Gericht | LG Cottbus 6. Zivilkammer | Entscheidungsdatum | 08.12.2011 | |
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Aktenzeichen | 6 O 68/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin fordert mit der Klage Mehrkosten für einen witterungsbedingten Stillstand ihrer Leistungen bei dem Bau einer Autobahnbrücke.
Die Beklagte beauftragte die Klägerin mit Zuschlagsschreiben vom 01. September 2009 mit dem Bau einer Autobahnbrücke für die Autobahn … zwischen ….. und …… einschließlich der Rampen (Ersatzneubau BW 21Ü1). Als Vergütung vereinbarten die Parteien eine vorläufige Auftragssumme von 984.978,60 Euro. Vertragsgrundlagen wurden u.a. die Besonderen Vertragsbedingungen der Beklagten (Anlage K 2 zur Klageschrift, Blätter 10 ff. der Gerichtsakte) sowie die Regelungen der VOB/B. Nach Ziffer 2.3 der Besonderen Vertragsbedingungen waren die Leistungen spätestens am 15. Mai 2010 zu vollenden.
Die Klägerin zeigte mit Schreiben vom 4. Januar 2010 der Beklagten die witterungsbedingte Einstellung ihrer Arbeiten an (Blatt 16 der Gerichtsakte).
Am 8. März 2010 nahm die Klägerin die Arbeiten wieder auf. Dies hatte sie der Beklagten zuvor mit Schreiben vom 1. März 2010 mitgeteilt.
Die Beklagte verlängerte der Klägerin die Ausführungsfrist um den Zeitraum des Stillstandes zzgl. der Anlaufphase.
Mit Schreiben vom 15. April 2010 unterbreitete die Klägerin der Beklagten ein Nachtragsangebot Nr. 2, mit dem sie bauzeitverzögerungsbedingte Mehrkosten in Höhe von 43.786,75 Euro abrechnete. Die Beklagte lehnte das Nachtragsangebot mit Schreiben vom 24. Juni 2010 ab.
Mit Schreiben vom 9. Dezember 2010 erweiterte die Klägerin ihr Nachtragsangebot Nr. 2 um die verzögerungsbedingten Personalkosten. Das Nachtragsangebot Nr. 2 setzt sich zusammen aus Aufwendungen für Bauhilfsmittel, der Baustelleneinrichtung, den allgemeinen Geschäftskosten, der Verkehrssicherung und den Kosten der Eigenleistungen. Insgesamt beläuft sich das Nachtragsangebot Nr. 2 auf einen Betrag in Höhe von 80.238,38 Euro netto (= 95.438,67 Euro brutto). Wegen der Einzelheiten des Angebotes wird auf die Anlage K 7 (Blätter 21 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen. Ebenfalls unter dem 9. Dezember 2010 erstellte die Klägerin ihre Teilschlussrechnung Nr. 201059 über 954.186,60 Euro. Die Beklagte prüfte die Teilschlussrechnung und strich den Nachtrag Nr. 2 völlig.
Die Klägerin beantragte daraufhin ein Verfahren nach § 18 Nr. 2 VOB/B, welches ergebnislos verlief.
Die Klägerin behauptet, ab dem 4. Januar 2010 habe sie die Arbeiten aufgrund außergewöhnlicher Frosttemperaturen und wegen der überdurchschnittlichen Schneemengen vollständig einstellen müssen. Deswegen habe auch das Widerlager nicht betoniert oder andere Leistungen ausgeführt werden können. Sie habe über einen Zeitraum von 9 Wochen witterungsbedingt ihre Leistungen nicht erbringen können. Es hätten daher in diesen 9 Wochen Witterungseinflüsse geherrscht, mit denen bei Abgabe des Angebotes normalerweise nicht gerechnet werden musste.
Die Klägerin ist der Ansicht, mit einer derartig lang anhaltenden Kälteperiode habe sie bei Vertragsschluss nicht rechnen müssen. Ihr stehe wegen der witterungsbedingten Mehrkosten ein Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB gegen die Beklagte zu. Bei Bauverträgen bestehe die zur Herstellung des Werkes erforderliche und dem Besteller obliegende Mitwirkungshandlung darin, dass er das Baugrundstück als für die Leistung des Auftragnehmers aufnahmebereit zur Verfügung zu stellen habe. Dies habe die Beklagte hier in dem Zeitraum, in dem witterungsbedingt nicht gearbeitet werden konnte, unterlassen. Auf ein Verschulden der Beklagten komme es insofern nicht an.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 95.483,67 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an sie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.760,20 Euro zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, sie habe die Ausführungszeit ausschließlich aus Kulanz und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht verlängert. Es hätten schon nicht derart außergewöhnliche Witterungsverhältnisse geherrscht, welche eine Verlängerung der Ausführungsfrist zur Folge hätten.
Die Beklagte ist der Ansicht, sie hätte keine ihr nach § 642 BGB geschuldete Mitwirkungshandlung unterlassen, da Schneefall und Frost nicht in ihrem Einflussbereich liegen. Witterungseinflüsse würden grundsätzlich nicht unter § 642 BGB fallen. Vielmehr setze § 642 BGB eine verletzte Verpflichtung zur Mitwirkung voraus.
Die Klage ist zulässig.
Das Landgericht Cottbus ist insbesondere örtlich zuständig. Nach § 29 ZPO ist für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. Erfüllungsort bei einem Bauwerk ist der Standort des Bauwerkes selbst. Das Bauwerk befindet sich im Landgerichtsbezirk Cottbus.
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Mehrvergütung wegen eines witterungsbedingten Stillstandes der Baustelle aus §§ 6 Nr. 6 Satz 2 VOB/B, 642 BGB zu.
Nach § 642 BGB kann der Unternehmer eine angemessene Entschädigung verlangen, wenn bei der Herstellung des Werkes eine Handlung des Bestellers erforderlich ist und der Besteller durch das Unterlassen der Handlung in Verzug der Annahme kommt. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Die Parteien haben zwar unstreitig einen Werkvertrag geschlossen. Die Beklagte als Besteller hat jedoch keine Mitwirkungshandlung unterlassen. Bei der Mitwirkung des Auftraggebers handelt es sich um Handlungen oder um Unterlassen von Handlungen, von denen der Beginn oder die Durchführung der Werkleistung abhängig ist. Dazu zählt selbstverständlich die Zurverfügungstellung des Baugrundstückes in einem zur Aufnahme der Bauleistung geeignetem und bereitem Zustand. Dieser Mitwirkungshandlung ist die Beklagte jedoch nachgekommen. Das Baugrundstück stand in einem bebaubarem Zustand zur Verfügung.
Die Klägerin stützt sich insoweit allein auf den witterungsbedingten Stillstand der Baustelle wegen einer (behaupteten) außergewöhnlichen Wetterlage. Lang anhaltender Frost und große Schneemengen hätten sich auf den Baugrund ausgewirkt. Das Wetter, welches von der Beklagten nicht beeinflusst werden kann, gehört nicht zur Risikosphäre des Bestellers. Witterungsbedingungen stellen grundsätzlich keine Mitwirkungshandlung des Bestellers dar. Es handelt sich schlicht um höhere Gewalt, so auch die Wertung der VOB/B § 6 Nr. 2 Nr. 1c.
1. Die Klägerin kann ihren Anspruch nicht auf § 642 BGB stützen. Zwar findet § 642 BGB auch bei VOB-Bauverträgen neben der VOB/B Anwendung, jedoch liegen die Voraussetzungen eines solchen Entschädigungsanspruchs nicht vor.
Die Bereitstellung eines bestimmten Wetters ist keine Mitwirkungshandlung des Bestellers. Wollte man die Anwendung der §§ 642 BGB auf witterungsbedingte Verzögerungen zulassen, seit es auch zur Folge, dass der Unternehmer dann den Besteller eine Frist zur Nachholung der Mitwirkungshandlung (Bereitstellung eines anderen Wetters?) setzen könnte und nach Ablauf den Vertrag kündigen könnte. Ein solches Kündigungsrecht besteht zwar bei längerer Unterbrechung ohnehin nach § 6 Abs. 5 und 7 VOB/B, jedoch ohne Anspruch auf Erstattung der Mehrkosten (siehe auch weiter unten).
Entgegen der Ansicht der Klägerin gehört das Wetter auch nicht zum Baugrundrisiko, welches grundsätzlich dem Besteller zugewiesen wird. Das Baufeld wurde der Klägerin fristgerecht zur Verfügung gestellt und stand ihr auch im Januar und Februar 2010 zur Verfügung. Das Baugrundrisiko definiert sich als Gefahr unvorhergesehener Erschwernisse aufgrund der Beschaffenheit des Baugrundes (Brandenburgisches OLG NZBau 2009, 181). Das Wetter hat zwar Einfluss auf den Baugrund, stellt aber keine dem Baugrund innewohnende Beschaffenheit dar, für die der Besteller Sorge tragen muss und für welche er das Risiko trägt.
Der Besteller hat schlicht keinen Einfluss auf das Wetter. Soweit die Klägerin meint, die Beklagte könne mittels Maßnahmen (Schneeberäumung, beheizbares Zelt bei Frost) den Baugrund derart beeinflussen, dass er wieder bebaubar ist, so hat die Klägerin doch dieselben Möglichkeiten. Solche zusätzlichen Leistungen waren zwar als Eventualposition ausgeschrieben, jedoch obliegt es der Entscheidung und dem Ermessen des Bestellers, diese Positionen auszulösen. Der Besteller muss entscheiden, ob er für eine kürzere Bauzeit durch Aktivierung von Eventualposition eine höhere Vergütung zahlen will oder lieber eine längere Bauzeit in Kauf nimmt. Die Verlängerung der Bauzeit ist ja nicht nur für den Unternehmer nachteilig, in aller Regel ist eine verzögerte Herstellung auch mit zusätzlichen Kosten und Nachteilen auf Seiten des Bestellers verbunden. Man denke nur an den Fall, dass eine Fabrikhalle nicht termingemäß hergestellt werden kann und es deshalb zu einer verzögerten Aufnahme der Produktion kommt.
Daher kommt es letztlich allein auf die Frage an, in wessen Risikosphäre das Wetter liegt. Vorhersehbares Wetter liegt in der Risikosphäre des Unternehmers. Mit normalen Witterungsverhältnissen muss der Unternehmer rechnen und kalkulieren. In diesen Fällen wird der Einfluss des Wetters eindeutig nicht dem Baugrund und damit dem Besteller angelastet. Warum dann aber außergewöhnliches Wetter, wie von der Klägerin behauptet, in den Risikobereich des Bestellers fallen soll, erschließt sich nicht.
Jede Partei eines Bauvertrages hat die ihr entstehenden Kosten aus der witterungsbedingten Bauzeitverlängerung, mit der bei Abgabe des Angebotes normalerweise nicht gerechnet werden muss, selbst zu tragen. Dies ist auch billig. Der Unternehmer hat die Kalkulation seiner Preise selbst in der Hand. Kalkuliert er bei der Abgabe seines Angebotes mit den normalerweise vorherrschenden Witterungsverhältnissen und treffen diese ein, dann bekommt er seine kalkulierte und in der Regel wohl auskömmliche Vergütung. Ist die Witterung „besser“ als gedacht, wird der Unternehmer in der Regel einen höheren Gewinn machen als kalkuliert, sprich besseres Wetter als gedacht kommt dem Unternehmer zu gute. Warum soll dann aber in den seltenen Fällen von außergewöhnlichen Witterungsverhältnissen (ca. alle 15 bis 20 Jahre), das Risiko bzw. die Kosten sodann der Auftraggeber tragen?
2. Auch aus der Systematik der VOB/B folgt nichts anderes. Die VOB/B regelt zu Witterungseinflüssen während der Ausführungszeit unter § 6 Nr. 2 Abs. 2 VOB/B, das Witterungsverhältnisse während der Ausführungszeit, mit denen bei Abgabe des Angebotes normalerweise gerechnet werden muss, nicht als Behinderung gelten. Witterungseinflüsse, mit denen bei Abgabe des Angebotes nicht gerechnet werden muss (wie vorliegend von der Klägerin behauptet), führen zu einem Anspruch des Unternehmers auf Verlängerung der Ausführungsfrist. Eine ausdrückliche Regelung zu Mehrkosten, die aufgrund nicht vorhersehbarer Witterung entstanden sind, enthält die VOB/B hingegen nicht.
Es handelt sich auch nicht um eine Regelungslücke in der VOB/B. Der Verordnungsgeber hat sehr wohl gesehen, dass schwierige Witterungsverhältnisse Einflüsse auf den Bauablauf haben und zu Problemen führen. Er hat dem Rechnung getragen, indem er einen Anspruch auf Bauzeitverlängerung des Unternehmers geregelt hat. Obwohl dem Verordnungsgeber das Wetterproblem bekannt war, hat er einen Anspruch auf Erstattung der Mehrkosten in jedem Fall außergewöhnlichen Wetters nicht geregelt, so dass davon auszugehen ist, dass der Verordnungsgeber eine solche Regelung nicht treffen wollte.
Die VOB/B regelt sodann schließlich in § 6 Abs. 5 und 7 die Vergütungsansprüche des Unternehmers im Falle der längeren Unterbrechung und im Fall der Kündigung nach einer längeren Unterbrechung. Auch hier hat der Unternehmer nur einen Anspruch auf Vergütung nach den vertraglich vereinbarten Preisen und auf Erstattung der bereits entstandenen Kosten für noch nicht ausgeführte Teile der Leistung. Ein Anspruch auf Erstattung stillstandsbedingter Mehrkosten besteht hier ebenfalls nicht.
Auch der Hinweis auf § 7 VOB/B überzeugt nicht. Denn § 7 VOB/B regelt Vergütungsansprüche des Auftragnehmers unter dem Aspekt des vorzeitigen Gefahrenübergangs, wenn das Werk vor der Abnahme aufgrund unvorhersehbarer Witterungseinflüsse untergeht. Hier ist aber das Werk nicht beschädigt worden. Den nicht vorhersehbaren witterungsbedingten Stillstand einer Baustelle und die daraus resultierenden Mehrkosten hat die VOB/B explizit nicht geregelt.
3. Auch ist der vorliegende Fall, entgegen der Ansicht der Klägerin, nicht mit dem von der Kammer im März 2010 (Geschäftszeichen 6 O 258/07) entschiedenen Rechtsstreit gleich zu setzen. Dort hatte der Besteller tatsächlich eine Mitwirkungshandlung unterlassen, welche für die Herstellung des Werkes erforderlich war. Die Parteien hatten in diesem Fall eine besondere Beschaffenheit des Baugrundes, nämlich frei von Ameisennestern, vereinbart. Aufgrund kalter Witterung hatte der Besteller die Ameisennester nicht umsetzen können und somit den Baugrund nicht termingerecht dem Unternehmer zur Verfügung gestellt. Die unterlassene Mitwirkungshandlung bestand in diesem Fall in der nicht erfolgten Umsetzung der Ameisennester. Dies war eine echte Mitwirkungshandlung des Bestellers, zu deren Vornahme er sich ausdrücklich verpflichtet hatte und die er nicht termingerecht vorgenommen hat. Der Verzögerung lagen dort zwar auch nicht vorhersehbare Witterungseinflüsse zu Grunde. Im Gegensatz zum hier zu entscheidenden Fall beeinflussten aber die Witterungsverhältnisse sozusagen eine Vorleistung des Bestellers, zu der sich dieser vertraglich verpflichtet hatte, um sodann innerhalb einer bestimmten Frist den Baugrund zur Verfügung zu stellen. Hierauf durfte sich der Besteller aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen verlassen und einrichten. Das Umsetzen der Ameisennester und damit auch deren witterungsbedingte Verzögerung lagen somit in der Risikosphäre des Bestellers, da von diesem vertraglich übernommen.
Ähnlich verhält es sich in dem vom BGH am 21. August 1997 (VII ZR 17/96) entschiedenen Fall. Dort hatte der Besteller vertraglich den vorläufigen und endgültigen Hochwasserschutz für die Baustelle übernommen und diesen trotz Hochwassergefahr teilweise wieder beseitigt, so dass es zu Schäden am Werk des Unternehmers kam. In diesem Fall hat der BGH den Hochwasserschutz der Risikosphäre des Bestellers zugeordnet, weil dieser den Hochwasserschutz eben vertraglich übernommen hatte.
Anders liegt der Fall, wie bereits ausgeführt, aber hier. Das Baufeld stand grundsätzlich zur Verfügung. Die Beklagte hat das Risiko außergewöhnlichen Wetters vertraglich nicht übernommen. Auch im Gesetz findet sich keine Stütze, schlechtes Wetter der Risikosphäre des Bestellers zuzuordnen.
Mangels Anspruches in der Hauptsache steht der Klägerin ein Anspruch auf Erstattung ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gegen die Beklagte nicht zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 und 2 ZPO.