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Kindergartenrecht, Heimrecht


Metadaten

Gericht VG Cottbus 1. Kammer Entscheidungsdatum 22.04.2016
Aktenzeichen VG 1 K 638/13 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 17 KitaG BB 2, § 6a BKGG, § 90 SGB 8

Leitsatz

Im Bereich des § 90 SGB VIII kann der nach § 6 a BKGG gezahlte Kinderzuschlag als Einkommen der Eltern berücksichtigt werden.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt die Klägerin.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Höhe der von dem Beklagten für die Betreuung ihrer Kinder in den Jahren 2011 und 2012 erhobenen Elternbeiträge.

Die Klägerin ist Mutter des 2004 geborenen … und der 2007 geborenen Franzis…, die in den Jahren 2011 und 2012 im Kinderhaus … mit einem Betreuungsumfang von bis zu 8 Stunden im Kindergarten, … ab dem 15. August 2011 mit einem Betreuungsumfang von über 4 Stunden im Hort betreut wurden. Mit Bescheiden jeweils vom 2. Januar 2013 setzte der Beklagte als Träger der Einrichtung den Elternbeitrag für April 2011 jeweils auf 19,00 Euro und für den Zeitraum von Mai 2011 bis April 2012 jeweils auf monatlich 75,00 Euro, für … ab September 2011 auf monatlich 49,00 Euro fest. Mit Bescheid vom 3. Januar 2013 setzte er die Elternbeiträge ab Mai 2012 für … auf monatlich 55,00 Euro und für … auf monatlich 89,00 Euro fest.

Gegen diese Bescheide erhob die Klägerin am 7. Januar 2013 Widerspruch, mit dem sie sich dagegen wendete, dass der Beklagte den ihr für ihre Kinder gewährten Kinderzuschlag als Einkommen berücksichtigt habe, bei dem es sich um eine Sozialleistung handele, die nicht in der Einkommenssteuererklärung anzugeben sei. Ohne den Kinderzuschlag hätte sie Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II und müsste für die Inanspruchnahme der Kindertagesbetreuung lediglich den Mindestbetrag leisten. Die höheren Elternbeiträge würden zu einer Erhöhung des Kinderzuschlages führen, was dann wiederum – völlig unlogisch - zu einer Erhöhung der Elternbeiträge führen würde. Zudem sei der von ihrem Ehemann an ein weiteres Kind zu leistende Unterhalt nicht einkommensmindernd berücksichtigt worden.

Hieraufhin erließ der Beklagte am 4. Juni 2013 einen Abhilfebescheid, da der Einwand zwar nicht hinsichtlich des Kinderzuschlages, aber hinsichtlich der Unterhaltsverpflichtung begründet sei, weshalb die angegriffenen Bescheide aufgehoben und neu erlassen würden. Mit Bescheiden vom selben Tage setzte der Beklagte die Elternbeiträge sodann unter Beibehaltung im Übrigen für den Zeitraum von September 2011 bis April 2012 für … auf monatlich 47,00 Euro und für … auf monatlich 73,00 Euro neu fest. Mit Bescheid vom 5. Juni 2013 setzte er die Elternbeiträge für den Zeitraum ab Mai 2012 für … auf monatlich 53,00 Euro und für … auf monatlich 86,00 Euro fest.

Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 6. Juni 2013 erneut Widerspruch, soweit der Beklagte nach wie vor den Kinderzuschlag als Einkommen berücksichtigt habe. Diesen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 2013 unter Hinweis auf § 6 Abs. 1 seiner hierzu erlassenen Satzung zurück, wonach die zur Deckung des Lebensunterhaltes bestimmten öffentlichen Leistungen zum Einkommen hinzuzurechnen seien. Bei dem Kinderzuschlag handele es sich um Leistungen in diesem Sinne.

Am 11. Juli 2013 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

Sie ist der Auffassung, dass der Kinderzuschlag eine Sozialleistung sei, die nicht als Einkommen berücksichtigt werden dürfe, und wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus den Widersprüchen.

Die Klägerin beantragt,

die Bescheide des Beklagten vom 4. Juni 2013 und vom 5. Juni 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juli 2013 insoweit aufzuheben, als darin Elternbeiträge festgesetzt wurden, die folgende Beträge übersteigen: im Zeitraum von Mai bis August 2011 einen Betrag in Höhe von 73,00 Euro monatlich, im Zeitraum von September 2011 bis April 2012 einen Betrag in Höhe von 46,00 Euro monatlich für … und in Höhe von 71,00 Euro monatlich für …, sowie im Zeitraum ab Mai 2012 einen Betrag in Höhe von 48,00 Euro monatlich für … und in Höhe von 47,00 Euro monatlich für …

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist im Wesentlichen auf die Bestimmungen seiner ordnungsgemäß beschlossenen und bekannt gegebenen Satzung.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten und des Vortrages der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie den Verwaltungsvorgang (1 Heft) ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin deshalb nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO.

Rechtsgrundlage für die Erhebung von Elternbeiträgen im Rahmen der Kindertagesbetreuung gemäß §§ 22 bis 24 des Sozialgesetzbuches (SGB) VIII sind §§ 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, 17 Abs. 1 Satz 1 des Kindertagesstättengesetzes des Landes Brandenburg (KitaG) i. V. m. § 1 Abs. 1 der Satzung der Gemeinde … zur Erhebung von Elternbeiträgen für die Inanspruchnahme eines Platzes in einer Kindertagestätte oder einer Tagespflegestelle vom 5. Dezember 2006 in der Fassung der 2. Änderungssatzung vom 20. Dezember 2007 (im Folgenden: Kitagebührensatzung).

Der Bundesgesetzgeber hat die Ausgestaltung der Erhebung der Elternbeiträge weitgehend dem Landesrecht überlassen. Gemäß § 17 Abs. 2 KitaG sind die von den Personensorgeberechtigten zu erhebenden Elternbeiträge sozialverträglich zu gestalten und nach dem Elterneinkommen, der Zahl ihrer unterhaltsberechtigten Kinder sowie dem vereinbarten Betreuungsumgang zu staffeln. § 17 Abs. 3 KitaG weist die Befugnis, Elternbeiträge festzulegen und zu erheben, dem Träger der jeweiligen Einrichtung zu; handelt es sich hierbei um eine Gemeinde oder einen Gemeindeverband, kann diese(r) nach Satz 3 der Regelung die Elternbeiträge durch Satzung festlegen und als Gebühr erheben.

Von dieser Befugnis hat die Gemeinde … mit ihrer durch Beschluss der Gemeindevertretung vom 5. Dezember 2006 erlassenen und im …, dem öffentlichen Mitteilungsblatt der Stadt … und der Gemeinde …, vom 22. Dezember 2006 bekannt gegebenen, zuletzt am 20. Dezember 2007 geänderten Kitagebührensatzung Gebrauch gemacht. Die formal ordnungsgemäße Satzung begegnet auch in materieller Hinsicht unter Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen keinen durchgreifenden Bedenken. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass weder der Bundes- noch der Landesgesetzgeber einen bestimmten Einkommensbegriff als Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der Elternbeiträge vorgegeben haben und den Trägern von Kindertagesstätten damit ein weiter Gestaltungsspielraum bei der Bestimmung des maßgeblichen Einkommensbegriffs und damit letztlich der jeweiligen Gebührenhöhe verbleibt, soweit die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Gebührenpflichtigen im Grundsatz berücksichtigt wird (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 13. April 1994 – 8 NB 4/93 -, juris Rn. 7 f.).

Diesen Anforderungen genügen die Bestimmungen der hier anzuwendenden Kitagebührensatzung. Nach § 4 Abs. 1 dieser Satzung bemisst sich die Höhe der Gebühren u. a. nach dem anrechnungsfähigen Vorjahreseinkommen der Eltern, bei dem es sich gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 der Satzung um das positive Jahreseinkommen der Eltern im Sinne von § 2 Abs. 1 und 2 des Einkommenssteuergesetzes (EStG) des letzten Kalenderjahres handelt, wobei nach Satz 3 der Regelung steuerfreie Einkünfte, das Kindergeld, Unterhaltsleistungen für den Personensorgeberechtigten und das Kind, für das der Elternbeitrag ermittelt wird, sowie die zur Deckung des Lebensunterhaltes bestimmten öffentlichen Leistungen und sonstige Einkünfte i. S. v. § 22 EStG hinzuzurechnen sind. Hiervon werden die in Absatz 3 benannten Beträge – insbesondere die auf das Einkommen zu leistenden Steuerbeträge, Vorsorgeaufwendungen und Werbungskosten sowie Unterhaltsverpflichtungen – abgezogen. Gemäß § 12 der Kitagebührensatzung richtet sich, wenn die Beitragsschuldner durch Vorlage geeigneter Unterlagen belegen, dass sie Empfänger von Leistungen nach dem SGB II und SGB XII sind, die Höhe der Elternbeiträge nach dem Höchstbetrag für die niedrigste Einkommensstufe der jeweiligen Betreuungszeit. Damit wird typisierend, aber dem auch hier zu beachtenden Zweck der Verwaltungsvereinfachung und der zügigen Ermittlung des maßgeblichen Gebührenbetrages entsprechend ein Einkommensbegriff gewählt, der die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit jedenfalls im Grundsatz berücksichtigt. Eine weitere Differenzierung, die zulässig wäre, ist verfassungsrechtlich nicht geboten.

Entgegen der Auffassung der Klägerin war die Gemeinde auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht gehalten, Eltern, die ihren Lebensunterhaltsbedarf aus eigenem Erwerbseinkommen bestreitenden und lediglich ergänzend öffentliche Leistungen wie Wohngeld oder Kinderzuschlag beziehen, deren Gewährung gerade verhindern soll, dass die Betroffenen zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes auf Transferleistungen nach dem SGB II oder XII angewiesen sind (vgl. für den Kinderzuschlag BR-Drs. 558/03, S. 2, 201), ebenfalls dem Anwendungsbereich des § 12 der Kitagebührensatzung zu unterstellen. Dies rechtfertigt sich insbesondere aus der Überlegung, dass die Gebührenerhebung im Rahmen einer - ohnehin mehr Spielraum eröffnenden - Leistungsgewährung erfolgt, Gebühren grundsätzlich als Entgelt für eine Leistung der Verwaltung an der empfangenen Leistung auszurichten und Ermäßigungen aus sozialen Gründen zwar nicht begrifflich oder von Verfassung wegen ausgeschlossen sind, aber - jedenfalls bei Benutzungsgebühren - in einem steten Spannungsverhältnis zu dem Gedanken der Abgabengerechtigkeit (gleich hohe Gebühr bei gleicher Inanspruchnahme) stehen und soziale Gesichtspunkte deshalb nicht ungeschmälerte Geltungskraft im Sinne einer exakten Widerspiegelung der jeweiligen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verlangen können. Dies berechtigt den Gesetz- und Satzungsgeber dazu, bei der Bemessung von Kindertagesstättengebühren grundsätzlich von der der Leistung entsprechenden Betragshöhe auszugehen und Einkommensaspekte nur vergröbernd und nicht mit einer etwa steuerrechtlichen Genauigkeit zu berücksichtigen (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 13. April 1994 – 8 NB 4/93 -, juris Rn. 8).

Die mit den angefochtenen Bescheiden auf Grundlage der Kitagebührensatzung erfolgte Festsetzung der Elternbeiträge ist nicht zu beanstanden. Insbesondere hat der Beklagte zutreffend den der Klägerin für ihre Kinder gewährten Kinderzuschlag als Einkommen i. S. v. § 6 Abs. 1 Satz 1 und 3 der Kitagebührensatzung – zur Deckung des Lebensunterhaltes bestimmte öffentliche Leistungen - berücksichtigt. Denn der gemäß § 6 a des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) gewährte Kinderzuschlag soll nach dem Willen des Gesetzgebers den durchschnittlichen Bedarf von Kindern an Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld abdecken (vgl. BR-Drs. 558/03, S. 3, 201), also das Existenzminimum des Kindes entlasten, seinen Lebensunterhaltsbedarf decken und einen Sozialleistungsbezug vermeiden (vgl. Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 14. Januar 2016 – L 3 BK 8/13 -, juris Rn. 21; Verwaltungsgericht Göttingen, Urteil vom 24. März 2015 – 2 A 90/14 -, juris Rn. 23). Damit dient der Kinderzuschlag der Deckung des Lebensunterhaltes; dass es sich um eine Sozialleistung handelt, steht dem entgegen der Auffassung der Klägerin nicht entgegen. Vielmehr gehört nach der vom Bundesverwaltungsgericht zum Sozialhilferecht entwickelten Zuflusstheorie zum Einkommen alles, was jemand in der Bedarfs- oder Hilfezeit wertmäßig dazu erhält (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 18. Februar 1999 – 5 C 35.97 -, juris Rn. 14 sowie Urteil vom 19. März 2013 – 5 C 16/12 -, juris Rn. 23).

Bei dem Kinderzuschlag handelt es sich auch um Einkommen der Eltern.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Kindergeld ist dieses, soweit keine besondere rechtliche Zuordnung existiert, Einkommen dessen, der es erhält, also ausgezahlt bekommt (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17. Dezember 2003 – 5 C 25/02 -, juris Rn. 6). Dies gilt nach Auffassung der Kammer in gleicher Weise für den nach § 6 a BKGG gewährten Kinderzuschlag. Da das SGB VIII anders als das SGB II, nach dessen § 11 Abs. 1 Satz 3 (vormals Satz 2) der Kinderzuschlag als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen ist, keine besondere Regelung enthält, wem der Kinderzuschlag als Einkommen zuzurechnen ist, ist er im Anwendungsbereich des § 90 SGB VIII nicht Einkommen des Kindes, sondern des Elternteils, dem er ausgezahlt wird (vgl. ebenso Verwaltungsgericht Göttingen, Urteil vom 24. März 2015 – 2 A 90/14 -, juris Rn. 28 ff.; (im Erg. offen lassend) Verwaltungsgericht Schwerin, Urteil vom 22. Dezember 2015 – 6 A 1991/11 -, juris Rn. 44; a. A. Verwaltungsgericht Bayreuth, Urteil vom 30. Januar 2012 – B 3 K 11.166. -, juris Rn. 98).

Dies entspricht auch der aus der Gesetzesbegründung zu entnehmenden Zweckbestimmung des Kinderzuschlages. Eltern sollen nicht nur wegen der Unterhaltsbelastung für ihre Kinder Arbeitslosengeld II und Sozialgeld in Anspruch nehmen müssen und durch den Kinderzuschlag einen Arbeitsanreiz erhalten. Durch die Einführung einer Einkommenshöchstgrenze wird erreicht, dass Eltern, die auch ohne den Kinderzuschlag den Bedarf für sich und ihre Kinder aus eigenem Einkommen decken können, keinen Kinderzuschlag erhalten. Kann ein Kind seinen Bedarf aus eigenem Einkommen oder Vermögen decken, muss dieser Bedarf nicht von den Eltern gedeckt werden, weshalb der Kinderzuschlag in diesem Fall gemäß Abs. 3 der Regelung entsprechend zu mindern ist oder ganz entfällt (vgl. zum Ganzen BR-Drs. 558/03, S. 201). Hieraus wird deutlich, dass der Kinderzuschlag eine Leistung an die Eltern ist, um diese durch Absicherung des Existenzminimums des jeweiligen Kindes von ihrer entsprechenden Unterhaltspflicht für dieses Kind zu entlasten. Ebenso richtet sich der beabsichtigte Arbeitsanreiz an die Eltern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.