erfolge als die Erst- oder Folgetransfusion. Nur bei einer zusätzlichen parenteralen Behandlung könne die Abrechnung vorgenommen werden. Statt des im Rahmen der sachlich-rechnerischen Richtigstellung vorgenommenen Ansatzes der Gebührenziffer 01510 EBM hätte also von Rechts wegen nur die Gebührenziffern 02110 bzw. 02111 berücksichtigt werden dürfen. Wegen des Verbotes der reformatio in peius verbleibe es aber bei der günstigeren ursprünglichen Entscheidung.
Dagegen haben die Kläger am 10. Februar 2009 Klage beim Sozialgericht Potsdam erhoben. Bereits vorher hatte die Beklagte den Klägern am 22. Januar 2009 einen Honorarbescheid für das 3. Quartal 2008 erteilt und mit diesem im Wege der sachlich-rechnerischen Richtigstellung in 54 Fällen die Abrechnung der Gebührenziffer 01511 EBM korrigiert. Den dagegen aus den gleichen Gründen wie gegen den Honorarbescheid für das 2. Quartal 2008 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 9. Juli 2010 zurück. Dagegen haben die Kläger am 15. Juli 2010 Klage vor dem Sozialgericht Potsdam zum Az 1 KA 55/10 erhoben.
Eine weitere Klage zur derselben Problematik ist von den Klägern am 27. September 2010 vor dem Sozialgericht Potsdam zum Az 1 KA 77/10 anhängig gemacht worden, nachdem die Beklagte den von den Klägern erhobenen Widerspruch gegen den Honorarbescheid vom 23. April 2009 für das 4. Quartal 2008 mit Widerspruchsbescheid vom 13. September 2010 zurückgewiesen hatte.
Das Sozialgericht hat die Klagen durch Beschluss vom 29. Februar 2012 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und ihnen durch Urteil vom selben Tage stattgegeben. Es hat die Beklagte unter Änderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, für das 2. Quartal 2008 jeweils 49mal die Gebührennummern 02110 und 02111 nachzuvergüten, für das 3. Quartal 54mal die Gebührennummer 01511 nachzuvergüten und für das 4. Quartal 2008 46mal die Gebührennummer 01510 und 15mal die Gebührennummer 01511 nachzuvergüten. Die von der Beklagten vorgenommenen sachlich-rechnerischen Richtigstellungen seien zu Unrecht erfolgt. Gegenstand einer Richtigstellung sei die Frage, ob Leistungen im Einklang mit den gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben abgerechnet wurden. Die fachkundig besetzte Kammer gehe davon aus, dass die streitigen Gebührennummern für Transfusionen nebeneinander abgerechnet werden dürften. Ein gegenseitiger Ausschluss der Abrechenbarkeit sei im EBM nicht vermerkt. Die Nebeneinanderabrechnung stehe auch nicht im Widerspruch zu den allgemeinen Bestimmungen des EBM. Eine Leistung oder ein Leistungskomplex sei berechnungsfähig, wenn der Leistungsinhalt vollständig erbracht worden sei. Eine Leistung sei dann nicht berechnungsfähig, wenn sie Teilleistung einer anderen Leistung oder eines Leistungskomplexes sei. In den strittigen Behandlungsfällen seien sowohl der Leistungsinhalt nach 01210f EBM als auch nach 01510ff EBM jeweils vollständig erbracht worden. Unstreitig sei, dass die Kläger jeweils Transfusionen im Sinne der Gebührenordnungspositionen 01210, 01211 EBM vorgenommen hätten. Bei diesen Transfusionen handele es sich aber gleichzeitig um parentererale intravasale Behandlungen im Sinne der Gebührenordnungsposition 01510 EBM, so dass bei erfolgter notwendiger Beobachtung und Betreuung des Kranken nach den Zeitvorgaben der 01510ff EBM gleichzeitig diese Gebührenordnungspositionen abgerechnet werden dürften. Diese Gebührenordnungspositionen seien Zusatzpauschalen für Beobachtung und Betreuung, welche den tatsächlichen zeitlichen Aufwand abdecken sollten.
Gegen das ihr am 23. März 2012 zugestellte Urteil richtet sich die am 17. April 2012 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung der Beklagten. Die Abrechnung der Gebührenordnungspositionen 01510 und 01511 EBM neben den 02110 und 02111 EBM sei ausgeschlossen. Denn die Gebührenordnungspositionen 1510f EBM enthielten als fakultativen Leistungsbestandteil eine „Infusion“. Sie würden daher auch die hier fraglichen Infusionen abgelten. Ein und dieselbe Infusion (Transfusion) könne nicht ein weiteres Mal abgerechnet werden. Aus dem allgemeinen Teil des EBM ergebe sich, dass eine Gebührenposition nicht abrechnungsfähig sei, wenn sie fakultativer Bestandteil einer anderen Leistungsposition sei. Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung habe bestätigt, dass es sich bei der „parenteralen intravasalen Behandlung mittels Kathetersystems“ um einen innerhalb der Gebührenordnungspositionen 01510ff zu erbringenden Leistungsinhalt handele, der auch durch diese Gebührenordnungsposition (mit-)vergütet werde. Aus der Verwendung des Begriffs „Zusatzpauschale“ im EBM könne nicht abgeleitet werden, dass eine zusätzliche Vergütung neben einem anderweitig zu vergütenden Grundtatbestand gewährt werden solle. Das zeige sich beispielsweise an den Gebührenordnungspositionen 13502, 13545 und 13550 EBM. Durch die Formulierung „unter parenteraler intravasaler Behandlung mittels Kathetersystems“ in den Gebührenordnungspositionen 01510 bis 01512 EBM werde deutlich, dass diese Behandlung Leistungsbestandteil der jeweiligen Gebührenordnungsposition sei. Das Sozialgericht habe versäumt zu prüfen, ob die Berechnungsfähigkeit einer parenteralen intravasalen Behandlung jedenfalls deswegen ausscheide, weil es sich um eine (besondere Art von) Infusion handele, die fakultativer Leistungsinhalt sei. Auf die Frage, ob neben einer Transfusion gegebenenfalls noch weitere Infusionen erfolgten, könne es nicht ankommen, weil alle weiteren Infusionen als fakultativer Leistungsinhalt von der Gebührenordnungsposition 01510 erfasst würden. Bei den streitigen Leistungen werde die Abrechungsfähigkeit der Gebührenordnungspositionen 01510ff EBM zwar nicht mehr in Frage gestellt, weiter allerdings die zusätzliche Abrechnungsfähigkeit der Gebührenordnungspositionen 02110f EBM verneint. Den Nachweis, dass ohne die zusätzliche Abrechnung dieser Gebührenordnungsposition keine kostendeckende vertragsärztliche Tätigkeit möglich sei, hätten die Kläger nicht erbracht. Für die Rechtmäßigkeit der Abrechnungen könne es auch nicht darauf ankommen, welche Abrechnungspraxis in anderen Bundesländern bestehe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 29. Februar 2012 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Die Gebührenordnungspositionen 01510ff EBM würden den gesteigerten Aufwand für Betreuung und Beobachtung als Zusatzpauschale vergüten, Transfusionen nach den Gebührenordnungspositionen 02110f seien als parenterale intravasale Behandlungen mittels Kathetersystem im Sinne der Gebührenordnungspositionen 01510ff anzusehen. Schon aus dem Wortlaut des EBM ergebe sich, dass die Gebührenordnungspositionen 01510ff EBM eine zusätzliche Vergütung für Beobachtung und Betreuung vorsehen würden und die parenterale intravasale Behandlung lediglich Anknüpfungstatsache für den eigentlichen Leistungsinhalt Beobachtung und Betreuung sei. Das Verhältnis der beiden Gebührungsordnungspositionen entspreche nicht dem von einzelner Leistung zur Komplexleistung, für das der EBM zusätzliche Vergütungen vermeiden wolle. Eine Zusatzpauschale benötige denknotwendig einen Grundtatbestand. Diese Funktion erfüllten die einzelnen Absätze des obligatorischen Leistungsinhalts der Gebührenordnungspositionen 01510ff. Der fakultative Leistungsinhalt „Infusionen“ erfasse nur weitere, zusätzliche Infusionen, die nicht bereits vom Anknüpfungstatbestand erfasst seien. Das betreffe beispielsweise Fälle, in denen zusätzlich zur Transfusion noch Kochsalzlösung gegeben werde oder ein Kathetersystem während der Behandlung gespült werden müsse. Eine Bluttransfusion sei auch keine bloße Infusion. Für eine Transfusion würden höhere Sicherheitsstandards gelten und auch ein besonderes Haftungsrisiko bestehen. Es würden für ein und dieselbe Transfusion auch nicht zwei Gebührentatbestände abgerechnet, sondern der besondere Aufwand für Beobachtung und Betreuung während und nach der Transfusion der entsprechenden Gebührenordnungsposition zugeordnet. Wenn die Beklagte eine Transfusion dem fakultativen Leistungsinhalt der Gebührenordnungspositionen 01510ff zuordne, scheide sie für die Begründung des obligatorischen Leistungsbestandteils aus, so dass die Gebührenordnungspositionen 01510ff ohne Anwendungsbereich blieben, was aber nicht richtig sein könne. Eine Leistung könne nicht zugleich obligatorischer und fakultativer Leistungsbestandteil sein. Eine als Zusatzpauschale bezeichnete Gebührenordnungsposition sei nicht geeignet, eine andere Gebührenposition zu konsumieren. Es erscheine auch abwegig, dass eine solche Gebührenordnungsposition ihren eigenen Grundtatbestand bereits mitvergüte. Dass die Gebührenordnungspositionen 02110f die Gebührenordnungsposition 01510 nicht verdrängen könnten, ergebe sich auch bereits aus dem Vergleich der Punktwerte. Im Übrigen müssten auch die Auswirkungen der von der Beklagten für richtig gehaltenen Auffassung auf die Versorgungswirklichkeit betrachtet werden. Der von den Leistungen betroffene Patientenkreis sei so schwer erkrankt, dass durchweg dessen Versorgung im Krankenhaus gerechtfertigt wäre. Die Verdrängung dieser Patienten in das Krankenhaus widerspreche aber regelmäßig deren eigenen Wünschen und sei auch nicht wirtschaftlich. Aus einer Auswertung des wissenschaftlichen Instituts der niedergelassenen Onkologen ergebe sich, dass bundesweit in ca. 88 Prozent der Fälle die Gebührenordnungspositionen 01510ff neben den 02110f EBM abgerechnet werden würden. In den verbleibenden 12 Prozent der Fälle sei die Therapie mit einem deutlich geringeren zeitlichen und logistischen Aufwand verbunden. Die Kassenärztliche Vereinigung Berlin zahle aufgrund einer Vereinbarung mit der AOK Nordost sogar eine zusätzliche Vergütung für Bluttransfusionen. Umso unverständlicher sei es, dass sich die Beklagte für Brandenburg einer EBM-konformen Handhabung verweigere, was einer auch nur annähernd kostendeckenden Versorgung schwerstkranker Menschen in Brandenburg entgegen stehe. Die Situation stelle sich so dar, dass täglich drei bis vier schwerstkranke Patienten im Finalstadium ihrer Erkrankung zur Transfusionstherapie aufgenommen und betreut würden. Oftmals handele es sich um austherapierte Leukämiepatienten, die zum Sterben in ihre häusliche Umgebung entlassen wurden. Der tägliche Transfusionsaufwand betrage bis zu acht Stunden. Eine Fachkrankenschwester, die üblicherweise bis zu zehn Patienten betreue, müsse in diesen Fällen nahezu für nur einen Patienten zur Verfügung stehen. Dieser Aufwand sei mit dem derzeitigen Stellenschlüssel nicht zu realisieren. Die streitgegenständlichen Transfusionstherapien würden von den brandenburgischen Praxen zunehmend eingestellt, was dazu führe, dass die Versicherten mit einem Krankentransport in Berliner Praxen geschafft werden. Dies würde zwar von den betroffenen Krankenkassen zur Vermeidung einer Aufnahme in das Krankenhaus in Kauf genommen, verschlechtere aber die Lebensqualität der betroffenen Patienten.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte aus den Verfahren S 1 KA 55/10 und S 1 KA 77/10 sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Mit Recht hat das Sozialgericht die Beklagte zur Nachvergütung der von ihr berichtigten Gebührenpositionen verurteilt.
Nach § 106a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – SGB V – war die Beklagte zwar zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung der von den Klägern erhobenen Honorarforderungen befugt (vgl. BSG, Urt. v. 5. November 2008 – B 6 KA 1/08 R – juris Rn 9). Die Berechtigung der vorgenommenen Korrekturen setzte indessen voraus, dass in der vertragsärztlichen Abrechnung Gebührenpositionen angesetzt wurden, deren Tatbestand durch die erbrachte ärztliche Leistung nicht erfüllt ist oder die aus anderen Gründen nicht in Ansatz gebracht werden dürfen (BSG, Urt. v. 10. Dezember 2008 – B 6 KA 45/07 R – juris Rn 13). Eine Befugnis zur Richtigstellung würde insbesondere bestehen, wenn einem Vertragsarzt angeforderte Honorare nicht zustehen, weil eine Leistung nach den Allgemeinen Bestimmungen des EBM nicht selbständig abrechenbar ist, weil sie Bestandteil einer anderen abrechenbaren Leistung ist (BSG, Urt. v. 22. März 2006 - B 6 KA 44/04 R – juris Rn 11).
Die Beklagte war danach nicht berechtigt, den Klägern den Ansatz der von ihnen berechneten Gebührenordnungspositionen 01510 – 01512 EBM neben den Gebührenordnungspositionen 02110 und 02111 EBM zu versagen. Die Auslegung der Abrechnungsbestimmungen führt nämlich zu dem Ergebnis, dass beide Arten von Gebührenordnungspositionen nebeneinander anwendbar sind.
Maßgeblich für die Auslegung der Vergütungsbestimmungen des EBM ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in erster Linie der Wortlaut der Regelungen (BSG, Urt. v. 22. März 2006, B 6 KA 44/04 R – juris Rn 10; Urt. v. 10. Dezember 2008 – B 6 KA 45/07 R – juris Rn 15; Motz in Eichenhofer/Wenner, SGB V, § 87 Rn 58). Denn das vertragliche Regelwerk dient dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen von Ärzten und Krankenkassen. Die Beseitigung entstehender Unklarheiten oder die Vornahme von aus sachlichen Gründen als notwendig anzusehenden Korrekturen ist in erster Linie Aufgabe des Bewertungsausschusses als Normgebers. Schon wegen des ihm zukommenden Gestaltungsspielraums sind Eingriffe der Rechtsprechung in den Wortlaut der Regelungen regelmäßig unzulässig. Die Bindung an den Wortlaut ergibt sich auch aus der Funktion des EBM, eine abschließende Regelung vorzugeben, die keinen Raum für die Einbeziehung anderer Leistungsverzeichnisse oder Gebührenordnungen lässt. Nur soweit der Wortlaut eines Leistungstatbestandes Raum für Zweifel lässt, kann eine systematische Interpretation im Wege einer Gesamtschau der in innerem Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Gebührenregelungen erfolgen (BSG, Urt. v. 10. Dezember 2008 – B 6 KA 45/07 R – juris Rn 15). Auf die von den Klägern angesprochenen negativen Auswirkungen der Rechtauffassung der Beklagten für die Versorgung schwerkranker Menschen in Brandenburg kann es daher nicht ankommen.
Die fraglichen Gebührenordnungspositionen haben den folgenden Wortlaut:
Zusatzpauschalen für Beobachtung und Betreuung (01510-01512)
Obligater Leistungsinhalt
- Beobachtung und Betreuung eines Kranken mit konsumierender Erkrankung (fortgeschrittenes Malignom, HIV-Erkrankung im Stadium AIDS) in einer Arztpraxis oder praxisklinischen Einrichtung gemäß § 115 Abs. 2 SGB V unter parenteraler invasaler Behandlung mittels Kathetersystem
und/oder
- (…)
Fakultativer Leistungsinhalt
- Infusion(en)
Dauer mehr als 2 Stunden (01510)
Dauer mehr als 4 Stunden (01511)
Dauer mehr als 6 Stunden (01512)
Erste Transfusion (02110)
Obligater Leistungsinhalt
- Transfusion der ersten Blutkonserve
und/oder
- Transfusion der ersten Blutpräparation
und/oder
- Transfusion von Frischblut
Fakultativer Leistungsinhalt
- ABO-Identitätstest (Bedside-Test)
Jede weitere Transfusion (02111)
im Anschluss an die Gebührenordnungsposition 02110
Obligater Leistungsinhalt
- Weitere Transfusion im Anschluss an die Gebührenordnungsposition 02110
Fakultativer Leistungsinhalt
- ABO-Identitätstest (Bedside-Test)
je Konserve bzw. Blutpräparation (auch Frischblut)
Schon das Sozialgericht hat mit Recht darauf hingewiesen, dass die von den Klägern erbrachten Leistungen den Tatbestand sowohl der Gebührenordnungspositionen Nr. 01510-01512 als auch den der Gebührenposition 02110/02111 erfüllen. Denn die Transfusionen stellen parenterale intravasale Behandlungen mittels Kathetersystem dar. Der Senat nimmt dazu entsprechend § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf die Ausführungen des Sozialgerichts in dem angefochtenen Urteil. Auch die Beklagte stellt die Erbringung der Leistungen als solche nicht mehr in Frage, da sie die von den Klägern vorgenommene Abrechnung der Gebührenordnungspositionen Nr. 01510ff akzeptiert und lediglich meint, dass daneben die Abrechnung der Transfusionen ausgeschlossen wäre.
Da in den Gebührenordnungspositionen Nr. 1510 – 1512 eine parenterale invasale Behandlung genannt ist, ermöglicht der Wortlaut der Vorschrift zwar ein Verständnis, nach dem diese Behandlung Teil der in der Gebührenposition erfassten Leistungen ist. Dann wäre sie entsprechen der Regelung in den allgemeinen Bestimmungen des EBM (Ziff. I 2.1.3 Abs. 2), wonach eine Gebührenordnungsposition nicht berechnungsfähig ist, wenn deren obligate – und sofern vorhanden – fakultative Leistungsinhalte vollständig Bestandteil einer anderen Gebührenordnungsposition sind, auch nicht zusätzlich nach den Gebührenordnungspositionen 01210 bzw. 01211 abrechenbar. Der Wortlaut ermöglicht aber auch ein Verständnis des Tatbestands der Gebührenordnungspositionen Nr. 01510 – 10512, nach dem die besondere Erwähnung einer parenteralen invasalen Behandlung nicht als Beschreibung der für die Abrechnung zu erbringenden Leistungen zu deuten ist, sondern lediglich einen rechtfertigenden Anlass für die Abrechenbarkeit besonderer Beobachtungs- und Betreuungsleistungen umschreibt. Dann wären die Kläger nicht gehindert, eine parenterale intravasale Behandlung neben den Gebührenordnungspositionen Nr. 1510 – 1512 gesondert als Transfusion nach den Gebührenordnungspositionen 01210 und 01211 abzurechnen.
Für das letztere Verständnis der Regelung spricht, dass in dem Wortlaut der Gebührenordnungspositionen Nr. 1510 -1512 beide Leistungen nicht nebeneinander gestellt worden sind, sondern die eine, nämlich die parenterale invasale Behandlung, als Bedingung für die Abrechenbarkeit der anderen, nämlich der besonderen Betreuung und Beobachtung, ausgestaltet hat. Auch die Überschrift und die Positionierung der Gebührenordnungsposition innerhalb des EBM belegen, dass der Fokus der Beschreibung der Leistungserbringung ausschließlich auf die besondere Betreuung und Beobachtung ausgerichtet ist.
Entgegen der Beklagten ergibt sich kein Gegenargument daraus, dass Infusionen in den Gebührenordnungspositionen 01510 – 01512 EBM ausdrücklich als fakultativer Leistungsinhalt bezeichnet werden. Zwar mag medizinisch gesehen der Begriff der Infusion ein Oberbegriff sein, unter den auch eine Transfusion fällt. Gebührenrechtlich ist eine Transfusion aber eine andere Leistung als eine Infusion. Das zeigt sich daran, dass nach dem EBM für eine Infusion mit der Nr. 02100 schon eine andere Gebührenposition als für eine Transfusion vorgesehen ist und eine Transfusion auch anders als eine Infusion, nämlich wesentlich höher vergütet wird (600 Punkte gegenüber 160 Punkte). Deswegen kann nicht angenommen werden, dass die Gebührenordnungsposition 01510 EBM auch Transfusionen erfassen will, wenn sie Infusionen als fakultative Leistungen kennzeichnet.
Verbleiben nach dem Wortlaut der Gebührenordnungspositionen des EBM Zweifel über den Inhalt des jeweils gebührenrechtlich erheblichen Tatbestandes, kann nach den bereits genannten Grundsätzen für die Auslegung des EBM auch auf systematische Erwägungen zurückgegriffen werden. Entscheidend für die gesonderte Abrechenbarkeit der Transfusionsleistungen nach den Gebührenordnungspositionen 02110 bzw 02111 spricht nach Auffassung des Senats hier, dass der EBM in seiner Leistungsbeschreibung für die Gebührenordnungspositionen 01510 -01512 für bestimmte ärztliche Leistungen, etwa auch für Infusionen nach den Gebührenordnungspositionen 02100 und 02101, ausdrücklich einen Ausschluss der Abrechenbarkeit neben der besonderen Betreuung und Beobachtung nach den Gebührenordnungspositionen 01510 – 01512 vorgesehen hat. Transfusionen nach den Gebührenordnungspositionen 02110 und 02111 sind dabei aber nicht genannt. Auch die Leistungsbeschreibung für die Gebührenordnungspositionen 02110 und 02111 enthält einen ausdrücklichen Ausschluss, der allerdings die Gebührenordnungsposition 34291 und nicht die 01510 – 01512 betrifft. Demnach war sich der Normgeber des EBM bei der Formulierung der Gebührenordnungspositionen 01510ff durchaus der Problematik bewusst, dass bezüglich der während der besonderen Beobachtung und Betreuung noch anfallenden ärztlichen Leistungen Regelungsbedarf besteht, wenn deren gesonderte Abrechnung ausgeschlossen werden soll. Da für Transfusionen ein solcher ausdrücklicher Ausschluss fehlt, obwohl er für andere Leistungen durchaus vorhanden ist, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der EBM die Abrechnung der Gebührenordnungspositionen 02110 und 02111 neben den 01510 - 01512 ausschließen wollte. Dann widerspricht die von der Beklagten vorgenommene sachlich-rechnerische Richtigstellung aber den Vorgaben des EBM.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 197a SGG iVm § 154 Abs. 2 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.