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Entscheidung S 27 R 127/09


Metadaten

Gericht SG Neuruppin 27. Kammer Entscheidungsdatum 24.08.2011
Aktenzeichen S 27 R 127/09 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

3. Der Klägerin werden Mutwillenskosten in Höhe eines Betrages von 200,00 € auferlegt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach den Bestimmungen des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI).

Die im Jahre 1969 geborene Klägerin ist gelernte Maschinenbauzeichnerin, war kurzzeitig Erzieherin und absolvierte in den Jahren 1991 bis 1993 eine Umschulung zur Reiseverkehrskauffrau. In diesem Beruf war sie dann bis zum Jahre 2007 auch tätig. Im Anschluss daran bezog sie Arbeitslosengeld I und ab September 2008 dann Arbeitslosengeld II; ein Grad der Behinderung ist nicht festgestellt.

Unter dem 06. August 2007 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und begründete dies im Wesentlichen mit einem seit Dezember 2005 bestehenden Dauerschmerz im Rücken, mit Taubheit in den Beinen, aufgrund derer sei nicht lange stehen und sitzen könne, des weiteren mit seelischen Problemen. Sie gab an, dass sie ihrer Auffassung nach keine Tätigkeiten mehr verrichten könne.

Auf der Grundlage eines Rehabilitations-Entlassungsberichtes des Rehabilitations-Klinikums Z. vom 19. Februar 2007 sowie eines von der Beklagten in Auftrag gegebenen neurologisch-psychiatrischen Gutachtens der Neurologin und Psychiaterin Dr. med. Y. vom 20. Dezember 2007 lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 11. Juni 2008 ab. Zur Begründung führte sie aus, nach den ärztlichen Untersuchungsergebnissen sei die Erwerbsfähigkeit durch folgende Krankheiten oder Behinderungen beeinträchtigt:

- mittelgradig depressive Reaktion
- chronisches Lumbalsyndrom beidseits
- essentielle Hypertonie
- somatoforme Schmerzstörung
- Zervikobrachialsyndrom beidseits.

Nach ärztlicher Feststellung könne die Klägerin noch mindestens sechs Stunden je Arbeitstag (5-Tage-Woche) unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein. Bei diesem Leistungsvermögen liege weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung vor.

Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 24. Juni 2008 Widerspruch, den sie mit weiterem Schreiben vom 28. Juli 2008 begründete. Sie führte aus, seit dem Antrag und der Untersuchung durch den Sachverständigen am 20. Dezember 2007 habe sich der Gesundheitszustand erheblich verschlechtert, dazu seien auch noch andere gesundheitliche Probleme getreten. Den täglichen Alltag könne sie nur bewältigen, wenn sie die Körperhaltung öfter wechsle, dazu würde Liegen, Gehen, Sitzen und Stehen gehören. Durch den Dauerschmerz sei auch ein Durchschlafen nicht möglich. Hinzu kämen Taubheitsgefühle in den Beinen und in den Zehen. Die Beklagte holte hierauf ein weiteres neurologisch-psychiatrisches Gutachten der Neurologin und Psychiaterin Frau Dr. med. S. vom 17. November 2008 ein und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2009 als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies sie unter Wiederholung der bereits im Ausgangsbescheid vom 11. Juni 2008 genannten gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf das eingeholte Sachverständigengutachten vom 20. Dezember 2007 und ergänzte, dass deshalb das Leistungsvermögen der Klägerin nach ärztlicher Auffassung ausreiche, körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten, die der Klägerin nach ihrem bisherigen Arbeitsleben zumutbar seien, sechs Stunden und mehr zu verrichten. Dabei seien häufige Überkopfarbeiten, Armvorhaltetätigkeiten, häufiges Heben, Tragen, Bewegen von Lasten über 15 kg, Nachtschichtarbeit sowie Zeitdruck (z. B. Akkord, Fließband) zu vermeiden. Durch das im Rahmen des Widerspruchsverfahrens eingeholte Sachverständigengutachten vom 17. November 2008 sei das im Rentenverfahren festgestellte Leistungsvermögen weitestgehend bestätigt worden. Unter Berücksichtigung dieser medizinischen Feststellungen reiche das Leistungsvermögen der Klägerin nach ärztlicher Auffassung aus, körperlich leichte Arbeiten, die ihr nach dem bisherigen Arbeitsleben zuzumuten seien, sechs Stunden und mehr zu verrichten. Der Arbeitsmarkt sei auch nicht verschlossen. Bei diesem Leistungsvermögen liegen weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung vor.

Hiergegen hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 20. März 2009 Klage erhoben, die sie mit Schriftsatz vom 23. Juni 2009 näher begründete. Sie wies darauf hin, dass die einzuholenden Befundberichte und Sachverständigengutachten ergeben würden, dass eine Erwerbsminderung vorliege. Die Klägerin habe sich bereits im Jahre 2007 einer Rehabilitationsmaßnahme unterzogen, die jedoch keine Besserung erbracht habe. Sie leide unter erheblichen Rückenschmerzen, zum Teil habe sie Taubheit in den Beinen, könne nicht länger stehen und müsse sich immer wieder hinlegen. Aufgrund der Taubheit in den Beinen, der erheblichen Schmerzen sowie der anderen Leiden bestehe keine Erwerbsfähigkeit.

Im Rahmen der medizinischen Sachverhaltsaufklärung hat das Gericht Befundberichte bei dem Neurologen Prof. Dr. med. V. vom 04. Juni 2009, bei dem Chirurgen Dr. med. W. vom 09. Juni 2009, bei dem Facharzt für Psychiatrie Dr. med. K. vom 30. August 2009 sowie bei dem Facharzt für Innere Medizin Dr. med. U. vom 19. Dezember 2009 eingeholt.

Hierauf hat die Kammer das Sachverständigengutachten der Fachärztin für Chirurgie Dr. med. H. vom 30. Mai 2010 in Auftrag gegeben. Die Sachverständige hat in ihrem Gutachten ausgeführt, dass das Leistungsvermögen der Klägerin durch ein chronisches Lumbalsyndrom, ein Zervikalsyndrom, eine psychosomatische Erkrankung mit Verdacht auf Depression und Somatisierungsstörung, ein leichtes Myopathiesyndrom, eine arterielle Hypertonie, eine Funktionsstörung der Schilddrüse, rezidivierende Ohrspeicheldrüsenentzündungen links, ein Ekzem im Bereich der Hände von unterschiedlicher Intensität sowie eine Beschwerdeproblematik nach einem Dammschnitt im Jahre 2002 limitiert sei und zusammenfassend dargelegt, dass der Klägerin aufgrund der somatischen Erkrankung eine tägliche Arbeitsbelastung von größer als sechs Stunden zumutbar sei. Sie verbringe durchaus einen aktiven Tagesablauf, sei auch in der Lage, den Tag zu strukturieren. Sie beschäftige sich mit ihrem Sohn, versorge den Haushalt. Es würden sich anhand der objektiven Befunde keine Veränderungen feststellen lassen, welche die Feststellung eines aufgehobenen Leistungsvermögens zuließen. Die Sachverständige hat ferner ausgeführt, die Arbeit solle körperlich leicht sein, wobei keine Leiter- und Gerüstarbeiten abverlangt werden könnten, keine Wirbelsäulenzwangshaltung erforderlich vorausgesetzt werde, bestimmte Allergene gemieden werden, keine Kälte-Nässe-Disposition erfolgten und dass schließlich ein Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen möglich sein solle. Sie hat auch darauf hingewiesen, dass die Klägerin seit dem Jahre 2007 nicht in orthopädischer Behandlung gewesen sei und dass aus ihrer Sicht psychiatrische Therapieoptionen in keiner Weise ausgeschöpft seien. Sie hat schließlich eingeschätzt, dass es der Klägerin zuzumuten sei, täglich viermal Wegstrecken von mehr als 500 Metern in jeweils weniger als 20 Minuten zurückzulegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeit zu benutzen. Ferner hat sie vorgeschlagen, eine psychosomatische Begutachtung durchzuführen, weil sie einen großen Teil der geschilderten Beschwerdesymptomatik auch im Bereich der psychischen Erkrankung der Klägerin sehe.

Das Gericht hat sodann ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. med. L. vom 07. Dezember 2010 in Auftrag gegeben. Der Sachverständige hat eine neurotische Depression (Dysthymie), eine neurasthenische Persönlichkeit, einen Lumbago bei degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule, Unterleibsbeschwerden nach Dammschnitt mit Narbenbildung, Beschwerden an einer Ohrspeicheldrüse sowie eine hereditäre Myopathie diagnostiziert. Er hat zusammenfassend ausgeführt, die Klägerin sei durch Beschwerden von Seiten des Rückens mit Bandscheibenvorwölbung sowie Schmerzen nach körperlichen Belastungen beeinträchtigt. Sie sei ferner im psychiatrischen Bereich durch eine nachhaltige negative Bewertung einer belastenden Situation um die Geburt ihres Sohnes, aber auch durch eine subjektive Kausalverschiebung beeinträchtigt. Es lägen Auffälligkeiten in der Persönlichkeit und in der Wesensart der Klägerin vor, die durch neurasthenisch-passive Anteile gekennzeichnet sei. Der Klägerin sei eine tägliche Arbeitsbelastung im normalen Umfang zumutbar, insgesamt acht Stunden an fünf Wochentagen. Qualitative Einschränkungen, d. h. mit der Möglichkeit zum Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen, das Vermeiden von schwerem Heben sollte beachtet werden. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit, z. B. als Reiseverkehrskauffrau sei geeignet, beruflich tätig zu sein. Einschränkungen der Arbeitsbelastung würden im körperlichen Bereich bestehen. Hohe Anforderungen, Zeitdruck, Stress und Verantwortungsbewusstsein sollten nach Auffassung des Sachverständigen nicht gestellt werden. Die zumutbare Wegstrecke sei nicht eingeschränkt. Weitere als die bislang festgestellten wesentlichen Erkrankungen in den Bereichen der Neurologie und Psychiatrie lägen nicht vor. In Rehabilitationsmaßnahmen sehe der Sachverständige keinen Sinn. Die vorangehende Rehabilitationsmaßnahme im Jahre 2007 sei letztlich an mangelnder Motivation und Änderungsbereitschaft gescheitert. So werde es auch in Zukunft sein. Die Klägerin habe sich mit ihrer jetzigen Lebensweise arrangiert. Ihre Lebensaufgabe sei die Versorgung des Sohnes. Zu weiteren Leistungen sei sie nicht bereit.

Die Klägerin hat zu den eingeholten gerichtlichen Sachverständigengutachten Stellung genommen und ausgeführt, sie sei gerade nicht mehr in der Lage, für einen Zeitraum von sechs Stunden zu arbeiten. Aufgrund der Erschöpfungszustände und aufgrund der Schmerzen, aufgrund derer sie sich zwischendurch immer wieder hinlegen müsse, könne sie nicht sechs Stunden durchgehend arbeiten. Insoweit sei ihr Tagesablauf auch nicht als aktiv zu bezeichnen. Nur aufgrund dessen, dass die Klägerin ein Kind zu versorgen habe, sei sie selbstverständlich gezwungen, entsprechende Aktivitäten durchzuführen. Das neurologisch-psychiatrische Gutachten sei im Übrigen widersprüchlich. Der Gutachter habe ausgeführt, dass bei der Klägerin eine Minderung der Leistungsfähigkeit sei dem Jahre 2002 bestehe. Weiterhin habe er ausgeführt, dass die Minderung der Leistungsfähigkeit nicht nur von vorübergehender Natur sei. Wie der Sachverständige sodann zu der Einschätzung gelangen könne, dass der Klägerin eine tägliche Arbeitsbelastung von acht Stunden an fünf Wochentagen zumutbar wäre, sei nicht nachvollziehbar. Darüber hinaus stehe das Gutachten im Widerspruch zum ärztlichen Befundbericht des behandelnden Facharztes für Psychiatrie Dr. med. Kühn, der ausdrücklich erklärt habe, dass in der Person der Klägerin eine Leistungsfähigkeit derzeit nicht gegeben sei.

Die Beklagte hat zu den eingeholten gerichtlichen Sachverständigengutachten ebenfalls Stellung genommen und hielt sie insgesamt für überzeugend und hat insbesondere hinsichtlich des Sachverständigengutachtens des Prof. Dr. med. L. darauf hingewiesen, dass dieses Gutachten fachlich objektiv und sachlich richtig sei. Die geäußerten Beschwerden der Klägerin seien im Gutachten gewürdigt und sozialmedizinisch gewichtet worden. Dem Sachverständigen sei es gelungen herauszuarbeiten, dass eine neurotische Depression auf dem Boden einer neurasthenischen Persönlichkeit vorliege. Insofern sei auch das vollschichtige Leistungsvermögen mit qualitativen Einschränkungen nachvollziehbar, das auch schon durch das orthopädische Vorgutachten belegt worden sei. Der Sachverständige habe seine Leistungsbeurteilung (wie üblich) anhand einer ausführlichen Anamnese- und Befunderhebung erstellt. Der beschriebenen Minderung der Leistungsfähigkeit trage er mit qualitativen Einschränkungen ausreichend Rechnung.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 11. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab dem 01. August 2007 Versichertenrente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Kammervorsitzende hat die Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 24. August 2011 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ihre Klage keine Aussicht auf Erfolg habe und sie damit rechnen müsse, dass dir Kammer davon ausgeht, dass die Weiterverfolgung des klägerischen Begehrens mutwillig sei und daher Mutwillenskosten in Höhe eines Betrages zwischen 150,00 € und 300,00 € verhängt werden könnten.

Zur weiteren Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselte Korrespondenz, die Prozessakte sowie die die Klägerin betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten zum Aktenzeichen 44 010869 H 506 Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung, der Beratung und der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) statthafte und auch im Übrigen zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 11. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2009 ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin kann eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht beanspruchen. Die Voraussetzungen für die Bewilligung einer entsprechenden Rente liegen nicht vor.

Die Beklagte hat die richtigen Rechtsgrundlagen herangezogen, den Sachverhalt und die medizinischen Unterlagen zutreffend gewürdigt und ist zu einem richtigen Ergebnis gekommen. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird gemäß § 136 Abs. 3 SGG auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2009 Bezug genommen; die Kammer macht sich die dortigen Ausführungen zu eigen und erhebt sie zur Begründung ihrer eigenen Entscheidung. Auch die im Antrags- und im Widerspruchsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten sind im sozialgerichtlichen Verfahren verwertbar und stellen insbesondere kein Parteigutachten dar, weil die Leistungsträger im Rahmen des für sie geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes zur Objektivität verpflichtet sind (vgl. § 20 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) sowie § 17 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I); vgl. hierzu auch etwa Bundessozialgericht, Urteil vom 08. Dezember 1988, - 2/9b RU 66/87, zitiert nach juris).

Auch nach dem Ergebnis der medizinischen Begutachtungen im sozialgerichtlichen Klageverfahren steht fest, dass das Leistungsvermögen der Klägerin in quantitativer Hinsicht nicht maßgeblich eingeschränkt ist. Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Rentenanspruch wegen Erwerbsminderung sind daher nicht erfüllt. Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 2 S. 1 bzw. Abs. 1 S. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze - Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1.voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind,
2.in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben nach § 240 Abs.1 SGB VI bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersrente auch Versicherte, die

1.vor dem 02. Januar 1961 geboren und
2.berufsunfähig sind.

Der Anspruch auf Rente gemäß § 240 SGB VI scheidet hier bereits aufgrund des Geburtsdatums der Klägerin aus, so dass sich die Frage des Berufsschutzes von vornherein nicht stellt.

Auch die Gewährung einer Rente nach § 43 SGB VI kommt nicht in Betracht. Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme im sozialgerichtlichen Verfahren steht auch zur Überzeugung der erkennenden Kammer fest, dass die Klägerin trotz der im Vordergrund stehenden von der Wirbelsäule ausgehenden Beschwerden und ihrer psychischen Beeinträchtigungen noch zur sechsstündigen Verrichtung körperlich leichter Arbeiten in der Lage ist. Das ergibt sich nachvollziehbar aus den im gerichtlichen Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten auf chirurgischem und auf nervenärztlichem Fachgebiet. Deren Beurteilungen des beruflichen Restleistungsvermögens der Klägerin stimmen zugleich mit denen überein, die in den im Antrags- und im Widerspruchsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten auf nervenärztlichem Fachgebiet enthalten sind. Hiernach besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass das berufliche Leistungsvermögen der Klägerin zeitlich in rentenrelevanter Weise eingeschränkt sein könnte. Durch die von den gehörten Sachverständigen geforderte Beschränkung auf körperlich leichte Arbeiten im Haltungswechsel unter Meidung von Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten, unter Witterungseinflüssen sowie unter besonderer Stressbelastung wie im Akkord oder am Fließband wird den Wirbelsäulenbeschwerden sowie den psychischen Beeinträchtigungen der Klägerin hinreichend Rechnung getragen, so dass nicht anzunehmen ist, dass es bei Verrichtung entsprechender Tätigkeiten zu einem Fortschreiten der Beschwerden oder zu besonderen Beschwerden kommen könnte. Die genannten qualitativen Leistungseinschränkungen stellen auch weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine so genannte Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen dar, denn sie begrenzen die Einsetzbarkeit auf dem Arbeitsmarkt nicht wesentlich weiter, als dies durch die Beschränkung auf körperlich leichte Arbeiten ohnehin geschieht.

Dass die Klägerin noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen besitzt, ergibt sich zur Überzeugung der Kammer insbesondere aus dem Sachverständigengutachten der Fachärztin für Chirurgie Dr. med. H. und des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. med. L. In ihren Gutachten ist ausführlich und umfangreich dargelegt, an welchen gesundheitlichen Einschränkungen die Klägerin leidet und wie sich diese auf ihr berufliches Leistungsvermögen im Einzelnen auswirken. Die Sachverständigen haben die Klägerin in Kenntnis aller erreichbaren Vorbefunde eingehend untersucht und die erhobenen Befunde gründlich und vollständig gewürdigt, wie sich aus ihren Gutachten ergibt. Die Kammer erachtet insbesondere auch das neurologisch-psychiatrische Sachverständigengutachten des Prof. Dr. med. L. für überzeugend, weil es auf einer umfassenden neuropsychiatrischen Befunderhebung beruht, anerkannten Bewertungsgrundsätzen entspricht, in sich schlüssig und nachvollziehbar begründet ist und in den wesentlichen Punkten im Einklang auch mit den vorliegenden neurologisch-psychiatrischen Vorgutachten steht. Der Sachverständige hat alle entscheidungserheblichen medizinischen Befundunterlagen und Gutachten in seine Beurteilung einbezogen und seine Einschätzung des Leistungsvermögens in für das Gericht nachvollziehbarer Weise begründet. Da die vom Sachverständigen durchgeführte Untersuchung insoweit keine auffälligen Befunde im neurologischen und im psychiatrischen Bereich ergab (u. a. klar, zeitlich, örtlich und zur Person voll orientiert, keine Anhaltspunkte für formale oder inhaltliche Denkstörungen, stabile Affektivität, kein affektives Abgleiten) ist es für die Kammer überzeugend, dass der Sachverständige unter Berücksichtigung der von der chirurgisch-orthopädischen Sachverständigen festgestellten Leistungsfähigkeit zu der sozialmedizinischen Beurteilung kommt, die Klägerin könne vollschichtig bzw. mindestens 6 Stunden täglich körperlich leichte Tätigkeiten im zu befürwortenden Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen verrichten, sofern Arbeiten unter Zeitdruck sowie Stress- und Verantwortungsbewusstsein ausgeschlossen sind. Die Kammer hält im Übrigen das Resumée des Sachverständigen für bezeichnend, wonach sich die Klägerin mit ihrer jetzigen Lebensweise arrangiert hat, ihre Lebensaufgabe in der Versorgung des Sohnes sehe und keine Bereitschaft zu weiteren Leistungen zeige. Dies spricht für sich; ein in quantitativer Hinsicht beeinträchtigtes – einen Rentenanspruch begründendes limitiertes Leistungsvermögen – lässt sich hieraus indes nicht ableiten.

Soweit die Klägerin insbesondere Widersprüche in dem neurologisch-psychiatrischen Gerichtsgutachten zu erkennen glaubt, vermag sich dem die Kammer nicht anzuschließen. Solche Widersprüche liegen nämlich nicht vor. Soweit sie einwendet, dass nicht einleuchtend sei, dass der Gutachter einerseits eine Minderung der Leistungsfähigkeit seit 2002 festgestellt hat, aber dann tägliche Arbeitsbelastung von acht Stunden an fünf Wochentagen für zumutbar hält, liegt es nach Auffassung der Kammer auf der Hand, dass die Minderung der Leistungsfähigkeit durch den Sachverständigen lediglich auf die qualitativen Leistungseinschränkungen bezogen war, die er auch in seinem Sachverständigengutachten im Einzelnen benannt hat. Soweit der die Klägerin behandelnde Facharzt für Psychiatrie Dr. med. K. ausführte, dass er derzeit eine Leistungsfähigkeit nicht für gegeben hält, vermag dies die Kammer schon deshalb nicht zu überzeugen, weil eine Begründung hierfür von dem behandelnden Facharzt nicht abgegeben wird. Die alleinige Diagnose einer rezidivierenden Depression mit prolongiertem Verlauf allein vermag die Aufhebung der Erwerbsfähigkeit jedenfalls nicht zu begründen. Denn allein die Diagnose einer Schmerzkrankheit oder einer Depression besagt nichts über die Ausprägung oder die Auswirkungen der Krankheiten auf das Leistungsvermögen im Erwerbsleben. Schmerzen an sich sind weder dem Grund noch der Ausprägung nach noch hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit mit objektiven Methoden erfassbar, so dass die Beurteilung insoweit auf die „subjektiven" Angaben des Betroffenen angewiesen ist. Darauf allein kann aber eine verlässliche Einschätzung von Leistungsbeschränkungen nicht gestützt werden. Vielmehr ist für die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung erforderlich, dass eine plausible Beziehung zwischen einerseits den Angaben des Betroffenen und andererseits den aktenkundigen und anamnestischen Alltagsaktivitäten, dem körperlichen Untersuchungsbefund einschließlich der Beobachtung komplexer Bewegungsabläufe und dem radiologischen Befund herzustellen ist (vgl. dazu: VDR, Sozialmedizinische Begutachtung für die gesetzliche Rentenversicherung, 6. Aufl., S. 585 ff; siehe auch: Leitlinien zur Sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung bei Bandscheiben- und bandscheibenassoziierten Erkrankungen, BfA, Stand März 2003, S. 19). Es fehlen insoweit bereits Angaben zu Art und Ausmaß der etwaigen Einschränkungen der Klägerin in ihren Alltagsaktivitäten. Nicht nachvollziehbar begründet ist daher, warum er zu dem Ergebnis kommt, die Klägerin leide unter einer Depression mit prolongiertem Verlauf. Es fehlt außerdem an einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Umstand, dass bisher offenbar nur unzureichende therapeutische Bemühungen der Klägerin vorhanden sind, worauf die gerichtlichen Sachverständigen jedoch zu Recht hingewiesen haben. Dieser Umstand deutet daraufhin, dass die Klägerin durch die Auswirkungen von Schmerzen und der Depression in ihrem Alltag nicht so stark beeinträchtigt ist. Denn eine besonders starke Beeinträchtigung würde einen solchen Leidensdruck hervorrufen, dass sich die Klägerin um eine zielgerichtete Therapie zur Beseitigung der Beeinträchtigungen bemühen würde. Insbesondere hinsichtlich der diagnostizierten Depression ist in erster Linie auf den Umfang etwaiger Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit und auf die Ausprägung sozialer Anpassungsschwierigkeiten abzustellen (vgl. dazu Teil B Nr. 3.7 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze in der Anlage zu 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung). Es ergeben sich aus dem eingeholten Sachverständigengutachten und erst recht nicht aus dem zur Stützung des Klagebegehrens zitierten Befundbericht des behandelnden Facharztes für Psychiatrie Dr. med. K. keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sich die Klägerin durch die Depression in eine völlige soziale Isolation begeben hat. Sie lebt mit ihrem Sohn zusammen, kümmert sich um ihn, versorgt den Haushalt und geht insgesamt einem strukturierten Tagesablauf nach.

Weil die von dem behandelnden Facharzt für Psychiatrie Dr. med. K. attestierte aufgehobene Leistungsfähigkeit nach alledem nicht plausibel begründet ist und dessen Befundbericht auch den gerichtlichen Sachverständigen vorlag und sie diesen in ihre Beurteilung einbezogen haben, sah sich die Kammer nicht veranlasst, insbesondere den neurologisch-psychiatrischen gerichtlichen Sachverständigen noch einmal ergänzend gutachtlich zu befragen.

Es sind auch keine Anhaltspunkte für eine weitere Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin in der Zeit nach den oben genannten Begutachtungen erkennbar. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich die Klägerin nachfolgend in regelmäßiger psychotherapeutischer Behandlung befunden hat. Ebenso wenig ist – worauf die Sachverständige Dr. med. H. hingewiesen hat – seit dem Jahre 2007 eine fachorthopädische Behandlung zu erkennen. Das Ausbleiben intensiverer und andauernder therapeutischer Bemühungen auf Seiten der Klägerin bestätigt – darauf hat die Kammer schon hingewiesen – letztlich das Fehlen eines nachhaltigen subjektiven Leidensdrucks und bestärkt damit die Kammer in der Einschätzung, dass das Leistungsvermögen der Klägerin von den gerichtlichen Sachverständigengutachten zutreffend beurteilt worden ist. Insoweit haben die gerichtlichen Sachverständigen überzeugend darauf hingewiesen, dass insbesondere auch in psychiatrischer Hinsicht die Therapieoptionen in keiner Weise ausgeschöpft sind und deutlich hervorgehoben, dass in keiner Weise nachvollziehbar sei, warum die Klägerin, die seit vier Jahren in psychiatrischer Behandlung ist, aufgrund dieses psychischen Leidens leistungsunfähig sein solle. Es findet nämlich keine Medikation statt und es kamen keine sonstigen Therapiemöglichkeiten, wie insbesondere eine Psychotherapie zur Anwendung.

Insgesamt ist für die Kammer vor dem Hintergrund, dass sämtliche im Verwaltungs-, im Widerspruchs- und im sozialgerichtlichen Klageverfahren beteiligte Sachverständige keine schwerwiegenden Funktionsstörungen festzustellen vermochten, nachvollziehbar, dass das quantitative Leistungsvermögen der Klägerin nicht limitiert ist. Die Kammer verkennt insoweit auch nicht, dass die Klägerin unter gewissen Funktionsstörungen auf chirurgisch-orthopädischem und auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet leidet. Diese finden jedoch durch die von den Sachverständigen festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen ausreichende Berücksichtigung.

Der Klägerin ist der Arbeitsmarkt auch nicht etwa deshalb verschlossen, weil sie nicht wegefähig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt Erwerbsfähigkeit grundsätzlich die Fähigkeit einer Versicherten voraus, viermal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 m mit zumutbarem Zeitaufwand (bis 20 Minuten) zu bewältigen und zweimal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 28. August 2002 – B 5 RJ 8/02 R, zitiert nach juris). Bei der Beurteilung der Mobilität der Versicherten sind alle ihr zur Verfügung stehenden Hilfsmittel und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen. Nach den überzeugenden Einschätzungen der gerichtlichen Sachverständigen und der im Verwaltungsverfahren gehörten Sachverständigen ist die Wegefähigkeit jedoch nicht eingeschränkt. Soweit die Klägerin hier Gegenteiliges behauptet, mangelt es schon an der Vorlage geeigneter fachärztlicher Befunde, jedenfalls haben auch und gerade die vom Gericht eingeholten Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte keine Anhaltspunkte für eine eingeschränkte oder aufgehobene Wegefähigkeit gegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 193 und 192 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), sie entspricht dem Ergebnis des Verfahrens. Die offenkundige Aussichtslosigkeit des Klageverfahrens ist der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 24. August 2011 im Hinblick auf die im Verwaltungs- und im Gerichtsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten, die insbesondere bei der Einschätzung eines bei der Klägerin vorliegenden vollschichtigen Leistungsvermögens übereinstimmen, ausdrücklich vom Kammervorsitzenden erläutert worden. Der Kammervorsitzende hat die Klägerin ausweislich der Niederschrift ausführlich auf die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung und die Möglichkeit der Kostenauferlegung hingewiesen. Trotzdem hat diese ausdrücklich auf einer Entscheidung bestanden. Damit liegen die Voraussetzungen des § 192 Abs. 1 SGG vor. Als verursachter Kostenbetrag gilt nach § 192 Abs. 1 S. 2 SGG mindestens der Betrag nach § 184 Abs. 2 SGG für die jeweilige Instanz (hier: 150,00 €). Diesen Betrag hat die Kammer einen geringfügigen Zuschlag für den durch den Umfang und die Qualität des klägerischen Vorbringens verursachten besonderen Aufwand für die weitere Bearbeitung und Entscheidung der Klage hinzugerechnet. Damit bleibt die Kammer erheblich unter dem durchaus möglichen Ansatz (vgl. Goedelt, Mutwillen und Mutwillenskosten, in: Die Sozialgerichtsbarkeit 1986, Seite 499 f: im Jahre 1986 2.100,00 DM bis 2.700,00 DM).