Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 3. Senat | Entscheidungsdatum | 19.01.2012 | |
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Aktenzeichen | L 3 U 285/09 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 2 Abs 1 Nr 13a SGB 7, § 2 Abs 1 Nr 13c SGB 7 |
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 07. September 2009 und der Bescheid der Beklagten vom 12. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2009 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass es sich bei dem Ereignis am 03. Februar 2008 um einen Arbeitsunfall handelt.
Die Beklagte hat dem Kläger dessen notwendigen außergerichtlichen Kosten des gesamten Rechtsstreites zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der 1988 geborene Kläger begehrt die Feststellung eines von ihm geschilderten Ereignisses vom 03. Februar 2008 als Versicherungsfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung.
Am 19. Februar 2008 gingen bei der Beklagten die ärztliche Unfallmeldung – Nachmeldung – des Zeugen und Facharztes für Orthopädie/ Unfallchirurgie Dipl.-Med. P vom 06. Februar 2008, der am gleichen Tag erstellte Ergänzungsbericht Knie sowie der Befund über eine am 11. Februar 2008 durchgeführte Magnetresonanztomographie (MRT) des linken Kniegelenkes des Klägers ein. In der Unfallmeldung ist als Unfalltag der 03. Februar 2008, als Zeitpunkt 04:30 Uhr und zu den Angaben des Klägers zum Unfallhergang Folgendes vermerkt:
„Der Patient verunfallte, als er einer widerrechtlich angegriffenen Person Hilfe leistete. Er erhielt einen Fußtritt gegen sein linkes Kniegelenk. Unfallort: Nähe S-Bahn H Platz bzw. Bushaltestelle H Platz.“
Der Kläger sei nach seinen Angaben von einer dritten Person mit dem PKW nach Hause gefahren worden, zu Hause habe er sich mit Eisakkus und Hochlagerung des Beines behandelt. Die Erstbehandlung habe noch am 03. Februar 2008 in der Rettungsstelle des St. G-Krankenhauses stattgefunden. Der Zeuge P äußerte den Verdacht auf einen Kniebinnenschaden links in Form einer Ruptur des vorderen Kreuzbandes und stellte Arbeitsunfähigkeit ab dem 04. Februar 2008 fest. Im Ergänzungsbericht Knie ist als sportliche Betätigung des Klägers „Freizeitsport, Fußball, Fitness“ notiert.
Die Beklagte nahm daraufhin ihre Ermittlungen auf und befragte den Kläger und den Zeugen N L schriftlich zum Unfallhergang. In seiner am 11. März 2008 bei der Beklagten eingegangen Auskunft gab der Kläger an:
„Am 03. Februar 2008 um ca. 04:30 Uhr haben mein Freund N L und ich die Diskothek „A“ verlassen. N ging schon ein Stück vor und ich stellte mich bei der Jackenausgabe an um unsere Jacken zu holen. Anschließend ging ich die Ausgangstreppe hoch und sah wie N von drei unbekannten Jugendlichen angegriffen wurde. Ich rannte zum Geschehen und schubste einen der drei Täter stark um, um N (der widerrechtlich angegriffen wurde) aus der Situation, so gut es mir möglich war, zu befreien. Plötzlich wurden die drei Täter sehr hektisch. In dem Gemenge erhielt ich einen starken Tritt ans linke Bein, der mich zu Boden brachte. Dann rannten die drei Jugendlichen unerkannt weg.“
Des Weiteren gab der Kläger an, dass der Zeuge N L unerwartet von den drei unbekannten Personen erst angepöbelt, anschließend angegriffen und dann von ihnen mit den Fäusten geschlagen worden sei. Er habe den für ihn brutalsten Täter der drei zu Boden geschubst und probiert, so gut es ihm möglich gewesen sei, die Situation zu schlichten.
Der Zeuge N L gab in seinen schriftlichen Erklärungen vom 01. April 2008 und 05. Mai 2008 an, der Vorgang habe sich am 03. Februar 2008 um 04:30 Uhr ein paar Meter weg von der Diskothek „A“ (Nähe U-Bahnhof H Platz) ereignet. Nach dem Diskobesuch habe der Kläger die Jacken geholt, während er schon ein Stück vorgegangen sei. Als er auf dem Weg zur U-Bahn gewesen sei, hätten drei unbekannte Personen seinen Weg gekreuzt und ihn angepöbelt. Sie seien betrunken gewesen und hätten ihn ohne Grund sofort tätlich angegriffen. Er denke, der Grund für diesen Angriff sei die zahlenmäßige Überlegenheit der Täter, die diese ausnutzen wollten, um ihm gewalttätig seinen Wertsachen zu entwenden. Sie hätten so was geäußert, dass sie sein Handy und Geld haben wollten. Es sei zu einer kurzen verbalen Auseinandersetzung gekommen, die unvermittelt in einen körperlichen Angriff von den drei Personen gleichzeitig übergegangen sei. Die drei Täter seien auf ihn losgegangen, hätten ihn bereits geschlagen, als der Kläger dies bemerkt habe und die Angreifer verbal aufgefordert habe, zu verschwinden. Dies habe aber nichts genutzt, so dass der Kläger aktiv in das Geschehen habe eingreifen müssen, um Schlimmeres zu verhindern. Er wisse nicht, ob er ohne die Hilfe des Klägers nur mit einem blauen Auge davon gekommen wäre; wahrscheinlich hätten diese ihn krankenhausreif geschlagen. Der Kläger habe dann im Gerangel einen Tritt gegen das linke Knie bekommen, der ihn zu Boden gerissen habe.
Die Beklagte zog eine Kopie des Erst-Hilfe-Scheins der Rettungsstelle des St. G-Krankenhauses über die am 03. Februar 2008 gegen 16:03 Uhr durch die Zeugin und Assstenzärztin V O erfolgte Behandlung des Klägers bei. Dort heißt es in der Anamnese: „Heute beim Fußballspiel linkes Knie verdreht. Fuß stand fest, Knie nach medial rotierend.“ Als Diagnose wird der Verdacht auf Dehnung/ Ruptur des Innenbandes gestellt und eine Vorstellung beim Orthopäden am nächsten Tag und eine MRT-Untersuchung empfohlen.
Den zwischenzeitlich übersandten speziellen Fragebogen zu Knieverletzungen wie auch die Fragen der Beklagten im Schreiben vom 27. Mai 2008 beantwortete der Kläger am 07. Juni 2008. Hierbei führte er aus, dass sein Freund N L bei der Auseinandersetzung ein blaues Augen und blaue Flecken davon getragen habe. Als die in der Unfallmeldung erwähnte dritte Person, die ihn nach Hause gefahren habe, benannte er den Zeugen V L. Auf die Frage, warum keine polizeiliche Meldung erfolgt sei, erklärte er, er habe unter Schock gestanden und nur nach Hause gewollt. Zudem wies er darauf hin, beim Abheften und Durchsehen seiner Unterlagen festgestellt zu haben, dass der vom St. G-Krankenhaus ausgehändigte Unfallbericht keinesfalls mit seiner dortigen Unfallschilderung über die aus dem Angriff resultierende Verletzung am 03. Februar 2008 übereinstimme. Er sei lediglich gefragt worden, ob er auch Sport betreibe. Daraufhin habe er bestätigt, dass er Fußball spiele. Sie (gemeint ist die Zeugin O) müsse das verwechselt haben. Beim Fußballspielen habe er sich nicht verletzt; genauere Fragen zum Unfallhergang seien ihm nicht gestellt worden. Auch würden die aus dem Unfallbericht des Krankenhauses hervorgehenden Diagnosen und Befunde nicht mit denen seiner weiterbehandelnden Ärzte übereinstimmen. Hinzu komme, dass er trotz starker Schwellungen und Gehschwierigkeiten ohne jegliche Art von Gehstützen oder Beinschiene entlassen worden sei.
Mit Bescheid vom 12. Juni 2008 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Entschädigung aus Anlass des Ereignisses vom 03. Februar 2008 mit der Begründung ab, ein Versicherungsfall nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a oder c des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuches (SGB VII) liege nicht vor bzw. sei nicht erwiesen.
Hiergegen legte der nunmehr anwaltlich vertretene Kläger am 11. Juli 2008 Widerspruch ein und führte aus, weder er noch der Zeuge N L hätten die Polizei über den Vorfall unterrichtet, da die Täter unerkannt entkommen seien. Zudem seien sie zunächst mit ihren körperlichen Blessuren beschäftigt gewesen. Der Unfallbericht des St. G-Krankenhauses sei sowohl hinsichtlich des Unfallgeschehens als auch der Diagnosestellung falsch. Der Zeuge M S bestätige ebenfalls, wenn auch nur vom Hören-Sagen, das geschilderte Unfallgeschehen. Zur Stützung seines Vortrages legte der Kläger den Entlassungsbrief der C-Klinik P vom 06. April 2008 über die stationäre Behandlung vom 26. März bis zum 07. April 2008 (Diagnosen: Vordere Kreuzbandruptur, Schädigung des Hinterhorns des Meniscus medialis, Distorsion des tibialen Seitenbandes, Hämatomarthros links; Kniearthroskopie und vordere Kreuzbandplastik links am 26. März 2008) sowie eine schriftlichen Aussage des Zeugen M S vom 05. Juli 2008 vor. Der Zeuge S gab hierin an, am Sonntag, den 03. Februar 2008, gegen 14:00 Uhr vom Kläger angerufen worden zu sein. Dieser habe ihm berichtet, dass er seine Eltern nicht erreiche und große Schmerzen im linken Knie habe. Da er ein sehr enger Freund der Familie des Klägers sei, habe er sich der Sache angenommen und sei zur Wohnung des Zeugen N L gefahren. Ihm seien sofort das geschwollene Gesicht und das blaue Auge beim Zeugen N L aufgefallen. Das linke Knie des Klägers sei sehr stark angeschwollen gewesen, und er habe nicht auftreten können. Beide seien immer noch sehr aufgeregt gewesen. Sie hätten ihm berichtet, dass nach einem Diskobesuch am 03. Februar 2008 um 04:30 Uhr der Zeuge N L von einem jungen Mann tätlich angegriffen worden sei. Als der Kläger das Geschehen gesehen habe, habe er versucht, seinem Freund beizustehen und den Angreifenden vom Zeugen N L fernzuhalten, um ihn zu schützen und die Situation zu deeskalieren. Doch nun habe der wohl sehr aggressive junge Mann den Kläger angegriffen und ihm einen Tritt mit dem Bein gegen sein linkes Knie versetzt. Alles sei wohl sehr schnell geschehen. Er habe die beiden ins St. G-Krankenhaus gefahren. Der Kläger habe sich in der Notaufnahme bzw. Erste-Hilfe-Stelle vorgestellt und wie bei ihm zuvor seine Art der Verletzung und wie es geschehen sei, geschildert. Er selbst habe versucht, auch den Zeugen N L davon zu überzeugen, seine Verletzungen vorzustellen, doch dieser habe abgelehnt. Zwischenzeitlich sei er nach draußen gegangen, um die Eltern des Klägers zu erreichen und zu informieren.
Mit Widerspruchbescheid vom 21. Januar 2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es fehle – auch unter Berücksichtigung des Vortrages des Klägers und der Zeugenaussagen – bereits an einem mit der nötigen Gewissheit nachgewiesenen objektiven Tatbestand der Hilfeleistung zugunsten einer objektiv gefährdeten Person. Im Gegensatz zu den Angaben des Klägers selbst habe der Zeuge S geschildert, er – der Kläger – habe ihm berichtet, von einem Täter angegriffen worden zu sein. Im Erste-Hilfe-Bericht des St. G-Krankenhauses sei dokumentiert, dass sich der Kläger am Tag des von ihm behaupteten Ereignisses beim Fußballspielen das linke Knie verdreht habe. Weder vom Kläger noch vom Zeugen N L sei eine polizeiliche Anzeige erstattet worden, unabhängige Augenzeugen seien nicht benannt worden. Verletzungen des Zeugen NL, die auf eine körperliche Auseinandersetzung hinweisen könnten, seien gleichfalls nicht objektiviert worden. Vorliegend könne auch dahingestellt bleiben, ob der widerrechtliche Angriff auf den Zeugen N L und die Absicht des Klägers zur Hilfeleistung mit der notwendigen Gewissheit nachgewiesen sei. Selbst wenn dem so wäre, sei es jedoch nicht mit der erforderlichen Gewissheit bewiesen, dass der Kläger seinen Gesundheitsschaden infolge einer versicherten Tätigkeit – persönlicher Einsatz zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen – erlitten habe. Dies setze voraus, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Tritts gegen sein linkes Bein noch die rechtlich wesentliche Handlungstendenz gehabt hätte, sich zum Schutz des widerrechtlich Angegriffenen persönlich einzusetzen, wohingegen davon auszugehen sei, dass sich der Kläger aktiv auf eine Auseinandersetzung eingelassen habe. Anzumerken bleibe noch, dass auch im Übrigen erhebliche Zweifel bezüglich der Angaben des Klägers bestünden. So habe er bei der Vorstellung beim Zeugen P am 06. Februar 2008 angegeben, dass sie nach dem Geschehen am 03. Februar 2008 von einer dritten Person mit dem PKW nach Hause gefahren worden seien. Hierzu befragt habe der Kläger am 07. Juni 2008 mitgeteilt, dass es sich bei dieser dritten Person um den Zeugen V L handele. Eine Aussage von Herrn V L zu dem angeschuldigten Geschehen sei jedoch nicht vorgelegt worden, auch sei er nicht als Zeuge benannt worden. In der Folge habe der Kläger dagegen berichtet, von seinem Freund N L mit dem PKW mitgenommen worden zu sein.
Mit seiner am 23. Februar 2009 beim Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klage hat der Kläger ausgeführt, er falle unter den in § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a und c SGB VII genannten Personenkreis, da er dem Zeugen N L, der sich in erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit befunden habe, zu Hilfe geeilt sei und dadurch selbst Verletzungen erlitten habe. Der Zeuge N L habe durch den Angriff ein Hämatom am Auge erlitten. Nach dem Angriff habe der Zeuge N L seinen Bruder, den Zeugen V L angerufen und ihn gebeten, ihn und den Kläger zu sich nach Hause zu fahren, was dieser dann auch getan habe. Herr V L sei nicht als Zeuge benannt worden, weil er das Geschehen selbst nicht beobachtet habe und er allenfalls Aussagen zu den Folgen des nächtlichen Ereignisses machen könne. So könne er bestätigen, dass sein Bruder, der Zeuge N L ein „blaues Auge“ bedingt durch den Angriff der drei Jugendlichen erlitten habe. Die Aussagen des Zeugen S, wonach lediglich ein (einzelner) Jugendlicher den Freund des Klägers angegriffen habe, sei kein Beweis dafür, dass der geschilderte Sachverhalt nicht den Tatsachen entspreche. Diese Angabe beruhe im Zweifelsfall auf einem Missverständnis, zumal der Zeuge S nicht bei dem nächtlichen Ereignis selbst anwesend gewesen sei, sondern lediglich die Situation am Folgetag geschildert erhalten habe. Er sei nicht von drei Jugendlichen, sondern lediglich von einem der drei Täter angegriffen worden, so dass die Ausführungen des Zeugen S im Ergebnis den Tatsachen entsprächen. Auch habe er sich nicht aktiv auf eine Auseinandersetzung eingelassen. Vielmehr sei er bemüht gewesen, die drei Jugendlichen dazu zu bewegen, von seinem Freund abzulassen, was ihm im Ergebnis auch geglückt sei.
Das SG hat zunächst eine schriftliche Auskunft der Zeugin O vom 02. Juni 2009 eingeholt. Auf die Frage, ob sie sich an die Angaben des Klägers zum Ursprung des Geschehens erinnere, hat die Zeugin O angegeben:
„Der Patient berichtete in der Rettungsstelle, er habe sich beim Fußballspielen das linke Knie verdreht, dabei habe der Fuß auf dem Boden festgestanden und das Knie sei nach innenseitig rotiert. Weitere Angaben können nicht gemacht werden.“
Der Kläger hat einen Bericht des Zeugen P vom 10. August 2009 sowie ein undatiertes Attest des Zeugen und Orthopäden Dr. K vorgelegt. In der mündlichen Verhandlung des SG vom 07. September 2009 ist der Kläger persönlich befragt worden und hat das Geschehen wie folgt geschildert:
„Ich war an dem Samstagabend in der Diskothek und wollte für meinen Freund N L und mich die Jacken holen. Als ich zurückkam, sah ich, wie mein Freund Novak L von drei Jugendlichen bedrängt wurde. Einer dieser drei Jugendlichen schlug ihm ins Gesicht. Der zweite hielt ihn fest, der dritte stand daneben. Denjenigen, der meinen Freund ins Gesicht schlug, habe ich fortgeschubst. Daraufhin bekam ich von einem der beiden anderen Jugendlichen einen Tritt gegen das Bein. Ich kann nicht genau sagen, welcher von den beiden Jugendlichen mich gegen das Bein getreten hatte. Die drei Jugendlichen waren 20 bis 25 Jahre alt, alle etwa 1,80 m groß und sie hatten alle drei dunkle, kurze Haare. Am späten Vormittag des gleichen Tages hätte ich möglicherweise ein Fußballspiel gehabt. Normalerweise fanden Fußballspiele des Vereins, für den ich trainiere, immer am Sonntag statt. Ob an diesem Sonntag ein Spiel stattgefunden hätte, kann ich nicht sagen. Der Verein für den ich trainiere ist der FC B in B-. Mein damaliger Trainer hieß D W. Ich spiele seit dem hier streitgegenständlichen Vorfall kein Fußball mehr. Ich war damals Ersatzspieler und spielte sowieso nicht jeden Sonntag Fußball“.
In der mündlichen Verhandlung vom 07. September 2009 hat das SG zudem die Zeugen O, V L, S und N L vernommen.
Das SG Berlin hat durch Urteil vom 07. September 2009 die Klage abgewiesen. Auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bleibe es ungeklärt, ob sich das durch den Kläger behauptete Ereignis vom 03. Februar 2008 tatsächlich so zugetragen habe. Hiergegen spreche bereits, dass die den Kläger in der Ersten-Hilfe-Stelle des St. G-Krankenhauses behandelnde Ärztin, die Zeugin O, in der mündlichen Verhandlung ausgesagt habe, der Kläger habe bei seiner ärztlichen Versorgung am Sonntag, den 03. Februar 2008, ihr gegenüber angegeben, sich die Verletzung beim Fußballspielen zugezogen zu haben. Selbst wenn die streitgegenständliche Verletzung nicht beim Fußballspielen, sondern in der Nacht zuvor vor einer Diskothek entstanden sein sollte, so wäre für die Kammer hier nicht im Vollbeweis erwiesen, dass der Kläger sich die Knieverletzung bei einer Hilfeleistung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a bzw. c SGB VII zugezogen hätte. So habe der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben, er habe gesehen, wie ein Jugendlicher seinen Begleiter ins Gesicht geschlagen und ein anderer Jugendlicher ihn festgehalten habe. Ein dritter Jugendlicher habe daneben gestanden, ohne dass er ihm einen konkreten Tatbeitrag habe zuordnen können. Nach dem er – der Kläger – den den Zeugen N L schlagenden Jugendlichen fortgeschubst habe, sei er von einem der beiden anderen Jugendlichen gegen das Knie getreten worden, ohne dass er sagen könne, welcher dieser beiden Jugendlichen getreten habe. Nach den Grundsätzen der Mittäterschaft im Sinne des § 25 Abs. 2 des Strafgesetzbuchs (StGB) sei danach offen, ob der dritte Jugendliche allein Kraft seines „Dabeistehens“ Mittäter der Verletzung des Zeugen NL gewesen sei, ohne dass gleichzeitig ausgeschlossen werden könnte, dass gerade dieser dritte Jugendliche den Kläger – nach Beendigung des tätlichen Angriffs auf den Zeugen N L – getreten hätte. Dem Kläger wäre dann eine Verletzung von einer Person zugefügt worden, die zuvor an der Verletzung zum Nachteil des Zeugen N L gar nicht beteiligt gewesen sei, so dass eine Hilfeleistung durch den Kläger im Sinne der vorgenannten Vorschriften gar nicht bestehen würde. Der Zeuge N L habe zwar ausgesagt, ein Jugendlicher habe ihm ins Gesicht geschlagen, während die beiden anderen ihn festgehalten und ihm gegenüber „Ausdrücke gesagt“ hätten. Insofern wäre eine Mittäterschaft aller drei Jugendlichen zu dem Zeitpunkt gegeben gewesen, zu dem der Kläger den einen Jugendlichen weggeschubst habe. Angesichts der abweichenden, im Detail anders lautenden Aussage des Klägers sowie fehlender Aussagen unbeteiligter Dritter, habe die Kammer indes keine Gewissheit zu erlangen vermocht, dass sich das Geschehen wie von dem Zeugen N L geschildert tatsächlich zugetragen habe.
Gegen das ihm am 14. September 2009 zugestellte Urteil richtet sich der Kläger mit seiner am 14. Oktober 2009 eingelegten Berufung. Das SG habe sich vordergründig auf die Aussage der Zeugin O gestützt und die Aussagen der weiteren drei Zeugen völlig außer Acht gelassen und sei dementsprechend zu einem fehlerhaften Schluss gekommen. Schon die Tatsache, dass die Erste Hilfe leistende Zeugin O ihn ohne Gehhilfen entlassen und dementsprechend die tatsächlichen Verletzungen nicht erkannt habe, bestätige, dass eine Untersuchung nicht hinreichend erfolgt sei. Im Rahmen eines derart stressbelasteten Arbeitsumfeldes sei es nicht verwunderlich, dass die Zeugin O die Antwort auf ihre Frage, ob er Fußball spiele, dahingehend fehlerhaft notiert habe, dass er angeblich behauptet hätte, er habe sich diese Verletzung beim Fußballspielen zugezogen. Offensichtlich habe die Zeugin O hier etwas verwechselt, räume aber bei ihrer Aussage vor dem SG weder ihre fehlerhafte Diagnose noch die Möglichkeit einer fehlerhaften Dokumentation ein. Auch seien vom SG die Grundsätze der Mittäterschaft im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB fehlerhaft interpretiert worden. Auch die Tatsache, dass es weder ihm noch dem Zeugen N L möglich gewesen sei, genau darzustellen, welcher der Täter welche Körperverletzung vorgenommen habe und wodurch letztlich das hier streitgegenständliche körperverletzende Ereignis eingetreten sei, sei in einer derartigen Situation selbstverständlich, da in einem Handgemenge, bei der körperlicher Gewalt ausgeübt werde, seltenst bis ins Detail darauf geachtet werde und werden könne und nachträglich zu rekapitulieren sei, wer wen, wann, wie und wohin geschlagen habe. Dies könne jedoch nicht zum Nachteil des Hilfeleistenden gedeihen. Letztlich würden auch die Aussagen der Zeugen V L und M S den Geschehensablauf bestätigen. Schließlich habe der Zeuge V L bestätigt, seinen Bruder N sowie ihn nachts von der Diskothek abgeholt und nach Hause gefahren zu haben, nachdem N ihn kontaktiert und darum gebeten habe. Zum eigentlichen Geschehen habe er zwar nichts sagen können. Aber die Tatsache, dass er ausgeführt habe, dass er - der Kläger - gehumpelt und sein Bruder ein geschwollenes Auge gehabt habe, bestätige, dass sich das Geschehen wie von ihm umfassend und wiederholt vorgetragen, zugetragen habe. Nichts anderes gelte für die Aussage des Zeugen M S, der ihn und auch den Zeugen N L am nächsten Tag ins Krankenhaus gefahren habe, um dort die erlittenen Verletzungen untersuchen zu lassen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 07. September 2009 sowie den Bescheid vom 12. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2009 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 03. Februar 2008 ein Arbeitsunfall ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das vom Kläger geschilderten Geschehen nach wie vor nicht für erwiesen.
Der Senat hat zunächst eine Auskunft des Vorsitzenden des FC B e.V., D R, vom 18. November 2009 eingeholt, wonach der Kläger zuletzt in der zweiten Herrenmannschaft des Vereins trainiert und gespielt habe. Die zweite Herrenmannschaft habe am 03. Februar 2008 ein Pokalspiel gegen den Verein SV S L durchgeführt, an dem der Kläger nicht teilgenommen habe. Der Kläger sei auch nicht für das Spiel am 03. Februar 2008 vorgesehen gewesen. Am 02. Februar 2008 habe ein Spiel des Vereins, an dem der Kläger hätte teilnehmen können, nicht stattgefunden. Dem Verein sei nach Aussagen des Klägers bereits 2007 bekannt gewesen, dass dieser ausbildungsbedingt nicht oder nur gelegentlich am Training teilnehmen könne. Seit Februar 2008 habe der Kläger weder an Trainingseinheiten noch an Spielen des Vereins teilgenommen. Der Auskunft in Kopie beigefügt war der Spielbericht vom 03. Februar 2008.
Des Weiteren hat der Zeuge Dr. K auf Anforderung des Senats einen Auszug aus der elektronischen Behandlungskartei der Praxis, beginnend am 10. Oktober 2007 und endend am 24. August 2009, vorgelegt. Dort ist unter dem Datum 04. Februar 2008 zum Buchstaben K vermerkt: Distorsion rechtes oberes Sprunggelenk, Seitenbandläsion linkes Kniegelenk, Kreuzbandläsion links, Kreuzbandruptur links. Des Weiteren ist zum Buchstaben A vermerkt: „distorsion li. Knie am so, Fußball“, und zum Buchstaben T: „Hatte Unfall beim Fußball. Bisrat“. Nach weiteren Eintragungen unter dem Datum 04. Februar 2008, 07. Februar 2008, 18. Februar 2008 und 07. März 2008 ist unter dem 10. März 2008 zur Ziffer 6 vermerkt: „am 03.02.08 wurde ein guter Bekannter von 3 Unbekannten angegriffen, Pat. hat dem Bekannten Hilfe geleistet, ist dazwischen gegangen, Unbekannte sind unerkannt weggelaufen, keine Meldung an Polizei, Anwalt hielt spätere Anzeige nicht notwendig“.
Im Erörterungstermin des Senats am 09. November 2011 ist der Kläger zum Arztbesuch am 04. Februar 2008 befragt und sind die Zeugen Dr. K und P als Zeugen vernommen worden. Im Termin zur mündlichen Verhandlung des Senats am 19. Februar 2012 ist der Zeuge N L erneut zu den Geschehnissen am 03. Februar 2008 vernommen worden.
Wegen des Ergebnisses der Zeugenvernehmungen wird auf die jeweilige Sitzungsniederschrift verwiesen und inhaltlich Bezug genommen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den gesamten Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig und begründet.
Der Kläger verfolgt mit seiner kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage nach §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in zulässiger Weise sein Begehren auf Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 12. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2009 und Feststellung des von ihm geschilderten Ereignisses vom 03. Februar 2008 als Arbeitsunfall (zur Zulässigkeit der Feststellungsklage siehe Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 07. September 2004 – B 2 U 46/03 R -, in Juris).
Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Feststellung eines Arbeitsunfalls ist begründet.
Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).
Für einen Arbeitsunfall ist nach den Maßgaben des § 8 Abs. 1 SGB VII in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität), und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern erst für die Gewährung einer Verletztenrente (BSG Urteil vom 04. September 2007 - B 2 U 28/06 R -, in SozR 4-2700 § 8 Nr. 24).
Alle rechtserheblichen Tatsachen bedürfen des vollen Beweises mit Ausnahme derjenigen, die einen Ursachenzusammenhang (Unfallkausalität, haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität) ergeben; für diese genügt angesichts der hier typischen Beweisschwierigkeiten die hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG in SozR 2200 § 548 Nrn. 70 und 84). Voll bewiesen sein müssen aber auch hinsichtlich des Ursachenzusammenhanges immer die Ursache selbst und der ihr zuzurechnende Erfolg; die hinreichende Wahrscheinlichkeit bezieht sich nur auf die kausalen Zwischenglieder. Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG Urteil vom 02. April 2009 – B 2 U 29/07 R –, zitiert nach juris). Zu den voll zu beweisenden Tatsachen gehören damit z. B. die Erfüllung des Versicherungsschutztatbestandes nach §§ 2 ff SGB VII, die Verrichtung der versicherten Tätigkeit, das äußere Ereignis, ein Körperschaden und die Plötzlichkeit als Unfallmerkmale. Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl. Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Aufl. 2008, Rn. 3b zu § 128).
Unter Anwendung der zuvor genannten Kriterien ist zunächst festzustellen, dass der Kläger am 03. Februar 2008 eine Verletzung des linken Kniegelenkes, und zwar eine komplexe Kniebinnenverletzung – zusammengefasst als Ruptur des vorderen Kreuzbandes - erlitt. Daran bestehen nach den vorliegenden medizinischen Befunden keine Zweifel. Auch ist von den behandelnden Ärzten, einschließlich der Ärzte der C-Kliniken P, zu keiner Zeit angedeutet worden, dass es sich um ältere Verletzungen handeln könnte. So erhob die Zeugin O nach Untersuchung des Klägers am Nachmittag des 03. Februar 2008 als Befund: kleiner Kniegelenkserguss, deutlicher Druckschmerz mediales Kniegelenksband, Kreuzbänder beidseits etwas locker mit Anschlag, mediale Aufklappbarkeit etwas vermehrt (soweit schmerzbedingt prüfbar), Bewegungsausmaß Extension/Flexion 0-0-90, DMS distal intakt, keine Hautläsion, Röntgen linkes Knie keine knöcherne Läsion (vgl. Erste-Hilfe-Bericht des St. G-Krankenhauses). Bei der Vorstellung am Folgetag in der orthopädischen Praxis des Zeugen Dr. K wurden bereits die Diagnosen Seitenbandläsion linkes Kniegelenk, Kreuzbandläsion links und Kreuzbandruptur links gestellt. Die Diagnose Distorsion rechts oberes Sprunggelenk bezieht sich noch auf eine vorherige Verletzung beim Fußballtraining im November 2007 und wurde offensichtlich nur übernommen. Bei seiner Untersuchung am 05. Februar 2008 befundete der Zeuge Peinen deutlichen Kniegelenkserguss links, eine Prellung tub. tib., eine deutliche mediale Aufklappbarkeit, eine dezente vordere Schublade bei medialer Instabilität, eine Hautabschürfung und Prellmarke in der Nähe des Fibulaköpfchens links (ca. 3 x 3 cm) mit Blutergussverfärbung (frisch), eine massive Weichteilschwellung nebst Kapselverdickung des linken Kniegelenks (vgl. Eintrag in die Patientenkartei und Ergänzungsbericht – Knie - ), gelockerte Innen- und Außenbandführung sowie ein Bewegungsausmaß Extension/ Flexion 0-10-60. Die MRT-Untersuchung vom 11. Februar 2008 ergab eine vollständige Ruptur des vorderen Kreuzbandes, eine mindestens zweitgradige Distorsion des Innenbandes, mehr tibial, ein Bone bruise im laterodorsalen Femorotibialgelenk mit kleiner Impression des lateralen Femurcondylus, einen fraglichen Korbhenkelanteil des Außenmeniskus sowie einen traumatischen Gelenkerguss (Befund des Arztes für diagnostische Radiologie und Neuroradiologie G vom 11. Februar 2008).
Auch ist der Senat im nach § 128 Abs. 1 S. 1 SGG erforderlichen Vollbeweis davon überzeugt, dass der Kläger sich diese Verletzungen – zusammengefasst: Ruptur des vorderen Kreuzbandes des linken Kniegelenkes – bei der von ihm geltend gemachten versicherten Tätigkeit nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB VII und insbesondere nicht bei einem dem privaten Lebensbereich zuzurechnenden Fußballspiel zuzog.
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB VII sind in der Unfallversicherung kraft Gesetzes Personen versichert, die bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten. Die Vorschrift entspricht - lediglich sprachlich überarbeitet - dem bis zum Inkrafttreten des SGB VII geltenden § 539 Abs. 1 Nr. 9 lit. a Reichsversicherungsordnung (RVO; vgl. BT-Drucks. 13/2204 S. 75) und steht in sachlichem Zusammenhang mit dem Straftatbestand der unterlassenen Hilfeleistung (vgl. § 323c StGB). Der Versicherungstatbestand bezeichnet zwei Handlungsalternativen, die die Versicherung kraft Gesetzes begründen. Versichert ist nach Alt. 1, wer "Hilfe leistet", sowie nach Alt. 2, wer einen anderen rettet. Das Hilfeleisten ist eine Unterstützungshandlung, die dem Zweck dienen soll, einen Unglücksfall, eine gemeine Gefahr oder eine gemeine Not zu beseitigen oder abzuwenden. Das Retten setzt den Einsatz zugunsten einer oder mehrerer anderer Personen voraus. Sie muss darauf gerichtet sein, eine erhebliche aktuelle Gefahr für die Gesundheit eines anderen zu beseitigen. Erheblich ist die Gefahr, wenn sie so groß ist, dass mit ihrem Beseitigen auf andere Weise als durch Eingreifen des Retters im Augenblick des Handelns nicht zu rechnen ist (Schwerdtfeger in Lauterbach, Unfallversicherung, 4. Auflage Stand August 2004, § 2 SGB VII RdNr. 444). Die Begriffe „Hilfeleisten“ und „Retten“ sind synonym. Grundsätzlich wird ein bewusstes aktives Tun mit dem Willen des Helfers gefordert, die drohende oder bestehende Gefahr bzw. den Schaden – sofern erforderlich – festzustellen, um sie bzw. ihn dann zu beseitigen oder zu mindern (Riebel in Hauck/ Noftz, Sozialgesetzbuch SGB VII Gesetzliche Unfallversicherung Kommentar, Stand Juni 2011. § 2 Rn. 180). Der Versicherungsschutz nach dieser Vorschrift dauert nur so lange, wie z.B. der Unglücksfall mit seinen unmittelbaren Schadensfolgen nicht abgeschlossen ist und ein weiterer Schaden droht. Diese Voraussetzung trägt der besonderen Struktur der Versicherungstatbestände nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a und c SGB VII Rechnung, die zeitlich relativ eng begrenzt sind und bei denen zwischen der grundsätzlich versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls oftmals praktisch nicht unterschieden werden kann. Der Versicherungsschutz besteht nur, solange der Unglücksfall, die Gefahr oder der Angriff andauert und zu dessen bzw. deren Abwehr gehandelt wird (BSG, Urteil vom 18. November 2008 – B 2 U 27/07 R - in SozR 4-2700 § 8 Nr. 30). Insbesondere kommt bei einem Angriff auf den Helfer Versicherungsschutz nur in Betracht, wenn der Angriff einen besonders engen sachlichen, örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der eigentlichen versicherten Tätigkeit - also der Hilfeleistung bei dem ersten Angriff des Täters - aufweist (vgl. BSG Urteile vom 18. November 2008 – B 2 U 27/07 R – a.a.O.)
Hieran gemessen lag ein Versicherungsfall vor. Denn es steht nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger dem Zeugen N L, als dieser am Morgen des 03. Februar 2008 gegen 04:30 Uhr vor der Diskothek „A“ von drei fremden männlichen Jugendlichen angepöbelt, bedrängt bzw. geschubst und ins Gesicht geschlagen wurde, beistehen wollte und eingriff, indem er einen der drei Angreifer (den Schläger) vom Zeugen N L weg- bzw. umschubste, woraufhin die anderen Angreifer bzw. einer von ihnen auch auf ihn losging(en) und er in dem Handgemenge einen Tritt von einem der (drei) Angreifer gegen das linke Bein bekam, der ihn dann zu Fall brachte. Diesen Geschehensablauf hat der Kläger im Wesentlichen gleichbleibend und bildhaft zunächst schriftlich unter dem 11. März 2008 und 07. Juni 2008 sowie in der mündlichen Verhandlung des SG vom 07. September 2009 geschildert. Diese Schilderung ist vom Zeugen N L zunächst ebenfalls schriftlich unter dem 01. April und 05. Mai 2008 sowie bei seiner Zeugenvernehmung in den mündlichen Verhandlungen des SG vom 07. September 2009 und des Senats vom 19. Januar 2012 im Kern glaubhaft bestätigt worden. Dabei hat der Senat keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen, zumal dieser – ohne erkennbare Absicht, den mit ihm befreundeten Kläger zu begünstigen -, offenbar nur das bekundet hat, woran er sich auch erinnern konnte. Insbesondere hat er vor dem Senat nicht vorgegeben, sich noch an Einzelheiten erinnern zu können, wie etwa, wann genau er den Schlag auf sein Auge erhielt oder welcher der drei Angreifer den Kläger trat.
Der Zeuge V L hat bei seiner Vernehmung am 07. September 2009 die Schilderungen des Klägers und des Zeugen N L insoweit bestätigt, als er angegeben hat, von seinem Bruder N L gegen 04:00 Uhr morgens angerufen und gebeten worden zu sein, ihn bzw. die beiden mit dem Auto nach Hause zu bringen. Er hat bestätigt, den Kläger hinkend vorgefunden und die beiden dann mit dem Auto nach Hause gefahren zu haben. Der Zeuge M S hat bei seiner Vernehmung am 07. September 2009, wenn auch nicht mehr so ausführlich wie in seinem an die Prozessbevollmächtigte des Klägers gerichteten Schreiben vom 05. Juli 2008, hierzu im Kern passend bekundet, dass der Kläger ihn am Sonntag den 03. Februar 2008 gegen 14:00 Uhr anrief und über die Knieverletzung informierte, woraufhin er den Kläger mit dem Auto abholte, um ihn ins Krankenhaus zu fahren. Soweit der Zeuge S des Weiteren bekundet hat, vom Kläger im Auto erfahren zu haben, dass er und der Zeuge N L am Vortag in der Diskothek „A“ von Jugendlichen angegriffen wurden, ist dies als nur mittelbare Wahrnehmung von vornherein von nur geringem Beweiswert, passt sich jedoch ohne Weiteres in das sich aus den übrigen Quellen ergebende Gesamtgeschehen ein. Entscheidender erscheint dem Senat, dass der Zeuge S aus eigener Wahrnehmung heraus zunächst relativ zeitnah zum Unfall unter dem 05. Juli 2008 schriftlich gegenüber der Beklagten schilderte, dass ihm am Zeugen N L „sofort sein geschwollenes Gesicht und ein blaues Auge“ auffielen, und in der mündlichen Verhandlung vor dem SG immerhin noch bekundet hat, auch am Auge des Zeugen N L eine Verletzung gesehen zu haben. Soweit der Zeuge S jedenfalls in seiner schriftlichen Schilderung gegenüber der Beklagten nur einen „von einem jungen Mann“ ausgehenden Angriff schilderte, betrifft dies wiederum nur einen Teil des Geschehens, welcher nicht Gegenstand der eigenen unmittelbaren Wahrnehmung des Zeugen S war, und kann die Divergenz zum vom Kläger und dem Zeugen N L geschilderten Geschehen auf unterschiedlichen Gründen beruhen, ohne dass damit die klägerische Behauptung widerlegt wird.
Dem vom Kläger und dem Zeugen N L geschilderten Geschehen entsprechend machte der Kläger offenbar bei der Erstvorstellung beim Zeugen P in dessen ärztlicher Sprechstunde am 05. Februar 2008 diejenigen Angaben, die der Zeuge P in der ärztlichen Unfallmeldung und im Ergänzungsbericht Knie am 06. Februar 2008 zum Verletzungsgeschehen vermerkte, wonach der Kläger in der Nähe des S-Bahnhofes H Platz bzw. der Bushaltestelle H Platz dem widerrechtlich angegriffenen N L Hilfe leistete und hierbei einen Fußtritt gegen sein linkes Kniegelenk erhielt.
Unter Zugrundelegung des vorstehenden Sachverhalts stellte sich die physische Bedrängung des Zeugen N L durch die drei unbekannten jungen Männer - inklusive der Schläge ins Gesicht – als eine erhebliche gegenwärtige Gefahr für dessen Gesundheit i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB VII dar, welche sich im Übrigen auch in einem „blauen Auge“ realisierte. Eine Rettungshandlung bzw. Hilfeleistung, d.h. ein bewusstes aktives Tun des Klägers mit dem Willen, eine drohende oder bestehende Gefahr für die Gesundheit vom Zeugen N Labzuwenden, lag ebenfalls vor, als er sich in die körperliche Auseinandersetzung mit den drei Jugendlichen einmischte, nachdem es zu körperlichen Aggressionen der Jugendlichen gegenüber dem Zeugen N L(Bedrängen, Schubsen, Festhalten und Schlagen) gekommen war, und den Schläger vom Zeugen N Lweg- bzw. umschubste. Die Verletzung des Klägers stand ferner in einem ganz engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit seiner Rettungshandlung/ Hilfeleistung, als die beiden anderen in die Bedrängung des Zeugen N L involvierten Jugendlichen ihre Aggressionen nun auch gegen den Kläger richteten und der Kläger so von einem der beiden einen Tritt gegen das linke Bein bzw. Knie erhielt, der ihn zu Fall brachte. Auf die Frage einer strafrechtlichen Mittäterschaft i.S.v § 25 Abs. 2 StGB kommt es dem Senat hierbei nicht an, sondern ausschließlich auf die vielmehr nach außen hin deutlich gewordene Handlungstendenz des Klägers, den – seiner nachvollziehbaren Wahrnehmung gemäß - von den drei Jugendlichen ausgehenden Angriff auf seinen Freund abzuwehren.
Bei alldem geht der Senat nicht davon aus, dass der Kläger sich die Knieverletzung bei einem Fußballspiel zuzog, auch wenn zunächst einmal die Eintragungen zur Anamnese im Erste-Hilfe-Bericht des St. G-Krankenhauses am 03. Februar 2008 in diese Richtung zu weisen scheinen und die erstbehandelnde Assistenzärztin, die Zeugin O in ihrer schriftlichen Auskunft vom 02. Juni 2009 sowie bei der Vernehmung durch das SG am 07. September 2009 mit Vehemenz dabei geblieben ist, dass der Kläger angegeben habe, am Sonntag beim Fußballspielen sich das linke Knie verdreht zu haben. Diese Angaben führen zu keinen vernünftigen Zweifeln an der Richtigkeit der klägerischen Behauptung. Zum einen liegt keine unmittelbare Wahrnehmung der Zeugin O vom zugrunde zu legenden Geschehensablauf vor, sondern nur eine Bekundung vom Hörensagen, welcher ohnehin nur untergeordneter Beweiswert zukommen kann. Zum anderen kommt der Aussage der Zeugin O auch deshalb keine maßgebliche Bedeutung zu, weil sie ihre Erinnerung im Wesentlichen auf ihre Eintragungen im Erste-Hilfe-Bericht des St. G-Krankenhauses stützt, welche als Fehlnotiz erscheinen. Dafür, dass die Zeugin O die Angaben des Klägers nicht korrekt wiedergab, spricht, dass sie bei ihrer Vernehmung durch das SG selbst den Patientendurchlauf an einem Sonntag in einer Erst-Hilfe-Station mit zwischen 20 bis 50 Patienten pro Tag geschätzt und angegeben hat, sich zum Zeitpunkt der Untersuchung des Klägers (16:00 Uhr) bereits seit sieben Stunden im Dienst (Beginn nach ihren Angaben um 9:00 Uhr morgens) befunden zu haben. Zudem hatte der Kläger bei allen Befragungen durch Ärzte wie auch der Beklagten zu den von ihm betriebenen Sportarten immer das Fußballspielen benannt, was ein weiteres Indiz für eine Verwechslung bzw. ein Missverstehen seiner Angaben vermittelt. Schließlich erklärt ein Verdrehen des linken Knies, wie von der Zeugin O als Verletzungsmechanismus festgehalten, nicht die vom Zeugen P auf Grund seiner Untersuchung des Klägers am 05. Februar 2008 ausführlich befundete Hautabschürfung und Prellmarke in der Nähe des Fibulaköpfchens links (ca. 3 x 3 cm) mit Blutergussverfärbung (frisch), die auf eine massive Krafteinwirkung von außen auf das Knie/ den Unterschenkel hinweist. Die Untersuchungsbefunde sind im von der Zeugin O gefertigten Erste-Hilfe-Bericht zudem nur in knappster Form wiedergegeben, so dass die Einwände des Klägers bzw. des ihn ab dem 05. Februar 2008 behandelnden Zeugen P zum Umfang der Erstuntersuchung und zur (unzureichenden) Erstbehandlung die Aussagekraft der unter der Anamnese erfolgten Notizen der Zeugin O bereits für sich genommen als zutreffend erscheinen.
Zwar sprechen auch die Eintragungen in der Patientenkartei des Zeugen Dr. K im Zusammenhang mit der Erstvorstellung am 04. Februar 2008 zunächst dafür, dass der Kläger sich die Knieverletzung beim Fußballspielen am Sonntag zugezogen haben könnte. Berücksichtigt man jedoch die Angaben des Zeugen Dr. K bei seiner Vernehmung im Erörterungstermin vom 09. November 2011 sowie die ausführlicheren Eintragungen zum Unfallgeschehen (Kennziffer 6) bei der zweiten Vorstellung in der Praxis am 10. März 2008, so erscheinen die Eintragungen am 04. Februar 2008 („distorsion li. Knie am so, Fußball“, „Hatte Unfall beim Fußball. Bisrat“) als eine Übernahme der Eintragungen zur Anamnese im Erste-Hilfe-Bericht und nicht als Wiedergabe einer ausführlichen ärztlichen Befragung des Klägers. Es ist auch nachvollziehbar, dass der Kläger die einzige in seinen Händen befindliche medizinische Unterlage – den Erste-Hilfe-Bericht – bei der Anmeldung in der Praxis von Dr. K vorzeigte. Wegen der Überweisung zur MRT und der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hatte die Rettungsstelle ihm ja aufgegeben, sich am Montag bei einem niedergelassenen Orthopäden vorzustellen. Des Weiteren liegt es nach der von Dr. K geschilderten Vorgehensweise in seiner Praxis auch nahe, dass die Eintragungen zum Verletzungsgeschehen am 04. Februar 2008 von dem am Empfang eingesetzten Personal und nicht von einem behandelnden Arzt vorgenommen wurden. So ist der Vermerk „Hatte Unfall beim Fußball. Bisrat“ nach den Ausführungen von Dr. K jedenfalls der Mitarbeiterin B zuzuordnen. Zudem konnten sich weder Dr. K noch der Kläger an eine Untersuchung durch Dr. K am 04. Februar 2008 erinnern. Welcher Arzt bzw. welche Person für die weiteren Eintragungen verantwortlich war, ließ sich nicht klären. Gegen eine ärztliche Eintragung spricht zudem, dass bei der zweiten Vorstellung am 10. März 2008 offensichtlich anders verfahren wurde und – wie von Dr. K bei seiner Anhörung bestätigt - das nun zur Kennziffer 6 vermerkte Unfallgeschehen auf den persönlichen Angaben des Klägers bei seiner Behandlung durch den Praxiskollegen Dipl.-Med. F beruht. Dass das zur Kennziffer 6 notierte Unfallgeschehen nicht auf einer schlichten Übernahme aus der Unfallmeldung des Zeugen P beruht, ergibt sich, worauf Dr. K hinweist, aus dem Umstand, dass hier weitergehende Angaben des Klägers (z.B. dass keine Meldung an die Polizei erfolgt sei) vermerkt sind.
Es liegen auch im Übrigen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger am 02. oder am 03. Februar 2008 an einem Vereinsspiel teilnahm. Zwar spielte der Kläger nach seinen eigenen Angaben - zuletzt in der Zweiten Herrenmannschaft des FC B e.V. - über zehn Jahre lang aktiv Fußball, jedoch nahm er ausbildungsbedingt seit 2007 nur unregelmäßig am Training und an Spielen teil. Eben dies und, dass der Kläger weder am 02. noch am 03. Februar 2008 an einem Vereinsspiel teilnahm, ergibt sich aus der Auskunft des Vereinsvorsitzenden des FC B e.V. D R vom 18. November 2009, deren Richtigkeit auch durch den beigelegten Spielbericht vom 03. Februar 2008 bestätigt wird. Auch wenn dies nicht ausschließt, dass der Kläger im privaten Kreis im Park oder einer anderen städtischen Freifläche am Wochenende des 02./ 03. Februar 2008 gekickt hätte, so fehlt es an greifbaren Anhaltspunkten für einen Freizeit-Kick zumal in der Winterzeit.
Nach alldem muss nicht mehr entschieden werden, ob auch der Tatbestand des § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. c SGB VII erfüllt ist. Gleichwohl spricht der feststehende Sachverhalt insoweit auch für eine tatbestandsgemäße Nothilfe in diesem Sinne, als der Kläger sich in die Auseinandersetzung zwischen den drei Jugendlichen und N L einmischte, nachdem es zu körperlichen Aggressionen der Jugendlichen gegenüber N L(Bedrängen, Schubsen, Festhalten und Schlagen) gekommen war, und er den Schläger vom Zeugen N Lweg- bzw. umschubste. Abgesehen davon, dass es sich offensichtlich um einen widerrechtlichen Angriff auf den Zeugen N L handelte, durfte der Kläger, als er die Treppe hochkam und das Geschehen sah, zumindest von einem widerrechtlichen Angriff auf seinen Freund ausgehen. Dass sich die anderen beiden Angreifer nun auch gegen ihn richteten und einer von ihnen gegen sein linkes Knie trat, lässt den Versicherungsschutz gerade nicht entfallen. Denn der Angriff eines der drei Täter ist unmittelbare Folge des Eingreifens des Klägers.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.