Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 1. Senat | Entscheidungsdatum | 05.01.2015 | |
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Aktenzeichen | L 1 KR 278/13 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 7 Abs 1 SGB 4 |
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, einschließlich der Kosten der Beigeladenen zu 1).
Die Beigeladenen zu 2) – 4) haben ihre Kosten selbst zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert des Verfahrens wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Im Streit ist die Versicherungspflicht der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) (nachfolgend nur: „die Beigeladene“) für die Klägerin als Logopädin.
Die Klägerin betrieb eine logopädische Praxis. Aufgrund des Honorarvertrags vom 19. September 2007 war die Beigeladene für sie dort ab dem 12. September 2007 tätig. Danach erhielt die Beigeladene („Dienstverpflichtete“) pro geleisteter und nachgewiesener Therapie 70 % des derzeit gültigen und gesetzlichen Diagnostik- und Therapiesatzes der jeweiligen Krankenkassen, privat und Beihilfesätze. Abzurechnen seien volle Heilmittelverordnungen, die nach Eingang der Bezahlung durch die Abrechnungszentrale der O an die Dienstverpflichtete ausgezahlt würden. Der Dienstverpflichteten stehe es frei, Aufträge der Klägerin („Dienstberechtigten“) abzulehnen. Die Arbeitszeit und Arbeitsdauer werde von der Dienstverpflichteten frei eingeteilt. Die Dienstverpflichtete sei bezüglich therapeutischer Maßnahmen nicht weisungsgebunden. Die Beigeladene verpflichte sich, die erzielten Einnahmen in ihrer Jahreseinkommensteuer steuerlich anzugeben und diese zu versteuern. Um der Scheinselbständigkeit vorzubeugen, liege diesem Vertrag die Statusermittlung von Seiten der Dienstverpflichteten zugrunde. Sozialleistungen würden von Seiten der Dienstberechtigten nicht gewährt. Sollte die gesetzliche Krankenversicherung auf das Honorar Sozialabgaben erheben, seien diese von der Dienstverpflichteten zu entrichten. Die Dienstverpflichtete stelle die Dienstberechtigte insoweit schon jetzt von den Forderungen frei, Krankenversicherungsbeiträge und andere Sozialabgaben für sie zu entrichten. Der Vertrag wurde durch Vereinbarung vom 29. Januar 2009 ergänzt. Danach hatte die Beigeladene eine ausreichende Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen und haftete für vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführte Körper- oder/und Vermögensschäden und stellte die Praxisinhaberin von allen Ansprüchen frei.
Die Beigeladene stellte am 25. November 2008 bei der Beklagten einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status für ihre Tätigkeit. Sie teilte mit Schreiben vom 9. Februar 2009 mit, die Tätigkeit in einem angemieteten Raum, bei den Patienten zu Hause oder im Pflegeheim aus. Sie arbeite nicht mit Mitarbeitern des Auftraggebers zusammen, erhalte von diesen keine Weisungen und führe die Behandlung der Patienten eigenverantwortlich durch. Sie vereinbare die Termine. Sie betreibe keine eigene feste logopädische Praxis, da sie nur in Teilzeit als Logopädin arbeite. Aufgrund der fehlenden eigenen Betriebsstätte (kassenärztlich zugelassener Logopädiepraxis) sei es ihr nicht möglich, eigene Rechnungsstellungen gegenüber den Krankenkassen zu erstellen. Jedoch obliege ihr allein die Auswahl und die Anzahl der Patienten. Hierfür führe sie eigene Werbemaßnahmen durch. Die Arbeitsmittel, die sie einsetze (Therapiematerial, therapeutisches Spielzeug, technische Geräte, wie PC, Videokamera, Keyboard etc.) sowie tägliche Gebrauchsmittel wie Reinigungsmittel befänden sich in ihrem Eigentum und seien nicht etwa Eigentum der Klägerin.
Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 30. Juli 2009 fest, dass die Tätigkeit der Beigeladenen seit dem 12. September 2007 bei der Klägerin im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt werde. Zur Begründung führte sie aus, dass die Beigeladene über keine eigene Betriebsstätte verfüge, nicht selbst Rechnungen gegenüber Patienten erstelle und kein unternehmerisches Risiko trage. Die von ihr eingesetzte Arbeitszeit werde bezahlt, eigene Arbeitsmittel setze sie nicht ein. Nur die freie Terminierung spreche für eine selbständige Tätigkeit. Insgesamt überwögen die Indizien für eine abhängige Beschäftigung. Die Versicherungspflicht beginne mit dem Tag der Aufnahme der Beschäftigung.
Hiergegen erhoben die Klägerin und die Beigeladene Widerspruch. Es werde nicht gewürdigt, dass es sich um ein Dienstverhältnis handele, welches von einer persönlichen Leistungserbringung geprägt sei. Nur die Benutzung der Behandlungszimmer müsse abgestimmt werden. Sonst sei die Beigeladene in ihrer Arbeitszeit frei. Ein unternehmerisches Risiko werde in Form einer Festmiete anteilmäßig mitgetragen: Die vereinbarte Kostenpauschale in Höhe von 30 % des Abrechnungsumsatzes umfasse die Abrechnung bei den gesetzlichen Krankenkassen durch die Klägerin (Verwaltungsaufwand, Nutzung des Abrechnungssystems) sowie die zur Verfügung Stellung der Räumlichkeiten nebst anteiligen Nebenkosten. Die Beigeladene reichte Kopien diverser Rechnungen für die Jahre 2007 – 2009 ein.
Der Vertrag zwischen der Klägerin und der Beigeladenen ist zum 30. September 2009 gekündigt worden.
Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2010 zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, nach außen hin erscheine die Beigeladene als Mitarbeiterin der Klägerin.
Hiergegen hat die Klägerin am 25. Februar 2010 beim Sozialgericht Berlin (SG) Klage erhoben. Zu deren Begründung hat sie ergänzend unter anderem vorgebracht, die Rechnungstellung sei nur dann über die Klägerin erfolgt, wenn die Behandlung in deren Praxis erfolgt sei. Die Beigeladene habe jederzeit eigene Patienten akquirieren können, ihr sei es freigestanden, die Abrechnung ihrer Leistungen unter Verwendung der Kassenzulassung ihrer weiteren Auftraggeber einzureichen. Sie sei auch so verfahren. Die Beigeladene sei auch nicht gehindert gewesen, bei Selbstzahlern direkt abzurechnen.
Die Beklagte hat mit Bescheid vom 1. März 2011 den Bescheid vom 30. Juli 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2010 abgeändert und festgestellt, dass in der von der Beigeladenen seit 12. September 2007 ausgeübten Beschäftigung als Logopädin Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe.
Die Klägerin hat ihre logopädische Praxis mittlerweile aufgegeben.
Die Beigeladene hat in der mündlichen Verhandlung vor dem SG u. a. erklärt, sich bewusst für eine Tätigkeit als freie Mitarbeiterin entschieden zu haben, da sie flexibel habe sein wollen. Die Behandlungen habe sie in eigener Verantwortung ohne Rücksprache mit der Klägerin durchgeführt und nur zur Abrechnung dann die Verordnung bei dieser eingereicht. Mit der Krankenkasse habe nur die Klägerin abrechnen können. Wenn an den Abrechnungsunterlagen etwas nicht gestimmt habe und deswegen die Kasse nicht gezahlt habe, habe sie – die Beigeladene – auch keine Vergütung bekommen.
Die Klägerin hat erklärt, sie habe zwei fest angestellte Mitarbeiter und zwei Honorarkräfte gehabt. Die Festangestellten seien 35 – 40 Stunden wöchentlich tätig gewesen und hätten nach ihren Anweisungen arbeiten müssen, gegebenenfalls nach Besprechungen im Team. Behandelt seien von ihr die Patienten, die sich an ihre Praxis gewandt hätten. Sie habe mit der Kündigung der Beigeladenen von dieser die Übergabe der Patientenakten verlangt, weil sie diese zehn Jahre aufbewahren müsse. Die Akten der Patienten, die die Beigeladene behandelt habe, seien während der Behandlung bei dieser geführt und nach der Behandlung bei ihr – der Klägerin – archiviert worden. Dort habe die Beigeladene einen gesonderten Aktenordner gehabt. An den wöchentlichen Teamsitzungen hätten nur die angestellten Mitarbeiter teilgenommen.
Das SG hat mit Urteil vom 21. August 2013 den Bescheid der Beklagten vom 30. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar 2010 und des Bescheids vom 1. März 2011 aufgehoben. Es hat festgestellt, dass die Beigeladene in ihrer Tätigkeit für die Klägerin ab dem 12. September 2007 bis zum 30. September 2009 nicht aufgrund einer abhängigen Beschäftigung in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig war. Zur Begründung hat es ausgeführt, entscheidend sei das Fehlen einer Weisungsabhängigkeit und einer mehr als nur geringgradige Eingliederung in eine fremd bestimmte betriebliche Ordnung. Dass die Beigeladene überhaupt für die Klägerin tätig geworden sei, sei nämlich im Wesentlichen nur wegen der fehlenden eigenen Abrechnungsbefugnis der Fall gewesen. Die Sichtweise einer fehlenden Weisungsunterworfenheit ergebe sich auch aus den getroffenen vertraglichen Regelungen.
Aus denselben Gründen habe auch der Feststellungsantrag der Klägerin und der Beigeladenen Erfolg.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 23. September 2013. Zur Begründung führt sie aus, entgegen dem SG sei von Weisungsabhängigkeit auszugehen. Die Klägerin habe eine logopädische Praxis betrieben und sei Mitglied im Deutschen Bundesverband für Logopädie e. V. gewesen. Sie sei damit Leistungserbringerin auf der Grundlage der zwischen dem Spitzenverband der Krankenkassen und dem Deutschen Bundesverband für Logopädie abgeschlossenen Rahmenempfehlung – Logopädie und den dazugehörigen Leistungsbeschreibungen gewesen. Innerhalb dieser Struktur, die einem intensiven Qualitätsmanagement unterliege, erbringe die Beigeladene ihre Leistungen für die Klägerin. Sie sei für die Ausübung ihrer erlangten Tätigkeit auf die Eingliederung in eine fremde Betriebsorganisation, wie sie die Klägerin vorhalte, angewiesen. Ein Tätigwerden außerhalb der in der Rahmenempfehlung – Logopädie festgelegten Struktur in Bezug auf Datenschutz (§ 8), organisatorische Voraussetzungen (§ 12), personelle Voraussetzungen (§ 13) seien unzulässig und könnten zum Verlust der Zulassung führen. Es sei insoweit folgerichtig, dass die Klägerin auf die Rückgabe der Akten ihrer Patienten nach Beendigung der Zusammenarbeit bestanden habe. Daraus ergebe sich aber, dass sich die Klägerin insgesamt ihrer Verantwortung bewusst gewesen sei und nicht lediglich als Abrechnungsstelle für die Beigeladene habe dienen können. Dem Umstand, dass der Beigeladenen hinsichtlich der therapeutischen Maßnahmen keine Weisungen der Klägerin erhalten habe, trete bei der Gesamtabwägung in den Hintergrund, da Leistungen auf ärztliche Anordnung erbracht würden und bereits aus diesem Grund festgelegt seien. Darüber hinaus stehe einem Behandler im Bereich der medizinischen Berufe gewisse Spielräume zu (Bezugnahme auf Beschluss des hiesigen Senats vom 24. Oktober 2010 – L 1 KR 341/09).
Die Beklagte beruft sich ferner auf die Entscheidung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 18. Juli 2012 (L 2 R 115/12).
Sie beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. August 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin und die Beigeladene zu 1) beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen die angegriffene Entscheidung.
Auf die von den Beteiligten eingereichten Unterlagen wird ergänzend Bezug genommen.
Der Senat konnte im Beschlusswege gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden. Die Beteiligten sind auf die Absicht, so vorzugehen, im Erörterungstermin am 29. September 2014 hingewiesen worden.
Die Berufung hat keinen Erfolg. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzten die Klägerin in ihren Rechten. Das SG hat der Klage deshalb richtigerweise stattgegeben. Der Senat verweist zunächst zur Vermeidung bloßer Wiederholungen auf die sorgfältig begründeten Ausführungen im angegriffenen Urteil (§ 153 Abs. 2 SGG).
Der Eintritt von Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung und der Arbeitsförderung wegen Aufnahme einer abhängigen Arbeit bestimmt sich nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III, § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 1 Nr. 1 SGB VI und § 20 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI. Die für den Eintritt von Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung sowie der Kranken-, Renten- und sozialen Pflegeversicherung danach erforderliche Beschäftigung wird in § 7 Abs. 1 SGB IV näher definiert. Beschäftigung ist danach die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
Abzugrenzen ist eine Versicherungspflicht begründende abhängige Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) liegt Beschäftigung vor, wenn die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit erbracht wird. Dieses Merkmal ist bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb gegeben, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und mit seiner Tätigkeit einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung erfassenden Weisungsrecht unterliegt. Dabei kann sich die Weisungsgebundenheit insbesondere bei Diensten höherer Art zu einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinern. Dagegen ist eine selbständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freie Gestaltung von Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob eine abhängige Beschäftigung oder Selbständigkeit vorliegt, richtet sich danach, welche der genannten Merkmale bei Betrachtung des Gesamtbildes der Verhältnisse überwiegen (vgl. zum Ganzen BSG Urt. v. 25. April 2012 – B 12 KR 24/10 R – juris Rdnr. 16). Manche Dienstleistungen, insbesondere solche, deren Gegenstand eine persönlich geprägte Betreuung ist, können sowohl in der Form einer abhängigen Beschäftigung als auch in der einer selbständigen Tätigkeit erbracht werden (BSG, a.a.O.; BSG Urt. v. 28. September 2011 – B 12 R 17/09 R – juris Rdnr. 17).
Wie das SG bereits zutreffend festgestellt hat, spricht zwar für das Vorliegen einer Beschäftigung das Fehlen eines erheblichen unternehmerischen Risikos, da die Beigeladene keine eigene Praxis unterhalten musste. Dass die Beigeladene von der Kassenvergütung für die von ihr auf Rechnung der Klägerin behandelten Patienten nur einen Anteil von 70 % erhält, führt nicht zu einer relevanten Risikoübernahme durch eine Beteiligung der Praxiskosten. Denn die Beigeladene musste sich gerade nicht unabhängig von eigenen Patienten an Fixkosten beteiligen. Ebenfalls für das Vorliegen einer Beschäftigung spricht auch, dass die Beigeladene auf Rechnung der Klägerin tätig wurde und insoweit -also im Verhältnis gegenüber den Krankenkassen- deren Patienten behandelt hat.
Bei der Abwägung müssen jedoch alle nach Lage des Einzelfalles relevanten Indizien berücksichtigt und innerhalb einer Gesamtschau gewichtet und gegeneinander abgewogen werden.
Der Senat geht davon aus, dass es sich bei der Tätigkeit der Beigeladenen als Logopädin um eine Dienstleistung aus dem Bereich der persönlich geprägten Gesundheitsleistungen handelt, die demnach grundsätzlich sowohl in der Form einer abhängigen Beschäftigung als auch einer selbständigen Tätigkeit erbracht werden kann. Entscheidend ist deswegen, wie die Tätigkeit organisiert und ausgestaltet ist.
Auszugehen ist zunächst von den zwischen den Beteiligten getroffenen vertraglichen Abreden. Der zwischen der Klägerin und der Beigeladenen geschlossene „Honorarvertrag“ spricht dafür, dass die Beteiligten eine selbständige Tätigkeit vereinbaren wollten. Geregelt wird die Abrechnung geleisteter Therapien. Der Vertrag enthält keine Abreden, die für eine abhängige Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) sprechen würden. Der Beigeladenen konnte Arbeitszeit und Arbeitsdauer frei einteilen. Ein Weisungsrecht der Klägerin war hinsichtlich der Tätigkeit der therapeutischen Maßnahmen ausdrücklich ausgeschlossen.
Allerdings kommt es nicht entscheidend auf die in den von den Vertragspartnern im Vertrag verwendeten Bezeichnungen an, denn das Entstehen von Versicherungspflicht ergibt sich aus dem Gesetz und kann folglich nicht Gegenstand einzelvertraglicher Vereinbarungen sein. Erheblich für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist deswegen (auch) die tatsächliche Ausgestaltung der Verhältnisse, welchen gegebenenfalls sogar stärkeres Gewicht als abweichenden vertraglichen Regelungen zukommen kann (Urteil des BSG vom 28. Mai 2008 – B 12 KR 13/07 R – juris Rdnr. 17; Urteil des BSG vom 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 R – juris Rdnr. 17).
Der Senat kann in diesem Zusammenhang zunächst nicht feststellen, dass die Klägerin andere Kräfte als die Beigeladene auch formal als Arbeitnehmer führte, obwohl sich deren Tätigkeit von der der Beigeladenen nicht wesentlich unterschieden hat. Es gab vielmehr entscheidende Unterschiede: Ihre Festangestellten mussten die ihnen zugewiesenen Patienten betreuen und auf Anweisung der Klägerin tätig werden. Die Beigeladene betreute weisungsfrei ihre eigenen Patienten. Sie musste an den Besprechungen nicht teilnehmen.
Der Senat hat sich weiter auch nicht davon überzeugen können, dass die Beigeladene unabhängig von der im Vertrag formulierten freien Tätigkeit in Wahrheit einem Weisungsrecht der Klägerin unterlegen hat, das geeignet wäre, eine abhängige Beschäftigung zu begründen.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV entscheidet über das Bestehen einer abhängigen Beschäftigung insbesondere das Ausüben einer Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
Im Gegensatz zu dem vom Senat mit Beschluss vom 24. August 2010 (L 1 KR 341/09) entschiedenen Fall konnte die Klägerin der Beigeladenen keine Patienten zuteilen. Im dortigen Fall war der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der dortige Mitarbeiter nicht über seine Arbeitskraft (völlig) frei habe verfügen können. Ihm seien im Betrieb der Auftraggeberin von deren Mitarbeitern Patienten zugewiesen worden.
Dies unterscheidet den vorliegenden Fall auch von dem, welcher dem Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 18. Juli 2012 (L 2 R 115/12) zugrunde lag. Ein (schriftlicher) Vertrag wurde zwischen den dortigen Vertragspartnern nicht geschlossen. Auch dem Masseur und Medizinischen Bademeister, um dessen Status in diesem Verfahren gestritten wurde, war bereits aufgrund der Anzahl der ihm von seiner Auftraggeberin zugewiesenen Kunden/Patienten nicht frei, die Behandlungsdauer nach eigenem Gutdünken wesentlich zu verkürzen oder zu verlängern. Er ist -ausweislich der Entscheidung- sowohl nach den vertraglichen Vereinbarungen als auch nach der tatsächlichen Handhabung wie ein Angestellter der Klägerin aufgetreten. Im Gegensatz hierzu ist die Beigeladene nur gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen als Mitarbeiterin der Klägerin geführt worden, nicht aber gegenüber den Patienten als solche aufgetreten.
Soweit sich die Beklagte zur Begründung der Berufung auf die „Rahmenempfehlung über die einheitliche Versorgung mit Heilmitteln gemäß § 125 Abs. 1 Sozialgesetzbuch 5. Buch“ zwischen dem GKV-Spitzenverband und den maßgeblichen Spitzenorganisationen der Heilmittelerbringer auf der Bundesebene im Bereich Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie in der Fassung vom 1. Juli 2013 berufen hat, vermag dies eine andere Einschätzung nicht zu rechtfertigen. Ungeachtet der dort als Grundlage der Heilmittelerbringung für die gesetzlichen Krankenversicherungen festgelegten Maßnahmen zur Qualitätssicherung, zur Strukturqualität und zur Qualität der Behandlung gibt die Rahmenempfehlung nicht vor, dass der Heilmittelerbringer nur angestellte Mitarbeiter für sich tätig werden lassen darf. § 13 Abs. 2 der Rahmenvereinbarung geht nämlich ausdrücklich von der Möglichkeit auch freier Mitarbeiter aus. Die Anforderungen an die Gewährleistung des Datenschutzes (§ 8) und an die Qualifikation der therapeutischen Mitarbeiter beziehen sich sowohl auf feste, wie auf freie Mitarbeiter.
Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des BSG etwa für die rechtliche Beurteilung von Lehrtätigkeiten anerkannt, dass eine abhängige Beschäftigung nicht bereits deswegen anzunehmen ist, weil dem Dozenten der äußere Ablauf seiner Lehrtätigkeit vorgegeben wird (vgl. BSG Urt. v. 12. Februar 2004 – B 12 KR 26/02 R – juris Rdnr. 29 ). Auch der Zwang, sich inhaltlich an gewissen Vorgaben auszurichten, führt nicht zur Annahme von Weisungsgebundenheit. Tätigkeiten sind nämlich auch dann weisungsfrei, wenn zwar ihre Ziele vorgegeben werden, die Art und Weise der Ausführung aber dem Dienstleister überlassen bleibt. Entsprechend hat der Senat etwa für die Selbständigkeit vom Bundesrat beauftragter Führer des Besucherdienstes entscheidend darauf abgestellt, dass diese als Honorarkräfte im Kernbereich ihrer Tätigkeit frei waren (Urt. v. 15. Juli 2011 – L 1 KR 206/09 – juris Rdnr. 171). Auch für Einzelfallhelfer hat er dieses Kriterium bereits als maßgeblich herangezogen (Urt. v. 17. Januar 2014 – L 1 KR 175/12 – juris Rdnr. 64).
Hier hat die Beigeladene gegenüber der Klägerin noch nicht einmal Dienste erbracht, soweit sie ihre eigenen Patienten behandelt hat. Sie ist insoweit nicht entlohnt worden, sondern hat ihrerseits die Klägerin bezahlt, indem diese unter anderem für das Abrechnen 30% der Gelder einbehalten durfte.
In diesem Zusammenhang ist abschließend darauf hinzuweisen, dass die Beigeladene auch ein gewisses Unternehmensrisiko getragen hat, weil sie eigene Arbeitsmittel vorhalten musste, vor allem aber auch alleine das Vergütungsausfallrisiko getragen hat: Sie hatte gegenüber der Klägerin keinen Anspruch auf Vergütung sondern nur auf Auskehrung von 70% der tatsächlich vereinnahmten Zahlungen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2, Abs. 3, 162 Abs. 3 VWGO.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG liegen nicht vor.
Die Streitwertfestsetzung, die unanfechtbar ist, folgt aus § 197a SGG in Verbindung mit § 63 Abs. 2, 52 Abs. 1, Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG).