Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung AGH I 9/18


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg Anwaltsgerichtshof Entscheidungsdatum 29.06.2020
Aktenzeichen AGH I 9/18 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2020:0629.AGH.I9.18.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Klage auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Streitwert wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger war ab 1992 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen und ab 1995 Mitglied der Beklagten.

Mit Bescheid vom 23.9.2011 widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen des Eintritts eines Vermögensverfalls. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und nach dessen Zurückweisung durch die Beklagte Klage. Die Klage wurde durch Senatsurteil vom 16.7.2018, Aktenzeichen: AGH I 2/12, abgewiesen. Die vom Kläger dagegen beantragte Zulassung der Berufung wurde durch Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 7.3.2019, Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 66/18, abgelehnt.

Durch Urteil des Amtsgerichts Cottbus vom 9.3.2015, Aktenzeichen: 102 Ls 1704 Js 32678/10 (2/12), wurde der Kläger wegen Steuerhinterziehung in 4 Fällen und wegen Untreue zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und 10 Monaten verurteilt sowie ihm für die Dauer von 3 Jahren die Ausübung seines Berufs als Rechtsanwalt verboten. Gegen dieses Urteil legten sowohl der Kläger als auch die Staatsanwaltschaft Berufung ein. Durch Urteil des Landgerichts Cottbus vom 25.9.2017, Aktenzeichen: 22 Ns 35/15, wurde die Berufung der Staatsanwaltschaft verworfen und auf die Berufung des Klägers unter Verwerfung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des Amtsgerichts zur Anordnung eines Berufsverbots aufgehoben sowie im Strafmaß auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und 8 Monaten abgeändert. Das Landgericht Cottbus befand den Kläger für schuldig, in den Jahren ab 2008 die von ihm zu entrichtende Einkommenssteuer nebst Solidaritätszuschlag verkürzt und 2009 ein Mandantengeld in Höhe von 1.000 € veruntreut zu haben. Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteile wird auf die bei den Akten befindlichen Ablichtungen der Urteile des Amtsgerichts Cottbus vom 9.3.2015 (Bl. 89 ff. d. A.) und des Landgerichts Cottbus vom 25.9.2017 (Bl. 65R ff. d. A.) Bezug genommen.

Mit formlosem Schreiben vom 30.10.2017, das am 2.11. 2017 bei der Beklagten eingegangen ist, hat der Klägern seine erneute Zulassung zur Rechtsanwaltschaft beantragt. Dazu hat ihm die Beklagte mit Schreiben vom 14.12.2017 mitgeteilt, dass er, da das Zulassungswiderrufsverfahren nicht beendet sei, weiterhin zugelassener Rechtsanwalt sei und als solcher keinen Zulassungsantrag stellen könne; zudem habe er weder die erforderlichen Antragsunterlagen eingereicht noch die Zulassungsantragsgebühr entrichtet.

Mit Schreiben vom 19.9.2018, das am 24.9.2018 bei der Beklagten eingegangen ist, hat der Kläger einen weiteren Antrag auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft unter Verwendung des auf der Internetseite der Beklagten vorgehaltenen Antragsformulars nebst ausgefülltem Fragebogen und weiteren Anlagen gestellt und erklärt, dass die von der Beklagten zuvor mitgeteilte Gebühr in Höhe von 275 € auf das Bankkonto der Beklagten überwiesen worden sei.

Die Beklagte hat den Antrag des Klägers auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft durch Bescheid vom 17.10.2018 als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass das Senatsurteil vom 16.7.2018 nicht rechtskräftig gewesen sei und der Kläger damit weiterhin den Status eines zugelassenen Rechtsanwalts innehabe. Damit strebe er mit seinem Zulassungsantrag die Erfüllung einer rechtlichen Unmöglichkeit an, da das Antragsverfahren nach §§ 6 ff. BRAO voraussetze, dass der Antragsteller kein zugelassener Berufsträger sei. Der Bescheid ist dem Kläger am 19.10.2018 zugestellt worden.

Durch weiteren Bescheid vom 20.6.2019 hat die Beklagte den Antrag des Klägers auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass der Antrag des Klägers zulässig, aber unbegründet sei. Es liege eine Unwürdigkeit des Klägers gemäß § 7 Nr. 5 BRAO vor. Die Tat der Untreue im Rahmen der Durchführung eines anwaltlichen Mandatsvertrags, wegen der er durch das Landgericht Cottbus verurteilt worden sei, stelle einen schweren und mit besonderem Unwert verbundenen Verstoß gegen das anwaltliche Berufsrecht dar. Der Kläger habe die Einbehaltung des Mandantengeldes selbst nach unmittelbarer Ansprache durch die Mandantin fortgesetzt. Da es sich bei dem Mandantengeld um die Zahlung auf eine Unterhaltsschuld gehandelt habe, die nach § 850b Abs. 1 Nr. 2 ZPO einer Aufrechnung nicht zugänglich sei, sei sein Verhalten rechtswidrig und in Ausnutzung der offensichtlichen Notsituation der Mandantin besonders rücksichtslos. Erschwerend trete hinzu, dass der Kläger sich noch in der Hauptverhandlung in der Berufung im Jahr 2017 als berechtigt zu dieser Vorgehensweise gesehen habe. Vor dem Hintergrund seiner fast zwanzigjährigen Berufstätigkeit als Rechtsanwalt könne ihm kein unvermeidlicher Rechtsirrtum zugebilligt werden. Ein Verhalten, das ein inhaltliches Abrücken von seinem damaligen Rechtsstandpunkt im Sinne eines hinlänglichen Wohlverhaltens zum Ausdruck bringe, sei nicht feststellbar. Bei den der Verurteilung durch das Landgericht Cottbus weiter zugrunde liegenden Taten der Steuerhinterziehung handele es sich ungeachtet des eingetretenen Zeitverbrauchs ebenfalls um schwere Straftaten. Zwar werde in der Rechtsprechung eine Steuerhinterziehung als Berufsrechtsverstoß leichteren Gewichts qualifiziert. Die Vorgehensweise des Klägers lasse indes erkennen, dass er für vier Steuerjahre in Folge strukturell identische Handlungsmuster angewandt und ihm erteilte Hinweise auf die Notwendigkeit der Abgabe einer Steuererklärung missachtet habe. Der Rechtsverstoß sei weder einmalig noch zufällig, sondern regelmäßig und unter wesentlicher Missachtung der steuerrechtlichen Handlungspflichten geschehen, womit er eine offensive Missachtung der Rechtsordnung darstelle, die auch mehrere Jahre nach der materiellen Beendigung der Tat berücksichtigungsfähig sei. In weiteren gegen den Kläger durchgeführten Strafverfahren wegen Untreue und Betrug sei es zwar nur in zwei Fällen zu tatrichterlichen Feststellungen gekommen, die zudem, da die Verfahren sodann gemäß § 154 StPO eingestellt worden seien, nicht in Rechtskraft erwachsen seien. Gleichwohl könne festgestellt werden, dass es zwischen 2005 und 2010 zu insgesamt 15 Straftaten mit berufsrechtlichem Bezug gekommen sei, wodurch sich der Kläger als ein Intensivtäter darstelle, der nicht aus innerer Einsicht, sondern lediglich um der angestrebten Wirkungen des über sein Vermögen eröffneten Insolvenzverfahrens willen seine Verhaltensweise geändert habe. Die Verfahrenseinstellung nach § 154 StPO indiziere das Vorliegen eines vorwerfbaren Verhaltens. Der mögliche Einwand überlanger Verfahrensdauer sei berufsrechtlich nicht erheblich. Von berufsrechtlicher Relevanz sei hingegen das Verhalten des Klägers gegenüber dem in Anschluss an den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 7.3.2019 bestellten Abwickler seiner Kanzlei, das in einem zeitlichen und logischen Zusammenhang mit der angestrebten erneuten Zulassung zur Rechtsanwaltschaft stehe, für die das gesamte Verhalten des Klägers von Bedeutung sei. Der Kläger habe mit voller Absicht den Erfolg der Abwicklung hintertrieben und damit gegen § 53 Abs. 10 Satz 3 BRAO verstoßen sowie eine besondere Gefahrensituation für seine Mandanten geschaffen. Er sei der Aufforderung des Abwicklers auf Herausgabe der Kanzleiakten nicht nachgekommen, weshalb der Abwickler eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Cottbus habe erwirken müssen. Im Rahmen einer dazu durchgeführten Zwangsvollstreckung habe der Kläger geäußert, dass er über keine Akten verfüge, sondern die Akten auf Veranlassung seines Prozessbevollmächtigten an einen anderen Ort verbracht worden seien. Erst auf die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Abwicklerbestellung habe der Kläger die Akten herausgegeben, dies jedoch in wesentlichen Teilen unvollständig. In der Gesamtschau sei festzustellen, dass der Kläger mehrfach den Tatbestand eines unwürdigen Verhaltens erfüllt habe. Dass die von ihm begangenen Straftaten sämtlich in der Zeit bis 2010 verwirklicht worden seien, gereiche ihm nicht zum Vorteil, da bei gravierenden Straftaten mit Bezug zur beruflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt eine Wohlverhaltenszeit von grundsätzlich 15 bis 20 Jahren erforderlich sei. Hinzu trete das Fehlverhalten des Klägers bei der Abwicklung seiner Kanzlei, das grob unverantwortlich sei und mit dem der Kläger seine persönlichen Befindlichkeiten und Einschätzungen über die wohlverstandenen Mandanteninteressen gestellt habe.

Der Bescheid ist dem Kläger am 24.6.2019 zugestellt worden. Mit anwaltlichem Schreiben vom 23.7.2019, das am 24.7.2019 bei der Beklagten eingegangen ist, hat der Kläger Widerspruch eingelegt, den die Beklagte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht beschieden hat.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 5.10.2018, das am 9.10.2018 eingegangen ist, eine auf die Verpflichtung der Beklagten zu seiner Zulassung als Rechtsanwalt gerichtete Klage erhoben. Mit Schriftsatz vom 21.10.2019 hat er erklärt, dass der Bescheid der Beklagten vom 20.6.2019 nicht zu einer Erledigung des Rechtsstreits führe. Mit Schriftsatz vom 22.4.2020 hat er den von ihm verfolgten Klageantrag dem Erlass des Bescheides vom 20.6.2019 angepasst.

Der Kläger trägt vor, dass die Voraussetzungen für seine erneute Zulassung zur Rechtsanwaltschaft vorlägen. Die Beklagte könne nicht mehr das Vorliegen eines Vermögensverfalls vorbringen, da ihm im Insolvenzverfahren beim Amtsgericht Cottbus die Restschuldbefreiung erteilt worden sei. Die Verurteilung wegen Steuerhinterziehung stelle einen Berufsrechtsverstoß leichteren Gewichts dar, für den eine Wohlverhaltenszeit von 4 bis 5 Jahren anzusetzen sei, die vergangen sei, da für die Tatbegehung spätestens auf den 31.3.2010 abzustellen sei; das Landgericht Cottbus habe festgestellt, dass kein besonders schwerer Fall im Sinne des § 370 Abs. 3 AO vorliege und der Kläger im Berufungsverfahren seine Taten bedauert habe. Die Verurteilung wegen Untreue habe zu einer Einsatzstrafe von 90 Tagessätzen zu jeweils 10 € geführt, obwohl durch das Einbehalten des Betrags in Höhe von 1.000 € kein Schaden entstanden sei, da sich dadurch die Verbindlichkeiten der Mandantin in entsprechender Höhe verringert hätten. Das Gericht habe festgestellt, dass der veruntreute Betrag verhältnismäßig gering sei, dem Kläger Gegenansprüche gegen die Mandantin zugestanden hätten und diese sich entsprechend verringert hätten; es habe § 13 Abs. 2 StGB angewandt, weil es die Tat als durch Unterlassen begangen angesehen habe. Im Ergebnis sei eine minderschwere Tatbegehung festgestellt worden, für die nach der Rechtsprechung eine Wohlverhaltenszeit von 4 bis 5 Jahren anzusetzen sei, die im Anschluss an die Tatbegehung im Jahre 2010 verstrichen sei. Die Beklagte habe zudem Empfehlungen der BRAK unberücksichtigt gelassen, die eine Wohlverhaltenszeit des zehnfachen der auferlegten Strafe für angemessen hielten, was bei einer Zahlung von 90 Tagessätzen einem Zeitraum von 30 Monaten entspreche. Zu den weiteren Ermittlungsverfahren sei im Bescheid vom 20.6.2019 nicht auf die jeweiligen Tatumstände eingegangen worden; darüber hinaus habe die Beklagte verkannt, dass auch bei der Verfahrenseinstellung nach § 154 StPO die Unschuldsvermutung gelte. Der Bescheid über die Bestellung des Abwicklers sei ihm zu keinem Zeitpunkt zugestellt worden, er habe davon durch ein Schreiben des Abwicklers Kenntnis erlangt. Er habe gegen den Bescheid Widerspruch mit aufschiebender Wirkung eingelegt und den Abwickler darüber informiert. Gleichwohl habe der Abwickler den Antrag auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt, ohne dem angerufenen Gericht den Widerspruch mitzuteilen. Der Kläger habe sich entschieden, die Kanzleiakten bis zu einer Entscheidung der Beklagten über den Widerspruch nicht herauszugeben. Er habe nicht erklärt, dass die Akten durch seinen Prozessbevollmächtigten weggeschafft worden seien. Am Tage der Zustellung des Widerspruchsbescheids und des Bescheids über die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Abwicklerbestellung habe er mit dem Abwickler eine Übergabe der Kanzleiakten vereinbart, die auch stattgefunden habe. Dabei seien die Kanzleiakten vollständig und ohne eine Vornahme von Manipulationen herausgegeben worden. Zu zwei späteren Zeitpunkten seien weitere Akten übergeben worden. Der Abwickler habe zu keinem Zeitpunkt Nachfragen dazu gestellt. Eine Gefährdung von Mandantenrechten sei nicht eingetreten. Er – der Kläger – habe sich rechtmäßig verhalten und nicht gegen § 53 Abs. 10 Satz 2 BRAO verstoßen. Seine finanziellen Verhältnisse seien ausgeglichen. Er habe 2018 einen Gewinn in Höhe von 39.000 € aus seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt erzielt und daraus seine Verbindlichkeiten erfüllt. Ab Juli 2019 sei er als Unternehmensberater und Personalvermittler tätig und erwirtschaftete einen monatlichen Gewinn in Höhe von 3.000 €.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Bescheids vom 20.6.2019 die Beklagte zu verpflichten, ihn zur Rechtsanwaltschaft zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 7.3.2019 sei das Begehren des Klägers zulässig geworden. In der Sache mache sie sich den Inhalt des Bescheids vom 20.6.2019 nebst Anlagen zu Eigen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

1.

Die Klage ist als Verpflichtungsklage nach §§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, 42 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Dem steht nicht entgegen, dass zum Zeitpunkt der Klageerhebung die Beklagte den bei ihr gestellten Antrag des Klägers auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht beschieden hatte und entgegen § 68 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO ein Widerspruchsverfahren gegen ihre später ergangenen Bescheide nicht – vollständig – durchgeführt worden ist. Denn zum maßgebenden Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung (Gaier/Wolf/Göcken/Schmidt-Räntsch, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 112c BRAO, Rn. 167; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl., § 75, Rn. 2, 11) ist die Klage nach § 75 VwGO, der nach § 112c BRAO auch für das Verfahren über den Antrag auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gilt (Gaier/Wolf/Göcken/Schmidt-Räntsch, a. a. O., § 112c BRAO, Rn. 164), eröffnet, da die Beklagte den vom Kläger unter dem 23.7.2019 eingelegten Widerspruch gegen den Bescheid vom 20.6.2019 über einen Zeitraum von – deutlich – mehr als drei Monaten hinweg nicht beschieden hat; dies rechtfertigende Gründe lassen sich weder dem Verwaltungsvorgang der Beklagten noch ihrem Vortrag im Rechtsstreit entnehmen, weshalb der Senat in der Sache entscheiden kann und nicht zu einer Aussetzung des Verfahrens und Fristsetzung nach § 75 Satz 3 VwGO gehalten ist.

2.

Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Beklagten ist darin beizutreten, dass eine Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft nicht erfolgen kann, da eine Unwürdigkeit des Klägers gemäß § 7 Nr. 5 BRAO gegeben ist.

Nach § 7 Nr. 5 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen, wenn sich die antragstellende Person eines Verhaltens schuldig gemacht hat, das sie unwürdig erscheinen lässt, den Beruf des Rechtsanwalts auszuüben. Die mit der Versagung der Zulassung verbundene Einschränkung der freien Berufswahl ist nur zum Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft (BVerfG NJW 2017, 3704, 3706; BGH, Urteil vom 14.1.2019, AnwZ (Brfg) 70/17, zitiert nach juris; Urteil vom 2.7.2018, AnwZ (Brfg) 54/17, zitiert nach juris; Urteil vom 10.10.2011, AnwZ (Brfg) 10/10, zitiert nach juris). Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn die antragstellende Person ein Verhalten gezeigt hat, das sie bei Abwägung dieses Verhaltens und aller erheblichen Umstände – wie etwa Zeitablauf und zwischenzeitliche Führung – nach ihrer Gesamtpersönlichkeit für den Anwaltsberuf nicht tragbar erscheinen lässt (BVerfg a. a. O.; BGH, Urteil vom 14.1.2019, AnwZ (Brfg) 70/17, zitiert nach juris; Urteil vom 2.7.2018, AnwZ (Brfg) 54/17, zitiert nach juris). Dabei sind das berechtigte Interesse der antragstellenden Person an beruflicher und sozialer Eingliederung und das durch das Berufsrecht geschützte Interesse der Öffentlichkeit, insbesondere der Rechtsuchenden, an der Integrität des Anwaltsstandes, das regelmäßig im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege von Belang ist, einzelfallbezogen gegeneinander abzuwägen (BVerfG a. a. O.; BGH a. a. O.).

Im Rahmen der Prognoseentscheidung, die im Hinblick auf die Beeinträchtigung der einer Zulassung entgegenstehenden Interessen der Öffentlichkeit zu treffen ist (BVerfG a. a. O.; BGH, Urteil vom 14.1.2019, AnwZ (Brfg) 70/17, zitiert nach juris), ist von Bedeutung, wie viele Jahre zwischen einer Verfehlung, die seinerzeit die Unwürdigkeit begründet hat, und dem Zeitpunkt der (Wieder-) Zulassung liegen, wobei auch eine durch ein besonders schwerwiegendes Fehlverhalten begründete Unwürdigkeit durch Zeitablauf und Wohlverhalten der antragstellenden Person derart an Bedeutung verlieren kann, dass sie der Zulassung nicht mehr im Wege steht (BGH a. a. O.). Bei gravierenden Straftaten mit Bezug zur beruflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt ist regelmäßig ein zeitlicher Abstand zwischen der die Unwürdigkeit begründenden Straftat und der (Wieder-) Zulassung von 15 bis 20 Jahren geboten (BGH a. a. O.; Urteil vom 2.7.2018, AnwZ (Brfg) 54/17, zitiert nach juris; Beschluss vom 10.2.2015, AnwZ (Brfg) 55/14, zitiert nach juris; Beschluss vom 18.11.1996, AneZ (B) 11/96, zitiert nach juris; vgl. auch Weyland/Vossebürger, BRAO, 10. Aufl., § 7, Rn. 41). Dabei kann indes nicht auf feste Fristen abgestellt werden, vielmehr sind alle für und gegen den jeweiligen Bewerber sprechenden Umstände einzelfallbezogen zu gewichten (BGH a. a. O.; Urteil vom 10.10.2011, AnwZ (Brfg) 10/10, zitiert nach juris; Weyland/Vossebürger a. a. O.). Zu den gravierenden Straftaten, die zu einer Wohlverhaltenszeit von grundsätzlich 15 bis 20 Jahren führen, gehören insbesondere Taten der Untreue und des Betrugs zum Nachteil von Mandanten, die den Kernbereich der beruflichen Tätigkeit des Rechtsanwalts betreffen (BGH, Beschluss vom 28.3.2013, AnwZ (Brfg) 40/12, zitiert nach juris; Urteil vom 10.10.2011, AnwZ (Brfg) 10/10, zitiert nach juris). Im Falle der Begehung von Straftaten ist neben der seit der Begehung der letzten Tat vergangenen Zeitspanne auch zu berücksichtigen, wie die antragstellende Person in der Zwischenzeit mit ihrem Fehlverhalten umgegangen ist und ob sie sich ansonsten untadelig geführt hat (BGH, Urteil vom 14.1.2019, AnwZ (Brfg) 70/17, zitiert nach juris; Urteil vom 2.7.2018, AnwZ (Brfg) 54/17, zitiert nach juris; Beschluss vom 10.2.2015, AnwZ (Brfg) 55/14, zitiert nach juris; Beschluss vom 4.4.2015, AnwZ (B) 21/04, zitiert nach juris).

Nach diesen Grundsätzen ist – jedenfalls derzeit – eine Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft im Hinblick auf die Straftaten, die Gegenstand der Urteile des Amtsgerichts Cottbus vom 9.3.2015 und des Landgerichts Cottbus vom 25.9.2017 sind, ausgeschlossen.

Bereits die Verurteilung des Klägers wegen der Veruntreuung von Mandantengeld nach § 266 StGB gebietet den Ansatz einer Wohlverhaltenszeit von nicht weniger als 15 Jahren, die seit der im Urteil des Landgerichts Cottbus vom 25.9.2017 festgestellten Tatbegehung im Jahre 2009 noch nicht verstrichen ist. Darin liegt ein gravierender Verstoß gegen Berufspflichten im Kernbereich der beruflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt, was nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen zur Angemessenheit eines Zeitraums dieses Umfangs führt.

Dem kann entgegen der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vertretenen Ansicht nicht entgegengehalten werden, dass das Landgericht Cottbus im Urteil vom 25.9.2017 die von ihm herangezogene Rechtsprechung des OLG Köln (Beschluss vom 9.1.1998, Ss 670/97-260, zitiert nach juris) fehlerhaft und unter Übergehung einer entgegenstehenden Rechtsprechung des Landgerichts Düsseldorf (Beschluss vom 29.10.1976, 28 T 201/76, zitiert nach juris) angewandt habe. Es trifft zwar zu, dass in der Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf (a. a. O.) ausgeführt ist, dass anerkanntermaßen ein an sich unpfändbarer Anspruch durch Erfüllung erlischt, wenn der Drittschuldner etwa an einen Vertreter des Schuldners leistet. Dies führt jedoch nicht dazu, dass dem Kläger eine diesbezügliche Unrichtigkeit des Strafurteils des Landgerichts Cottbus zugute zu halten ist. Denn das Landgericht Cottbus hat – auch – festgestellt, dass die Einlassung des Klägers, er habe sich zum Bestehen eines Aufrechnungsverbots in damaliger Kommentierung belesen, eine bloße Schutzbehauptung zur Konstituierung eines Verbotsirrtums darstelle und eine Aufrechnungserklärung des Klägers gegenüber seiner Mandantin nicht erwiesen sei. Zur Aufrechnungserklärung hat das Landgericht Cottbus weiter festgestellt, dass, sollte der Kläger eine solche wie von ihm behauptet abgegeben haben, dies erst nach der Vollendung der Untreue geschehen sei. Auf der Grundlage dieser Feststellungen, die einer weitergehenden Überprüfung durch den Senat nicht zugänglich sind, ist die rechtliche Würdigung des Landgerichts Cottbus, dass der Kläger sich nicht auf eine Aufrechenbarkeit der gegen ihn gerichteten Ansprüche auf die Auskehrung des Mandantengeldes berufen könne, folgerichtig und uneingeschränkt zutreffend. Da die vom Kläger in Bezug genommene Ausführung des Landgerichts Düsseldorf (a. a. O.) damit für die strafrechtliche Würdigung seines Verhaltens im Urteil des Landgerichts Cottbus im Ergebnis ohne Bedeutung gewesen ist, was das Landgericht Cottbus auf Seite 30 des Urteils (Bl. 65R ff., 80 d. A.) auch zum Ausdruck gebracht hat, stellt sich die Heranziehung der Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln (a. a. O.) zum Vorliegen eines Vermögensnachteils der Mandantin auf den Seiten 28 ff. des Urteils (Bl. 65R ff, 79 ff. d. A.) nicht als verfehlt dar. Das gilt umso mehr, als auf Seite 30 des Urteils des Landgerichts Cottbus vom 25.9.2017 (Bl. 65R ff., 80 d. A.) zudem darauf abgehoben wird, dass eine nach § 850b Abs. 1 Nr. 2 ZPO gegebene Unpfändbarkeit von Unterhaltsbeträgen, wie sie dem Kläger als Mandantengeld zugeflossen waren, nur im Falle einer entsprechenden Feststellung des Vollstreckungsgerichts nach § 850b Abs. 2 ZPO, an der es im Falle des Klägers ersichtlich gefehlt hat, angenommen werden darf. Auch im Blick darauf erweist sich die Verurteilung des Klägers wegen einer Veruntreuung von Mandantengeld im Urteil des Landgerichts Cottbus vom 25.9.2017 entgegen dem Einwand des Klägers nicht als auf einer verfehlten rechtlichen Würdigung beruhend.

Nach dem Inhalt der bei den Akten befindlichen Ablichtung des Urteils des Landgerichts Cottbus vom 25.9.2017 (Bl. 65R ff. d. A.) ist es zwar zutreffend, dass in den Ausführungen zur Strafzumessung die Rede davon ist, dass der veruntreute Betrag in Höhe von 1.000 € verhältnismäßig gering und auch das Landgericht Cottbus von einem Bestehen von Zahlungsansprüchen des Klägers gegen die Mandantin ausgegangen sei. Ebenso trifft es zu, dass das Landgericht Cottbus § 13 Abs. 2 StGB zur Anwendung gebracht hat. Diese Umstände können jedoch nicht zu einer ins Gewicht fallenden Reduzierung der dem Kläger abzuverlangenden Wohlverhaltenszeit führen, da er gleichwohl mit der Veruntreuung von Mandantengeld eine gravierende Straftat im Kernbereich seiner anwaltlichen Tätigkeit begangen hat. Das gilt umso mehr, als das Landgericht Cottbus andererseits im Rahmen seiner Erwägungen zur Strafzumessung zulasten des Klägers festgestellt hat, dass die geschädigte Mandantin dringend auf die ihr zustehende Unterhaltszahlung angewiesen und dem Kläger bekannt war, dass ihr die Unterbrechung der Stromzufuhr zu ihrer Wohnung gedroht hat, was ihn indes nicht dazu veranlasst hat, wenigstens den von der Mandantin insoweit erbetenen Teilbetrag in Höhe von 230 € auszukehren. Nach diesen Feststellungen des Landgerichts Cottbus ist der Beklagten darin zu folgen, dass der Kläger die Tat der Untreue in rücksichtsloser Weise begangen und sich auch durch die Kenntnis von dem Bestehen einer Notlage der Mandantin nicht von der Tat hat abhalten lassen.

Vor dem Hintergrund dieser Inhalte des Urteils des Landgericht Cottbus vom 25.9.2017 kann auch der Umstand, dass das Landgericht Cottbus von der Verhängung eines Berufsverbots gegen den Kläger abgesehen hat, nicht den Ansatz einer die Dauer von wenigstens 15 Jahren in entscheidungserheblicher Weise unterschreitenden Wohlverhaltenszeit begründen.

Zudem kann es zulasten des Klägers nicht unberücksichtigt bleiben, dass es sich bei der Veruntreuung des Mandantengeldes nicht um die einzige von ihm begangene Straftat handelt, die zu einer Verurteilung geführt hat. Vielmehr ist es nach dem Urteil des Landgericht Cottbus vom 25.9.2017 darüber hinaus in der Zeit bis 2010 zu strafbaren Verkürzungen der Einkommenssteuer und des Solidaritätszuschlags für die Jahre 2005 bis 2008 gekommen, die nach den dortigen Feststellungen Beträge in Höhe von insgesamt 24.385,72 € für 2005, 16.272,32 € für 2006, 28.284,55 € für 2007 und 16.826,19 € für 2008 ausgemacht haben. Im Lichte dieses erheblichen Umfangs der Steuerverkürzungen sowie des fortgesetzten Fehlverhaltens des Klägers stellen diese Taten schon für sich genommen keine geringfügigen Steuerunehrlichkeiten dar, die zu einer Wohlverhaltenszeit von lediglich 4 bis 5 Jahren führen könnten, zumal es sich nach den vom Landgericht Cottbus ebenfalls festgestellten Gesamtbeträgen der Einkünfte in Höhe von 102.262 € im Jahr 2005, 87.350 € im Jahr 2006, 119.095 € im Jahr 2007 und 108.233 € im Jahr 2008 dem Kläger – mindestens – aufgedrängt haben muss, dass die – vom Landgericht Cottbus ebenfalls festgestellten – Schätzungen seiner Steuerschuld durch die Finanzverwaltung bei Annahme von Einkünften in Höhe von jeweils 50.000 € in den Jahren 2005 und 2006, 55.000 € im Jahr 2007 und 70.258 € im Jahr 2008 bei weitem zu gering gewesen sind und die tatsächliche Steuerschuld nicht dargestellt haben.

Aus alledem ergibt sich, dass der Kläger sich in der Zeit bis 2010 beharrlich und aus eigennützigen Motiven über gesetzliche Pflichten hinweggesetzt hat, was ihn in nicht geringem Maße als zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufs ungeeignet erscheinen lässt und – jedenfalls in der Gesamtschau der Taten – eine ihn entlastende Unterschreitung der für gravierende Untreue- und Betrugstaten grundsätzlich anzunehmenden Wohlverhaltenszeit von wenigstens 15 Jahren nicht zulässt.

Dies gilt umso mehr, als der Kläger sich noch in jüngerer Zeit im Hinblick auf die Veruntreuung von Mandantengeld ohne eine Einsicht in das Unrecht seines Tuns gezeigt hat. Nach den Ausführungen der Beklagten zur Begründung des Bescheids vom 20.6.2019, denen der Kläger in tatsächlicher Hinsicht nicht entgegengetreten ist, hat der Kläger noch in der Hauptverhandlung im Berufungsstrafverfahren die Ansicht vertreten, ihm habe ein Aufrechnungsrecht zur Seite gestanden, weshalb er keine Untreue begangen habe. Diese Ansicht ist im Lichte der Feststellung im Urteil des Landgerichts Cottbus vom 25.9.2017, dass es bereits an einer rechtzeitigen Aufrechnungserklärung gefehlt habe, ersichtlich neben der Sache liegend gewesen und hat zum Ausdruck gebracht, dass ein innerliches Abrücken von der begangenen Verfehlung, wie es für eine positive Zulassungsentscheidung erforderlich ist (Weyland/Vossebürger, a. a. O., § 7, Rn. 41, m. w. N.) nicht gegeben gewesen ist. Auch vor diesem Hintergrund verbietet sich der Ansatz einer Wohlverhaltenszeit, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu einer erneuten Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft führen könnte.

Mithin hat die Klage der Abweisung zu unterliegen, ohne dass es auf die im Bescheid der Beklagten vom 20.6.2019 angeführten weiteren Straf- und Ermittlungsverfahren sowie auf das Verhalten des Klägers gegenüber dem von dem Beklagten bestellten Abwickler seiner Kanzlei ankommt.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 112c BRAO, 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf §§ 194 Abs. 1 BRAO, 52 Abs. 2 GKG.