Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 5. Senat | Entscheidungsdatum | 02.04.2012 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | OVG 5 S 25.11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 146 Abs 4 S 6 VwGO, § 123 Abs 1 VwGO, § 80 Abs 1 S 1 VwGO, § 48 Abs 2 S 3 Nr 1 VwVfG, § 48 Abs 2 S 3 Nr 2 VwVfG, § 13 Abs 1 S 1 HSchulG BB, § 13 Abs 3 Nr 1 HSchulG BB |
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 20. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsgegner.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
I.
Die Antragstellerin bewarb sich im Juni 2011 im Online-Verfahren um einen Studienplatz an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNE) im zulassungsbeschränkten Studiengang Forstwirtschaft (BA) im ersten Fachsemester für das Wintersemester 2011/12. In ihrer „Eidesstattlichen Erklärung zur Online-Bewerbung“ in Papierform vom 10. Juni 2011 versicherte sie, dass ihre Angaben im Online-Bewerbungsformular der HNE für den Zulassungsantrag vollständig und wahrheitsgemäß seien und ihr bekannt sei, dass fahrlässig oder vorsätzlich falsche Angaben zum Ausschluss vom Vergabeverfahren oder bei Feststellung nach der Einschreibung zum Widerruf der Einschreibung - auch zu einem späteren Zeitpunkt im Studium - führten. Nach der von der Hochschule gefertigten Bildschirmkopie („screenshot“) vom Online-Bewerbungsformular hatte die Antragstellerin als Datum ihrer Hochschulzugangsberechtigung angegeben: „02.01.00“. Tatsächlich weist das innerhalb der folgenden zwei Wochen an die Hochschule übersandte Abiturzeugnis mit der Note 3,2 als Datum den 11. Mai 2010 aus.
Wegen der nach den Online-Angaben anzurechnenden 20 Wartesemestern erhielt die Antragstellerin mit Bescheid vom 4. August 2011 ihre Zulassung zum gewünschten Studiengang unter Hinweis darauf, dass die Immatrikulation nicht durchgeführt oder zurückgezogen werden könne, wenn Bewerber falsche oder unvollständige Angaben gemacht hätten. Mit E-Mail vom 5. September 2011 unterrichtete die HNE die Antragstellerin darüber, dass die Immatrikulation nicht vollzogen werde, weil sie bei der Online-Bewerbung falsche Angaben gemacht habe. Der endgültige Bescheid komme später.
Am 28. September 2011 hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht und vorgetragen: Sie habe sich am 10. Juni 2011 online beworben und dabei - wie sich durch telefonische Nachfrage herausgestellt habe - das „Musterdatum 02.01.2000“ für das Abiturjahr im online-Formular versehentlich nicht geändert. Abgesehen davon, dass der Hochschule bei einem Vergleich des Geburts- und des vermeintlichen Abiturdatums der Fehler als offenkundig hätte auffallen müssen, könne sie sich auf falsche Angaben in der Online-Bewerbung nicht berufen, weil ihr das Abiturzeugnis mit dem zutreffenden Datum bei Erteilung der Zulassung vorgelegen habe.
Mit Beschluss vom 20. Oktober 2011 hat das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) den Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin vorläufig zum Wintersemester 2011/12 im Bachelorstudiengang Forstwirtschaft zu immatrikulieren. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass alle Immatrikulationsvoraussetzungen vorlägen einschließlich der Zulassung zum fraglichen Studiengang. Der Zulassungsbescheid sei nicht zurückgenommen worden und der Immatrikulationsversagungsgrund der arglistigen Täuschung nicht ersichtlich.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners, zu deren Begründung er vorträgt, die Angaben der Antragstellerin könnten nicht zutreffen, weil im Bewerbungsformular der von der HNE Eberswalde genutzten Software C… kein Vorgabewert hinterlegt sei, den die Antragstellerin als „Muster“ hätte anklicken können. Vielmehr würden die Bewerber aufgefordert, das Datum ihrer Hochschulzugangsberechtigung einzutragen. Im regulären Zulassungsverfahren hätte die Antragstellerin keine Chance gehabt: Der letzte zugelassene Bewerber habe einen Abiturdurchschnitt von 2,5 gehabt; die Wartezeit habe 12 Semester betragen. Somit habe sich die Antragstellerin durch unrichtige Angabe des Abiturdatums eine längere Wartezeit und damit einen Studienplatz von 281 erfolglos gebliebenen Mitbewerbern erschlichen. Er habe zwischenzeitlich mit Bescheid vom 27. Oktober 2011 den Zulassungsbescheid vom 4. August 2011 auf der Grundlage von § 5 Abs. 2 Nr. 3 der Immatrikulationsordnung zurückgenommen: Die Antragstellerin habe im Online-Bewerbungsformular falsche Angaben eingetragen und eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben. Eine vom Senat zur gütlichen Beilegung des Rechtsstreits angeregte Zulassung außerhalb der festgesetzten Zulassungszahl komme nicht in Betracht, weil bereits 4 Studierende über der festgesetzten Zulassungszahl von 50 Studierenden pro Studienjahr immatrikuliert seien.
Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 20. Oktober 2011 zu ändern und den Antrag zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hat unter dem 22. November 2011 Widerspruch gegen den Rück-nahmebescheid vom 27. Oktober 2011 erhoben, verteidigt den angefochtenen Beschluss und trägt vor, sie könne mindestens einen weiteren Studienbewerber namhaft machen, der wegen der Software der Online-Bewerbung vergleichbare Probleme mit der Immatrikulation gehabt habe.
II.
Die Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur im Rahmen der fristgerechten Darlegungen des Antragsgegners befindet, ist unbegründet. Der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts ist bei Zugrundelegung dieses Prüfungsumfangs nicht zu beanstanden. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht der Antragstellerin einen nach § 123 Abs. 1 VwGO zu sichernden Anspruch auf Immatrikulation an der HNE zuerkannt.
Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Hochschulen des Landes Brandenburg vom 18. Dezember 2008 (GVBl. I S. 318) - BbgHG -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. Oktober 2010 (GVBl. I S.10), sind Studienbewerber zu immatrikulieren, wenn die Voraussetzungen nach § 8 erfüllt sind und Versagungsgründe für die Immatrikulation nicht vorliegen. Einzelheiten des Verfahrens werden durch die Immatrikulationsordnung der Hochschule geregelt (§ 13 Abs. 7 Satz 1 BbgHG). Unstreitig erfüllt die Antragstellerin, die die allgemeine Hochschulreife besitzt, die Hochschulzugangsvoraussetzung nach § 8 Abs. 2 Satz 1 und 2 BbgHG.
Versagungsgründe liegen nicht vor. Der Antragsgegner hat die tragenden Gründe der angefochtenen Entscheidung - das Fortbestehen der Zulassung einerseits (1) und das Fehlen der Voraussetzung für eine Versagung der Immatrikulation nach Ermessen wegen arglistiger Täuschung andererseits (2) - nicht zu erschüttern vermocht.
1. Nach § 13 Abs. 3 Nr. 1 BbgHG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 3 der Immatrikulationsordnung der Fachhochschule Eberswalde in der Fassung vom 14. Mai 2008 (Amtl. Mitteilungen Nr. 15 vom 30. Mai 2008, S. 1) ist die Immatrikulation zu versagen, wenn der Studienbewerber in einem zulassungsbeschränkten Studiengang nicht zugelassen (worden) ist. Die Antragstellerin ist mit Bescheid der HNE vom 4. August 2011 im Bachelor-Studiengang Forstwirtschaft zum Wintersemester 2011/2012 als Studienanfängerin zugelassen (worden). Zwar hat der Antragsgegner diesen Zulassungsbescheid mit Bescheid vom 27. Oktober 2011 wegen falscher Angaben im Online-Fragebogen und einer falschen eidesstattlichen Versicherung zurückgenommen. Auch darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt gem. § 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 3 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 und 2 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 VwVfGBbg entschädigungslos zurückgenommen werden, wenn der Begünstigte den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat. Gegen den Rücknahmebescheid hat die Antragstellerin jedoch Widerspruch erhoben, der gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung hat und über den - soweit ersichtlich und von den Verfahrensbeteiligten auch nicht anders vorgetragen - noch nicht entschieden ist. Aufschiebende Wirkung bedeutet in diesem Fall, dass der Antragsgegner an die Zulassung der Antragstellerin zum Studiengang Forstwirtschaft BA gebunden ist und sich auf eine fehlende Zulassung als Versagungsgrund im Immatrikulationsverfahren nicht berufen kann. Auf die zwischen den Verfahrensbeteiligten streitige Frage, ob die Antragstellerin die unzutreffenden Datumsangabe ihrer Hochschulzugangsberechtigung im Online-Antragsformular zu vertreten hat und ob es sich dabei ggf. um eine arglistige Täuschung im Sinne von § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 VwvfG handelt, kommt es daher nicht an.
Der Senat sieht allerdings Veranlassung darauf hinzuweisen, dass der Antragsgegner mit der von ihm praktizierten Online-Bewerbung Gefahr läuft, im Falle einer Rücknahme der einmal erteilten Zulassung an der Unmöglichkeit eines Nachweises einer vorsätzlichen Falschangabe (oder auch nur einer in wesentlicher Beziehung unrichtigen Angabe im Sinne von § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG) zu scheitern. Erspart er sich einen Abgleich der Online-Daten der Bewerber mit deren Angaben in den nachgereichten Unterlagen bzw. den Einbau von Plausibilitätskontrollen bei der elektronischen Datenverarbeitung zur rechtzeitigen Aufdeckung von Falschangaben, muss er sich im Zweifelsfall an der Bestandskraft des Zulassungsbescheides festhalten lassen.
2. Eine Versagung der Immatrikulation nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 der Immatrikulationsordnung des Antragsgegners scheidet schon wegen Nichterfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen aus. Danach kann die Immatrikulation versagt werden, wenn die Immatrikulation durch Zwang, arglistige Täuschung oder Bestechung herbeigeführt wurde. Da hier eine Immatrikulation der Antragstellerin gerade noch nicht „herbeigeführt“ wurde, sie vielmehr erst ausgesprochen werden soll, kommt diese Regelung als Versagungsgrund nicht in Betracht. Zudem bezieht sich der vom Antragsgegner erhobene Vorwurf der arglistigen Täuschung nicht auf die Immatrikulation, sondern auf die Zulassung zum zulassungsbeschränkten Studiengang.
Zur Klarstellung weist der Senat an dieser Stelle darauf hin, dass erhebliche Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Regelung in § 5 Abs. 2 Nr. 3 der Immatrikulationsordnung bzw. am Vorhandensein einer gesetzlichen Grundlage für diese Satzungsbestimmung bestehen. Die Versagung der Immatrikulation für den Fall, dass die Immatrikulation durch unredliches Verhalten herbeigeführt worden ist, stellt sich als Widerspruch in sich dar bzw. ermangelt eines denkbaren Anwendungsfalles. Würde man den Begriff „die Immatrikulation“ in Ziffer 3 der Vorschrift durch den Begriff „die Zulassung“ ersetzen, ergäbe die Vorschrift als Ausfluss des Verbots der unzulässigen Rechtsausübung („dolo agit qui petit quod statim redditurus est“) zwar einen Sinn, geriete dann jedoch in Widerspruch zu den im Verwaltungsverfahrensgesetz (§ 48 Abs. 1 bis 3), im Hochschulgesetz des Landes Brandenburg (§ 13 Abs. 3 Nr. 1) sowie in der Verwaltungsgerichtsordnung (§ 80 Abs. 1) geregelten Wirkungen von rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakten sowie von Widerspruch und Klage gegen Rücknahmebescheide im allgemeinen und zur Rücknahme von Zulassungsbescheiden im Besonderen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).