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Entziehung der Fahrerlaubnis; Nichtbeibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens, Verwertbarkeit früherer Alkoholfahrten - Tilgung (hier mehr als 5 Jahre), beanstandungsfreie Teilnahme am Straßenverkehr unbeachtlich


Metadaten

Gericht VG Frankfurt (Oder) 2. Kammer Entscheidungsdatum 23.04.2012
Aktenzeichen VG 2 L 56/12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 11 Abs 8 FEV, § 13 Nr 2c FeV, § 3 Abs 1 StVG, § 46 Abs 1 FeV

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 6.250,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Antragstellers,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 27. September 2011 wiederherzustellen,

hat keinen Erfolg. Er ist unbegründet.

Die bezüglich der Entziehung der Fahrerlaubnis des Antragstellers erfolgte Anordnung der sofortigen Vollziehung erweist sich als rechtmäßig. Sie entspricht zunächst den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Der Antragsgegner hat das überwiegende Interesse am Sofortvollzug unter Bezugnahme auf den konkreten Sachverhalt und Hinweis auf die bei einer weiteren Verkehrsteilnahme des Antragstellers von diesem ausgehende Gefahr für ihn und die Allgemeinheit dargelegt. Ob diese Begründung durchgreift, ist bei der Entscheidung der Frage, ob die Anordnung den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügt, unbeachtlich.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist nach Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses gegen das Aussetzungsinteresse des Antragstellers unter Beachtung der Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden. Das private Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruches muss hinter dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Verfügung zurücktreten, da sich die angegriffene Ordnungsverfügung vom 27. September 2011 bei der hier nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als offensichtlich rechtmäßig erweist.

Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis sind im vorliegenden Fall § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i. V. m. § 46 Abs. 1 FeV. Danach ist dem Inhaber einer Fahrerlaubnis diese zu entziehen, wenn er sich zum Führen von Kraftfahrzeugen als ungeeignet erweist. Hier durfte der Antragsgegner gem. § 46 Abs. 3 i. V. m. § 11 Abs. 8 FeV aus dem Umstand, dass der Antragsteller das von ihm geforderte medizinisch-psychologische Gutachten (vgl. § 11 Abs. 3 FeV) über seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht innerhalb der vorgegebenen Frist beigebracht hat, auf dessen Nichteignung schließen und musste ihm zwingend die Fahrerlaubnis entziehen.

Zur Vorlage eines angeforderten Gutachtens und damit zur Mitwirkung im Verwaltungsverfahren ist der Betroffene dann verpflichtet, wenn die Voraussetzungen des § 46 Abs. 3 FeV i. V. m. den §§ 11 ff. FeV erfüllt sind und das dort beschriebene Verfahren eingehalten wurde (vgl. OVG Koblenz, Beschluss vom 10. August 1999 – 7 B 11398/99 -, DAR 1999, 518). Dies ist hier der Fall; es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass der Antragsgegner den Antragsteller mit Schreiben vom 01. Juli 2011 zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Klärung seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen aufgefordert hat.

Zunächst genügt die in Rede stehende Anordnung den in § 11 Abs. 6 FeV normierten formellen Anforderungen (vgl. dazu allgemein zu der Vorgängervorschrift § 15 b Abs. 2 StVZO a. F. BVerwG, Urteil vom 05. Juli 2001 – 3 C 13.01 -, NJW 2002, 78 = DÖV 2002, 125; zur gegenwärtig geltenden Vorschrift: VGH Mannheim, Beschluss vom 05. November 2001 - 10 S 1337/01 -, zitiert nach Juris). Danach ist dem Betroffenen mitzuteilen, welches die Gründe für die Zweifel an seiner Eignung sind. In der Anordnung vom 01. Juli 2011 wird auf die Trunkenheitsfahrt vom 07. Mai 2006 und die hierzu ergangene Entscheidung des Amtsgerichts Strausberg hingewiesen. Die Anordnung enthält auch den nach § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV erforderlichen Hinweis auf die sich aus einer Nichteinreichung des erbetenen Gutachtens ergebende Annahme der fehlenden Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen sowie die in einem solchen Fall zu veranlassende Entziehung der Fahrerlaubnis. Die mit der Anordnung gesetzte Frist von gut 2 Monaten ist nicht zu beanstanden.

Auch materiell ist die Anordnung zur Beibringung des Gutachtens nach summarischer Prüfung rechtmäßig. Für den Fall, dass Zweifel an der Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeuges im Hinblick auf eine möglicherweise bestehende Alkoholproblematik bestehen, trifft § 13 FeV eine differenzierte Regelung darüber, wann ein ärztliches und wann ein medizinisch-psychologisches Gutachten einzuholen ist oder eingeholt werden kann. Gemäß § 13 Nr. 2 c) ist die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auch dann anzuordnen, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr geführt wurde.

Der Antragsteller hat – unstreitig – am 07. Mai 2006 mit einer festgestellten Blutalkoholkonzentration von 2,55 Promille ein Fahrrad und damit ein Fahrzeug im Sinne des § 13 Nr. 2 c) FeV (vgl. ständige Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg, stellvertretend Beschlüsse vom 21. August 2009 – 1 N 90.08 – und vom 29. September 2008 – 1 N 80.07 -, beide zitiert nach juris) geführt. Damit liegen bezüglich seiner Person Zweifel an der Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeuges im Hinblick auf eine möglicherweise bestehende Alkoholproblematik vor, was Anlass zur Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gibt.

Entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers steht der Anforderung des Gutachtens auch nicht die bis zu diesem Zeitpunkt seit der Alkoholfahrt verstrichene Zeit von gut 5 Jahren entgegen. Wie die Kammer insoweit bereits im Beschluss vom 14. September 2011 zum Eilrechtsschutzverfahren des Antragstellers mit dem Aktenzeichen 2 L 216/11 ausgeführt hat, hat der Gesetzgeber selbst Fristen festgelegt, nach deren Ablauf Taten der hier in Rede stehenden Art einem Verwertungsverbot unterliegen (vgl. hierzu ausführlich BVerwG, Urteil vom 9. Mai 2005 – 3 C 21/04 -, zitiert nach juris). Die vorliegend maßgebliche Frist von 10 Jahren war zum Zeitpunkt der Anforderung des Gutachtens noch nicht abgelaufen, so dass die Überprüfung von Einstellung und Verhalten des Antragstellers nach wie vor im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Begutachtung möglich und auch zumutbar ist. Der Hinweis auf die verkehrsrechtliche Unauffälligkeit des Antragstellers über eine geraume Zeit ändert hieran nichts, da die Kontrolldichte im Straßenverkehr relativ gering ist und belastbare Anknüpfungspunkte dafür fehlen, dass der Antragsteller innerhalb dieses Zeitraumes seinen Alkoholkonsum zu steuern gelernt hat.

Mithin durfte der Antragsgegner den Antragsteller zur Vorlage des Gutachtens auffordern, um dessen Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären, und war der Antragsteller zur Mitwirkung verpflichtet. Ermessensfehler sind insoweit nicht ersichtlich. Der Antragsgegner hat das ihm eingeräumte Ermessen ausgeübt und dabei keine erkennbar sachwidrigen Erwägungen angestellt.

Aus dem Umstand, dass der Antragsteller das von ihm zu Recht geforderte Gutachten über seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht innerhalb der vorgegebenen Frist beigebracht hat, konnte der Antragsgegner nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf dessen Nichteignung schließen und musste ihm zwingend die Fahrerlaubnis entziehen. Ein Ermessen bei dieser Entscheidung bestand insoweit nicht.

Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung in Höhe von 511 € bestehen nicht und sind seitens des Antragstellers auch nicht geltend gemacht worden.

Das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der rechtmäßigen Entziehungsverfügung ist ebenfalls gegeben. Wenn sich ein Kraftfahrer als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, muss dies nicht nur zur Entziehung der Fahrerlaubnis, sondern in aller Regel auch dazu führen, dass diese Anordnung sofort vollzogen wird, um den ungeeigneten Führerscheininhaber unverzüglich von der weiteren Teilnahme am Straßenverkehr auszuschließen, da ein berechtigtes Interesse der Allgemeinheit daran besteht, dass die Gefahren, die von ungeeigneten Kraftfahrern für ihre Sicherheit ausgehen, nicht länger hingenommen werden (vgl. OVG Bautzen, Beschluss vom 23. Februar 1993 - 3 S 2/93 -, LKV 1994, 224).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus den §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG. Da vorliegend keine Besonderheiten erkennbar sind, die eine abweichende Festsetzung angezeigt erscheinen lassen, ist unter Heranziehung der Nr. 46 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327 ff.) für die Fahrerlaubnis der Klassen A, BE, C1E, M und L von einem Streitwert in Höhe von 12.500,00 € auszugehen, der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren war.