Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 2. Senat | Entscheidungsdatum | 19.01.2012 | |
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Aktenzeichen | L 2 U 212/06 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 90 Abs 1 S 2 SGB 7 |
Auf die Berufung der Klägerin werden der Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2001 und das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. Juni 2006 dahin abgeändert, dass der Rente der Klägerin für die Zeit ab 01. Oktober 1988 ein Jahresarbeitsverdienst von 49.123,20 DM zugrunde zu legen ist.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt zwei Drittel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Beteiligten streiten darüber, nach welchem Jahresarbeitsverdienst (JAV) die der Klägerin wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls zu leistende Verletztenteilrente zu berechnen ist und ab wann diese zu zahlen ist.
Die 1954 geborene Klägerin erlitt am 24. Juli 1986 als Studentin der Fachhochschule H im Studiengang Bioingenieurwesen einen Wegeunfall. Wegen der Folgen des Unfalls bewilligte ihr die Beklagte durch Bescheid vom 21. Dezember 1987 eine vorläufige Rente, beginnend ab 25. Juli 1986, die ab 01. Juli 1987 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 v. H. gezahlt wurde. Die Klägerin erhob gegen diesen Bescheid im Januar 1988 Klage, mit der sie die Gewährung einer Dauerrente nach einer MdE von 50 v. H. ab 01. Mai 1987 unter Zugrundelegung eines Jahresarbeitsverdienstes (JAV) von 26.000 DM begehrte. Mit Bescheid vom 26. Mai 1988 stellte die Beklagte daraufhin anstelle der bislang gewährten vorläufigen Rente eine Dauerrente nach einer MdE von 30 v. H. mit Wirkung ab 01. Juni 1988 unter Zugrundelegung eines Jahresarbeitsverdienstes von 21.290,12 DM fest. Die im Hinblick auf die Gewährung von Leistungen nach einer höheren MdE aufrechterhaltene Klage wies das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 22. Mai 1989 (Aktenzeichen S 69 U 21/88) ab. Ein in der Folgezeit gestellter Verschlimmerungsantrag blieb erfolglos (Bescheid vom 25. September 1998, Widerspruchsbescheid vom 30. August 1999). Die hiergegen beim Sozialgericht Berlin erhobene Klage (S 68 U 814/99) nahm die Klägerin in der Folgezeit zurück.
Im Rahmen des letztgenannten Klageverfahrens trat die Beklagte in die Überprüfung ein, ob aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Beendigung des Studiums der gewährten Rente nunmehr ein höherer Jahresarbeitsverdienst zugrunde zu legen sei und befragte zunächst die Klägerin zu ihrem beruflichen Werdegang. Diese übersandte eine Urkunde über den ihr am 07. Februar 1992 verliehenen Grad einer Diplom-Ingenieurin (FH) im Studiengang Technische Informatik; zugleich führte sie aus, dass ihr angestrebtes Berufsziel eigentlich das der Biomedizintechnik gewesen sei. Wegen der Unfallfolgen sei ihr jedoch empfohlen worden, einen Beruf zu ergreifen, bei dem sie sitzend arbeiten könne. Wenn der Unfall nicht eingetreten wäre, hätte sie ihre Schul- bzw. Berufsausbildung mit dem Ablauf des Wintersemesters 1987/88 beendet und eine Vergütung von 5.900 DM monatlich, in Berlin von 7.842,50 DM monatlich erhalten.
Aufgrund einer zunächst an die Industrie- und Handelskammer zu Berlin gerichteten und von dieser weitergeleiteten Anfrage zum Arbeitsentgelt einer Informatikerin (Dipl.-Ing.) nach Ende der Ausbildung teilte am 22. Februar 2000 der Verband der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg e. V. mit, dass hierfür ein zuständiger Tarifpartner, nämlich die IG Metall existiere; beigefügt war ein Gehaltstarifvertrag für die Angestellten der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg, Tarifgebiet I, vom 25. Februar 1999. Auf Rückfrage wegen der für das Jahr 1988 benötigten Lohnhöhe übersandte der Verband die vom 01. April 1987 an geltende Gehaltstabelle, woraus sich für das erste Jahr in der Gehaltsgruppe 4 („Tätigkeiten, die in der verantwortlichen Erledigung schwieriger Aufgaben nach allgemeinen Richtlinien bestehen und die besondere Fachkenntnisse, Erfahrungen und Fähigkeiten erfordern“) ein Tarifgehalt von 2.966 DM ergab.
Die Beklagte richtete ferner eine Anfrage an die Fachhochschule H, wann die Klägerin ohne Eintritt des Unfalls voraussichtlich ihr Studium beendet gehabt hätte. Diese teilte mit Schreiben vom 23. Juni 2000 mit, dass die Klägerin einen Studienabschluss im Studiengang Bioingenieurwesen, in welchem sie von September 1981 bis Februar 1991 ordnungsgemäß immatrikuliert gewesen sei, nicht erreicht habe. Aus den Akten gehe hervor, dass die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen einen Wechsel des Studienganges innerhalb der Hochschule habe vornehmen wollen; hierzu sei es jedoch nicht gekommen. Die Klägerin habe sich in diesem Studiengang für insgesamt zwei Semester aus familiären Gründen beurlauben lassen, so dass ein Studienabschluss daher frühestens nach Ablauf des Wintersemesters 1985/1986 möglich gewesen wäre. Da die Klägerin jedoch die Zwischenprüfung erst am 22. September 1987 abgelegt habe, müssten hier weitere drei bis vier Fachsemester bis zu einem möglichen erfolgreichen Studienabschluss hinzugezählt werden, so dass ein Abschluss nicht vor Ablauf des Wintersemesters 1989/1990, wahrscheinlich erst im Sommersemester 1990 erfolgreich hätte erfolgen können. Tatsächlich sei es bis zum Ausscheiden der Klägerin im Studiengang Bioingenieurwesen im 17. Fachsemester zu einem Wechsel des Studienganges bzw. der Studienrichtung bei der Fachhochschule Hnicht gekommen. Ausweislich einer Bescheinigung der Fachhochschule Hvom 09. August 1999 war die Klägerin vom 01. September 1981 bis 28. Februar 1991 an der Fachhochschule H immatrikuliert, die Exmatrikulation sei aufgrund einer fehlenden fristgerechten Rückmeldung erfolgt.
Die Klägerin teilte auf Befragen mit Schreiben vom 03. April 2001 mit, dass sie sich als Medizintechnik-Ingenieurin in medizinischer Informatik hätte spezialisieren wollen. Sie hätte sich dann um eine Tätigkeit in einer Industriefirma wie der Firma S bemüht. Eine Auskunft der Firma SAG gegenüber der Beklagten vom 07. Mai 2001 ergab, dass eine Beschäftigung in Hamburg für Hochschulabgänger möglich gewesen wäre, Hochschulabgänger würden hier, wenn keine spezielle Qualifizierung bestehe, im Metalltarifvertrag der Tarifgruppe 6 bis 7 zugeordnet. Die Beklagte holte sodann eine Auskunft bei der Industriegewerkschaft (IG) Metall über die Entgelthöhe 1990 nach dem seinerzeit gültigen Metalltarifvertrag ein, die diesbezüglich am 6. Juli 2001 für die Leistungsgruppe 7 ein Monatsgehalt von 2.512,00 DM brutto zuzüglich 30 Prozent Weihnachtsgeld und 50 Prozent Urlaubsgeld, gerechnet auf 30 Tage mitteilte. Unter Zugrundelegung dieser Angaben errechnete die Beklagte bei weiterer Berücksichtigung von vermögenswirksamen Leistungen von 642,- DM einen Jahresarbeitsverdienst in Höhe von 33.214,27 DM.
Mit Bescheid vom 30. Oktober 2001 setzte die Beklagte die Rente der Klägerin für die Zeit ab 01. September 1990 unter Zugrundelegung des genannten Jahresarbeitsverdienstes von 33.214,27 DM neu fest.
Den hiergegen verspätet eingegangenen Widerspruch der Klägerin wertete die Beklagte als Überprüfungsantrag nach § 44 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X), den sie mit Bescheid vom 17. April 2002 ablehnte. Sie verwies dabei auf § 90 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch, Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII), und teilte mit, dass nach der Auskunft der Fachhochschule H vom 23. Juni 2000 das Studium voraussichtlich im Sommersemester 1990 beendet worden wäre. Zum zugrunde gelegten Jahresarbeitsverdienst schilderte sie den Gang der Ermittlungen und teilte mit, sich letztlich auf die Auskunft der Firma S AG vom 07. Mai 2001 zu stützen, wonach Hochschulabgänger mit dem Beruf des Ingenieurs der Entwicklung in dem Metalltarifvertrag der Tarifgruppe 6 bis 7 zugeordnet würden. Hieraus folge der für die Klägerin zugrunde gelegte Jahresarbeitsverdienst. Den hiergegen aufrecht erhaltenen Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Mai 2003 zurück.
Im Klageverfahren hat das Sozialgericht Berlin den Fachverband Biomedizinische Technik e. V. zur tarifvertraglichen Einstufung befragt. Für diesen teilte die Schatzmeisterin Dipl.-Ing. Dmit Schreiben vom 08. April 2005 mit, dass es für Absolventen der Biomedizintechnik noch nie eigene Eingruppierungsstufen oder –fallgruppen gegeben habe. Da die Unternehmen der Medizintechnik überwiegend zur Tarifgemeinschaft Metall gehörten, könne allenfalls der Metall-Tarifvertrag zu Rate gezogen werden.
Mit Urteil vom 30. Juni 2006 hat das Sozialgericht Berlin die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17. April 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Mai 2003 und Abänderung des Bescheides vom 30. Oktober 2001 verurteilt, die Rente der Klägerin für die Zeit ab 01. Oktober 1988 nach einem Jahresarbeitsverdienst von 43.454,16 DM neu festzustellen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Nach § 90 Abs. 1 Satz 1 SGB VII werde, wenn es für den Versicherten günstiger sei, der Jahresarbeitsverdienst von dem Zeitpunkt an neu festgesetzt, in dem die Ausbildung ohne den Versicherungsfall voraussichtlich beendet worden wäre, wenn der Versicherungsfall vor oder während einer Schul- oder Berufsausbildung des Versicherten eintrete. Die Klägerin hätte ihre Berufsausbildung voraussichtlich zum 30. September 1988 abgeschlossen. Dieser Zeitpunkt sei von der Klägerin mit Schriftsatz vom 24. August 2004 auf Seite 2 selbst vorgetragen worden und auch mit ausreichender Sicherheit nachvollziehbar. Soweit die Klägerin darüber hinaus geltend mache, dass sie ihr Studium noch schneller hätte abschließen können, so sei dies nicht ausreichend nachvollziehbar gewesen. Zur Höhe des zugrunde zu legenden Jahresarbeitsverdienstes regele § 90 Abs. 1 Satz 2 SGB VII, dass der Neufestsetzung das Arbeitsentgelt zugrunde zu legen sei, das in dem Zeitpunkt für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters durch Tarifvertrag vorgesehen sei. Bestehe keine tarifliche Regelung, sei das Arbeitsentgelt maßgebend, dass für derartige Tätigkeiten am Beschäftigungsort des Versicherten gelte. Nach den eingeholten Auskünften insbesondere der Frau D stehe fest, dass es weder damals noch heute einen Tarifvertrag für Fachhochschulabsolventen der Fachrichtung der Biomedizintechnik gegeben habe bzw. gebe. Auch ein ortsübliches Entgelt für die Tätigkeit habe sich nicht feststellen lassen, da in den Ergebnissen der von der Klägerin übersandten Berufsfeldrecherche der Frau D (D, Arbeitsplatz Biomedizintechnik – Ergebnisse einer Berufsfeldrecherche, medinzintechnik 1989, S. 218 ff und 1990, S. 53 ff)zum zweiten Halbjahr 1998 ein durchaus unterschiedliches Bild gezeichnet werde. Hiernach sei unter Zugrundelegung von 13 Monatsgehältern und der Zurechnung des Urlaubsgeldes von einem durchschnittlichen Monatsgehalt in der Freien Wirtschaft im Frühjahr 1989 im Mittel von 4.200 DM auszugehen, während im öffentlichen Dienst nur 2.940,00 DM gezahlt worden seien. Hierbei handele es sich jedoch um Durchschnittswerte, auf die nach der gesetzlichen Regelung nicht ohne weiteres zurückgegriffen werden könne. Allerdings könne diese Regelung ohnehin nur nach ihrem Sinn und Zweck angewandt werden, da sich weder ein ortsübliches Entgelt noch ein Tarifvertrag habe ermitteln lassen. Dementsprechend sei es am überzeugendsten, den Metalltarifvertrag entsprechend zur Anwendung zu bringen. Dies entspreche der Auskunft der Frau D an das Gericht vom 08. April 2005, in der dargelegt werde, dass die meisten Unternehmen der Medizintechnik zur Tarifgemeinschaft Metall gehörten. Danach errechne sich unter Zugrundelegung der im Verwaltungsverfahren vom Verband der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg e. V. übersandten Gehaltstabelle bei einem Grundgehalt von 2.966 DM einschließlich der Zuschläge ein Gehalt von 3.621,18 DM, was hochgerechnet auf 12 Monate den Jahresarbeitsverdienst von 43.454,16 DM zum Zeitpunkt der Neufestsetzung am 01. Oktober 1988 ergebe.
Gegen dieses der Klägerin am 17. Juli 2006 zugegangene Urteil richtet sich die am 08. August 2006 erhobene Berufung der Klägerin. Die Klägerin ist der Auffassung, dass der mit dem angegriffenen Urteil festgesetzte Jahresarbeitsverdienst zu niedrig angesetzt sei. Sie hätte vielmehr nach Abschluss ihres Studiums ein monatliches Brutto-Entgelt in Höhe von mindestens 4.200 DM erzielt, woraus sich bei 13 Monatsgehältern und einem Urlaubsentgelt von 424 DM der beantragte Jahresarbeitsverdienst von 57.024 DM ergebe. Die Auskunft des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie von Berlin und Brandenburg, wonach Ingenieure der Biomedizintechnik ein Bruttoentgelt von nur 2.966 DM erzielten, gebe nicht den in Hamburg erzielten ortsüblichen Verdienst wieder. Diesbezüglich verweist die Klägerin auf diverse Einzelverträge, hierauf sei für den ortsüblichen Lohn abzustellen, sowie auf den Tarifvertrag zwischen dem Arbeitgeberverband selbständiger Ingenieure und Architekten und der Deutschen Angestellten Gewerkschaft für die Angestellten, Auszubildenden und Praktikanten in Ingenieur-, Architekten- und Planungsbüros - hiernach habe das Einstiegsgehalt in der (höchsten) Gruppe T 5 4135,- DM betragen - und auf das Ergebnis einer Analyse des Verbandes der Ingenieure „Einkommen der Ingenieure in Deutschland 1988“ - hier seien für sämtliche Fachbereiche Einstiegsgehälter von jeweils durchschnittlich 4.400 DM zuzüglich Sonderzahlungen dargelegt worden. Weiter trägt die Klägerin vor, dass Absolventen des Bioingenieurwesens der Fachhochschule H mit Schwerpunkt Medizintechnik bei der Berufsgenossenschaft in Hamburg nach BAT III oder BAT IV a vergütet worden seien. Wenn man den Tarifvertrag der IG Metall zugrunde legte, sei dessen Lohngruppe 9 zugrunde zu legen. Die ortsübliche Vergütung für Hamburg dürfte bei 70.000,- bis 85.000,- DM jährlich gelegen haben. Berücksichtigt werden müsse auch, dass die FH Hamburg ein weit höheres Ansehen genieße als die TFH Gießen, deren Absolventen für die genannte Berufsfeldrecherche des Fachverbandes der Biomedizintechnik e. V. befragt worden seien.
Mit Schriftsatz vom 04. September 2009 hat die Klägerin vorgetragen, die Berufung nunmehr auch auf den Zeitraum vom 01. April 1988 bis 30. September 1988 erweitert wissen zu wollen. Gründe für ein Abweichen von der Regelstudienzeit seien nicht erkennbar.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. Juni 2006 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2001 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihre Rente nach einem Jahresarbeitsverdienst von 57.024 DM ab 01. April 1988 neu festzustellen.
Ferner beantragt die Klägerin unter Bezugnahme auf die Beweisanträge aus ihren Schriftsätzen vom 17. Januar 2006, 05. Oktober 2011 und 17. Januar 2012:
1) Beweis zu erheben über die im Jahre 1988 bei Medizintechnik-Ingenieuren übliche Bezahlung von Berufsanfängern durch Befragung der – namentlich genannten - 18 Mitglieder des Arbeitskreises Medizintechnik e. V. Hamburg nach ihrem im Jahr 1988 erzielten monatlichen Brutto-Gehalt,
2) die Einholung eines berufskundlichen Sachverständigengutachtens des „Prof. Herbst etwa“, Vorsitzender des Vereins Arbeitskreis Medizintechnik Hamburg e.V., dazu, dass die ortsübliche Vergütung für Hamburg für Berufsanfänger weit über 57.024,- DM gelegen hat,
3) Beweis zu erheben über die Tatsache, dass für die angestrebte Tätigkeit der Klägerin als Ingenieurin für Medizintechnik im Land Hamburg im Jahr 1988 kein Tarifvertrag galt,
4) zum Beweis der Tatsache, dass für Ingenieure für Medizintechnik am 01. Oktober 1988 im Land Hamburg ein Mindestentgelt in Höhe von 65.000,- brutto, aber auch Entgelte in Höhe von 80.000 bis 90.000,- DM brutto per annum gezahlt worden sind, entsprechende Auskünfte bei der Industrie- und Handelskammer des Landes Hamburg, der Handwerkskammer des Landes Hamburg und dem Verband für Medizintechnik im Land Hamburg einzuholen,
5) „zum Beweis der Tatsache, dass die Klägerin mit ihrer Ausbildungstätigkeiten im Berufsfeld als Ingenieuren für Biomedizintechnik hätte leisten können mit der Entgeltgruppe E 9 nach dem Entgelttarifvertrag der IG Metall im Land Hamburg im Jahre 1988 Sachverständigengutachten zu erheben“,
6) durch Sachverständigengutachten das Berufsfeld und die beruflichen Tätigkeiten eines Ingenieurs für Medizintechnik zu ermitteln und durch einen fachkundigen Sachverständigen das durchschnittliche bundesweite Bruttoentgelt eines Ingenieurs für Medizintechnik zu bestimmen,
7) durch Sachverständigengutachten zu ermitteln, nach welchen Kriterien sich das Entgelt eines Ingenieurs für Biomedizintechnik im Land Hamburg im Jahre 1988 bestimmt hat und in welcher Höhe in DM es als ortsüblich vorlag,
8) den Dekan des Fachbereichs in Hamburg, der Vorsitzende des AMH e. V. (Arbeitskreis der Medizintechnik Hamburg e. V.) und ein Professor des Fachausschusses ist, als Sachverständigen einzuladen und über die Tätigkeitsfelder der Diplomingenieure der Fachrichtung Biomedizin Technik zu befragen,
9) zum Tätigkeitsfeld eines Ingenieurs der Fachrichtung Biomedizintechnik im Land Hamburg im Jahre 1988 den Studienfachberater des Studienganges Medizintechnik, Herrn Prof. Dr. Jürgen Stettin, als sachverständigen Zeugen zu befragen,
10) „zum Zwecke der Beweiserhebung über das tatsächliche Entgelt einer ortsüblichen Vergütung im Land Hamburg im Jahre 1988 für Berufsanfänger als Ingenieure für Medizintechnik in Höhe von 70.000,- bis 85.000,- DM brutto jährlich sachverständigen Zeugenbeweises des Herrn Professor Herbst als Vorsitzender des Vereins Arbeitskreis Medizintechnik Hamburg e. V.“,
11) „zu befragen: das Draegerwerk, Philipps GmbH, Weinmann, (Blatt 361 in der Gerichtsakte)“
12) Sachverständigengutachten einzuholen dazu, dass die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten für die Entgeltgruppen 7, 8 und 9 in der Regel gleich sind, nämlich eine abgeschlossene dreijährige Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf sowie besondere Fach- und Spezialkenntnisse und dazu, dass „gemäß Tarifverträge der IG Metall und Elekroindustrie … die Gehaltsgruppe 9 für die Entwickler des Messgeräte (medizinische Geräte oder technische Plant- und Verfahrenstechnik) zu Grunde zu legen“ ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte, die zwischenzeitlich die Zugrundelegung eines Jahresarbeitsverdienstes von 50.000 DM im Vergleichswege angeboten hatte, trägt vor, dass zu Recht der Metalltarifvertrag entsprechend angewendet worden sei, da die meisten Unternehmen der Medizintechnik zur Tarifgemeinschaft Metall gehörten. Die Beklagte verweist ferner auf ein Grundsatzpapier des Bundesverbandes der Unfallkassen, Rundschreiben 170/2006; aus den hier niedergelegten Grundsätzen folge die Anwendbarkeit des Metalltarifvertrages von Hamburg, da hier die Hochschule gelegen habe. Seitens der Klägerin seien im Laufe der Zeit Forderungen im Hinblick auf JAVs zwischen 41.916,- bis 72.000,- DM erhoben worden, was zeige, dass es hier keine klare Linie gebe.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes einen Erörterungstermin durchgeführt, insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift vom 12. Mai 2010 Bezug genommen, und die einschlägigen Tarifverträge u. a. von der IG Metall Bezirk Küste angefordert und zur Akte genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie den der Verwaltungsakte der Beklagten.
Die Berufung ist unzulässig, soweit die Klägerin nunmehr auch wieder einen früheren Rentenbeginn geltend macht. In der Berufungsbegründungsschrift vom 17. Januar 2006 hatte die Klägerin ausdrücklich den Antrag gestellt, die Rente nach dem begehrten höheren Jahresarbeitsverdienst „ab 01. Oktober 1988“ neu festzustellen. Ein früherer Beginn der Rente nach diesem höheren Jahresverdienst wurde sodann erstmalig mit Schriftsatz vom 04. September 2009 „erweiternd“ geltend gemacht. Zu diesem Zeitpunkt war über den Beginn der Rente aufgrund des erstinstanzlichen Ausspruches in dem Urteil vom 30. Juni 2006 jedoch bereits rechtskräftig dahin entschieden worden, dass diese erst ab 1. Oktober 1988 neu festzustellen ist.
Für das Rechtsmittelverfahren gilt nach § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 528 Zivilprozessordnung (ZPO), dass der Prüfung und Entscheidung des Berufungsgerichts nur die Berufungsanträge unterliegen; das Urteil darf nur insoweit abgeändert werden, als eine Abänderung beantragt ist. Für die Einlegung der Berufung gilt nach § 151 Abs. 1 SGG eine Frist von einem Monat. Wenn die Berufung, wie vorliegend, sich ausdrücklich nur gegen einen Teil des Urteilsausspruches betreffend einen Teil eines belastenden Verwaltungsaktes wehrt, so ist hierin auch nur bezüglich dieses Teiles des Streitgegenstandes Berufung erhoben, soweit der Streitgegenstand teilbar ist. Dies ist hinsichtlich der Unterscheidung zwischen Rentenhöhe und Rentenbeginn ohne weiteres gegeben. Eine fristgemäße Berufungseinlegung war daher nur im Hinblick auf die Höhe des zugrunde gelegten Jahresarbeitsverdienstes zu sehen, nicht jedoch im Hinblick auf den Rentenbeginn.
Eine anderweitige Auslegung des Berufungsbegehrens kam vorliegend nicht in Betracht. Zwar entscheidet nach § 123 SGG das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Dieses Gebot gilt auch für die Berufungsinstanz (§ 123 SGG i. V. m. § 157 Satz 1 SGG). Damit ist der förmliche Klageantrag nicht die alleinige und ausschließliche Erkenntnisquelle, sondern dem Vorbringen des Klägers sowie den Umständen des Einzelfalls kommt besondere Bedeutung zu (BSG, Urteil vom 11. November 1987, Az. 9 a RV 22/85, zitiert nach juris.de). Auch unter Berücksichtigung dieser Grundsätze wurde jedoch keine Berufung gegen die erstinstanzliche Entscheidung betreffend den Rentenbeginn eingelegt. Denn der Berufungsantrag wurde im Schriftsatz vom 17. Januar 2006 eindeutig formuliert durch Benennung des Datums erst ab 01. Oktober 1988 und sämtlichem Vorbringen in der Folgezeit war bis zum Schriftsatz vom 04. September 2009 nichts dazu zu entnehmen, dass der Rentenbeginn streitig sein sollte. Dementsprechend ist auch im Schriftsatz vom 04. September 2009 ausdrücklich von einer „Erweiterung“ der Berufung im Hinblick auf den Rentenbeginn die Rede. Eine derartige Erweiterung war jedoch aus den ausgeführten Gründen nicht zulässig.
Soweit die Klägerin die Berechnung ihrer Rente unter Zugrundelegung eines höheren Jahresarbeitsverdienstes geltend macht, ist die Berufung zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Soweit mit der Berufung die Zugrundelegung eines noch darüber hinausgehenden JAV geltend gemacht wird, war sie unbegründet.
Nach § 44 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 S. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, stets auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Diese Voraussetzungen liegen im Hinblick auf den vorliegend gemäß § 44 SGB X zu überprüfenden Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2001 in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang vor. Die Ablehnung durch den – erstinstanzlich bereits aufgehobenen - Bescheid der Beklagten vom 17. April 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Mai 2003, diesen Bescheid (teilweise) zurückzunehmen, war daher rechtswidrig.
Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch richtet sich gemäß § 214 Abs. 2 Satz 1 SGB VII nach den Vorschriften des SGB VII über den Jahresarbeitsverdienst (§§ 81 bis 93 SGB VII), weil der JAV nach dem In-Kraft-Treten des SGB VII zum 01.01.1997 aufgrund des § 90 SGB VII neu festgesetzt wird. Entscheidend ist insoweit, ob über die Neufestsetzung nach Inkrafttreten des SGB VII noch nicht beendend entschieden worden ist (BSG, Urteil vom 07. November 2000, Az. B 2 U 31/99 R, zitiert nach juris.de), was vorliegend der Fall ist.
Berechnungsgrundlage für die der Klägerin aus Anlass des Wegeunfalls vom 24. Juli 1986 bindend zuerkannte Verletztenrente ist neben dem Grad der MdE der JAV der Verletzten. Hierfür ist im Regelfall der Gesamtbetrag aller Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen der Verletzten in den letzten 12 Kalendermonaten vor dem Monat, in dem der Arbeitsunfall eingetreten ist, maßgebend (§ 82 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Eine Ausnahme gilt u. a. dann, wenn – wie vorliegend – der Versicherungsfall während einer Schul- oder Berufsausbildung eintritt. In einem solchen Fall wird nach § 90 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, wenn es für den Versicherten günstiger ist, der JAV von dem Zeitpunkt an neu festgesetzt, in dem die Ausbildung ohne den Versicherungsfall voraussichtlich beendet worden wäre. Der Neufestsetzung wird das Arbeitsentgelt zugrunde gelegt, das in diesem Zeitpunkt für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters durch Tarifvertrag vorgesehen ist; besteht keine tarifliche Regelung, ist das Arbeitsentgelt maßgebend, das für derartige Tätigkeiten am Beschäftigungsort der Versicherten gilt (§ 90 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).
Als Zeitpunkt der voraussichtlichen Beendigung der Berufsausbildung ist nach der entsprechenden rechtskräftigen erstinstanzlichen Feststellung der 30. September 1988 zugrunde zu legen, so dass der JAV ab dem Tag nach diesem Zeitpunkt und damit ab 01. Oktober 1988 neu festzusetzen ist. Unerheblich war, dass die Klägerin ihr angestrebtes Berufsziel der Ingenieurin für Medizintechnik letztlich nicht erreicht hat. Eine Neufestsetzung des JAV ist zwar nach § 90 Abs. 1 SGB VII ausgeschlossen, wenn der Versicherte seine Ausbildung unter Aufgabe des Berufsziels abbricht (BSG, Urteil vom 07. November 2000, az. B 2 U 31/99 R, zitiert nach juris). Doch die Klägerin hat letztlich ihr Studium mit dem Grad einer Diplom-Ingenieurin (FH) abgeschlossen; dass dies im Studiengang Technische Informatik geschah, ist lediglich als Abweichung von der ursprünglichen Ausbildungsplanung im Sinne der zitierten Rechtsprechung zu sehen, die – da das Berufsziel der Ingenieurin erreicht wurde – einer Neufestsetzung des JAV nach § 90 Abs. 1 SGB VII nicht entgegensteht.
Der Neuberechnung des JAV der Klägerin war vorliegend das Arbeitsentgelt zugrunde zu legen, dass für Personen ihres Alters und ihrer Ausbildung durch den im maßgebenden Zeitpunkt in Hamburg geltenden Metalltarifvertrag vorgesehen war.
Wird eine Ausbildung nicht beendet oder fand sie nicht bereits in einem Ausbildungsbetrieb statt, so kann auf die üblicherweise heranzuziehenden Kriterien, wonach der für das Ausbildungsunternehmen seiner Art nach am Stichtag geltende Tarifvertrag maßgeblich ist (Ricke in Kasseler Kommentar, § 90 SGB VII Rdnr. 6 m. w. N), nicht zurückgegriffen werden. Hier sind dann die glaubhaften Angaben des Verletzten zum Berufsziel zu berücksichtigen, wobei die jeweils üblichen Anfangspositionen heranzuziehen sind (Ricke in Kasseler Kommentar, § 90 SGB VII, Rdnr. 7 m. w. N.). Dies entspricht dem Grundgedanken des § 90 SGB VII, Nachteile auszugleichen, die dem Versicherten dadurch entstehen, dass er sich zurzeit des Arbeitsunfalls noch in Schul- oder Berufsausbildung befand (BSG, Urteil vom 24. April 1975, Az.: 8 RU 116/74, zitiert nach juris.de, m. w. N., zur Vorgängervorschrift des § 573 Reichsversicherungsordnung). Dabei soll der Versicherte so gestellt werden, als hätte er den Versicherungsfall erst nach Beendigung der Ausbildung erlitten und einen höheren Verdienst erzielt (BSG, Urteil vom 04.12.1991, Az. 2 RU 69/90 - HV-INFO 1992, 598). Damit wird allerdings nicht der Eintritt des Versicherungsfalles fiktiv auf den späteren Zeitpunkt der voraussichtlichen Beendigung der Ausbildung verlegt. Vielmehr sind die grundsätzlich maßgebenden Verhältnisse im Zeitpunkt des Versicherungsfalles auf den Zeitpunkt der voraussichtlichen Beendigung der Ausbildung zu übertragen. Infolge dessen ist prognostisch festzustellen, welche Beschäftigung der Kläger nach dem Ende der Ausbildung aufgenommen hätte, wenn der Arbeitsunfall sich nicht ereignet hätte (LSG NRW, Urteil vom 31. Mai 2010, Az. L 4 U 69/08, zitiert nach juris.de).
Dementsprechend wurde vorliegend der Berechnung des Jahresarbeitsverdienstes zu Recht der von der Klägerin glaubhaft vorgetragene Berufswunsch einer Ingenieurin für Medizintechnik zugrunde gelegt. Diesen Berufswunsch hat die Klägerin bereits im Verwaltungsverfahren gegenüber der Beklagten zunächst telefonisch (Telefonvermerk vom 03. April 2001), sodann schriftlich mit Schreiben vom 03. April 2001 wie auch wiederholt während des gerichtlichen Verfahrens geäußert, so etwa in ihrer Klagebegründung vom 28. August 2003 und in der Berufungsbegründung vom 17. Januar 2006. Die Klägerin hatte ihren Berufswunsch ferner bereits im Verwaltungsverfahren glaubhaft dahin präzisiert, dass sie beabsichtigt gehabt habe, sich in einer Industriefirma wie der SAG eine Stellung zu suchen. Das von ihr im Unfallzeitpunkt absolvierte Studium im Studiengang Bioingenieurwesen war hierfür auch geeignet, denn es eröffnet auch Beschäftigungsmöglichkeiten im Bereich des Gesundheitswesens (Bundesagentur für Arbeit, www.berufswahl.de).
Für diese angestrebte Tätigkeit galt ein Tarifvertrag im Sinne von § 90 Abs. 1 S. 2, 1. Halbsatz SGB VII, nämlich der Metalltarifvertrag. Maßgebend für diese Beurteilung ist nicht der berufsspezifische, sondern der branchenspezifische Tarifvertrag, der für das der Beurteilung zugrunde zu legende Unternehmen am Stichtag generell in Betracht kommt (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 90 Anm. 9, und Merten in Wannegat, Sozialversicherungsrecht, 2010, § 90 Rdnr. 36 und LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 31. März 2011, Az. L 15 U 137/09, zitiert nach juris). Bereits aus diesem Grund kam es – entgegen der Auffassung der Klägerin und den erstinstanzlichen Ausführungen - nicht darauf an, dass der Beruf des Ingenieurs der Biomedizintechnik im Tarifvertrag für die Metallindustrie nicht ausdrücklich genannt wurde. Eine derartige spezifische Benennung einzelner Berufe oder Begrenzung seines Anwendungsbereichs auf bestimmte Berufe enthält der Metalltarifvertrag ohnehin nicht. Ausreichend ist zudem nach dem Gesetzeswortlaut ein Tarifvertrag, der für Personen „gleicher Ausbildung“ galt. Der branchenspezifische Tarifvertrag für Ingenieure für Medizintechnik war jedenfalls am hier relevanten Stichtag der Metalltarifvertrag. Denn die Medizintechnik produzierenden Unternehmen gehörten überwiegend zur Tarifgemeinschaft Metall. Dies wurde bestätigt durch die entsprechende Auskunft des Fachverbandes Biomedizinische Technik e. V. vom 08. April 2005. Weiter hat die Firma S der Beklagten im Verwaltungsverfahren am 07. Mai 2001 mitgeteilt, Hochschulabgänger wie die Klägerin auf der Grundlage des Metalltarifvertrages zu entlohnen. Dass jedenfalls ein Teil der Absolventen nach dem Metalltarifvertrag bezahlt worden ist, hat auch die Klägerin bestätigt (Schriftsatz vom 16. September 2010).
Räumlich einschlägig ist der am Stichtag in Hamburg geltende Tarifvertrag. Sofern sich ein Unfall während der Ausbildung in einem Unternehmen ereignet, ist räumlich auf den Tarifvertrag abzustellen, der für den Ort des ausbildenden Unternehmens gilt; auch unter dem „ortsüblichen“ Entgelt ist das Entgelt zu verstehen, das am Ort dieses Unternehmens für Personen mit gleichartiger Tätigkeit gezahlt wird (BSG, Urteil vom 24. April 1975, Az. 8 RU 116/74, zitiert nach juris). Bei Versicherten, die den Unfall während der Schulausbildung oder des Studiums erlitten haben, ist im Anschluss hieran auf den Ort dieser Ausbildungsstätte abzustellen. Für den von der Klägerin begehrten bundesweiten Günstigkeitsvergleich ist eine Grundlage nicht ersichtlich. Gegen eine derartig ausweitende Auslegung spricht insbesondere der Ausnahmecharakter des § 90 Abs. 1 SGB VII, den die Rechtsprechung stets betont hat. Denn mit der Möglichkeit, bei Eintritt des Versicherungsfalls während einer Schul- oder Berufsausbildung die Bemessungsgrundlage anzuheben, weicht das Gesetz für einen Sonderfall von dem die Unfallversicherung beherrschenden Grundsatz ab, dass die Verdienstverhältnisse vor dem Arbeitsunfall für alle Zukunft die maßgebende Grundlage der Geldleistungen bleiben und spätere Erwerbsaussichten bei der Feststellung des JAV nicht zu berücksichtigen sind (BSG, Urteil vom 07. Februar 2006, Az. B 2 U 3/05 R, zitiert nach juris, m. w. N.). Derartige Ausnahmevorschriften sind grundsätzlich eng und nicht zusätzlich erweiternd auszulegen.
Unter Zugrundelegung der in Hamburg am Stichtag 01. Oktober 1988 für die Metallindustrie geltenden Tarifverträge ergibt sich für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters wie die Klägerin ein JAV von 12,90 mal 3.808,- DM = 49.123,20,- DM.
Nach §§ 4 und 5 des Gehaltsrahmentarifvertrag zwischen dem Nordmetall Arbeitgeberverband der Metallindustrie Hamburg-Schleswig Holstein e. V. und der Industriegewerkschaft Metall für die Bundesrepublik Deutschland, Bezirksleitung Hamburg, in Kraft getreten nach dessen § 10 Satz 1 zum 01. Juni 1988, war für die Klägerin die Gehaltsgruppe 7 zugrunde zu legen. Diese war dadurch definiert, dass für die nach § 4 Abs. 1 maßgebenden Tätigkeiten (Aufgaben, Aufgabengebiete oder Aufgabenbereiche) erforderlich waren Kenntnisse und Fertigkeiten,
- die in der Regel durch eine abgeschlossene dreijährige Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf sowie zusätzliche Fach- bzw. Spezialkenntnisse, die durch Berufserfahrung oder gleichwertige berufliche Fortbildung
- oder durch eine abgeschlossene Fachhochschulausbildung
- oder auf einem anderen Weg
erworben wurden. Diese Einstufung entspricht dem von der Klägerin im Unfallzeitpunkt angestrebten Fachhochschulabschluss sowie auch den Richtbeispielen, die für die Gehaltsgruppe 6 lediglich sachbearbeitende Aufgabengebiete nennen, während die auf den Seiten B 2 – 80, B 2 – 81 und B 2 – 84 des Gehaltsrahmentarifvertrages für die Gehaltsgruppe 7 genannten Tätigkeiten den zugrunde zu legenden Ingenieurtätigkeiten entsprechen. Die Klägerin hatte ausgeführt, eine Tätigkeit als Entwicklerin für medizinische Geräte angestrebt gehabt zu haben. Diese Tätigkeit entspricht der Beschreibung der Tätigkeiten „Konstruieren und/oder Berechnen von Maschinenteilen oder Betriebsmitteln und Betriebseinrichtungen schwieriger Art, …, Durchführen der Funktionsprobe und Übergabe an die empfangende Stelle in Zusammenarbeit mit anderen Betriebsabteilungen“.
Die von der Klägerin begehrte Eingruppierung in die Gehaltsgruppe 9 kam nicht in Betracht. Hierfür waren nach § 5 des Tarifvertrages erforderlich Kenntnisse und Fertigkeiten,
- die in der Regel durch eine abgeschlossene dreijährige Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf sowie zusätzliche umfangreiche besondere Fach- und Spezialkenntnisse, die durch eine vielseitige Berufserfahrung und/oder eine qualifizierte berufliche Fortbildung
- oder durch eine abgeschlossene Hochschulausbildung (Universität, Technische Hochschule) bzw. eine Ausbildung an einer anderen vergleichbaren Institution und eine einschlägige langjährige Berufserfahrung sowie gegebenenfalls eine entsprechende Fortbildung
- oder auf anderem Weg erworben wurden.
Für eine Eingruppierung in diese Gehaltsgruppe fehlt es am Universitäts- bzw. Hochschulabschluss sowie – jedenfalls im maßgebenden Zeitpunkt der Tätigkeitsaufnahme - auch an der daneben noch geforderten langjährigen einschlägigen Berufserfahrung.
Für eine Eingruppierung in die Gehaltsgruppe 8 fehlt es ebenfalls am nach § 5 des Gehaltsrahmentarifvertrages notwendigen Universitätsabschluss. Innerhalb der Gehaltsgruppe 7 galt die Eingangsstufe, da die Hauptstufe erst nach einer Ausübungszeit von 3 Jahren erreicht wurde und daher nicht in Betracht kam.
Die Höhe der Vergütung war für die Zeit ab 01. April 1988 und damit im hier maßgebenden Zeitpunkt 01. Oktober 1988 aufgrund eines Vertragswechsels mit Überleitung auf eine neue Gehaltsstruktur in einer als „Anlage 2 zum Verhandlungsergebnis vom 03. Mai 1988“ beschlossenen „Gehaltstafel“ geregelt. Danach betrug das Gehalt bei Eingruppierung in die Eingangsstufe der Gehaltsgruppe 7 monatlich 3.808,- DM.
Nach dem Manteltarifvertrag zwischen dem Arbeitgeberverband der Metallindustrie Hamburg-Schleswig Holstein e. V. und der Industriegewerkschaft Metall für die Bundesrepublik Deutschland, Bezirksleitung Hamburg vom 06. Mai 1987/29. Februar 1988, § 10.10.3 Punkt 1 war ferner eine Urlaubsvergütung in Höhe von 50 % der Vergütung für jeden Urlaubstag geschuldet, was bei 30 Arbeitstagen Urlaub (§ 10.2.1 des Manteltarifvertrages) umgerechnet (30 Arbeitstage Urlaub mal 7 Wochentage geteilt durch 5 Arbeitstage) auf 42 Tage jährlich 70% einer Monatsvergütung entspricht.
Nach § 2 Abs. 2 des Tarifvertrages über betriebliche Sonderzahlungen zwischen dem Arbeitgeberverband der Metallindustrie im Unterwesergebiet e. V., Bremen, dem Verband der Metallindustriellen Hamburgs und Umgebung e. V., Hamburg, dem Arbeitgeberverband der Metallindustrie in Schleswig-Holstein e. V., Kiel, dem Verband der Metallindustriellen des Nordwestlichen Niedersachsens e. V., Wilhelmshaven, und der Industriegewerkschaft Metall für die Bundesrepublik Deutschland, Bezirksleitung Hamburg, gültig ab 01. Januar 1977, bestand ferner Anspruch auf ein „Weihnachtsgeld“ von 20 %.
Insgesamt folgt hieraus der bereits genannte Betrag des JAV von 12,90 mal 3.808,- DM = 49.123,20,- DM.
Da nach allem der JAV-Feststellung ein tarifliches Entgelt zugrunde zu legen ist, war nicht mehr zu prüfen, ob ein für die Klägerin günstigeres ortsübliches Entgelt für Tätigkeiten wie die von ihr angestrebte in Betracht kommt. Denn ein ortsübliches Arbeitsentgelt ist nach dem klaren Wortlaut des § 90 Abs. 1 Satz 2 SGB VII nur dann maßgeblich, wenn keine tarifliche Regelung besteht.Für den von der Klägerin begehrten Günstigkeitsvergleich mit der Folge des Abstellens auf die für sie günstigste Alternative besteht nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift keine Grundlage. Soweit das BSG dies zur Vorgängervorschrift des § 573 Abs. 2 RVO anders entschieden hatte (BSG, Urteil vom 24. April 1975, Az. 8 RU 116/74, zitiert nach juris), war dies mit dem anderen Wortlaut dieser Vorschrift (Entgelt, welches „durch Tarif festgesetzt oder sonst ortsüblich ist“) begründet worden, dem eine Rangfolge der Alternativen nicht zu entnehmen war. Eine derartige Auslegung wäre mit der seit Inkrafttreten des SGB VII geltenden Fassung des § 90 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII aufgrund des hier formulierten Vorrangs einer tariflichen Regelung nicht mehr vereinbar.
Auf die Einwände der Klägerin kam es nach allem nicht an. Insbesondere war unerheblich, welche weiteren beruflichen Qualifizierungen sie beabsichtigt haben mag. Denn Berufsabschluss ist der Abschluss der Ausbildung im engeren Sinne, notwendig ist eine geregelte, zu einem qualifizierenden Abschluss führende Ausbildung; etwaige berufsqualifizierende Aus- und Fortbildungsmaßnahmen, etwa zum Softwareentwickler, zählen nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 07.02.2006, Az. B 2 U 3/05 R, zitiert nach juris.de), der sich der Senat anschließt, nicht zur Berufsausbildung. Damit kam es nicht darauf an, ob die Klägerin nach Abschluss ihrer Ausbildung möglicherweise eine Weiterqualifizierung oder eine Tätigkeit als Entwicklerin angestrebt hätte.
Hilfsweise wird jedoch darauf hingewiesen, dass die Klägerin auch unter Zugrundelegung der von ihr für die Begründung ihres Klage- und Berufungsantrages genannten Verdienste keinen Anspruch auf die Zugrundelegung des von ihr gewünschten JAV hätte. Denn die Klägerin geht hier ausschließlich von einem erzielbaren Verdienst in der sog. freien Wirtschaft aus. Soweit die Klägerin dies damit begründet, dass im maßgebenden Zeitpunkt 53% der Absolventen der Biomedizintechnik ihre erste Anstellung in der medizinischen Industrie gefunden hätten, ist darauf hinzuweisen, dass damit jedenfalls die knappe Hälfte der Absolventen eine Anstellung im wesentlich schlechter bezahlten öffentlichen Dienst, insbesondere in Krankenhäusern, antraten, was in eine Berechnung ortsüblicher Löhne jedoch einzugehen hätte. Nicht berücksichtigungsfähig waren schon nach dem Wortlaut des § 90 SGB VII ferner Aspekte wie das von der Klägerin behauptete und ohnehin nicht messbare angebliche höhere Ansehen der FH Hamburg.
Weitere Ermittlungen waren nicht erforderlich. Die Beweisanträge zu 1, 2, 4, 6, 7, 10 und 11 bezogen sich auf die Höhe des ortsüblichen Entgeltes, hierauf kam es vorliegend nicht an. Die Anträge zu 3, 5 und 12 im Hinblick auf die Eingruppierung der Klägerin betreffen nicht Tatsachen, sondern Rechtsfragen; deren Beantwortung ist Aufgabe des Gerichts. Den Beweisanregungen zu 8 und 9 betreffend Befragungen zum Berufs- und Tätigkeitsfeld des von der Klägerin angestrebten Berufes sind ein hinreichend konkretes Beweisthema und ein zu erwartendes Beweisergebnis nicht zu entnehmen, auch erschließt sich deren Relevanz für die vorliegend streitigen Fragen nicht. Bei dem zu 5 gestellten Antrag handelt es sich zudem um einen unzulässigen Beweisermittlungs- bzw. Ausforschungsantrag. Denn es wurden nicht die zu beweisenden Tatsachen benannt, sondern allein die sich (möglicherweise) aus ihnen ergebende Rechtsfolge einer bestimmten Eingruppierung. Beweisanträge, die so unbestimmt bzw. unsubstantiiert sind, dass im Grunde erst die Beweisaufnahme selbst die entscheidungs- und damit beweiserheblichen Tatsachen aufdecken soll brauchen dem Gericht eine Beweisaufnahme nicht nahe zu legen (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011, Az. B 13 R 33/11 R, zitiert nach juris). Abgesehen davon ist dieser Antrag in der Sache erneut auf die Feststellung einer angeblich üblichen und sich über die Bestimmungen des Tarifvertrages gerade hinwegsetzenden Entlohnung gerichtet. Die gesetzlich vorgesehene Anwendbarkeit des Tarifvertrages beinhaltet jedoch, dass dessen Bestimmungen beachtet und angewandt werden. Dahingestellt bleiben konnte, ob die Anträge im Übrigen überhaupt den Anforderungen der Prozessordnungen genügten.
Nach alledem war der Berufung der Klägerin daher nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang stattzugeben.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, sie folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 163 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 SGG bestanden nicht.