Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 9. Senat | Entscheidungsdatum | 15.10.2014 | |
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Aktenzeichen | OVG 9 B 20.14 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 43 Abs 1 VwGO, § 25 StVO, § 35 Abs 6 S 4 StVO, § 49a StrG BB |
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 26. September 2013 wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen geändert.
Es wird festgestellt, dass die Kläger nicht verpflichtet sind, in der Straße entlang der Grundstücksgrenze des Grundstücks Mü...weg 8..., 1... Pa..., Winterdienst zu leisten. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge tragen die Kläger zu einem Drittel und die Beklagte zu zwei Dritteln.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Kläger sind Eigentümer des Wohngrundstücks Mü...weg 8... im Ortsteil Pa... der Gemeinde Schönwalde-Glien. Die Fahrbahn des Mü...wegs ist gepflastert und 4,50 m breit; einen gesonderten Gehweg gibt es nicht. Neben der Fahrbahn verläuft auf der Seite des Grundstücks der Kläger ein begehbarer geschotterter Grünstreifen. Die Straße ist aufgrund eines Erschließungsvertrages (EV) der Anlieger mit der früher selbständigen Gemeinde Pa... vom 12. Dezember 2002 hergestellt worden. Nach § 8 Nr. 1 EV gehen nach Abschluss der Bauarbeiten mit der Abnahme die Unterhaltungs– und Verkehrssicherungspflicht auf die Gemeinde über. Die Abnahme erfolgte Ende des Jahres 2003.
Die Straßenreinigungssatzung (SRS) der Beklagten enthält seit der 3. Änderungssatzung vom 27. August 2010 u.a. folgende Regelungen:
„§ 1 Gegenstand der Reinigung
(1) Die Gemeinde Schönwalde-Glien reinigt die öffentlichen Straßen innerhalb der geschlossenen Ortslagen, soweit die Reinigung nicht nach § 2 übertragen wird.
[…]
(3) Öffentliche Straßen im Sinne dieser Satzung sind die dem öffentlichen Verkehr dienenden Straßen, Wege und Plätze, insbesondere:
a) Fahrbahnen einschließlich Haltestellen der öffentlichen Verkehrsmittel,
b) Rad- und Gehwege,
c) Rinnsteine,
d) Rand- und Sicherheitsstreifen,
e) Einflussöffnungen der Entwässerungsanlagen,
f) Böschungen und Stützmauern,
g) Hydranten
(4) Gehwege sind die Straßenteile, deren Benutzung durch Fußgänger vorgesehen oder geboten ist (z.B. Gehsteige, Treppenanlagen, Verbindungswege, zum Gehen geeignete Randstreifen, Bankette).“
„§ 2 Übertragung der Reinigungspflicht
(1) Die Reinigung der im anliegenden Straßenverzeichnis aufgeführten Fahrbahnen und Gehwege wird den Eigentümern der angrenzenden bzw. erschlossenen Grundstücke auferlegt. Sind die Grundstückseigentümer beider Straßenseiten reinigungspflichtig, so erstreckt sich die Reinigung nur bis zur Straßenmitte.
[…]
(5) Art und Umfang der übertragenen Reinigungsverpflichtung ergeben sich aus den Regelungen in § 3 dieser Satzung.“
„§ 3 Art und Umfang der übertragenen Reinigungspflicht
(1) Die Reinigungspflicht umfasst das Säubern der Straßen, die Schneeberäumung von Geh– und Radwegen, Gehwegsverbindungen und der zum Gehen geeigneten Randstreifen sowie von Hydranten, ovalen Hydrantenkappen und den dazugehörigen runden Schieberkappen, die Streuung und Enteisung von Geh- und Radwegen, Gehwegsverbindungen und der zum Gehen geeigneten Randstreifen bei Glätte sowie die Enteisung von Hydranten, ovalen Hydrantenkappen und den dazugehörigen runden Schieberkappen.
(2) Zum Säubern der befestigten und unbefestigten Straßen gehören insbesondere die Beseitigung von Kehricht, Schlamm, Laub und sonstigen Unrat jeder Art. Des Weiteren gehört zur regelmäßigen Reinigung auch die Beseitigung von Gras- und Pflanzenwuchs auf Gehwegen. Dabei ist die Anwendung von Herbiziden nicht erlaubt. Wildkraut, Laubfall sowie sonstiger Unrat dürfen nicht in Straßenrinnen, Straßenabläufen, Gräben und Mulden gekehrt werden, sondern sind nach Beendigung der Reinigung aus dem öffentlichen Straßenraum zu entfernen.
(3) Die Geh- und Radwege sind in einer für den Fußgängerverkehr erforderlichen Breite (i. d. R. in einer Breite von 1,50 m) von Schnee freizuhalten. Das gilt auch für begehbare Seitenstreifen zwischen Fahrbahn und Grundstücksgrenze, wenn auf keiner Straßenseite ein Gehweg vorhanden ist. Soweit auf unausgebauten Straßen (Sand, Schotter, Recycling) keine Gehwege vorhanden sind, ist beidseitig ein 1,50 m breiter Streifen der öffentlichen Verkehrsfläche entlang der Grundstücksgrenze für den Fußgängerverkehr zu beräumen und abzustumpfen. Dabei ist darauf zu achten, dass eine durchgehende Gehwegsverbindung entsteht. Soweit ausgebaute Mischverkehrsflächen (Verkehrsflächen, die im Sinne einer Mehrzwecknutzung der Fläche rechtlich und tatsächlich gleichermaßen dem Fußgänger- wie auch dem Fahrzeugverkehr zur Verfügung stehen) vorhanden sind, sind diese von der Fahrbahnkante bis zur Fahrbahnmitte freizuhalten. […]
[…]“
Im Straßenverzeichnis in der Anlage zur Satzung findet sich für den Mü...weg folgende Angabe:
Straße | Reinigungspflichtiger | |||
Fahrbahn | Fahrbahn | Geh- | Geh- | |
Anlieger | Gemeinde | Anlieger | Gemeinde | |
[…] | […] | […] | […] | […] |
Mü...weg | X | |||
[…] | […] | […] | […] | […] |
Mit ihrer am 30. November 2011 erhobenen Klage begehren die Kläger die Feststellung, dass sie nicht zur Straßenreinigung, insbesondere zum Winterdienst, entlang der Grenze ihres Grundstücks verpflichtet seien. Die Gemeinde habe gemäß ihrer Verpflichtung aus dem Erschließungsvertrag die Verkehrssicherungspflicht übernommen. Eine einvernehmliche Aufhebung dieser Verpflichtung gebe es nicht.
Mit Urteil vom 26. September 2013 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben. Die Straßenreinigungssatzung verstoße gegen höherrangiges Recht und sei damit insgesamt nichtig. Insbesondere dürften Fußgänger nach der Straßenverkehrsordnung nur ausnahmsweise auf der Fahrbahn gehen, nicht aber „arbeiten“.
Mit der vom Senat zugelassenen Berufung macht die Beklagte geltend, dass Anlieger, welche die Straße reinigten, keine Fußgänger im Sinne der Straßenverkehrsordnung seien. Soweit das Verwaltungsgericht darüber hinaus einzelne Regelungen gerügt habe, seien diese ebenfalls nicht zu beanstanden.
In der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat haben die Kläger ihren Klageantrag dahingehend geändert, dass sie beantragen,
festzustellen, dass sie nicht verpflichtet sind, die Straße entlang der Grundstücksgrenze des Grundstücks Mü...weg 8 bis zur Straßenmitte zu reinigen und insoweit auch Winterdienst zu leisten.
Die Beklagte hat der Klageänderung zugestimmt. Sie beantragt,
das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage – in der geänderten Form – abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie berufen sich auf die Begründung des Urteils, ihr Vorbringen im Zulassungsverfahren und machen weiterhin insbesondere einen Verstoß gegen § 8 EV geltend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Streitakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nur teilweise – hinsichtlich der Reinigungspflicht der Kläger nach § 3 Abs. 1 und 2 SRS – begründet. Im Übrigen, d.h. hinsichtlich des Winterdienstes, hat das Verwaltungsgericht der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben.
I. Die zulässige Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO) ist hinsichtlich des Säuberns der Fahrbahn unbegründet. Die Kläger sind verpflichtet, die Fahrbahn des Mü...wegs entlang der Grenze ihres Grundstücks bis zur Fahrbahnmitte gemäß § 3 Abs. 1 und 2 SRS zu säubern. Sie sind Eigentümer eines Grundstücks, das durch eine im anliegenden Straßenverzeichnis aufgeführte Straße erschlossen wird, weil ihr Grundstück an die Straße angrenzt und zu Wohnzwecken genutzt wird (zum straßenreinigungsrechtlichen Begriff des Erschlossenseins vgl. Urteil des Senats vom 10. Oktober 2007 – OVG 9 A 72.05 –, juris, Rn. 31 m.w.N.). Die Übertragung der Reinigungspflicht auf die Kläger beschränkt sich nach der Anlage SRS auf die Fahrbahn. Außerdem haben die Kläger nur die ihrem Grundstück zugewandte Hälfte der Straße bis zur Fahrbahnmitte zu reinigen. Denn auch die Eigentümer der ebenfalls an die Straße angrenzenden und als Wohngrundstücke baulich genutzten gegenüberliegenden Grundstücke sind reinigungspflichtig (§ 2 Abs. 1 Satz 2 SRS).
Die satzungsrechtliche Verpflichtung der Kläger, nach Maßgabe von § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 und 4 SRS die Fahrbahn bis zur Mitte zu säubern, verstößt nicht gegen höherrangiges Recht oder den Erschließungsvertrag.
1. Die Satzung verstößt nicht gegen § 25 StVO.
Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 StVO muss, wer zu Fuß geht, die Gehwege benutzen. Auf der Fahrbahn darf nur gegangen werden, wenn die Straße weder einen Gehweg noch einen Seitenstreifen hat (§ 25 Abs. 1 Satz 2 StVO). Diese Ausnahme gilt hier nicht, weil der Mü...weg über einen begehbaren Seitenstreifen verfügt.
Indessen lässt § 35 Abs. 6 Satz 4 StVO erkennen, dass bestimmte Personen bestimmte Arbeiten auf der Straße außerhalb von Gehwegen und Absperrungen und damit auch auf der Fahrbahn ausführen dürfen. Dies gilt auch für die hier in Rede stehende Straßenreinigung durch die Anlieger (a.A. Dyllick / Neubauer, LKV 2013, 546, 548).
§ 35 Abs. 6 StVO regelt, dass Fahrzeuge, die dem Bau, der Unterhaltung oder Reinigung der Straßen und Anlagen im Straßenraum oder der Müllabfuhr dienen und durch weiß-rot-weiße Warneinrichtungen gekennzeichnet sind, auf allen Straßen und Straßenteilen und auf jeder Straßenseite in jeder Richtung zu allen Zeiten fahren und halten dürfen, soweit ihr Einsatz dies erfordert, zur Reinigung der Gehwege jedoch nur, wenn die zulässige Gesamtmasse bis zu 2,8 t beträgt (Satz 1). Dasselbe gilt auch für Fahrzeuge zur Reinigung der Gehwege, deren zulässige Gesamtmasse 3,5 t nicht übersteigt und deren Reifeninnendruck nicht mehr als 3 bar beträgt (Satz 2). Dabei ist sicherzustellen, dass keine Beschädigung der Gehwege und der darunter liegenden Versorgungsleitungen erfolgen kann (Satz 3). Personen, die hierbei eingesetzt sind oder Straßen oder in deren Raum befindliche Anlagen zu beaufsichtigen haben, müssen bei ihrer Arbeit außerhalb von Gehwegen und Absperrungen auffällige Warnkleidung tragen (Satz 4).
§ 35 Abs. 6 Satz 4 StVO macht deutlich, dass bestimmte Personen sich bei bestimmten Tätigkeiten, wie etwa bei der Straßenreinigung, auch auf der Fahrbahn aufhalten dürfen. Die Vorschrift verlangt insoweit – im Interesse der Verkehrssicherheit – lediglich das Tragen auffälliger Warnkleidung. Dies betrifft nicht nur Begleitpersonen zu den in § 35 Abs. 6 Satz 1 StVO genannten Fahrzeugen, sondern alle Personen, die für die in § 35 Abs. 6 Satz 1 StVO genannten Tätigkeiten „eingesetzt“ werden; das Wort „hierbei“ in § 35 Abs. 6 Satz 4 StVO bezieht sich auf die in § 35 Abs. 6 Satz 1 StVO aufgeführten Tätigkeiten (Bau, Unterhaltung, Reinigung der Straßen oder Müllabfuhr).
Das bestätigt die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. § 35 Abs. 6 Satz 4 StVO ist bereits im Zuge der Neufassung der StVO vom 16. November 1970 (BGBl. I S. 1565) als § 35 Abs. 6 Satz 2 StVO 1970 in die Verordnung aufgenommen worden. § 35 Abs. 6 StVO 1970 fasst die früheren Regelungen aus § 41a Satz 2 und § 46 Abs. 1 Satz 2 StVO 1956 (Straßenverkehrs–Ordnung vom 29. März 1956, BGBl. I S. 271, 327) in der Fassung der Änderung von 1960 (Art. 3 Nr. 10 Buchstabe a der Verordnung zur Änderung von Vorschriften des Straßenverkehrsrechts vom 7. Juli 1960, BGBl. I S. 485) zusammen. § 41a Satz 2 StVO 1956 betraf nach der Überschrift „Arbeiten auf der Fahrbahn“ und regelte, dass Personen, die bei der Unterhaltung und Beaufsichtigung der Straße und der im Straßenraum vorhandenen Anlagen tätig waren, durch Warnkleidung erkennbar sein mussten. § 46 Abs. 1 Satz 2 StVO 1956 in der Fassung von 1960 lautete:
„Für Personen, die bei der Unterhaltung, Reinigung oder Beaufsichtigung der Straßen oder der im Straßenraum vorhandenen Anlagen tätig sind, gelten bei Erfüllung ihrer Aufgaben nicht die Vorschriften dieser Verordnung, soweit diese die Benutzung der Straße durch Fußgänger beschränken.“
Im Jahre 1970 wollte der Verordnungsgeber ausweislich der amtlichen Begründung mit § 35 StVO 1970 nur § 48 Abs. 1 und 2, § 46 Abs. 1 Satz 1 und 2 und § 41a StVO 1956/1960 zusammenfassen, ohne bedeutsame materiell–rechtliche Änderungen vorzunehmen (VkBl. 1970, 797, 816). Hinsichtlich der Sonderrechte beim Bau, der Unterhaltung oder Reinigung der Straßen und Anlagen im Straßenraum oder der Müllabfuhr hielt er es nur noch für erforderlich, genau anzugeben, was mit Fahrzeugen getan werden durfte, die bei Tätigkeiten nach § 35 Abs. 6 Satz 1 StVO eingesetzt waren. Für Personen, die bei entsprechenden Tätigkeiten eingesetzt waren, hielt er dies hingegen für überflüssig; bei ihnen war es aus seiner Sicht bereits wegen ihres Aufgabenkreises klar, dass sie sich auch auf der Fahrbahn bewegen dürfen; deshalb sei ihnen nur zu sagen, dass sie, wenn sie außerhalb der Gehwege und Absperrungen tätig werden wollen, durch Warnkleidung kenntlich sein müssten (a.a.O., S. 817). Nachdem Satz 2 von § 35 Abs. 6 StVO 1970 – ohne inhaltliche Änderung – im Jahr 1988 durch das Einfügen von zwei Sätzen über die Gehwegreinigung durch Fahrzeuge zu Satz 4 geworden ist (Art. 1 Nr. 25 Buchstabe b der Neunten Verordnung zur Änderung der StVO vom 22. März 1988, BGBl. I S. 405), hat die aktuelle Fassung der StVO von 2013 diese Regelung in § 35 Abs. 6 Satz 4 StVO – ebenfalls ohne inhaltliche Änderung – übernommen.
Die von § 35 Abs. 6 Satz 4 StVO als selbstverständlich angesehene Befugnis zum Betreten der Fahrbahn gilt nicht nur für berufsmäßige Straßenkehrer, wie der Wortlaut der früheren Ausnahmeregelung in § 46 Abs. 1 Satz 2 StVO 1956 („Für Straßenkehrer und Schienenreiniger gelten bei Erfüllung ihrer Aufgaben nicht die Vorschriften des § 37, soweit diese die Benutzung der Fahrbahn durch Fußgänger einschränken.“) noch nahegelegt haben mochte, bis sie im Jahre 1960 die oben wiedergegebene erweiterte Fassung erhielt. Vielmehr gilt § 35 Abs. 6 Satz 4 StVO für alle „Personen“, die bei den in § 35 Abs. 6 Satz 1 StVO aufgeführten Tätigkeiten, wie der Reinigung der Straße, eingesetzt sind. Der Begriff des Einsetzens ist dabei im Sinne hoheitlicher Veranlassung zu verstehen. Ein Einsetzen liegt gerade auch dann vor, wenn – wie hier – ein straßen(reinigungs)rechtliches Gebot besteht, die Fahrbahn oder Teile davon oder den Radweg zu reinigen. Dies erklärt im Übrigen auch, warum bislang ersichtlich niemand straßenverkehrsrechtlich Anstoß an entsprechendem Tun genommen hat, obwohl in den meisten Bundesländern entsprechende Pflichten entweder schon kraft Gesetzes bestehen (§ 4 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 Satz 2 und 3 StrReinG Berlin; § 41 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BremLStrG) oder vorgesehen ist, dass sie den Anliegern durch Satzung bzw. Verordnung auferlegt werden können (§ 41 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StrG BW; Art. 51 Abs. 5 Satz 1 BayStrWG; § 49a Abs. 4 Nr. 2 BbgStrG; § 50 Abs. 3, Abs. 4 Nr. 2 StrG–MV; § 52 Abs. 1 Satz 3 Buchstabe b und c, Abs. 4 Satz 1 NStrG; § 4 Abs. 1 Satz 2 StrReinG NRW; § 17 Abs. 2 Nr. 2 und 3, Abs. 3 Satz 7 LStrG RP; § 53 Abs. 3 Nr. 2 zweiter Halbsatz SStrG SL; § 45 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 StrWG SH).
Der hier vertretenen Auslegung des § 35 Abs. 6 Satz 4 StVO kann nicht entgegengehalten werden, dass der Einsatz von Anliegern per se gefährlicher wäre als der Einsatz berufsmäßiger Straßenreiniger. Die Übertragung von Reinigungspflichten auf die Anlieger steht straßenreinigungsrechtlich stets unter einem geschriebenen oder ungeschriebenen Zumutbarkeitsvorbehalt (vgl. Wichmann, Straßenreinigung und Winterdienst in der kommunalen Praxis, 7. Auflage 2013, Rn. 183 und – zur Fahrbahnreinigung – Rn. 185–187 m.w.N.). So lässt auch § 49a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BbgStrG die Übertragung von Reinigungspflichten auf die Eigentümerinnen und Eigentümer der erschlossenen Grundstücke (nur) zu, soweit dies insbesondere unter Berücksichtigung der Verkehrsverhältnisse zumutbar ist. Sie kann deshalb nur für Fahrbahnen und Radwege mit ohnehin geringem Verkehrsaufkommen und niedrigen Fahrgeschwindigkeiten erfolgen. Außerdem können die Anlieger die Reinigung in verkehrsarme Zeiten legen und schließlich durch beauftragte Unternehmen ausführen lassen.
Versicherungstechnische Fragen stehen dem Einsatz von Anliegern bei der Straßenreinigung straßenverkehrsrechtlich ebenfalls nicht entgegen. Sie sind im Rahmen des § 35 Abs. 6 Satz 4 StVO ohne Bedeutung und betreffen allein die straßenreinigungsrechtliche Zumutbarkeit der Übertragung der Reinigungspflicht (§ 49a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BbgStrG). Auch insoweit stehen sie der Übertragung aber nicht grundsätzlich entgegen, zumal die Anlieger die Reinigung nicht höchstpersönlich wahrnehmen müssen, sondern ein Unternehmen beauftragen können.
2. Sonstige Gründe, die zur Gesamtnichtigkeit des straßenreinigungsrechtlichen Teils der Satzung (ohne die Winterdienstregelungen) führen, sind nicht ersichtlich.
3. Im vorliegenden Fall ist das Säubern der Fahrbahn im Mü...weg den Klägern zumutbar im Sinne des § 49a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BbgStrG.
Dies gilt zunächst hinsichtlich der Verkehrsverhältnisse. Der Mü...weg dient allein der Erschließung der an ihn oder an die Nachbarstraßen angrenzenden Wohnhausgrundstücke. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit ist auf 30 km/h gesenkt. Es ist daher lediglich mit einer geringen Zahl von Autos zu rechnen, die nur deutlich langsamer fahren dürfen als sonst innerhalb geschlossener Ortschaften zulässig (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO). Die Fahrer gehören in aller Regel selbst zu den Anliegern, sind also mit der Fahrbahnreinigung durch die Anlieger vertraut und haben mit ihr zu rechnen. Wie schon ausgeführt, können die Kläger zudem das Säubern in besonders verkehrsarme Zeiten legen oder einen Dritten, z.B. ein Unternehmen, mit der Reinigung beauftragen.
Auch hinsichtlich der Festlegung von Art und Umfang der Säuberung der Fahrbahn in § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 und 4 SRS bestehen keine Bedenken, welche die Übertragung der Reinigungspflicht schon grundsätzlich unzumutbar erscheinen lassen. Solche Bedenken sind weder von den Klägern vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
4. Die Beklagte verstößt nicht gegen den Erschließungsvertrag, wenn sie den Klägern das Säubern der Fahrbahn auferlegt. § 8 Nr. 1 EV betrifft die allgemeine Verkehrssicherungspflicht, die sich aus den deliktsrechtlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches ergibt und die u.a. zur sog. verkehrsmäßigen Reinigung der Fahrbahn verpflichtet (vgl. Wichmann, a.a.O., Rn. 2 m.w.N.). Seit der Abnahme der Straße Ende 2003 obliegt sie der Gemeinde. Damit ist indessen nicht gesagt, dass den Anliegern als ehemaligen Erschließern keine Pflicht zur Straßenreinigung auferlegt werden könnte. Neben der als Teil der Verkehrssicherungspflicht bestehenden verkehrsmäßigen Reinigungspflicht gibt es rechtlich nämlich noch die sogenannte ordnungsmäßige Reinigungspflicht. Sie soll nicht nur der Verkehrssicherheit dienen, sondern auch der Beseitigung aller gesundheitsschädlichen, ekelerregenden, belästigenden oder mit den allgemeinen Vorstellungen von Sauberkeit und Ordnung nicht in Einklang zu bringenden Verunreinigungen (vgl. Wichmann, a.a.O., Rn. 4 m.w.N.). Sie geht der verkehrsmäßigen Reinigungspflicht vor (§ 49a Abs. 1 Satz 3 BbgStrG). Zu ihr verhält sich der Erschließungsvertrag nicht. Dies hat zur Folge, dass sie hier auch den Anliegern auferlegt werden kann; das entspricht dem Üblichen in Erschließungsgebieten.
II. Hinsichtlich des Winterdienstes hat die Berufung des Beklagten hingegen keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Kläger nicht verpflichtet sind, im Mü...weg Winterdienst zu leisten.
Nach § 2 Abs. 1 SRS in Verbindung mit der Anlage zur SRS wird den Klägern die Reinigung ausschließlich der Fahrbahn des Mü...weges bis zur Straßenmitte auferlegt; in der Anlage zur SRS ist für den Mü...weg nur die Spalte „Fahrbahn - Anlieger“ angekreuzt. Würde von ihnen daneben auch die Reinigung des begehbaren Seitenstreifens verlangt werden, so müsste dafür in der Anlage zur SRS für den Mü...weg auch die Spalte „Geh-/Radweg - Anlieger“ angekreuzt sein; denn begehbare Seitenstreifen zählen beim Winterdienst nach § 3 Abs. 3 Satz 2 SRS zu den Gehwegen.
Weil es in der Anlage zur SRS keine gesonderte Kategorie zum Winterdienst gibt, ist § 2 Abs. 1 SRS in Verbindung mit der Anlage zur SRS dahin zu verstehen, dass die Kläger auch Winterdienst auf der Fahrbahn leisten sollen.
Dem steht nicht entgegen, dass § 3 Abs. 3 SRS einen durch Anlieger zu leistenden Winterdienst erkennbar allein im Interesse des Fußgängerverkehrs regeln will und ihn deshalb nur auf (ausgebauten) Geh- und Radwegen (Satz 1), auf begehbaren Seitenstreifen, wenn auf keiner Straßenseite ein (ausgebauter) Gehweg vorhanden ist (Satz 2), auf (gänzlich) unausgebauten Straßen (Satz 3) und auf ausgebauten Mischverkehrsflächen (Satz 5), nicht aber auf Fahrbahnen vorsieht, wenn diese von einem begehbaren Seitenstreifen flankiert werden. Insoweit besteht ein Widerspruch zwischen § 2 Abs. 1 SRS in Verbindung mit der Anlage zur SRS einerseits und § 3 Abs. 3 SRS andererseits, den die Anlieger bei der Auslegung der Satzung dahin auflösen werden, dass von ihnen im Mü...weg deswegen Winterdienst auf der Fahrbahn verlangt werde, weil der Satzungsgeber diese Fahrbahn als Mischverkehrsfläche angesehen habe; so versteht auch die Gemeindeverwaltung selbst die Satzung.
Dieser Auslegung der Satzung als Verpflichtung der Anlieger des Mü...wegs zum Winterdienst auf der Fahrbahn steht weiter nicht entgegen, dass die Satzung bei diesem Verständnis hinsichtlich des Winterdienstes auf der Fahrbahn des Mü...wegs mit höherrangigem Recht unvereinbar ist. Zwar beschränkte zum Zeitpunkt der 3. Änderungssatzung die Übertragungsermächtigung in § 49a Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BbgStrG a.F. (vgl. Art. 1 Nr. 3 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Brandenburgischen Straßengesetzes vom 15. Dezember 1995, GVBl. I S. 288) die Berechtigung der Gemeinden, den Eigentümern der erschlossenen Grundstücke die Reinigungspflicht auch hinsichtlich des Winterdienstes auf der Fahrbahn aufzuerlegen, auf den Fußgängerschutz (vgl. Urteil des Senats vom 15. Oktober 2014 – OVG 9 B 21.14 –) und schloss damit aus, in einer Straße mit begehbarem Seitenstreifen – wie hier – den Anliegern den Winterdienst für die Fahrbahn aufzuerlegen. Indessen rechtfertigt dies keine gesetzeskonforme Auslegung der Satzung dahin, dass die Anlieger im Mü...weg Winterdienst auf den begehbaren Seitenstreifen statt der Fahrbahn zu leisten haben. Eine solche Auslegung scheitert daran, dass Grenze jeder Auslegung der Wortlaut einer Vorschrift ist und dass diese Grenze hier wegen der eindeutigen Fassung der Anlage zur Satzung überschritten werden würde; vielmehr ist die Übertragung des Winterdienstes in Bezug auf die Fahrbahn im Mü...weg wegen Verletzung höherrangigen Gesetzesrechts als nichtig anzusehen mit der Folge, dass den Klägern im Mü...weg derzeit überhaupt kein Winterdienst obliegt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Satz 1 VwGO. Dabei geht der Senat davon aus, dass hier die Verpflichtung zum Winterdienst gegenüber der allgemeinen Straßenreinigung die größere Belastung bedeutet. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.