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Entscheidung 31/10


Metadaten

Gericht VerfG Potsdam Entscheidungsdatum 30.09.2010
Aktenzeichen 31/10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen §§ 23ff GVGEG, § 163b StPO, § 21 VersammlG, § 45 Abs 2 S 2 VerfGG BB, § 45 Abs 2 S 1 VerfGG BB

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.

Gründe

A.

Der Beschwerdeführer beteiligte sich am 19. Juni 2010 an einer Sitzblockade in der Thälmannstraße in Strausberg, die das Ziel verfolgte, einen Marsch der sogenannten „Kameradschaft Märkisch Oder Barnim“ durch Strausberg zu verhindern. Wegen des Anfangsverdachts eines Verstoßes gegen § 21 Versammlungsgesetz nahm die Polizei die Personalien der Teilnehmer an der Sitzblockade auf. Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Verfassungsbeschwerde, die am 29. Juni 2010 beim Verfassungsgericht eingegangen ist. Er sieht sich in seinem Recht auf Widerstand aus Art. 20 Abs. 4 Grundgesetz (GG) sowie auf gleiche Behandlung vor dem Gesetz gem. Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, weil bei vergleichbaren Sitzblockaden auf eine Identitätsfeststellung verzichtet worden sei.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist zu verwerfen. Sie ist unzulässig, weil der Beschwerdeführer den nach § 45 Abs. 2 Verfassungsgerichtsgesetz Brandenburg (VerfGGBbg) vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde zu beschreitenden Rechtsweg nicht erschöpft hat. Der Beschwerdeführer ist nämlich verpflichtet, zunächst alle nach Lage der Dinge ihm gegebenenfalls zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten zur Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu ergreifen, insbesondere den fachgerichtlichen Rechtsweg auszuschöpfen, bevor er Verfassungsbeschwerde erhebt (Beschluss vom 21. April 2005 – VfGBbg 20/05 - www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Dies hat der Beschwerdeführer trotz entsprechenden Hinweises unterlassen. Maßnahmen der Identitätsfeststellung nach § 163b Strafprozessordnung (StPO) unterliegen einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. §§ 23 ff. Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (EGGVG); dieser wäre beim Brandenburgischen Oberlandesgericht – Strafsenat - zu stellen, vgl. § 25 Abs. 1 EGGVG, und vorliegend nicht offensichtlich unzulässig gewesen. Die Anordnung der Identitätsfeststellung nach § 163b StPO erfolgte von einer Justizbehörde im Sinne des § 23 EGGVG. Der Begriff „Justizbehörde“ ist zwar weder in den §§ 23 ff EGGVG noch in anderen Vorschriften definiert. Jedoch ist er im funktionellen Sinn zu verstehen, so dass die Polizei als Justizbehörde im Sinne des § 23 EGGVG anzusehen ist, wenn sie in der Funktion der Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft handelt (vgl. dazu auch Karlsruher Kommentar, Strafprozessordnung, 6. Auflage, § 23 EGGVG, Rdnr. 10 mit weiteren Nachweisen). So ist die Rechtslage hier. Die Identitätsfeststellung ordnete die Polizei nach § 163b StPO zum Zwecke der Strafverfolgung an, so dass Justizverwaltungshandeln vorliegt und der Rechtsweg zum Oberlandesgericht eröffnet war.

Für eine Vorabentscheidung des Verfassungsgerichts besteht keine Veranlassung. Nach § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg kann das Verfassungsgericht im Ausnahmefall über eine vor Erschöpfung des Rechtsweges eingelegte Verfassungsbeschwerde sofort entscheiden, wenn sie von allgemeiner Bedeutung ist oder wenn dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls er zunächst auf den Rechtsweg verwiesen wird. Die Ausgestaltung des § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg macht deutlich, dass auch bei Vorliegen der darin genannten Voraussetzungen eine Vorabentscheidung des Verfassungsgerichts keineswegs zwangsläufig ist. Sie kommt nur unter besonderen Umständen in Betracht und bleibt bereits nach dem Wortlaut der Norm die Ausnahme. In dieser Hinsicht ist § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg noch strenger als die Regelung des § 90 Abs. 2 Satz 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz, die eine solche Einschränkung nicht enthält. Letztlich setzt eine Vorabentscheidung nach § 45 Abs. 2 Satz 2 VerfGGBbg voraus, dass eine Grundrechtsverletzung im Raum steht, die auch nur zeitweise hinzunehmen ganz und gar unerträglich wäre (Beschluss vom 21. Dezember 2006 – VfGBbg 20/06 – www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Diese Schwelle ist hier nicht erreicht. Die mit der Identitätsfeststellung verbundenen Eingriffe in die Grundrechte des Beschwerdeführers wiegen nicht so schwer, dass ein Verweis auf den ohnehin kurzen Instanzenzug unzumutbar wäre. Darüber hinaus sind die beanstandeten Maßnahmen vollzogen, was zwar das Rechtschutzbedürfnis für die Verfassungsbeschwerde nicht entfallen lässt, aber gegen die Notwendigkeit einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung vor der Rechtswegerschöpfung spricht (vgl. Beschluss vom 18. November 2004 – VfGBbg 11/04 – www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Schließlich ist auch nicht erkennbar, dass dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil drohte, wenn er zunächst einen Antrag nach § 23 EGGVG gestellt hätte.

C.

Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.