Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Beitragsbescheid - freiwillige Versicherung - Kündigung

Beitragsbescheid - freiwillige Versicherung - Kündigung


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 9. Senat Entscheidungsdatum 05.12.2013
Aktenzeichen L 9 KR 285/13 B ER ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 240 SGB 5, § 173 SGB 5, § 175 SGB 5

Leitsatz

Zur Kündigung der Mitgliedschaft in der freiwilligen Versicherung der GKV.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 18. September 2013 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist seit Juli 1998 Mitglied bei einer Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin bzw. bei der Antragsgegnerin selbst. Er bezog seit dem 01. November 2001 zunächst eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, ab 01. Mai 2002 Rente wegen voller Erwerbsminderung; jetzt ist er Altersrentner.

Seine an die Antragsgegnerin gerichteten Anträge, ihn in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) zu versichern, lehnte die Antragsgegnerin zuletzt mit Bescheid vom Bescheid vom 30. Mai 2013, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2013, ab. Über die hiergegen zum Sozialgericht Berlin erhobene Klage (Az.: S 211 KR 992/13) hat das Sozialgericht noch nicht entschieden.

Ohne Erfolg blieben auch die Anträge des Antragstellers, ihn über seine sozialversicherte Ehefrau im Rahmen der Familienversicherung gegen Krankheit zu versichern; den letzten diesbezüglichen Antrag lehnte die Antragsgegnerin durch Bescheid vom 27. März 2013, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 31. Juli 2013, ab. Auch über die hiergegen zum Sozialgericht Berlin erhobenen Klage (Az.: S 210 KR 1053/13) ist noch nicht entschieden.

Nach dem Ende einer vom Antragsteller zum 31. März 2006 ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung erklärte er mit Schreiben vom 14. Dezember 2005 gegenüber der Antragsgegnerin seinen Beitritt zur freiwilligen Krankenversicherung sowie zur Pflegeversicherung zum 01. April 2006. Diese zog ihn in der Folgezeit auf der Grundlage der Mindestbemessungsgrundlage nach § 240 Abs. 4 Satz 1 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) durch bestandskräftige Einstufungsbescheide zu Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen heran, die der Antragsteller seit November 2008 nicht mehr entrichtete. Mit Bescheid vom 01. März 2011 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller auf, für die Zeit vom 01. November 2008 bis zum 31. Januar 2011 rückständige Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 4.643,94 € einschließlich Säumniszuschlägen, Kosten und Gebühren nachzuzahlen und ordnete ab 08. März 2011 das Ruhen der Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung an. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2012 zurück. Die u.a. hiergegen erhobene Klage (Az.: S 166 KR 2207/12) hat der Antragsteller im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Berlin am 26. April 2013 zurückgenommen.

Mit Bescheid vom 27. August 2013 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller schließlich auf, offene Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 01. November 2008 bis zum 31. Juli 2013 i.H.v. 15.483,87 € einschließlich Säumniszuschlägen, Kosten und Gebühren zu zahlen und drohte dem Antragsteller Vollstreckungsmaßnahmen an, wenn er diesen Betrag nicht innerhalb von zwei Wochen zahle. Hiergegen suchte der Antragsteller um vorläufigen Rechtsschutz beim Sozialgericht nach. Seinen Antrag wies das Sozialgericht mit Beschluss vom 18. September 2013 zurück. Mit Bescheid vom 28. Oktober 2013 schließlich hat die Antragsgegnerin ihre Forderungen aus Beiträgen, Mahngebühren und Säumniszuschlägen für den (erweiterten) Zeitraum vom 01. November 2008 bis zum 30. September 2013 neu berechnet und den Gesamtrückstand auf 10.360,96 € herabgesetzt; dem Antragsteller wurden Säumniszuschläge in Höhe von 5.605,97 € erlassen. Außerdem bot die Antragsgegnerin dem Antragsteller den Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung an.

II.

Das Sozialgericht hat die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Der beim Sozialgericht gestellte Antrag des Antragstellers ist dahin auszulegen, dass er gemäß §§ 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 86a Abs. Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in diesem Verfahren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines in der Klageschrift vom 31. August 2013 zugleich erhobenen Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 27. August 2013 begehrt. Dieser Antrag ist unbegründet. Die gegen die Ablehnung dieses Antrages gerichtete Beschwerde ist deshalb zwar zulässig (vgl. §§ 172 Abs. 1, 173 SGG), aber unbegründet.

1.) Die Antragsgegnerin hat mit den angefochtenen Bescheiden vom August und Oktober 2013 rechtsfehlerfrei vom Antragsteller die Zahlung rückständiger Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung einschließlich der geltend gemachten Nebenleistungen für die Zeit vom 01. November 2008 bis zum 30. September 2013 verlangt. Die Erhebung des Beitrages zur freiwilligen Krankenversicherung folgt den Vorgaben des § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V und stellt in der Sache die Erhebung des gesetzlichen Mindestbeitrages vom Antragsteller als freiwillig versichertem Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung dar. An dieser Beitragserhebung orientieren sich die Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung. Zur Erhebung von Säumniszuschlägen ist die Antragsgegnerin nach § 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch/Viertes Buch (SGB IV) verpflichtet. Denn nach dieser Vorschrift ist für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von eins vom Hundert des rückständigen, auf 50 Euro nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen. Nur wenn eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt wird, ist ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte (§ 24 Abs. 2 SGB IV). Davon kann hier nicht ausgegangen werden, weil die vom Antragsteller geschuldeten Beiträge nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin durch von ihm nicht angefochtene Beitragseinstufungen – bestandskräftig – festgesetzt worden sind und er die Höhe der von ihm zu zahlenden monatlichen Beiträge deshalb kannte oder jedenfalls kennen musste. Abgesehen davon, dass die Zahlungspflicht des Antragstellers zur Tilgung der Beitragsrückstände einschließlich der Nebenforderungen sowie die Höhe des Forderungsbetrages für die Zeit vom 01. November 2008 bis zum 31. Januar 2011 schon bestandskräftig festgesetzt worden sind, hat der Antragsteller gegen die Berechnung der Forderungen der Antragsgegnerin weder für diese Zeit noch die nachfolgenden Zeiträume substantiierte Einwände erhoben, denen der Senat im Rahmen dieser Beschwerde hätte nachgehen können.

2.) Der Antragsteller kann der Beitragsforderung der Antragsgegnerin auch nicht entgegenhalten, er habe seine Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 24. Juni 2009 wirksam rückwirkend zum 11. Dezember 2008 gekündigt. Nach § 175 Abs. 4 SGB V sind Versicherungspflichtige und Versicherungsberechtigte (d.h. freiwillig gesetzlich Krankenversicherte, vgl. § 173 Abs. 1 SGB V) an die Wahl der Krankenkasse mindestens 18 Monate gebunden, wenn sie das Wahlrecht ab dem 1. Januar 2002 ausüben. Eine Kündigung der Mitgliedschaft ist zum Ablauf des übernächsten Kalendermonats möglich, gerechnet von dem Monat, in dem das Mitglied die Kündigung erklärt (§ 175 Abs. 4 Satz 2 SGB V); eine rückwirkende Kündigung ist damit ausgeschlossen. Darüber hinaus bestimmt § 175 Abs. 4 Satz 3 SGB V, dass die Kündigung erst wirksam wird, wenn das Mitglied innerhalb der Kündigungsfrist eine Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse durch eine Mitgliedsbescheinigung oder das Bestehen einer anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall nachweist. Entsprechende Mitgliedsbescheinigungen oder Nachweise befinden sich weder bei den Akten noch hat der Antragsteller ihr Vorliegen auch nur behauptet. Die Kündigungserklärung in seinem an die Antragsgegnerin gerichteten Schreiben vom 24. Juni 2009 ist damit unwirksam, er ist freiwillig versichertes Mitglied der Antragsgegnerin geblieben.

3.) Die Beitragsforderung der Antragsgegnerin ist auch nicht deswegen (offensichtlich) rechtwidrig, weil der Antragsteller geltend macht, bei der Antragsgegnerin beitragsfrei über seine Ehefrau familienversichert zu sein bzw. dass der Beitragsforderung aus seiner freiwilligen Versicherung seine Mitgliedschaft in der KVdR entgegenstünde. Die Antragsgegnerin hat eine beitragsfreie Mitgliedschaft des Antragstellers ebenso bestandskräftig abgelehnt wie seine Mitgliedschaft in der KVdR. Auf seine Anträge, diese Entscheidungen nach § 44 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch (SGB X) zu korrigieren, hat die Antragsgegnerin an ihren bindenden Entscheidungen festgehalten, über die letzten Ablehnungen sind die oben bezeichneten Rechtsstreite beim Sozialgericht Berlin noch anhängig. In dieser Situation kann im vorliegenden vorläufigen Rechtsschutzverfahren hinsichtlich eines Beitragsbescheides nicht (abschließend) über die Familienversicherung des Antragstellers oder seine Mitgliedschaft in der KVdR entschieden werden. Allerdings kann es Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) in Fällen wie dem vorliegenden gebieten, vorläufigen Rechtsschutz gegen einen Beitragsbescheid zu gewähren, um verhindern zu können, dass dieser von der Krankenkasse mit möglicherweise erheblichen, irreversiblen Folgen für den Versicherten vollzogen wird, wenn schon im vorläufigen Rechtsschutzverfahren eindeutig zu erkennen ist, dass die von der Antragsgegnerin geltend gemachte Beitragsforderung wegen dagegen erhobener Einwendungen offensichtlich rechtswidrig ist und im Hauptsacheverfahren aufzuheben wäre.

Ein Fall, in dem die Rechtswidrigkeit eines Beitragsbescheides in diesem Sinne evident ist, weil sie schon im vorläufigen Rechtsschutzverfahren so eindeutig auf der Hand liegt, dass eine Vollziehung sich für den Betroffenen als klares Unrecht erwiese, ist nur dann gegeben, wenn der geltend gemachte materiell-rechtliche Anspruch einer Vollziehung völlig unzweifelhaft entgegenstünde (Fallkonstellation 1) oder die Interessenlage zu Gunsten des Antragstellers so eindeutig ist, dass eine Vollziehung unzumutbar wäre und deshalb nicht in Betracht kommen darf (Fallkonstellation 2). Die Fallkonstellation 1 ist nur dann gegeben, wenn sich die vom Antragsteller geltend gemachte Einwendung gegen den Beitragsbescheid sowohl in tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht ohne aufwändige Prüfung feststellen ließe. Dies setzt auf der Tatsachenebene voraus, dass sämtliche tatsächlichen Voraussetzungen dieser Einwendung zwischen den Beteiligten unstreitig sind oder sich aus dem Vortrag der Beteiligten oder den Verwaltungsvorgängen der Antragsgegnerin ohne weiteres feststellen lassen, so dass an ihrem Vorliegen kein vernünftiger Zweifel bestehen kann. In rechtlicher Hinsicht ist zu verlangen, dass die entscheidungserheblichen Rechtsfragen geklärt sind oder die Einwände der Antragsgegnerin nach der bisherigen Rechtsprechung so wenig Substanz haben, dass sie ohne weiteres widerlegt werden können. Die Fallkonstellation 2 ist nur dann gegeben, wenn die Interessenlage jede andere Entscheidung als die zugunsten des Antragstellers als sachwidrig und damit willkürlich erscheinen ließe (vgl. zu den hier entwickelten Voraussetzungen bereits LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. Oktober 2013, L 7 KA 77/13 B ER, zitiert nach juris).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Die tatsächlichen Voraussetzungen für das Bestehen einer beitragsfreien Familienversicherung sind weder unstreitig noch lassen sie sich aus den Verwaltungsvorgängen der Antragsgegnerin oder den vom Senat beigezogenen Gerichtsakten des Sozialgerichts ohne weiteres feststellen. Die Antragsgegnerin hat vielmehr unter Beachtung der maßgeblichen Rechtsgrundlagen die vom Antragsteller vorgetragenen Tatsachen sowie ihre sonstigen Ermittlungen ohne evident erkennbaren Rechtsfehler zur Grundlage ihrer Entscheidungen gemacht. Die Vollziehung des gemäß § 96 SGG erlassenen neuen Beitragsbescheides vom 28. Oktober 2013 ist auch im Hinblick auf die rechtsfehlerfreie Beitragsberechnung weder sachwidrig noch willkürlich; eine Unzumutbarkeit der Vollziehung i.S.d. § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG scheidet schon deshalb aus, zumal die Antragsgegnerin dem Antragsteller eine Vereinbarung über eine für ihn mögliche Tilgung der offenen Beiträge in dem zuletzt genannten Bescheid angeboten hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).