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Pflege - Sozialleistungen - Vergangenheit


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 27. Senat Entscheidungsdatum 18.07.2013
Aktenzeichen L 27 P 52/12 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 36 SGB 11

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Mai 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten noch für den Zeitraum vom 01. Februar 2010 bis zum 31. Dezember 2012 über die Gewährung von Pflegesachleistungen der Pflegestufe II nach § 36 des XI. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XI).

Der  1938 geborene Kläger bewohnt zusammen mit seiner Ehefrau, die selbst seit März 2010 Leistungen aus der Pflegeversicherung in Form von Pflegesachleistungen der Pflegestufe I erhält und von der Diakonie S versorgt wird, eine 2 ½ Zimmer-Wohnung.

De Kläger, der u. a. an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus, einer Polyneuropathie, einem diabetischen Fuß links mit chronischer Infektion, Wirbelsäulenbeschwerden und Abnutzungserscheinungen der Skelettmuskulatur und zwischenzeitlich an einer Urin- und Stuhlinkontinenz sowie einem Zustand nach Amputation des rechten Fußes und Teilen des rechten Unterschenkels im Oktober 2012 leidet, beantragte am 19. Februar 2010 die Gewährung von Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung und machte geltend, die Diakonie möge auch ihn pflegerisch versorgen.

Die Beklagte holte daraufhin das Gutachten der Pflegefachkraft M H des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 31. März 2010 ein, die nach körperlicher Untersuchung des Klägers in der häuslichen Umgebung vom 25. März 2010 einen Hilfebedarf von wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Grundpflege von 11 Minuten (8 Minuten im Bereich der Körperpflege sowie von 3 Minuten im Bereich der Mobilität) und im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung von 43 Minuten feststellte.

Dem Gutachten folgend lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07. April 2010 den Antrag ab. Der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen der Pflegestufe I (erhebliche Pflegebedürftigkeit), weil der insoweit erforderliche Hilfebedarf von wöchentlich im Tagesdurchschnitt mindestens 90 Minuten, wobei mehr als 45 Minuten auf die Grundpflege entfallen müssten, nicht erreicht werde.

Auf den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers vom 13. April 2010 ließ die Beklagte den Kläger erneut durch den MDK begutachten. Die mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragte Pflegefachkraft B N gelangte nach körperlicher Untersuchung des Klägers in der häuslichen Umgebung vom 02. November 2010 in ihrem Gutachten vom 03. November 2010 zu der Einschätzung, dass der Hilfebedarf wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Grundpflege 10 Minuten für Hilfeleistungen im Bereich der Körperpflege und im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung 45 Minuten betrage. Dem folgend wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. November 2010 zurück.

Der Kläger hat daraufhin am 16. November 2010 Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben, mit der er sein Begehren auf Gewährung von Leistungen der Pflegestufe II weiterverfolgt hat.

Das Sozialgericht hat Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte eingeholt und sodann den Arzt K mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Der Sachverständige K gelangte nach körperlicher Untersuchung des Klägers in der häuslichen Umgebung vom 17. Mai 2011 in seinem Gutachten von demselben Tag zu der Einschätzung, dass ein grundpflegerischer Bedarf im Falle des Klägers nicht bestünde, da dieser die entsprechenden Verrichtungen noch selbstständig verrichten könne. Lediglich im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung sei von einem Hilfebedarf von wöchentlich im Tagesdurchschnitt 30 Minuten auszugehen.

Mit Urteil vom 23. Mai 2012 hat das Sozialgericht Berlin unter Bezugnahme auf die Feststellungen und Einschätzungen des Sachverständigen Dr. K die Klage abgewiesen.

Gegen das ihm am 05. Juni 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12. Juni 2012 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.

Bereits zuvor am 31. Mai 2012 hat der Kläger erneut einen Antrag auf die Gewährung von Pflegeleistungen gestellt. Die daraufhin durch die Beklagte mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragte Pflegefachkraft H P des MDK gelangte nach körperlicher Untersuchung des Klägers in der häuslichen Umgebung vom 04. Juli 2012 in ihrem Gutachten vom 05. Juli 2012 - bestätigt durch das Gutachten vom 1. September 2012 - zu der Einschätzung, dass der Hilfebedarf wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Grundpflege 52 Minuten (40 Minuten im Bereich der Körperpflege und 12 Minuten im Bereich der Mobilität) sowie im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung 60 Minuten seit Mai 2012 betrage.

Mit Bescheid vom 20. Juli 2012 bewilligte die Beklagte daraufhin seit dem 01. Juli 2012 Leistungen der Pflegestufe I.

Auf den weiteren Antrag des Klägers vom 03. Januar 2013 ließ die Beklagte den Kläger erneut durch den MDK begutachten. Die mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragte Pflegefachkraft M N gelangte nach körperlicher Untersuchung des Klägers in der häuslichen Umgebung vom 01. Februar 2013 in ihrem Gutachten vom 02. Februar 2013 unter Berücksichtigung insbesondere der Amputation des rechten Fußes und Teile des rechten Unterschenkels im Oktober 2012 zu der Einschätzung, dass der Hilfebedarf wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Grundpflege 121 Minuten (82 Minuten im Bereich der Körperpflege, 11 Minuten im Bereich der Ernährung und 28 Minuten im Bereich der Mobilität) und im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung 90 Minuten seit Januar 2013 betrage.

Dem Gutachten folgend bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 05. Februar 2013 ab dem 01. Januar 2013 Pflegesachleistungen nach der Pflegestufe II. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen der Pflegestufe II würden erreicht, da der wöchentlich im Tagesdurchschnitt erforderliche Pflegebedarf mindestens drei Stunden betrage, wobei mindestens zwei Stunden auf die Grundpflege entfallen würden.

Die seitens des Senats beauftragte Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. B gelangte nach körperlicher Untersuchung des Klägers in der häuslichen Umgebung vom 01. März 2013 in ihrem Gutachten vom 04. März 2013 zu der Einschätzung, dass der Hilfebedarf wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Grundpflege 123 Minuten (70 Minuten im Bereich der Körperpflege, 3 Minuten im Bereich der Ernährung und 50 Minuten im Bereich der Mobilität) und im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung 60 Minuten betrage. Die zeitlichen Vorgaben für die Gewährung von Leistungen der Pflegestufe II würden seit Oktober 2012 erreicht.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen der Pflegestufe II bereits seit dem Monat der Antragstellung im Februar 2010 gegeben waren.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Mai 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 07. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 2010 und der Bescheide vom 20. Juli 2012 und vom 05. Februar 2013 zu verurteilen, ihm auch für die Zeit ab dem 01. Februar 2010 bis zum 31. Dezember 2012 Pflegesachleistungen der Pflegestufe II zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Die Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung weder selbst erschienen noch vertreten gewesen ist. Denn der Kläger ist ordnungsgemäß geladen und auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet. Das Urteil des  Sozialgerichts Berlin vom 23. Mai 2012 ist im Ergebnis zutreffend. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 07. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 2010 und die Bescheide vom 20. Juli 2012 und vom 05. Februar 2013 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Pflegesachleistungen gemäß § 36 SGB XI der Pflegestufe II für die Zeit vom 1. Februar 2010 bis zum 31. Dezember 2012.

Nach § 36 Abs. 1 Satz 1 SGB XI haben Pflegebedürftige im Sinne des § 14 SGB XI, die einer Pflegestufe nach § 15 SGB XI zuzuordnen sind, bei häuslicher Pflege Anspruch auf Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung als Sachleistung (häusliche Pflegehilfe). Nach Satz 3 der Vorschrift wird häusliche Pflegehilfe durch geeignete Pflegekräfte erbracht, die entweder von der Pflegekasse oder bei ambulanten Pflegeeinrichtungen, mit denen die Pflegekasse einen Versorgungsvertrag abgeschlossen haben, angestellt sind. Nach Satz 4 kann häusliche Pflegehilfe als Sachleistung auch durch Einzelpersonen, mit denen die Pflegekassen einen Vertrag nach § 77 Abs. 1 SGB XI abgeschlossen haben, erbracht werden.

Streitgegenständlich sind vorliegend allein Pflegesachleistungen im vorgenannten Sinne  unter Zugrundelegung der Pflegestufe II. Diese ergibt sich bereits aus der Antragstellung im Februar 2010 durch den Kläger selbst. Denn der Kläger macht geltend, dass er durch die Diakonie S gepflegt werden solle, mithin durch Pflegekräfte einer von den Pflegekassen anerkannten ambulanten Pflegeeinrichtung. Hierfür spricht auch, dass eine selbstbeschaffte Pflegehilfe nach Aktenlage nicht zur Verfügung stand und steht. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Ehefrau des Klägers, die aufgrund ihrer eigenen Pflegebedürftigkeit die Pflege des Klägers nicht sicherstellen konnte.

Das danach streitgegenständliche, auf die Gewährung von Pflegesachleistungen der Pflegestufe II gerichtete Begehren hat sich angesichts der Bewilligung von entsprechenden Pflegesachleistungen ab dem 1. Januar 2013 mit Bescheid der Beklagten vom 5. Februar 2013 erledigt, so dass Berufung und  Klage vom Kläger sinngemäß nur noch insoweit fortgeführt werden, als Pflegesachleistungen der Pflegestufe II ab dem Monat der Antragstellung im Februar 2010 bis zum 31. Dezember 2012 begehrt werden.

Dem Begehren des Klägers auf Gewährung von Pflegesachleistungen der Pflegestufe II für die vorgenannte Zeit ist indes der Erfolg verwehrt, weil Pflegesachleistungen aus der Natur der Sache heraus für den vorliegend allein der Vergangenheit angehörenden Zeitraum nicht mehr erbracht werden können. Pflegesachleistungen werden von der Diakonie S als anerkannte Pflegeeinrichtung erst ab Januar 2013 erbracht, so dass die dem Kläger nunmehr ab diesem Zeitpunkt gewährte Sachleistung mit der Pflegekasse im Umfang der Pflegebedürftigkeit abgerechnet werden kann. Für die Zeit vor dem 1. Januar 2013 ist eine Leistungserbringung indes infolge Zeitablaufes tatsächlich unmöglich geworden; sie kann daher nicht mehr im Nachhinein erbracht werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG. Soweit dem Kläger im Laufe des Berufungsverfahrens Pflegesachleistungen der Pflegestufe II zugebilligt worden sind, beruht dies darauf, dass Veränderungen im Gesundheitszustand des Klägers eingetreten sind. Diesem Umstand hat die Beklagte mit der Bewilligung von Pflegesachleistungen unverzüglich Rechnung getragen. Eine Kostenquotelung rechtfertigt sich vor diesem Hintergrund nicht.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG gegeben sind.