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Entscheidung 9 UF 192/11


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 16.02.2012
Aktenzeichen 9 UF 192/11 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 05. Juli 2011 verkündete Teilurteil des Amtsgerichts Oranienburg – Az. 33 F 222/03 –teilweise dahin abgeändert, dass das Teilversäumnisurteil des Amtsgerichts Oranienburg vom 26. April 2011 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 17. Mai 2011 – Az. 33 F 222/03 – hinsichtlich der Klägerin zu 1. aufgehoben und der Antrag auf seinen Erlass gegenüber der Klägerin zu 1. zurückgewiesen wird.

Außerdem wird die Kostenentscheidung aufgehoben, soweit sie zu Lasten der Klägerin zu 1. ergangen ist.

Gerichtskosten des Berufungsverfahrens werden nicht erhoben.

Im Übrigen hat der Beklagte die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 1.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien haben im Wege der Stufenklage um Kindes- und Trennungsunterhalt für die Zeit seit November 2003 gestritten. Sie haben am 04. April 1987 die Ehe geschlossen und leben seit dem 01. November 2003 getrennt. Inzwischen sind sie rechtskräftig geschieden. Aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen, die am …. Dezember 1988 geborenen Zwillinge Ch… und C… K… und der am …. Juli 1991 geborene S… K…. Bei Klageerhebung waren die Kinder sämtlich noch minderjährig. Die Klägerin, bei der die Kinder damals lebten, hat eigenen Trennungsunterhalt und im eigenen Namen Kindesunterhalt für die drei Kinder verlangt.

Mit Schriftsatz vom 05. März 2007 hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin mitgeteilt, sie vertrete nunmehr auch die volljährig gewordenen Töchter und hat in deren Namen Anträge angekündigt. Im Termin vor dem Amtsgericht am 06. März 2007 hat sie überdies – auf Rüge des Beklagten – die Vollmachtsurkunden der beiden Töchter im Original vorgelegt. Mit Urteil vom 05. April 2007 hat das Amtsgericht der Klägerin zu 1. monatlichen Trennungsunterhalt in Höhe von 360,00 € und Kindesunterhalt für S… in Höhe von monatlich 160 €, und den Klägerinnen zu 2. und 3. (Ch… und C… K…) jeweils monatlich 116,00 € Kindesunterhalt zugesprochen. Auf die Berufung der drei Klägerinnen ist die Entscheidung des Amtsgericht vom 05. April 2007 durch Urteil des Senats vom 12. Juni 2008 aufgehoben und das Verfahren an das Amtsgericht zurückverwiesen worden.

Nachdem die Klägerin selbst mit Schreiben vom 14. Oktober 2009 (eingegangen am 15. Oktober 2009) mitgeteilt hatte, dass ihre Töchter unter ihr unbekannter Anschrift in Prag leben, hat das Amtsgericht unter dem 13. April 2011 (Bl. 867 GA) zum Termin am 26. April 2011 geladen mit dem Zusatz: „Thema: Kindesunterhalt“. Die Ladung ist der Bevollmächtigten der Klägerin am 14. April 2011 zugestellt worden. Daraufhin hat sie mit Schriftsatz vom 14. April 2011, eingegangen bei Gericht am selben Tag (Bl. 873 GA) mitgeteilt, alle Kinder seien volljährig und keines der Kinder werde von ihr vertreten. Sie vertrete ausschließlich die inzwischen geschiedene Ehefrau. Außerdem hat sie geltend gemacht, eine abgesonderte Verhandlung über den Kindesunterhalt sei unverständlich, da damit die Ansprüche auf Trennungsunterhalt zusammen hingen. Mit Schreiben vom 19. April 2011 teilte der Beklagte dem Gericht mit, der Sohn S… lebe nunmehr in Südafrika. Außerdem teilte er Anschriften der Töchter in Prag mit.

Im Termin vom 26. April 2011 vor dem Amtsgericht erschien für die Klägerseite niemand. Der Beklagte beantragte den Erlass eines Versäumnisurteils gegen alle vier Kläger. Daraufhin verkündete das Amtsgericht Oranienburg am Schluss der Sitzung am 26. April 2011 ein Teilversäumnisurteil, in dem Frau J… K… als Klägerin zu 1., Frau Ch… K… als Klägerin zu 2., Frau C… K… als Klägerin zu 3. und Herr S… K… als Kläger zu 4. bezeichnet wurden. Das Amtsgericht hat mit diesem Teilversäumnisurteil zunächst die Klage der Kläger zu 1., zu 2., zu 3., zu 4. abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits den Klägern auferlegt. Mit Beschluss vom 17. Mai 2011 ist dieses Urteil dahin berichtigt worden, dass die Klage der Kläger zu 1., zu 2., zu 3. und zu 4. zum Kindesunterhalt abgewiesen wird.

Bereits zuvor hat die Klägerin J… K… mit am 18. Mai 2011 eingegangenen Schriftsatz Einspruch eingelegt. Über diesen hat das Amtsgericht am 05. Juli 2011 verhandelt und mit Teilurteil vom selben Tag das Teilversäumnisurteil in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 17. Mai 2011 hinsichtlich der Klägerin zu 1. aufrechterhalten.

Gegen dieses ihr am 14. Juli 2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am Montag, den 15. August 2011 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 29. September 2011 begründet hat.

Die Klägerin beruft sich auf schwerwiegende Verfahrensfehler des Amtsgerichts und macht geltend, das Versäumnisurteil habe schon deshalb nicht aufrechterhalten werden dürfen, weil sie im Termin vom 26. April 2011 nicht säumig gewesen sei, da nur zum Thema Kindesunterhalt geladen worden sei. Kindesunterhalt mache die Klägerin aber seit der Volljährigkeit ihrer Kinder weder im eigenen Namen noch in Vertretung der Kinder geltend. Deshalb sei die Entscheidung auch inhaltlich unrichtig.

Sie beantragt nunmehr,

unter Abänderung des Teilurteils des Amtsgerichts Oranienburg vom 05. Juli 2011 zum Geschäftszeichen 33 F 222/03 das Teilversäumnisurteil des Amtsgerichts Oranienburg vom 26. April 2011 in Verbindung mit dem Berichtigungsbeschluss vom 17. Mai 2011 aufzuheben und den Antrag des Beklagten auf Erlass des Versäumnisurteils zurückzuweisen;

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Ansicht, das angefochtene Urteil sei zutreffend und rechtsfehlerfrei zustande gekommen.

Wegen der übrigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, auf das Senatsurteil vom 12. Juni 2008 und auf den Inhalt des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Die angefochtene Entscheidung ist bereits aus prozessualen Gründen ersatzlos aufzuheben.

Auf die Frage, ob das Amtsgericht auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 2011 überhaupt ein Versäumnisurteil gegen die Klägerin zu 1. hätte erlassen dürfen, kommt es nicht entscheidend an. Durch den rechtzeitigen Einspruch der Klägerin ist der Rechtsstreit, soweit es um das Prozessrechtsverhältnis zwischen der Klägerin J… K… und dem Beklagten geht, gemäß § 342 ZPO in die Lage zurückversetzt worden, in der er sich vor Eintritt der Säumnis befand. Das bedeutet, dass die Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils im Tenor der angefochtenen Entscheidung vom 05. Juli 2011 nicht mehr auf der ursprünglich angenommenen Säumnis der Klägerin beruht, sondern auf einer inhaltlichen Prüfung, wobei das Amtsgericht davon ausgegangen ist, dass nach dieser Prüfung die ursprünglich auf Säumnis beruhende Entscheidung inhaltlich aufrecht zu erhalten war. Selbst wenn demnach eine Säumnis nicht vorgelegen hat, ist diese für die nunmehr angefochtene Entscheidung nicht mehr ursächlich. Für die Entscheidung auf das Rechtsmittel hin kommt es nur darauf an, ob die Abweisung vermeintlicher Ansprüche auf Kindesunterhalt der Klägerin zu Recht erfolgt ist.

Das ist schon deshalb nicht der Fall, weil ein Anspruch auf Kindesunterhalt zwischen den Beteiligten des Berufungsverfahrens – Frau J… K… und Herrn D… K… – nicht (mehr) streitgegenständlich ist. Das Amtsgericht hat mithin Ansprüche abgewiesen, welche die Klägerin gar nicht gestellt hat.

Zunächst ist die Klägerin J… K… im Hinblick auf die geltend gemachten Ansprüche auf Kindesunterhalt auch für diese im eigenen Namen aufgetreten. Die Kinder waren minderjährig; die Eltern lebten bei fortbestehendem gemeinsamen Sorgerecht getrennt, wobei sich die Kinder bei der Mutter aufhielten. Die Geltendmachung im eigenen Namen entsprach § 1629 Abs. 3 Satz 1 BGB. Dabei handelte sich um ein gesetzlich angeordnete Prozessstandschaft.

Mit dem Eintritt der Volljährigkeit der Töchter Ch… und C… am …. Dezember 2006 und des Sohnes S… am …. Juli 2009 endete jeweils die Prozessstandschaft der Mutter mit der Folge, dass ohne Weiteres ein Parteiwechsel eingetreten ist, ohne dass es der Zustimmung einer der Parteien bedarf oder die Voraussetzungen einer Klageänderung zu prüfen sind (BGH, NJW 1983, 2084; Palandt/Diederichsen, BGB, 71. A.,§ 1629 Rz. 37; Ehinger/Griesche/Rasch, Handbuch Unterhaltsrecht, 5. A., Rz. 636a; FamVerf/Schael, 2.A., § 1 Rz. 249; Handbuch des Fachanwalts Familienrecht,/Seiler, 7. A., 6. Kapitel Rz. 350). Folgt man dieser ganz überwiegenden Auffassung, der sich auch der erkennende Senat angeschlossen hat, so ist mit der Volljährigkeit der Kinder ohne Zutun eines der Beteiligten der Parteiwechsel eingetreten, d. h., anstelle der Mutter, die nur noch ihren eigenen Anspruch auf Trennungsunterhalt weiter verfolgt hat, sind zunächst die Töchter und später auch der Sohn Parteien des Rechtsstreits geworden. So hat dies offenbar auch das Amtsgericht gesehen, denn in der Folgezeit sind auch die Kinder jeweils als „Kläger“ in die Entscheidungen aufgenommen worden. Auch hat das Amtsgericht jeweils versucht, die Kinder als Kläger selbst zu laden bzw. Zustellungen an diese zu veranlassen (wenn auch weitestgehend bislang unwirksam).

Selbst wenn man einer Mindermeinung folgt, wonach kein gesetzlicher, sondern nur ein gewillkürter Parteiwechsel eintreten kann, lägen hier die Voraussetzungen für einen solchen vor. Nach dieser Ansicht (vgl. Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 8. Aufl., § 10 Rz. 50 m.w.N.) kann mit Einwilligung des nicht mehr legitimierten Elternteils das volljährig gewordene Kind selbst in das Verfahren eintreten. Auf die entsprechenden Erklärungen hat das Gericht von Amts wegen hinzuwirken, wenn der bisher vertretene Elternteil deutlich macht, dass er Kindesunterhaltsansprüche nicht mehr selbst verfolgt. So liegt der Fall hier. Die Klägerin hat immer wieder darauf hingewiesen, dass sie seit der Volljährigkeit die Kinder, zu denen auch in weiten Teilen kein Kontakt bestehe, nicht mehr vertrete und deren Ansprüche nicht geltend machen wolle. Hinsichtlich der Töchter ist auch in deren Namen wirksam ein Beitritt zum Verfahren erklärt worden. Sie sind zunächst durch Rechtsanwältin S… vertreten worden, die mit Schriftsatz vom 05. März 2007 angezeigt hat, die volljährigen Töchter zu vertreten und die Vertretungsmacht sogar urkundlich nachgewiesen hat. Insoweit kann es deshalb keinem Zweifel unterliegen, dass die Ansprüche auf Kindesunterhalt für C… und Ch… K… seit Jahren nicht mehr von der Kindesmutter geltend gemacht worden sind.

Hinsichtlich des Sohnes S… hat die Mutter ebenfalls deutlich erklärt, dessen Ansprüche auf Kindesunterhalt nicht mehr geltend machen zu wollen (spätestens mit Schriftsatz vom 14. April 2011 – Bl. 873). Der Sohn selbst hat seinen Beitritt zwar nicht förmlich erklärt, er ist dazu jedoch auch noch nicht aufgefordert worden. Eine wirksame Zustellung welcher Art auch immer im laufenden Verfahren nach seiner Volljährigkeit kann nicht festgestellt werden. Sämtliche Zustellungsversuche des Amtsgerichts an die Kinder sind fehlerhaft an die Anschrift in Oranienburg erfolgt, wo sie seit langem nicht mehr aufhältig waren, wie beide Eltern immer wieder mitgeteilt haben. Trotz Mitteilung der zutreffenden Anschriften der Kinder durch den Vater ist nicht einmal der Versuch unternommen worden, insoweit eine Zustellung zu veranlassen. [Inwieweit dies Auswirkungen auf das auch gegen die Kläger zu 2. bis 4. ergangene Teil-Versäumnisurteil hat, kann der Senat auf die Berufung der Klägerin zu 1. nicht prüfen und insoweit eine Abänderung auch nicht vornehmen. Rein vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass nach Aktenlage eine ordnungsgemäße Zustellung des Teilversäumnisurteils an die Kläger zu 2. bis 4. bisher nicht erfolgt sein dürfte.]

Hier steht jedenfalls fest, dass die Klägerin J… K… nur noch Ansprüche auf eigenen Trennungsunterhalt verfolgt, jedoch keine Ansprüche auf Kindesunterhalt. Seit dem Verhandlungstermin des Amtsgerichts vom 26. April 2011 ist vor dem Amtsgericht ausschließlich über Kindesunterhalt verhandelt worden. Auch Gegenstand des Versäumnisurteils sowie des angefochtenen Urteils vom 05. Juli 2011 sind lediglich Ansprüche auf Kindesunterhalt. Soweit solche Ansprüche der Klägerin J… K… abgewiesen worden sind, ist mithin eine Entscheidung über einen Gegenstand ergangen, der nicht Streitgegenstand im Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten ist.

Auf das Rechtsmittel der Klägerin war deshalb unter Abänderung des Teilurteils vom 05. Juli 2011 das Teilversäumnisurteil vom 26. April 2011 in der berichtigten Fassung hinsichtlich der Klägerin zu 1. (einschließlich der sie betreffenden Kostenentscheidung) aufzuheben. Eine abweichende Entscheidung in der Sache kann der Senat nicht treffen, weil es die Sache „Kindesunterhaltansprüche der Klägerin“ nicht gibt und diese nicht Gegenstand des Verfahrens sind. Deshalb hat auch keine förmliche Aufhebung und Zurückverweisung gemäß § 538 ZPO zu erfolgen. Mit der Aufhebung des Teilversäumnisurteils, soweit es die Klägerin zu 1. betrifft, ist die fehlerhafte Entscheidung über einen nicht existierenden Streitgegenstand aus der Welt geschafft. Einer abweichenden Entscheidung hierüber bedarf es weder durch den Senat noch durch das Amtsgericht. Das Amtsgericht hat nunmehr über die noch bei ihm anhängig gebliebenen Teile des Streitgegenstands (Anspruch auf Trennungsunterhalt der Frau J… K… und Ansprüche auf Kindesunterhalt der übrigen Kläger) zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 ZPO; 21 Abs. 1 GKG.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Die Festsetzung des Gegenstandswerts richtet sich nach §§ 47 Abs. 1 Satz 1; 48 Abs. 1 Satz 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO. Da die Klägerin durch die Abweisung nicht gestellter Anträge materiell nicht beschwert ist, bemisst sich der Gegenstand nach ihrer Verurteilung in die anteiligen Kosten des Verfahrens. Den Wert hat das Gericht überschlägig nach dem Gegenstandswert der Kindesunterhaltsansprüche geschätzt.