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Entscheidung L 7 KA 113/10 KL


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 7. Senat Entscheidungsdatum 15.05.2013
Aktenzeichen L 7 KA 113/10 KL ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 92 Abs 1 S 1 SGB 5, Anl 3 Nr 38 AMRL

Leitsatz

1. Die Änderung oder der Wegfall der Ermächtigungsgrundlage einer untergesetzlichen Norm berühren nicht per se deren Rechtswirksamkeit; so werden auch die Detailregelungen der Arzneimittel-Richtlinien nicht durch jede Korrektur des Gesetzgebers am Wortlaut der Ermächtigungsnorm gegenstandslos.

2. Der Beklagte darf für den Regelfall davon ausgehen, dass Verordnungen fixer Wirkstoffkombinationen medizinisch problematisch sind, dies als unwirtschaftlich bzw. unzweckmäßig bewerten und die Verordnungsfähigkeit beschränken; anderes gilt nur, wenn der Zusatznutzen des Kombinationspräparats wissenschaftlich belegt ist.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen den Verordnungsausschluss für Otobacid® N Ohrentropfen.

Die Klägerin ist ein pharmazeutisches Unternehmen und Herstellerin der verschreibungspflichtigen Otobacid® N Ohrentropfen, Lösung. Die Arzneimittelzulassung erstreckt sich auf „entzündliche Erkrankungen des Ohres, wie insbesondere Entzündung des Gehörgangs und Gehörgangsekzem, bakteriell-entzündliche Erkrankung der Ohrmuschel, Begleitbehandlung der akuten Mittelohrentzündung (neben Antibiotika, abschwellenden Nasentropfen usw.)“. Als arzneilich wirksame Bestandteile enthalten Otobacid® N Ohrentropfen das Corticosteroid Dexamethason 1,12 mg, das Lokalanästhetikum Cinchocainhydrochlorid 28,12 mg, das Antiseptikum Butan-1,3-diol 2698,64 mg sowie als sonstigen Bestandteil Glycerol (Fachinformation mit Stand 08/2010).

Nach Nr. 38 der Anlage III der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) in der seit 1. April 2009 geltenden Fassung (Beschluss des Beklagten vom 18. Dezember 2008/22. Januar 2009) i.V.m. § 16 Abs. 1 bis 3 der AM-RL sind von der Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen

„Otologika – ausgenommen Antibiotika oder Corticosteroide bei Entzündungen des äußeren Gehörganges“.

Mit Beschluss vom 19. Mai 2011 (Einleitung des Stellungnahmeverfahrens mit Beschluss vom 10. August 2010, veröffentlicht im Bundesanzeiger vom 5. August 2011) änderte der Beklagte Nr. 38 der Anlage III der AM-RL, die seitdem folgenden Wortlaut hat:

„Otologika

ausgenommen Antibiotika und Corticosteroide auch in fixer Kombination untereinander zur lokalen Anwendung bei Entzündungen des äußeren Gehörganges
ausgenommen Ciprofloxacin zur lokalen Anwendung als alleinige Therapie bei chronisch eitriger Entzündung des Mittelohrs mit Trommelfelldefekt (Trommelfellperforation)“

(Schon) mit Schreiben vom 19. Februar 2010 wandte die Klägerin sich an den Beklagten und bat um Klarstellung – auch gegenüber den Kassenärztlichen Vereinigungen -, dass Verordnungsfähigkeit für Otologika bei Entzündungen des äußeren Gehörganges auch dann bestehe, wenn – wie bei Otobacid® N – neben einem Corticosteroid auch andere Wirkstoffe enthalten seien, die nicht unter die in Nr. 38 der Anlage III der AM-RL genannten zwei Wirkstoffgruppen fielen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und – ihr folgend – die Kassenärztlichen Vereinigungen verträten nämlich in fehlerhafter Auslegung von Nr. 38 der Anlage III der AM-RL eine andere Auffassung und hielten Otobacid® N für nicht verordnungsfähig, weil es kein Monopräparat sei, da es neben dem Corticosteroid noch ein Lokalanästhetikum enthalte (Hinweis auf die Veröffentlichung der KBV „Fragen-und-Antworten-Katalogzur Anlage III“unter http://www.kbv.de/ais/22990.html). Sowohl die KBV als auch die Kassenärztlichen Vereinigungen Brandenburg und Baden-Württemberg hätten sie wegen einer Klarstellung an den Beklagten als Normgeber verwiesen.

Der Unterausschuss Arzneimittel des Beklagten befasste sich in seiner Sitzung vom 11. März 2010 mit dem Anliegen der Klägerin. Laut Ergebnisniederschrift bestand Einvernehmen darüber, dass Otobacid® N Ohrentropfen als Otologikum nach Nr. 38 Anlage III von der Verordnungsfähigkeit ausgeschlossen seien. Der Ausnahmetatbestand sei nicht erfüllt, weil mit dem Tatbestandsmerkmal „Corticosteroide“ nur Monopräparate gemeint seien, nicht aber Kombipräparate wie Otobacid® N. Selbst wenn es derzeit keine Otologika gebe, die ausschließlich ein Corticosteroid zur Behandlung von Entzündungen des äußeren Gehörganges enthielten, rechtfertige dies keine andere Beurteilung. Mit Schreiben vom 6. April 2010 teilte der Beklagte der Klägerin das Ergebnis dieser Beratung mit.

Am 26. April 2010 hat die Klägerin um die Gewährung von Eilrechtsschutz nachgesucht mit dem Ziel, dem Antragsgegner die Behauptung zu untersagen, Otobacid® N sei nicht verordnungsfähig zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (L 7 KA 11/10 KL ER). Mit Beschluss vom 27. August 2010 hat der Senat den Eilantrag zurückgewiesen. Er sei schon unzulässig, denn dem Beklagten könne nicht eine bestimmte Interpretation der AM-RL aufgezwungen werden. Im Übrigen spreche alles für die Richtigkeit der vom Beklagten vertretenen Interpretation von Nr. 38 der Anlage III der AM-RL, denn als Kombipräparat fall Otobacid® N nicht unter den Ausnahmetatbestand.

Mit der am 2. Dezember 2010 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie erstrebt die Verordnungsfähigkeit von Otobacid® N Ohrentropfen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Zwar unterfalle das Arzneimittel nach dem Wortlaut von Nr. 38 der Anlage III der AM-RL dem Verordnungsausschluss, da es als Kombipräparat (Corticosteroid, Lokalanästhetikum Cinchocainhydrochlorid und Antiseptikum) die Ausnahmevoraussetzungen nicht erfülle. Allerdings sei es nicht gerechtfertigt, nur Antibiotika und Corticosteroide auch in fixer Kombination untereinander vom Verordnungsausschluss auszunehmen. Denn gerade die zusätzliche Verabreichung eines Lokalanästhetikums sei geeignet, die bei Entzündungen des äußeren Gehörganges regelmäßig vorhandenen Schmerzen zu bekämpfen. Das entspreche verbreiteter medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnis und jahrzehntelangen ärztlichen Erfahrungen (Hinweis auf DEGAM-Leitlinie S. 39). Dass bei der Anwendung drei Komponenten zugleich wirksam würden, sei ein großer Vorteil etwa gegenüber der zusätzlichen Verabreichung von Schmerzmitteln; auch die Wirtschaftlichkeit dieser Behandlungsweise liege auf der Hand. Die Wirksamkeit von Otobacid® N Ohrentropfen sei im Übrigen durch die Arzneimittelzulassung belegt; so dürfe der Beklagte etwa die Zweckmäßigkeit des fixen Zusatzes lokaler Anästhetika unter dem Gesichtspunkt der medizinischen Notwendigkeit nicht in Frage stellen. Die Unzweckmäßigkeit der Behandlung entzündlicher Erkrankungen des Ohres mit Otobacid® N Ohrentropfen sei daher keinesfalls erwiesen; deshalb sei der Verordnungsausschluss zumindest im Lichte des mit Wirkung vom 1. Januar 2011 geltenden Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) rechtswidrig. Dieses habe nämlich den Verordnungsausschluss durch die Formulierung erschwert, dass die Unzweckmäßigkeit des Arzneimittels für den Verordnungsausschluss erwiesen sein müsse.

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass Nr. 38 der Anlage III der AM-RL in den seit 1. April 2009 geltenden Fassungen, insbesondere in der seit dem 5. August 2011 geltenden Fassung, das Arzneimittel Otobacid® N Ohrentropfen nicht von der Verordnungsfähigkeit ausschließt und

festzustellen, dass in Nr. 38 der Anlage III der AM-RL in der Unterausnahme, nach der für Otologika ausnahmsweise Verordnungsfähigkeit besteht, die nachfolgend durch Unterstreichung hervorgehobenen Zusätze zu erfolgen haben: „ausgenommen Antibiotika oder Lokalanästhetika und Kortikosteroide auch in fixer Kombination untereinander ggf. mit einem Antiseptikum zur lokalen Anwendung bei Entzündungen des äußeren Gehörganges,

hilfsweise festzustellen, dass Nr. 38 der Anlage III der AM-RL in den seit 1. April 2009 geltenden Fassungen rechtswidrig und damit nichtig ist.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der für Otobacid® N Ohrentropfen geltende Verordnungsausschluss sei zu Recht erfolgt, denn die fixe Kombination von Corticosteroid, Lokalanästhetikum und Antiseptikum stelle keine zweckmäßige Therapieoption zur Behandlung von Entzündungen des äußeren Gehörganges dar; die Unzweckmäßigkeit sei erwiesen. Das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) habe bis dahin in Kraft getretene Verordnungsausschlüsse grundsätzlich unberührt gelassen und gelte nur ex-nunc. Seiner Beobachtungs- und Korrekturpflicht habe der Beklagte genügt. Unabhängig davon entspreche der Verordnungsausschluss für Otobacid® N den gesetzlichen Erfordernissen sowohl vor als auch nach Inkrafttreten des AMNOG zum 1. Januar 2011. Der grundsätzliche Verordnungsausschluss für Otologika beruhe auf der Erwägung, dass eine kausale Arzneimitteltherapie von Ohrenentzündungen aufgrund der hohen Selbstheilungsrate in der Regel weder zweckmäßig noch notwendig sei (Hinweis auf DEGAM-Leitlinie, S. 22). Die kausale Therapie von Entzündungen des äußeren Gehörganges mit Antibiotika und Corticosteroiden sei hingegen zweckmäßig, so dass die „Rückausnahme“ geboten sei. Weil der Einsatz eines Kombinationspräparates wie Otobacid® N dazu führe, dass dem Organismus verschiedene Wirksubstanzen unter Umständen in einer Menge zugeführt würden, deren medizinische Notwendigkeit ungewiss sei, sei ihr Einsatz grundsätzlich als unzweckmäßig anzusehen, es sei denn, die Überlegenheit des Kombinationspräparats gegenüber dem Monopräparat sei wissenschaftlich belegt. Während für Entzündungen des äußeren Gehörganges die Anwendung von Antibiotika und Corticosteroiden dem anerkannten Stand medizinischer Erkenntnisse entspreche, gebe es für ein Kombinationspräparat wie Otobacid® N keine Belege in Bezug auf den Nutzen der Behandlungsmethode. Aus der bloßen arzneimittelrechtlichen Zulassung von Otobacid® N Ohrentropfen könne die Klägerin nichts Gegenteiliges ableiten, denn während es in dem Zulassungsverfahren nur um den Nachweis der Wirksamkeit, der Unbedenklichkeit und der pharmazeutischen Qualität des Arzneimittels gehe, erfordere die Verordnungsfähigkeit zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung darüber hinaus den therapeutischen Nutzen und die Effizienz des Arzneimittels in Relation zu anderen verfügbaren Mitteln.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Streitakte L 7 KA 11/10 KL ER Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat weder mit den Hauptanträgen noch mit dem Hilfsantrag Erfolg.

A. Für die Klage ist das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg erstinstanzlich zuständig, § 29 Abs. 4 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn die Klägerin wendet sich gegen eine Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses in Bezug auf einen Verordnungsausschluss in Anlage III der Arzneimittel-Richtlinie.

Der Senat behandelt die Streitsache als eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts im Sinne der §§ 10 Abs. 2 Nr. 1, 31 Abs. 2 SGG (siehe auch Abschnitt B II 1 a [2] des „zusammenfassenden Standpunktes des 1., 3. und 6 Senats des Bundessozialgerichts zu § 10 Abs. 2 SGG“).

B. Der Hauptantrag ist zulässig, soweit es um die Feststellung geht, dass Nr. 38 der Anlage III der AM-RL in den seit 1. April 2009 geltenden Fassungen, insbesondere in der seit dem 5. August 2011 geltenden Fassung, das Arzneimittel Otobacid® N Ohrentropfen nicht von der Verordnungsfähigkeit ausschließt; im Übrigen ist der Hauptantrag unzulässig.

Allerdings sind beide im Hauptbegehren liegenden und nach dem ausdrücklichen Willen der Klägerin kumulativ zu verstehenden Feststellungsanträge statthaft. Die Beteiligten streiten insoweit um das „Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses“. Grundsätzlich gilt hier (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 14. Dezember 2011, B 6 KA 29/10 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 19-24 [Monapax]): Aufgrund der Notwendigkeit der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz) kann mit einer fachgerichtlichen Feststellungsklage nach §§ 29 Abs. 4 Nr. 3, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG nicht nur die Unwirksamkeit einer untergesetzlichen Rechtsnorm, sondern auch deren fehlerhafte Auslegung oder Anwendung sowie ein Anspruch auf deren Änderung geltend gemacht werden. Hieran gemessen haben beide Hauptanträge statthaften Inhalt: Der erste Teil zielt auf die Auslegung von Nr. 38 der Anlage III der AM-RL mit dem Ziel der Feststellung, dass das Arzneimittel der Klägerin nicht vom Verordnungsausschluss erfasst sei; der zweite Teil zielt auf eine Änderung des Wortlauts von Nr. 38 der Anlage III der AM-RL und verfolgt damit unmittelbar einen Anspruch auf Normergänzung (vgl. zum Normcharakter der AM-RL Bundessozialgericht, Urteil vom 20. März 1996, 6 RKa 62/94, zitiert nach juris, dort Rdnr. 20 sowie Urteil vom 3. Juli 2012, B 1 KR 23/11 R [Gepan Instill], zitiert nach juris, dort Rdnr. 26). Auch dies ist nach der Monapax-Entscheidung des Bundessozialgerichts grundsätzlich vom Spektrum der Feststellungsklage erfasst.

Die Klägerin auch ist klagebefugt, § 54 Abs. 2 SGG, und verfügt über ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, § 55 Abs. 1, 2. Halbs. SGG, denn es ist nicht schlechthin ausgeschlossen, dass der Beklagte einen Verordnungsausschluss für Otobacid® N Ohrentropfen zu Unrecht behauptet; jedenfalls berührt ein Verordnungsausschluss die Klägerin als Herstellerin des fraglichen Arzneimittels in ihrem Grundrecht auf freie Berufsausübung aus Art. 12 Abs. 1 GG (vgl. Beck in jurisPK SGB V, Rdnr. 41 zu § 34).

Allerdings besteht für den zweiten Hauptantrag kein Rechtsschutzbedürfnis. Dieses fehlt grundsätzlich, wenn das begehrte Urteil die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung des Klägers nicht verbessern würde oder wenn das angestrebte Ergebnis auf einfachere Weise erreicht werden kann (vgl. nur Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 10. Aufl. 2012, Rdnr. 16 vor § 51; Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Rdnrn. 32, 33, 39 zu § 43). So liegt es hier. Der zweite Hauptantrag kann die Rechtsstellung der Klägerin nicht zusätzlich verbessern. Denn bei Erfolg des ersten Hauptantrages wird eine Entscheidung über den Normergänzungsantrag entbehrlich. Wenn nämlich festgestellt ist, dass Nr. 38 der Anlage III der AM-RL in der bisher geltenden Formulierung des Beklagten das Arzneimittel Otobacid® N Ohrentropfen nicht von der Verordnungsfähigkeit ausschließt, bedarf es keiner Ergänzung der Ausnahmeformulierung – auch nicht zum Zwecke der Klarstellung – in der von der Klägerin gewünschten Form.

C. Der (zulässige) Hauptantrag festzustellen, dass Nr. 38 der Anlage III der AM-RL in den seit 1. April 2009 geltenden Fassungen, insbesondere in der seit dem 5. August 2011 geltenden Fassung, das Arzneimittel Otobacid® N Ohrentropfen nicht von der Verordnungsfähigkeit ausschließt, ist unbegründet. Er ist schon insoweit widersprüchlich, als die Klägerin mit ihm hinter ihre eigene Klagebegründung zurückfällt, in der sie selbst von der Annahme ausgeht, dass Nr. 38 der Anlage III der AM-RL seinem Wortlaut nach einen Verordnungsausschluss für Otobacid® N Ohrentropfen enthält.

Der Senat bleibt insoweit bei seinen Ausführungen im Eilbeschluss vom 27. August 2010 (L 7 KA 11/10 KL ER, Beschlussumdruck S. 11, bei juris Rdnr. 32), wonach – für die außer Kraft getretene Fassung von Nr. 38 der Anlage III der AM-RL – die für Antibiotika und Corticosteroide bestehende Ausnahme vom Verordnungsausschluss nur für Monopräparate galt und Otobacid® N Ohrentropfen als Kombipräparat hiervon gerade nicht umfasst war.

Erst recht gilt diese Auslegung für die gegenwärtig geltende Fassung von Nr. 38 der Anlage III der AM-RL, die als Ausnahme vom Verordnungsausschluss „Antibiotika und Corticosteroide auch in fixer Kombination untereinander zur lokalen Anwendung bei Entzündungen des äußeren Gehörganges“ definiert. Die Hinzunahme der Formulierung „auch in fixer Kombination untereinander“ verdeutlicht, dass jeweils nur die Monopräparate gemeint sein können, nun gegebenenfalls auch in Kombination untereinander. Dies bedarf keiner weiteren Vertiefung, denn der Wortlaut der Norm lässt keine andere Auslegung zu.

D. Ohne Erfolg bleibt die Klage auch mit dem Hilfsantrag festzustellen, dass Nr. 38 der Anlage III der AM-RL in den seit 1. April 2009 geltenden Fassungen rechtswidrig und damit nichtig ist.

An der Zulässigkeit des Hilfsantrages bestehen, gemessen an den oben unter B. aufgeführten Kriterien, keine Bedenken.

Der Hilfsantrag ist jedoch unbegründet. Zur Überzeugung des Senats bestehen keine durchgreifenden Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit bzw. Nichtigkeit von Nr. 38 der Anlage III der AM-RL in den seit dem 1. April 2009 geltende Fassungen. Insbesondere ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Ausnahme vom Verordnungsausschluss nicht auch Otobacid® N Ohrentropfen umfasst.

I. Rechtsgrundlage für den seit dem 1. April 2009 geltenden Verordnungsausschluss für Otologika durch Nr. 38 der Anlage III der AM-RL ist § 92 Abs. 1 Satz 1, Halbs. 1 und 3 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung, der lautete:

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewährung für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; (…) er kann dabei die Erbringung und Verordnung von Leistungen einschließlich Arzneimitteln oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen, wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind sowie wenn insbesondere ein Arzneimittel unzweckmäßig oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist.

Es bedarf keiner weiteren Begründung, dass der Verordnungsausschluss in Nr. 38 der Anlage III der AM-RL in der seit 1. April 2009 geltenden Fassung (Beschluss des Beklagten vom 18. Dezember 2008/22. Januar 2009, „Otologika – ausgenommen Antibiotika oder Corticosteroide bei Entzündungen des äußeren Gehörganges“) sich an dieser Fassung des Gesetzes messen lassen muss.

II. Ohne maßgebliche Auswirkungen bleiben insoweit die Änderungen, die § 92 Abs. 1 SGB V durch das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2262) mit Wirkung vom 1. Januar 2011 erfahren hat.

1. § 92 Abs. 1 Satz 1, Halbs. 1 und 4 SGB V lautet nunmehr:

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewährung für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; (…) er kann die Verordnung von Arzneimitteln einschränken oder ausschließen, wenn die Unzweckmäßigkeit erwiesen oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist.

Der vom AMNOG gewählte Wortlaut § 92 Abs. 1 SGB V knüpft einen Verordnungsausschluss für Arzneimittel damit an teilweise strengere Voraussetzungen. Während der Verordnungsausschluss nach beiden Fassungen des Gesetzes erfolgen darf, „wenn eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist“, ist der Aspekt der Unzweckmäßigkeit des Arzneimittels unterschiedlich geregelt. Nach § 92 Abs. 1 Satz 1, Halbs. 3 SGB V a.F. durfte ein Verordnungsausschluss auch erfolgen, „wenn insbesondere ein Arzneimittel unzweckmäßig (…) ist“. Der vom AMNOG gewählte Wortlaut erfordert dagegen, dass „die Unzweckmäßigkeit erwiesen (…) ist“. Hierin liegt ein Unterschied und eine Verschärfung zu Lasten des Beklagten. Bei Verordnungsausschlüssen auf der Grundlage des § 92 Abs. 1 SGB V n.F. kehrt sich die Beweislast nämlich um: Nicht schon der mangelnde Nachweis der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit, sondern erst der Beweis der Unzweckmäßigkeit oder Unwirtschaftlichkeit durch den Beklagten erlauben es ihm, neue Ausschlüsse von Arzneimittelverordnungen zu regeln (vgl. Hauck, GesR 2011, S. 70 f.).

Die Umformulierung beruht auf einer Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit (BT-Drs. 17/3698, S. 19) auf der Grundlage folgender Erwägungen (a.a.O., S. 52):

Der Gemeinsame Bundesausschuss kann die Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln nur dann ausschließen, wenn deren Unzweckmäßigkeit erwiesen ist, oder wenn es wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeiten gibt. Ein Verordnungsausschluss wegen fehlenden Nutzennachweises ist ausgeschlossen, weil bei Arzneimitteln – im Unterschied zu anderen medizinischen Methoden oder Produkten – die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bereits bei der arzneimittelrechtlichen Zulassung von den zuständigen Zulassungsbehörden geprüft werden. Diese Kriterien darf der Gemeinsame Bundesausschuss unter dem Aspekt des medizinischen Nutzens eines Arzneimittels nicht abweichend von der Beurteilung der Zulassungsbehörde bewerten. Im Unterschied zu anderen medizinischen Methoden oder Produkten stellt bei Arzneimitteln die arzneimittelrechtliche Zulassung sicher, dass Arzneimittel grundsätzlich für die Behandlung der zugelassenen Indikationen geeignet sind. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann darüber hinaus den Zusatznutzen gegenüber Therapiealternativen bewerten. Dieser Aspekt wird bei der arzneimittelrechtlichen Zulassung nicht geprüft. Lässt sich nicht nachweisen, dass ein Arzneimittel einen Zu- satznutzen hat, es jedoch höhere Kosten verursacht, kann der Gemeinsame Bundesausschuss die Verordnungsfähigkeit einschränken oder ausschließen. Das gilt auch, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss nachweisen kann, dass ein Arzneimittel unzweckmäßig ist. Der Nachweis der Unzweckmäßigkeit muss dabei mit hoher Sicherheit erbracht sein. Für den Nachweis gelten die in § 35 Absatz 1b Satz 4 und 5 genannten Anforderungen entsprechend. Bei unsicherer Datenlage ist ein Verordnungsausschluss nicht verhältnismäßig. In diesem Fall kann der Gemeinsame Bundesausschuss einen Therapiehinweis nach Absatz 2 beschließen. (Unterstreichung hier)

In diesem Zusammenhang ist dem Beklagten das Recht eingeräumt, den Beweis der Unzweckmäßigkeit oder der Unwirtschaftlichkeit eines Arzneimittels zu führen, indem er dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) Aufträge zur Bewertung des Nutzens und der Kosten des Arzneimittels nach § 139b SGB V erteilt. Nach § 92 Abs. 2 Satz 10 SGB V n.F. beschließt der Beklagte Verordnungseinschränkungen und -ausschlüsse für Arzneimittel gesondert in Richtlinien außerhalb von Therapiehinweisen; zwischen Verordnungseinschränkungen und –ausschlüssen einerseits und Therapiehinweisen andererseits ist also streng zu unterscheiden. Zudem darf der Beklagte nach § 92 Abs. 2 Satz 11 SGB V n.F. Verordnungseinschränkungen und -ausschlüsse nur vornehmen, wenn die Wirtschaftlichkeit nicht durch einen Festbetrag nach § 35 SGB V oder durch die Vereinbarung eines Erstattungsbetrages nach § 130b SGB V hergestellt werden kann. § 92 Abs. 2 Satz 12 SGB V n.F. schließlich regelt ausdrücklich, dass Verordnungseinschränkungen oder -ausschlüsse eines Arzneimittels wegen Unzweckmäßigkeit nach § 92 Abs. 1 Satz 1 den Feststellungen der Zulassungsbehörde über Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels nicht widersprechen dürfen.

2. Bei alledem gilt allerdings grundsätzlich, dass bislang auf Grundlage des § 92 Abs. 1 SGB V a.F. geregelte rechtmäßige Verordnungsausschlüsse von Arzneimitteln durch den Beklagten auch nach Inkrafttreten des AMNOG bestehen bleiben (vgl. Hauck, a.a.O., S. 70). Die Änderung oder der Wegfall der Ermächtigungsgrundlage einer untergesetzlichen Norm berührten nämlich nicht per se deren Rechtswirksamkeit(vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 1. März 2011, B 1 KR 10/10 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 58 [Sortis], unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungs- und des Bundesverfassungsgerichts); so werden auch die Detailregelungen der Arzneimittel-Richtlinien nicht durch jede Korrektur des Gesetzgebers am Wortlaut der Ermächtigungsnorm gegenstandslos. Dies widerspräche dem Grundsatz der Normenkontinuität. Damit bleibt es auch nach Inkrafttreten des AMNOG zum 1. Januar 2011 dabei, dass als Rechtsgrundlage für Nr. 38 der Anlage III der AM-RL weiter § 92 Abs. 1 SGB V in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung zugrunde zu legen ist, zumal am grundsätzlich bestehenden Verordnungsausschluss für Otologika nach Inkrafttreten des AMNOG keine Änderung eingetreten ist.

III. Hieran ändert sich auch dadurch nichts, dass der Beklagte unter Geltung des AMNOG mit Beschluss vom 19. Mai 2011 Nr. 38 der Anlage III der AM-RL dahin gehend modifiziert hat, dass er – bei fortbestehendem Verordnungsausschluss für Otologika – die Ausnahmebestimmung erweitert hat, indem nunmehr (neben dem neu hinzu getretenen Ciproflaxin) „Antibiotika und Corticosteroide auch in fixer Kombination untereinander zur lokalen Anwendung bei Entzündungen des äußeren Gehörganges“ verordnungsfähig sein sollen (Unterstreichung hier).

Aus Sicht der Versicherten führt diese Umformulierung zu einer Abmilderung des Verordnungsausschlusses, weil als Otologika nunmehr ausnahmsweise und anders als zuvor auch aus Antibiotika und Corticosteroiden bestehende Kombipräparate verordnungsfähig sind; Grund für diese Erweiterung der Ausnahmebestimmung waren die evidenzgestützte Einsicht, dass Patienten von einer solchen fixen Kombination profitieren können sowie die Tatsache, dass keine Otologika verfügbar waren, die ausschließlich ein Corticosteroid zur Behandlung von Entzündungen des äußeren Gehörganges enthielten (Tragende Gründe zum Beschluss vom 10. August 2010, Seite 3). Damit hat der Beklagte den unter Geltung von § 92 Abs. 1 SGB V in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung eingeführten Verordnungsausschluss für Otologika lediglich abgemildert.

Aus diesem Grund muss sich der Verordnungsausschluss an sich aber nun nicht etwa an § 92 SGB V in der Fassung des AMNOG messen lassen. Dies wäre nur der Fall, wenn der Beklagte den Verordnungsausschluss nach Inkrafttreten des AMNOG verschärft hätte, indem die Ausnahmebestimmung – anders als hier – enger formuliert worden wäre. Dass die Einführung neuer Verordnungsausschlüsse nach dem 1. Januar 2011 den Regelungen des AMNOG standhalten muss, versteht sich dagegen von selbst; ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.

IV. Nr. 38 der Anlage III der AM-RL in den beiden seit dem 1. April 2009 geltende Fassungen ist mit § 92 Abs. 1 Satz 1, Halbs. 1 und 3 a.F. vereinbar. Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Verordnungsausschluss liegen vor; dass die Ausnahme vom Verordnungsausschluss nicht auch Otobacid® N Ohrentropfen umfasst, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Denn auch zur Überzeugung des Senats sind der therapeutische Nutzen von Otobacid® N Ohrentropfen bzw. die Zweckmäßigkeit dieses Arzneimittels nicht nachgewiesen.

Die an den Regelungen des SGB V orientierte Frage nach Nutzen und Zweckmäßigkeit eines Arzneimittels steht dabei eigenständig neben der arzneimittelrechtlichen Zulassung eines Arzneimittels, denn von letzterer darf nicht automatisch auf seine Zweckmäßigkeit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne geschlossen werden. Eine rechtsgebietsübergreifende Bindung in dem Sinne, dass all dasjenige, was arzneimittelrechtlich zulässig ist, zwingend auch zur krankenversicherungsrechtlichen Leistungspflicht der Krankenkassen führen müsste, ist gesetzlich nämlich nicht angeordnet worden (so ausdrücklich Bundessozialgericht, Urteil vom 27. September 2005, B 1 KR 6/04 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 22). Das Krankenversicherungsrecht stellt vielmehr zusätzliche, über das Arzneimittelrecht hinausgehende Anspruchsvoraussetzungen für die Pflicht zur Leistungsgewährung auf. Die arzneimittelrechtliche Zulässigkeit einer Arzneimittelanwendung stellt in diesem Sinne für die gesetzliche Krankenversicherung immer nur ein Mindestsicherheits- und Qualitätserfordernis dar und ist nur „negativ vorgreiflich“, weil eine erforderliche, aber nicht vorhandene Zulassung auch die Verordnungsfähigkeit stets ausschließt (Bundessozialgericht, a.a.O.; vgl. auch Urteil vom 14. Dezember 2011, B 6 KA 29/10 R [Monapax], zitiert nach juris, dort Rdnr. 48).

Zur Überzeugung des Senats besteht kein Nachweis für den therapeutische Nutzen von Otobacid® N Ohrentropfen bzw. seine Zweckmäßigkeit. Evidenzbasierte Studien liegen insoweit nicht vor; das behauptet auch die Klägerin nicht. Die DEGAM-Leitlinie Nr. 7 „Ohrenschmerzen“ (Stand 2005) führt ausdrücklich aus, dass Studien, die den Zusatz von Lokalanalgetika zu Kortikosteroidtropfen untersuchten, nicht ersichtlich seien. Gleichzeitig wird betont, dass der Einsatz von Lokalanästhetika zur Behandlung der Otitis externa zwar in Betracht komme, während grundsätzlich aber eine lokale Applikation von Corticosteroiden und gegebenenfalls Antibiotika durchzuführen sei. Einen Nachweis für die Zweckmäßigkeit eines Kombinationspräparats wie Otobacid® N Ohrentropfen enthält diese Leitlinie insgesamt nicht. Auch nach den sonst von der Klägerin in das Verfahren eingeführten Unterlagen ist nichts dafür ersichtlich, dass in den einschlägigen medizinischen Fachkreisen ein Konsens darüber besteht, dass der therapeutische Nutzen von Otobacid® N Ohrentropfen zur Behandlung von Entzündungen des äußeren Gehörganges dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Kenntnisse entspricht. So hat zwar der Deutsche Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte e.V. in einem Schreiben an die Kassenärztliche Bundesvereinigung vom 22. Dezember 2009 erklärt, die Anwendung von Otologika in Form von Kombinationspräparaten basiere auf jahrzehntelangen Erfahrungen und sei für die HNO-Ärzte unverzichtbar; diese Aussage bezog sich allerdings nur auf die Kombination von Antibiotika und Corticosteroiden. Für die Zweckmäßigkeit einer Kombination aus einem Corticosteroid, einem Lokalanästhetikum und einem Antiseptikum – wie bei Otobacid® N Ohrentropfen – lässt sich aus dieser Stellungnahme im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin gerade nichts ableiten.

V. Unabhängig davon spricht viel dafür, dass Nr. 38 der Anlage III der AM-RL in der seit dem 5. August 2011 geltenden Fassung sogar den – aus Sicht des Beklagten – strengeren Regelungen in § 92 Abs. 1 und 2 SGB V n.F. stand hält. Denn die Unzweckmäßigkeit des Kombinationspräparats Otobacid® N Ohrentropfen im Sinne von § 92 Abs. 1 Satz 1, Halbs. 4 SGB V n.F. ist erwiesen.

Zwar hat der Beklagte insoweit von dem sichersten ihm zur Verfügung stehenden Beweismittel keinen Gebrauch gemacht, denn er hat davon abgesehen, das IQWiG nach §§ 139a Abs. 3 Nr. 5, 139b Abs. 1 Satz 1 SGB V mit einem Gutachten zur Bewertung des Nutzens (und der Kosten) von Otologika allgemein und von Kombinationspräparaten wie Otobacid® N Ohrentropfen im Verhältnis zu Monopräparaten wie Antibiotika und Corticosteroiden im Besonderen bei Behandlung von Entzündungen des äußeren Gehörganges zu beauftragen. Einem Gutachten des IQWiG käme insoweit besondere Beweisqualität zu (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 1. März 2011, B 1 KR 7/10 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 77 ff. [Sortis]; Urteil des Senats vom 24. Oktober 2012, L 7 KA 1/10 KL, zitiert nach juris, dort Rdnr. 53 [Buscopan]).

Dies ist jedoch unschädlich. Zum einen steht nach Lage der Akten fest, dass es in Bezug auf Otobacid® N Ohrentropfen gerade keine klinischen Studien nach methodischen Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin gibt, die den Nutzen von Otologika allgemein und von Kombinationspräparaten wie Otobacid® N Ohrentropfen im Verhältnis zu Monopräparaten wie Antibiotika und Corticosteroiden im Besonderen bei Behandlung von Entzündungen des äußeren Gehörganges untersuchen. Daher wäre es auch wenig sinnvoll, dem IQWiG einen Auftrag zu erteilen, der auf die Bewertung der Studienlage zielt. Zum anderen bestehen belastbare und nachhaltige Bedenken gegen Kombinationspräparate wie Otobacid® N Ohrentropfen an und für sich, die mit der notwendigen Sicherheit auf die Unzweckmäßigkeit von Otobacid® N Ohrentropfen schließen lassen. Monopräparate sind nämlich gegenüber Kombinationspräparaten grundsätzlich vorzugswürdig, es sei denn, der Zusatznutzen des Kombinationspräparats ist (anders als hier, etwa zur Behandlung der Hypertonie) wissenschaftlich belegt. Grundsätzliche Bedenken formuliert der Beklagte insoweit in § 16 Abs. 2 Nr. 5 der AM-RL, wonach der therapeutische Nutzen eines Arzneimittels insbesondere dann nicht nachgewiesen ist, wenn an Stelle von fixen Wirkstoffkombinationen das angestrebte Behandlungsziel mit therapeutisch gleichwertigen Monopräparaten medizinisch zweckmäßiger zu erreichen ist. Die Bedenken gegenüber einem Kombinationspräparat wie Otobacid® N Ohrentropfen leuchten dabei unmittelbar ein: Die Notwendigkeit des gleichzeitigen Einsatzes von drei Wirkstoffen in fixer Kombination wird nicht immer in gleichem Maße bestehen; es besteht die Gefahr, dass nur ein Teil der Wirkstoffe zielführend ist, während der Einsatz des anderen Teils „leer läuft“, also überflüssig ist; durch verschiedene Wirkkurven beziehungsweise Wirkzeiten kann eine Über- bzw. Unterdosierung des einen oder des anderen Wirkstoffes eintreten. Der Vorteil des Einsatzes therapeutisch gleichwertiger Monopräparate liegt auf der Hand, denn sie können unabhängig von einander dosiert oder eingesetzt werden; beispielsweise kann im Falle einer Entzündung des Gehörgangs ein Schmerzmittel bei nachlassenden Beschwerden abgesetzt werden, während ein Corticosteroid zur Bekämpfung der Entzündung noch länger verabreicht wird. In diese Richtung weisen auch die DEGAM-Leitlinie Nr. 7 „Ohrenschmerzen“ (Stand 2005, S. 40) sowie die Stellungnahme der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (Arzneiverordnungen, 21. Aufl. 2006, S. 1286), die zur Behandlung der Otitis externa nach der Reinigung des Gehörganges lediglich eine Lokaltherapie mit Corticosteroiden empfehlen, bei Verdacht auf eine bakterielle Genese gegebenenfalls in Kombination mit Antibiotika; bei erforderlicher Schmerzbehandlung stünden je nach Bedürfnis individuell dosierbare orale Analgetika, Paracetamol-Suppositorien oder Ibuprofen-Saft zur Verfügung. Die Gabe eines Kombinationspräparats wie Otobacid® N Ohrentropfen mit fixer Kombination aus Corticosteroid, Lokalanästhetikum und Antiseptikum kann daher als therapeutische Polypragmasie bezeichnet werden, die das Ziel der Verabreichung mehrerer Wirkstoffe verfolgt, um zumindest mit einem Wirkstoff erfolgreich die Beschwerden zu lindern („viel nützt viel“). Der Beklagte darf danach für den Regelfall davon ausgehen, dass Verordnungen fixer Kombinationen medizinisch problematisch sind, dies als unwirtschaftlich bzw. unzweckmäßig bewerten und die Verordnungsfähigkeit beschränken (so ausdrücklich Bundessozialgericht, Urteil vom 14. Dezember 2011, B 6 KA 29/10 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 40 [Monapax]).

E. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat der Senat die Revision zugelassen, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.