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Einstweilige Anordnung; Anordnungsgrund; Beschwerde; Zeitsoldat; Verkürzung der Dienstzeit; dienstliches Interesse; Beurteilungsspielraum; Willkür (verneint)


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 7. Senat Entscheidungsdatum 30.06.2014
Aktenzeichen OVG 7 S 30.14 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 123 Abs 1 VwGO, § 146 Abs 4 VwGO, § 40 Abs 7 S 1 SG

Leitsatz

Zum Rechtsschutz bei der Ablehnung einer Dienstzeitverkürzung von Zeitsoldaten.

Tenor

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 20. März 2014 wird aufgehoben. Der Antrag des Antragstellers, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Dienstzeit des Antragstellers auf 13 Jahre und 5 Monate zu verkürzen, wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird für die erste Rechtsstufe und für das Beschwerdeverfahren auf je 16.574,40 Euro festgesetzt.

Gründe

Die auch angesichts § 84 Satz 1 SG zulässige Beschwerde ist aus den von der Antragsgegnerin dargelegten, für die Prüfung des Senats maßgeblichen Gründen (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO) begründet.

Dabei braucht der Rüge der Antragsgegnerin, das Verwaltungsgericht hätte nicht die Vorwegnahme der Hauptsache beschließen dürfen, nicht unter dem Gesichtspunkt nachgegangen zu werden, ob und inwieweit bei einer – unterstellt: Rechte des Antragstellers verletzenden – Ermessensentscheidung der Behörde das Gericht dieser eine Bewilligung auferlegen darf (siehe dazu Funke-Kaiser, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 5. Auflage 2011, § 123 Rn. 60; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Auflage 2013, § 123 Rn. 12; Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 123 Rn. 113).

Denn die Antragsgegnerin führt zutreffend an, dass ihr Bescheid vom 31. Oktober 2013 in der Gestalt des Beschwerdebescheids vom 5. Januar 2014 keine Rechte des Antragstellers verletzt. Bei summarischer Überprüfung fehlt dem Antragsteller der vom Verwaltungsgericht angenommene Anordnungsanspruch für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

Das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt wie auch die damit abzusichernde Hauptsache nach dem Grundsatz in § 42 Abs. 2 VwGO, dass der Antragsteller geltend macht, die Ablehnung des begehrten Verwaltungsakts verletze ihn in seinen Rechten; eine Verletzung eigener Rechte muss möglich erscheinen. Die ablehnende Entscheidung der Antragsgegnerin bemisst sich an § 40 Abs. 7 Satz 1 SG. Danach kann die Dienstzeit eines Soldaten auf Zeit auf dessen Antrag verkürzt werden, wenn dies im dienstlichen Interesse liegt. Ob eine auf das dienstliche Interesse, auf öffentliche Belange usw. abstellende Norm den von der Entscheidung faktisch Betroffenen überhaupt eigene Rechte einräumt, ist für jedes Gesetz besonders festzustellen. Dient die Norm nicht zugleich auch dem Schutz des Einzelnen, darf dieser noch nicht einmal eine ermessensfehlerfreie Entscheidung verlangen (so in einem anders gelagerten Soldatenfall das BVerwG, Beschluss vom 6. Februar 2014 – 1 WB 39.13 – juris Rn. 17, 21). Zwischen den Fällen, in denen der Betroffene das Recht hat, Rechts-, Beurteilungs- bzw. Ermessensfehler der Behörde gerichtlich beanstanden zu lassen, und dem Ausschluss jeglicher Antrags- bzw. Klagebefugnis sind die Konstellationen einzuordnen, in denen der Betroffene immerhin, aber auch nur die Willkürfreiheit einer ansonsten nur im öffentlichen Interesse liegenden Entscheidung der Behörde rügen lassen darf.

Entscheidungen nach § 40 Abs. 7 Satz 1 SG geben dem Betroffenen nicht mehr als das Recht, die Willkürfreiheit des behördlichen Handelns überprüfen zu lassen (ebenso Bay. VGH, Beschluss vom 12. September 2006 – 15 ZB 06.112 – juris Rn. 4; entsprechend schon Engelien-Schulz, NZWehrr 1993, S. 194 [198]). Abzulehnen ist die Ansicht in Rechtsprechung und Kommentierung, wonach die Behörde bei der Feststellung des dienstlichen Interesses einen Beurteilungsspielraum habe (VG Augsburg, Urteil vom 10. Januar 2008 – Au 2 K 07.16 – juris Rn. 17; Sohm, in: Walz/Eichen/Sohm, SG, 2. Auflage 2010, § 40 Rn. 47; Scherer/Alff/Poretschkin, SG, 9. Auflage 2013, § 40 Rn. 15; Vogelgesang, in: GKÖD, Stand: April 2014, Yk § 40 SG Rn. 32). Die Anerkennung behördlicher Beurteilungsspielräume impliziert, dass dem Einzelnen ein subjektives Recht aus einer Vorschrift erwächst, und erlaubt es ihm, zwar nicht die volle gerichtliche Überprüfung der Entscheidung, jedoch immerhin die ordnungsgemäße behördliche Feststellung des Sachverhalts, die Durchführung eines korrekten Verwaltungsverfahrens, die richtige Auslegung des anzuwendenden Rechts, die Beachtung allgemein gültiger Beurteilungsmaßstäbe seitens der Verwaltung und die Vermeidung sachfremder, d.h. willkürlicher Entscheidungen zu verlangen (Schoch, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, 2009, § 50 Rn. 296). Demgegenüber trägt § 40 Abs. 7 Satz 1 SG, eine bis zum 23. Dezember 2000 in § 4 des Gesetzes über die Verminderung der Personalstärke der Streitkräfte enthaltene und durch Art. 1 Nr. 26 f des Gesetzes vom 19. Dezember 2000 (BGBl I, S. 1815) in das Soldatengesetz übertragene Vorschrift, allein dem objektiven Interesse an einer Reduzierung der Personalstärke der Streitkräfte Rechnung (vgl. BT-Drs. 12/1269, S. 5 und 8; Engelien-Schulz, NZWehrr 1993, S. 194 ff.; VG Koblenz, Urteil vom 30. Oktober 1996 – 10 K 902/96.KO – S. 10 der Urteilsabschrift). Die Einräumung eines Rechts, die willkürfreie Anwendung der Vorschrift geltend zu machen, lässt sich mit der Auswirkung auf den Soldatenstatus rechtfertigen (so Bay. VGH, Beschluss vom 12. September 2006 – 15 ZB 06.112 – juris Rn. 4). Ob der Soldat die Willkürfreiheit nur der Ermessensbetätigung oder auch der Verneinung des dienstlichen Interesses erfolgreich rügen darf, kann der Senat offen lassen.

Die Antragsgegnerin handelte jedenfalls nicht willkürlich. Willkürlich ist eine Entscheidung nur dann, wenn sie unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht; fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Entscheidung nicht willkürlich (so BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 2014 – 1 BvR 3571/13, 1 BvR 3572/13 – juris Rn. 41, zur Überprüfung einer Gerichtsentscheidung). Der Antragsteller macht Willkür der Antragsgegnerin nicht glaubhaft. Der Meinungsunterschied der Beteiligten, auf welcher Ebene der Soll-Ist-Vergleich der Personallage vorzunehmen sei, lässt Willkür auf Seiten der Antragsgegnerin nicht erkennen. Der Senat braucht auch nicht zu entschieden, ob die Antragsgegnerin die vom Verwaltungsgericht vermissten weiteren Umstände in die Feststellung des dienstlichen Interesses hätte einbeziehen müssen. Eine unvollständige Einstellung aller beachtlichen Umstände wäre objektiv rechtswidrig, aber ohne Weiteres nicht willkürlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG. Wegen der angestrebten Vorwegnahme der Hauptsache wird der für das Klageverfahren angesetzte Betrag nicht halbiert.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).