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Entscheidung 13 UF 121/18


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 29.12.2020
Aktenzeichen 13 UF 121/18 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2020:1229.13UF121.18.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 20.06.2018 in Ziffer 3. abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Antragsteller wird verpflichtet, an die Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Ehescheidung einen Ehegattenunterhalt in Höhe von 1.050 € im Voraus zum Ersten eines jeden Monats zu zahlen, wobei 638 € auf den Elementarunterhalt, 147 € auf den Altersvorsorgeunterhalt und 265 € auf den Krankheitsvorsorgeunterhalt entfallen. Der Anspruch wird auf drei Jahre ab Rechtskraft der Scheidung begrenzt. Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.

2. Die darüber hinausgehende Beschwerde der Antragsgegnerin und die Anschlussbeschwerde des Antragstellers werden zurückgewiesen.

3. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen zu 73 % der Antragsteller und zu 27 % die Antragsgegnerin.

4. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen zu 69 % die Antragsgegnerin und zu 41 % der Antragsteller.

5. Der Beschwerdewert wird festgesetzt auf: 49.674 €.

Gründe

Die beschwerdeführende Antragsgegnerin wendet sich gegen den Ausspruch der Scheidung ihrer am 26.08.2005 geschlossenen Ehe mit dem Antragsteller sowie gegen die Höhe und die zeitliche Befristung des ihr für die Zeit ab Rechtskraft der Scheidung zugesprochenen nachehelichen Unterhalts. Aus der Beziehung ist der am …1999 geborene Sohn N… N… hervorgegangen. Die Eheleute trennten sich im Mai 2016. Ab Juli 2016 zahlte der Antragsteller 700 € Trennungsunterhalt, wobei die Antragsgegnerin sich zunächst vorstellen konnte (Bl. 70), mit diesem Betrag auch als nachehelichem Unterhalt für die Dauer von fünf 5 Jahren einverstanden zu sein. Aufgrund einstweiliger Anordnung des Amtsgerichts vom 27.07.2018 (Az. 21 F 96/18) zahlt der Antragsteller ab April 2018 1.026 € Trennungsunterhalt (Bl. 238). Die Antragsgegnerin war während der Ehe und auch nach der Trennung als selbständige Friseurin tätig.

Der Antragsteller hat erstinstanzlich die Scheidung der Ehe begehrt. Die Antragsgegnerin hat dem erstinstanzlich zuletzt zugestimmt (Bl. 76) und vom Antragsteller nachehelichen Unterhalt in Höhe von 1.028 € monatlich, davon 835 € Elementarunterhalt und 193 € Altersversorgungsunterhalt verlangt (Bl. 1 UE). Dabei hat sie sich ein fiktives Einkommen in Höhe von 1.131 € anrechnen lassen (Bl. 9 UE).

Die Antragsgegnerin hat behauptet, sie leide an einer chronisch progredienten Schädigung der Wirbelsäule mit Bandscheibenprotusionen und mäßigem Druck auf den Duralsack im HWS- und LWS-Bereich sowie zusätzlich an einer Neuropathie. Letzteres sei wahrscheinlich ihrer Alkoholerkrankung geschuldet. Aufgrund des orthopädischen Leidens, das zu einer Instabilität der Lendenwirbelsäule führe, könne sie nicht längere Zeit stehen.

Der Antragsteller ist dem Antrag auf Zahlung nachehelichen Unterhalts mit Abweisungsbegehren entgegengetreten.

Er hat ein durch fiktive Trinkgeldeinnahmen erhöhtes Einkommen der Antragsgegnerin eingewandt. In Ansehung mangelnder Bereitschaft zur Therapie ihrer Alkoholerkrankung sei der Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin verwirkt, wegen fehlender ehebedingter Nachteile aber jedenfalls zeitlich zu befristen.

Mit dem angefochtenen Beschluss (Bl.116) auf den der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist, hat das Amtsgericht die Ehe geschieden, den Versorgungsausgleich durchgeführt und den Antragsteller verpflichtet, an die Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Ehescheidung einen Ehegattenunterhalt als Aufstockungsunterhalt i.H.v. 1.028 € monatlich im Voraus zum Ersten eines jeden Monats zu zahlen, wovon ein Teilbetrag i.H.v. 835 € auf den Elementarunterhalt und ein Teilbetrag in Höhe von 193 € auf Altersvorsorgeunterhalt entfällt. Den Unterhaltsanspruch hat das Amtsgericht auf drei Jahre ab Rechtskraft der Scheidung begrenzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, an sich stehe der Antragsgegnerin ein Unterhaltsanspruch in Höhe von 1.050 € zu, der sich aus Elementarunterhalt in Höhe von 638 €, Altersvorsorgeunterhalt in Höhe von 147 € und Krankheitsvorsorgeunterhalt in Höhe von 265 € zusammensetze (Bl. 121). Der Antragsgegnerin stehe daher jedenfalls der beantragte Unterhalt zu. Ein Anspruch auf Unterhalt wegen Erkrankung der Antragsgegnerin sei mangels rechtzeitigen Vortrags zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die ihr die Ausübung des erlernten Berufs unmöglich machen sollten, nicht gegeben. Im Hinblick auf die nicht kurze Ehedauer und, weil der Antragsgegner bereits in nicht unerheblicher Höhe Trennungsunterhalt zahle sowie auch sonst zur Vermögensmehrung der Antragsgegnerin beigetragen habe und wegen des Alkoholmissbrauchs der Antragsgegnerin sei der Unterhaltsanspruch zu befristen.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde widerruft die Antragsgegnerin ihre Zustimmung zur Scheidung und begehrt über ihre erstinstanzlichen Anträge hinaus weiteren Unterhalt wegen Krankheit. Sie lasse sich nur noch ein fiktives Teilerwerbseinkommen in Höhe von 800 € anrechnen, da sie gesundheitlich nicht in der Lage sei, mehr als ein bis zwei Kunden am Tag zu frisieren. Das Amtsgericht habe zu Unrecht Vortrag zu ihrer Erwerbsfähigkeit nicht berücksichtigt und auch verkannt, dass eine Solidargemeinschaft mit dem Antragsteller bereits seit der Geburt des Sohnes 1999 bestanden habe. Während sie für Kind und Haushalt zuständig gewesen sei, habe der Antragsteller sich um seine eigene Karriere gekümmert.

Die Antragsgegnerin beantragt (Bl. 151, 168) sinngemäß,

unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Nauen vom 20.06.2018 den Scheidungsantrag abzuweisen sowie den Antragsteller zu verpflichten, an die Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Ehescheidung Unterhalt in Höhe von 1.348 €, wovon ein Teilbetrag in Höhe von 831 € auf Elementarunterhalt, ein Teilbetrag in Höhe von 192 € auf Altersvorsorgeunterhalt und ein Teilbetrag in Höhe von 325€ auf Krankheitsvorsorgeunterhalt entfällt, monatlich im Voraus zum Ersten eines jeden Monats zu zahlen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen,

sowie mit seiner Anschlussbeschwerde,

unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Nauen vom 20.06.2018 den Antrag auf nachehelichen Ehegattenunterhalt abzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Beschluss und verweist ergänzend darauf, dass die Antragsgegnerin tatsächlich weit über das behauptete Maß hinaus erwerbstätig sei, so dass der Unterhaltsanspruch gemäß § 1579 Nr. 3 BGB verwirkt sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erst- und zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf die Korrespondenz im Beschwerderechtszug. Er entscheidet, wie angekündigt, ohne mündliche Verhandlung (§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG), von der ein weiterer Erkenntnisgewinn nicht zu erwarten war.

II.

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat in tenoriertem Umfang Erfolg. Die ebenfalls statthafte und auch im Übrigen zulässige Anschlussbeschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.

1. Scheidung:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Scheidungsausspruch ist - jedenfalls - unbegründet. Die Voraussetzungen zur Scheidung der Ehe der Antragsbeteiligten liegen zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats im Beschwerdeverfahren trotz des Widerrufs der Zustimmung der Antragsgegnerin zur Ehescheidung vor.

Dem Ehegatten, der der Scheidung zugestimmt hat, ist nicht verwehrt, gegen den Scheidungsausspruch ein Rechtsmittel einlegen und gleichzeitig die Zustimmung widerrufen; einer formellen Beschwer bedarf es nicht. Durch den Widerruf der Zustimmung zur Scheidung entfällt die Vermutung für das Scheitern der Ehe gem. § 1566 Abs. 1 BGB, sodass mit seiner Wirksamkeit die Zustimmung zur Scheidung mit Wirkung für die Zukunft beseitigt ist. Der Widerruf kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die über den Scheidungsantrag entschieden wird und auch noch in der Rechtsmittelinstanz erfolgen (§ 134 Abs. 2 FamFG; BeckOK FamFG/Weber, 36. Ed. 1.10.2020 Rn. 9, FamFG § 134 Rn. 9).

Auf die Zustimmung der Antragsgegnerin zur Ehescheidung kommt es indes nicht mehr an, denn gemäß § 1566 Abs. 2 BGB wird vorliegend unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist, da die Ehegatten zum Zeitpunkt der Entscheidung im Beschwerdeverfahren seit mehr als drei Jahren, nämlich seit 07.05.2016, getrennt leben.

2. Ehegattenunterhalt:

In Ansehung des von beiden Antragsbeteiligten angefochtenen Ausspruchs zum geltend gemachten Anspruch der Antragsgegnerin auf nachehelichen Unterhalt wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die insoweit zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen, die mit Blick auf das wechselseitige Beschwerdevorbringen lediglich folgender Ergänzungen bedürfen:

a) Die Voraussetzungen für einen Unterhalt wegen Krankheit gemäß § 1572 BGB liegen nicht vor.

Der Anspruchsteller trägt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Krankheit, die hieraus bedingte (teilweise) Unzumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit sowie das Bestehen dieser Sachlage zum maßgeblichen Einsatzzeitpunkt. Dabei muss er im Einzelnen die Krankheit oder Krankheiten, an denen er zu leiden behauptet, angeben und vortragen, inwiefern sich diese auf seine Erwerbsfähigkeit auswirken. Er darf sich nicht generell auf eine Erwerbsunfähigkeit berufen, sondern von ihm ist, insbesondere im Hinblick darauf, dass nur eine teilweise Erwerbsunfähigkeit vorliegen kann, zu verlangen, dass er Art und Umfang der gesundheitlichen Beeinträchtigungen darlegt. Zudem ist zu geplanten oder bereits erfolglos verlaufenen Therapiemaßnahmen Stellung zu nehmen (BeckOGK/Lettmaier, 1.11.2020, BGB § 1572 Rn. 97).

Dem genügt der Vortrag der Antragsgegnerin nicht, sodass es nicht darauf ankommt, ob das Amtsgericht einen hierauf gestützten Anspruch zu Recht nicht berücksichtigt hat.

Welche Auswirkungen ihre behauptete orthopädische Erkrankung auf eine mögliche Erwerbstätigkeit der Antragsgegnerin hat, lässt sie selbst bereits offen, behauptet nämlich einerseits, sie sei nicht in der Lage, irgendeiner vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachzugehen (Bl. 154). Andererseits trägt sie vor, sie können nur ihren erlernten Beruf als Friseurin nicht ausüben (Bl. 154) und dann zuletzt (Bl. 227, 229), ihrem Beruf nur bedingt nachgehen zu können.

Ihre Erkrankung selbst betreffend belässt es die Antragsgegnerin unsubstantiiert bei der knappen unspezifischen Darstellung einer Wirbelsäulenerkrankung, deren Ursache und Umfang sich aus ihrem Vortrag nicht entnehmen lässt. Ausgehend davon, soll die Antragsgegnerin in der Beweglichkeit der Arme eingeschränkt sein und wegen eines permanenten Einknickgefühls nicht über längere Zeit stehen können. Diese Schilderung lässt offen, in welcher Form und in welchem Umfang sie ihre Arme nur eingeschränkt bewegen kann und wie lange sie maximal stehen kann. Zu geplanten oder bereits erfolglosen Therapien hat sich die Antragsgegnerin gar nicht geäußert. Soweit die Antragsgegnerin hiernach offenbar keine Maßnahmen zur Beseitigung der ihrer vollschichtigen Erwerbsfähigkeit entgegenstehenden Erkrankung ergriffen hat, muss sie sich fiktiv ein Einkommen zurechnen lassen, wie sie es bei Erfolg der unterlassenen Maßnahme erzielen könnte.

b) Die Berechnung des Amtsgerichts über die Höhe eines der Antragstellerin grundsätzlich zustehenden Anspruchs auf Elementarunterhalt als Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 BGB in Höhe von 638 € wird von den Beteiligten nicht angegriffen und ist in der Sache nicht zu beanstanden.

Die Berechnung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens des Antragstellers geht zutreffend von einem unstreitigen Erwerbseinkommen des Antragstellers in Höhe von monatlich durchschnittlich netto 4.340,19 € aus und berücksichtigt auch nicht mehr oder weniger als die zwischen den Beteiligten unstreitig gestellten Abzüge hiervon. Die Antragsgegnerin kommt nur deshalb zu einem höheren Einkommen des Antragstellers, weil sie unzutreffend 5 % berufsbedingte Aufwendungen erst vom um Abzüge bereinigten Einkommen und nicht vom Nettoerwerbseinkommen (vgl. Nr. 10.2.1. Unterhaltsleitlinien des OLG Brandenburg) abziehen will.

Dass das Amtsgericht der Antragsgegnerin ein fiktives Einkommen in der von ihr im ersten Rechtszug selbst eingeräumten und in der Beschwerdebegründung erneut bestätigten (Bl. 154) Größenordnung auf Grundlage des Mindestlohns (Bl. 72 f., 97) zugerechnet hat, hält rechtlicher Überprüfung durch den Senat stand. Soweit die Antragsgegnerin hiervon in ihrem weiteren Beschwerdevorbringen ohne nähere Erläuterung abrücken und sich nur noch ein fiktives Einkommen in Höhe von monatlich nur noch 800 € anrechnen lassen will, weil sie unter einer orthopädischen Erkrankung leide, war dem nicht zu folgen. Nachdem die Antragsgegnerin nicht vorgetragen hat, inwieweit ihr Leiden sie konkret und in welchem Umfang in ihrer Berufstätigkeit hindert und sie auch keinerlei Vortrag dazu gehalten hat, welche therapeutischen Maßnahmen sie gegen ihr Leiden unternommen hat, ist ihr - wie bereits ausgeführt - fiktiv ein Einkommen anzurechnen, dass sie in ihrem Beruf als Friseurin erzielen könnte.

Vor diesem Hintergrund ebenfalls zu Recht hat das Amtsgericht auf Seiten der Antragsgegnerin einkommenserhöhend ein fiktives Trinkgeld angesetzt. Trinkgelder stellen grundsätzlich unterhaltspflichtige Einnahmen dar. Besteht Streit über die Höhe der Trinkgelder, darf zwar nicht einfach eine Schätzung nach § 287 ZPO erfolgen (vgl. BGH, FamRZ 2011, 1041 Rn,. 33; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 14. November 2012 – 3 WF 126/12 –, Rn. 32, juris; Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 10 Aufl. § 1 Rn. 74). Die Antragsgegnerin hat aber nicht bestritten, dass sie zur Zeit ihrer Erwerbstätigkeit ca. 100 € Trinkgeld pro Woche erhalten hat (Bl. 88). Dass ihr das Amtsgericht vor diesem Hintergrund ausgehend vom Vortrag des Antragstellers fiktive Trinkgelder in Höhe von monatlich 185 € zugerechnet hat, ist deshalb nicht zu beanstanden.

Die Berechnung des vom Amtsgericht, ausgehend von den um den Erwerbstätigenbonus bereinigten Einkommen der Beteiligten, ebenfalls zutreffend mit 147 € und 265 € ermittelten Altersvorsorge- und Krankheitsvorsorgeunterhalt wird in der Vorgehensweise von den Beteiligten nicht angegriffen und begegnet auch sonst keinen Bedenken.

Es kann sodann dahinstehen, ob das Amtsgericht mit Blick auf §§ 113 FamFG, 308 ZPO der Antragstellerin zu Recht nicht die zuvor rechnerisch ermittelten Unterhaltsbeträge zugesprochen hat, sondern lediglich die erstinstanzlich beantragten Beträge. Infolge der in der Beschwerdeinstanz zulässigen Antragserweiterung waren nunmehr jedenfalls die vom Amtsgericht zutreffend ermittelten Beträge zu tenorieren.

Dabei ist eine abändernde Berechnung wegen Wegfalls der Unterhaltspflicht des Antragstellers gegenüber dem Sohn N… ab September 2018 nicht veranlasst. Die Antragsgegnerin erklärt in ihrer Beschwerdeschrift aus Oktober 2018 innerhalb der Unterhaltsberechnung (Bl. 161) selbst, dass der Sohn N… N… noch in der allgemeinen Schulausbildung ist. Vor diesem Hintergrund ist der Vortrag, der gemeinsame Sohn habe die Ausbildung im August 2018 abgebrochen (Bl. 229) widersprüchlich und somit unbeachtlich.

c) Anders als der Antragsgegner mit seiner Anschlussbeschwerde ausführt, kommt eine Versagung oder Beschränkung des Unterhaltsanspruchs gemäß §1579 Nr. 3 BGB mit Blick auf die zunächst falschen Angaben der Antragsgegnerin zur Anzahl der von ihr als Friseurin wöchentlich bedienten Kunden nicht in Betracht.

Zwar kann ein schweres Fehlverhalten i.S.d. § 1579 Nr. 3 BGB bei einem versuchten oder vollendeten Verfahrensbetrug zum Nachteil des Unterhaltsverpflichteten gegeben sein. Macht ein unterhaltsbegehrender Ehegatte bewusst unwahre Angaben über seine Einkünfte, so kann ein Unterhaltsanspruch verwirkt sein (OLG Oldenburg, Beschluss vom 22. August 2017 – 3 UF 92/17 –, juris). Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Unterhaltsgläubigers sind nämlich ungefragt, richtig und vollständig mitzuteilen, da nur dann eine zutreffende Beurteilung der materiellen Rechtslage und eine darauf aufbauende richtige Berechnung des Unterhaltsanspruchs möglich ist (vgl. OLG Hamm, FamRZ 2004, 1786). Allerdings hat die Antragsgegnerin unwiderlegbar vorgetragen, dass die falsche schriftsätzliche Angabe, sie schaffe nur einen Kunden in der Woche, auf einem Missverständnis mit ihrem Verfahrensbevollmächtigten beruht habe. Inwieweit eine gewerbliche Tätigkeit der Antragsgegnerin nach Abmeldung ihres Gewerbes Schwarzarbeit darstellen mag und ob sie Steuern hinterziehe, kann dahinstehen, da derartige Verfehlungen jedenfalls nicht zum Nachteil des Antragstellers gereichen würden.

Auch eine Versagung oder Begrenzung des Unterhaltsanspruchs der Antragsgegnerin nach §§ 1579 Nr. 4 oder Nr. 8 BGB in Ansehung ihrer Alkoholerkrankung scheidet aus. Der Antragsteller schuldet Aufstockungsunterhalt unter Berücksichtigung eines fiktiven Einkommens, das die Antragsgegnerin bei einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit in ihrem erlernten Beruf als Friseurin erzielen könnte. Hierauf hat die Alkoholerkrankung der Antragsgegnerin, auf die sie ihre Bedürftigkeit bereits nicht stützt (§ 1579 Nr. 4 BGB), keinen Einfluss. Der Unterhaltsanspruch kann schließlich gemäß § 1579 Nr. 8 BGB nur verwirkt sein, wenn - was nur in krassen Fällen nachweisbar sein wird - der Unterhaltsberechtigte sich in Erkenntnis der Zusammenhänge und bei ausreichender Steuerungskraft der therapeutischen Hilfe entzieht (OLG Hamm FamRZ 1999, 237, 238; Horndasch in: Viefhues et al., Das familienrechtliche Mandat - Unterhaltsrecht, 3. Aufl. 2020, § 3 Ehegattenunterhalt, Rn. 387). Dies ist unstreitig nicht der Fall.

d) Zu Recht hat das Amtsgericht gemäß § 1578 b BGB den Unterhaltsanspruch auch auf 3 Jahre ab Rechtskraft der Scheidung begrenzt.

Das Maß der geschuldeten nachehelichen Solidarität bestimmt sich neben der Ehedauer vor allem durch das Maß der während der Ehe eingetretenen wirtschaftlichen Verflechtung der Eheleute. Dabei ist im vorliegenden Fall zunächst nicht von rechtlicher Bedeutung, dass die Beteiligten rund sechs Jahre vor der Heirat in nichtehelicher Gemeinschaft zusammenlebten und die Antragsgegnerin in dieser Zeit bereits eine Rolle eingenommen haben mag, wie sie sich in der Ehezeit der Beteiligten fortsetzte. Die gesetzliche Regelung stellt in § 1578 b Abs. 1 S. 2 BGB darauf ab, inwiefern „durch die Ehe“ Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Der Bundesgerichtshof hat in wiederholter Rechtsprechung - von der der Senat abzuweichen keine Veranlassung sieht - festgestellt, dass eine mehrere Jahre vor Eheschließung vollzogene berufliche Veränderung keinen ehebedingten Nachteil begründet, auch wenn diese berufliche Veränderung durch das voreheliche Zusammenleben veranlasst worden war (vgl. BGH FamRZ 2010, 1971; FamRZ 2010, 1238; BGH Urteil vom 7. März 2012, Az. XII ZR 25/10, juris). Ein ehebedingter Nachteil kann sich allerdings aus der wie hier fortgesetzten Kinderbetreuung nach der Eheschließung ergeben, soweit ein Ehegatte mit Rücksicht auf die Ehe und die übernommene und fortgeführte Rollenverteilung auf eine Erwerbstätigkeit verzichtet hat (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 09. Mai 2012 – 10 UF 247/11 –, Rn. 24, juris). Diese Voraussetzungen liegen hier allerdings nicht vor. Die Antragsgegnerin hat unstreitig jedenfalls bis 2017, mithin über die im Mai 2016 erfolgte Trennung der Eheleute hinaus als selbstständige Friseurin gearbeitet.

Mit einer nachehelichen Unterhaltspflicht für drei Jahre nach Rechtskraft der Scheidung und dann Unterhaltszahlung für insgesamt mehr als sechs Jahre nach Trennung und Zustellung des Scheidungsantrages ist das Maß der hier einzufordernden nachehelichen Solidarität des Antragstellers für seine 1973 geborene und damit zum Entscheidungszeitpunkt erst 47 Jahre alte Ehefrau aber erschöpft. Hierbei berücksichtigt der Senat neben der unstreitigen Übernahme erheblicher Kosten durch den Antragsteller auch, dass dieser zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung mittlerweile seit über drei Jahren Trennungsunterhalt (erst entsprechend der mit der Antragsgegnerin getroffenen Vereinbarung und dann entsprechend Beschluss des Amtsgerichts) gezahlt hat, was der Hälfte der gesamten Ehedauer entspricht.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 150 FamFG.

Die Entscheidung zum Beschwerdewert fußt auf §§ 55 Abs. 2, 51 Abs. 1, S.1, 50 Abs. 1, 35, 40 Abs. 2 FamGKG.

Anlass die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht (§70 Abs. 2 FamFG).