Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 11. Senat | Entscheidungsdatum | 13.07.2020 | |
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Aktenzeichen | 11 N 56.18 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2020:0713.11N56.18.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 45 Abs 1 Nr 8 NatSchG BE, § 1 Abs 1 S 4 UmwRG, § 62 WasG BE, § 62a WasG BE, § 46 NatSchG BE, § 34 Abs 2 BNatSchG, § 34 Abs 3 BNatSchG, § 63 BNatSchG, § 64 BNatSchG |
Eine Genehmigung, die auf der Grundlage eines in einem Güteverfahren geschlossenen Vergleichs erteilt wurde, ist nicht gem. §1 Abs. 1 Satz 4 UmwRG "aufgrund einer Entscheidung in einem verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren erlassen worden".
Der Antrag der Beigeladenen auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 22. März 2018 wird abgelehnt.
Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt die Beigeladene.
Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 17.750,00 EUR festgesetzt.
I.
Der Kläger wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Genehmigung zur Errichtung einer Bootssteganlage.
Im Rahmen eines güterichterlichen Verfahrens zwischen dem Beklagten und der Beigeladenen wurde eine „FFH-Verträglichkeitsstudie sowie Prüfung anhand der EU-Wasserrahmenrichtlinie zum geplanten Bau einer Bootssteganlage im Großen Müggelsee vor dem Ufergrundstück M…“ vom 18. Dezember 2014 erstellt (im Folgenden: Verträglichkeitsstudie / Studie). Auf der Grundlage dieser Studie und einer im Güteverfahren gefundenen Einigung zwischen der Beigeladenen und dem Beklagten erteilte Letzterer unter dem 14. August 2015 die Genehmigung zur Errichtung (Abriss und Neubau) einer wasserbaulichen Anlage vor dem bezeichneten Grundstück. Der Kläger, ein Zusammenschluss verschiedener Naturschutzverbände, legte hiergegen Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2016 als unbegründet zurückwies. Auf die dagegen erhobene Klage des Klägers hob das Verwaltungsgericht Berlin mit Urteil vom 22. März 2018 die bezeichnete Genehmigung in der Gestalt des Widerspruchsbescheides auf. Hiergegen richtet sich der Antrag der Beigeladenen auf Zulassung der Berufung.
II.
Der fristgemäß gestellte und begründete Antrag der Beigeladenen auf Zulassung der Berufung hat auf der Grundlage der gemäß § 124a Abs. 4 S. 4 und Abs. 5 S. 2 VwGO maßgeblichen Darlegungen im Zulassungsbegründungsschriftsatz vom 6. Juni 2018 keinen Erfolg.
1. Das Berufungszulassungsvorbringen rechtfertigt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
1.1. Die Beigeladene wendet sich zunächst gegen die vom Verwaltungsgericht angenommene Zulässigkeit der Klage. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, das gemäß §§ 63, 64 Abs. 1 und 3 BNatSchG und §§ 45 Abs. 1 Nr. 8, 46 NatSchG Berlin eröffnete Verbandsklagerecht der Klägerin sei nicht durch § 64 Abs. 2 BNatSchG i.V.m. § 1 Abs. 1 S. 4 UmwRG ausgeschlossen. Nach letzterer Norm kämen § 1 Abs. 1 S. 1 und S. 2 UmwRG nicht zur Anwendung, wenn eine Entscheidung im Sinne dieses Absatzes aufgrund einer Entscheidung in einem verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren erlassen worden sei. Dies sei hier nicht der Fall. Der Genehmigungsbescheid vom 14. August 2015 sei nicht aufgrund einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, sondern vor dem Hintergrund eines in einer Güteverhandlung am 27. Februar 2015 geschlossenen Vergleichs erlassen worden (Urteilsabdruck – UA – Seite 9).
Demgegenüber trägt die Beigeladene vor, dass ein Vergleich in gleicher Weise wie ein Urteil ein verwaltungsgerichtliches Verfahren beende und zwischen den Streitparteien verbindliche Wirkung habe. Da auch ein Urteil ergehen könne, ohne dass ein Naturschutzverband am Verfahren beteiligt sei und das UmwRG dies ausdrücklich in Kauf nehme, ergebe sich auch vor diesem Hintergrund kein Unterschied zwischen den beiden Verfahrensarten. Sinn und Zweck der Regelung in § 1 Abs. 1 S. 4 UmwRG sei es, nicht zweimal ein Gerichtsverfahren über den gleichen Gegenstand führen zu müssen. Durch das Gutachten vom 18. April 2014 (gemeint sein dürfte der 18. Dezember 2014) sei der gleiche Sachverhalt Gegenstand des Vergleichs gewesen, der auch hier zur Entscheidung gestellt werde.
Dieser Vortrag der Beigeladenen greift nicht durch. § 1 Abs. 1 S. 4 UmwRG ist schon nach seinem Wortlaut auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Danach wird vorausgesetzt, dass die in Rede stehende Entscheidung „aufgrund einer Entscheidung in einem verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren erlassen worden ist“. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen genügt es nicht, dass über den fraglichen Sachverhalt bereits ein verwaltungsgerichtliches Verfahren anhängig war, sondern es muss eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung vorausgegangen sein, aufgrund derer dann die angegriffene behördliche Entscheidung ergangen ist. Dieses Verständnis entspricht auch dem Regelungszweck von § 1 Abs. 1 S. 4 UmwRG. Das dort geregelte sogenannte Zweitklageverbot dient – ebenso wie die auf sie verweisende Vorschrift des § 64 Abs. 2 BNatSchG – der Verhinderung einer Doppelbefassung des Gerichts mit einem identischen Streitgegenstand und erweist sich mit dieser Zielrichtung als Ergänzung des Instituts der materiellen Rechtskraft, da die Bindungswirkung damit auch auf am gerichtlichen Verfahren nicht beteiligte Vereinigungen nach § 3 UmwRG ausgedehnt wird (VGH Kassel, Beschluss vom 12. Dezember 2017 – 9 E 2052/17 –, juris Rn. 15 unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 12. März 2008 – 9 A 3/06 –, juris Rn. 24; vgl. auch Fellenberg/Schiller in: Landmann/Rohmer, § 1 UmwRG EL April 2018, Rn. 148 ff.). Eine ansonsten rechtsbehelfsfähige Verwaltungsentscheidung, die dem Schutz der materiellen Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung unterfällt, kann damit nicht nochmals angegriffen werden (BT-Drs. 16/2495, 4. September 2006, Seite 11).
Die hier in Rede stehende Genehmigung vom 14. August 2015 wurde im Anschluss an die Güteverhandlung vom 27. Februar 2015 zwischen der Beigeladenen und dem Beklagten erteilt (VG 40 I 34.14 GR) und war damit schon nicht Gegenstand einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Das zugrunde liegende verwaltungsgerichtliche Verfahren VG 10 K 118.12 / VG 10 K 92.15 wurde gerade nicht durch eine gerichtliche Entscheidung beendet, auf deren Grundlage der Beklagte zur Erteilung der angefochtenen Genehmigung verpflichtet gewesen wäre, sondern durch Klagerücknahme der Beigeladenen mit Schriftsatz vom 29. März 2016. Daher kann auch die durch § 1 Abs. 1 S. 4 UmwRG bezweckte Rechtskrafterstreckung nicht eintreten, da eine Entscheidung, die materielle Rechtskraft entfalten könnte, in dem vorhergehenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht ergangen war.
Darauf, ob § 1 Abs. 1 Satz 4 UmwRG – wie die Klägerin meint – unionsrechtswidrig wäre, kommt es vorliegend nicht an.
1.2. Die Beigeladene beruft sich zudem auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, soweit dieses eine erhebliche Beeinträchtigung im Sinne des § 34 Abs. 2 BNatSchG angenommen hat. Auch diese Einwände greifen nicht durch.
Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass Rechtsgrundlage der angefochtenen Genehmigung § 62 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 62a Abs. 1 S. 1 des Berliner Wassergesetzes (BWG) sei. Nach § 62a Abs. 1 S. 1 BWG dürfe die Genehmigung von Anlagen in Gewässern nur erteilt werden, wenn von dem beabsichtigten Unternehmen weder eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung, noch erhebliche Nachteile für Rechte oder Befugnisse anderer zu erwarten seien. Das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit umfasse auch die Vorschriften des Naturschutzrechts, hier insbesondere § 34 Abs. 2 BNatSchG (UA Seite 10 f.). Ergebe danach die Prüfung der Verträglichkeit, dass das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen könne, sei es unzulässig. Hier sei mit der Errichtung der angegriffenen Steganlage eine derartige erhebliche Beeinträchtigung verbunden. Dies folge aus der weder inhaltlich noch in ihrer Wissenschaftlichkeit von den Beteiligten bestrittenen Verträglichkeitsstudie vom 18. Dezember 2014. In deren Zusammenfassung werde ausgeführt, dass der Bau der Steganlage die Schutzziele der EG-FFH-RL erheblich beeinträchtige, insbesondere durch die Verschattung und Störung der Uferzone durch den Steg und die dort liegenden Boote, sowie durch die Lärm-, Schadstoff- und Wellenemissionen der dortigen oder von dort fahrenden Boote sowie durch die zusätzlichen Motorbootfahrten auf dem Müggelsee. Soweit die Studie gleichwohl im Ergebnis erhebliche Beeinträchtigungen im Sinne von § 34 BNatSchG verneine, beruhe das auf der in diesem Zusammenhang rechtlich unzutreffenden Berücksichtigung von Kompensationsmaßnahmen. Diese seien nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs – im Gegensatz zu Vermeidungs- oder Verminderungsmaßnahmen – nicht mit dem stattfindenden Eingriff zu saldieren (UA Seite 11/12). Die vorliegend in Rede stehenden Maßnahmen stellten solche Kompensationsmaßnahmen und keine Vermeidungsmaßnahmen dar (UA Seite 13). Eine Abweichungsentscheidung gemäß § 34 Abs. 3 BNatSchG liege nicht vor und hätte auch nicht rechtmäßig getroffen werden können (UA Seite 14 f.).
Demgegenüber trägt die Beigeladene vor, dass dem bezeichneten Gutachten nicht entnommen werden könne, dass der Gutachter bei der Feststellung einer „erheblichen Beeinträchtigung“ den rechtlichen Rahmen des § 34 Abs. 2 BNatSchG ausfüllen wollte. Das Verwaltungsgericht missverstehe das Gutachten, indem es die Verwendung des Begriffs „erheblich“ aus der Zusammenfassung zitiere. Im Wege der Sachaufklärung wäre es verpflichtet gewesen, das Gutachten insgesamt auszuwerten. Danach ergebe sich, dass gerade keine erhebliche Beeinträchtigung vorliege. Dazu werde auf zwei im Berufungszulassungsverfahren eingereichte Fotos verwiesen.
Dieser Vortrag rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum Begriff der Erheblichkeit eines Eingriffs unter Berücksichtigung höchstrichterlicher Rechtsprechung (UA Seite 14) greift die Beigeladene nicht an. Ihr gegen die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung im Sinne von § 34 Abs. 2 BNatSchG im konkreten Fall gerichteter Angriff begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Auffassung des Verwaltungsgerichts. Die Zusammenfassung auf Seite 3 und 4 der von der Beigeladenen eingereichten und vom Verwaltungsgericht herangezogenen Verträglichkeitsstudie geht auf die „Beurteilung der Erheblichkeit von Beeinträchtigungen“ (Kapitel 6 der Studie, Seite 38 ff.) zurück. Dort ist ausdrücklich § 34 Abs. 1 und Abs. 2 BNatSchG in Bezug genommen. Zudem wird dort dargelegt, unter welchen Voraussetzungen eine erhebliche Beeinträchtigung anzunehmen ist. Auf den Seiten 45 und 49 des Gutachtens wird jeweils zusammenfassend (Gesamt:) ausgeführt, dass der günstige bzw. derzeit mäßige Zustand trotz zusätzlicher Belastungen „bei Umsetzung der gemäß Kap. 6.6 vorgesehenen Kompensationsmaßnahmen“ zumindest erhalten bleibe und insgesamt etwas verbessert werde. Auf Seite 66 gelangt die Studie zusammenfassend zu dem Schluss, dass (unter anderem) die Schutzziele der FFH-Richtlinie erheblich beeinträchtigt würden, diese Beeinträchtigungen bei Begrenzung der Stegnutzung auf 12 Motorboote, Realisierung der genannten weiteren Nutzungsrestriktionen „und bei Realisierung der Kompensationsmaßnahmen zur Wiederherstellung von Land-Wasser-Übergangszonen vor diesem Grundstück (Anlage eines Schilfgürtels und Lebensraums für FFH-Vogelarten)“ minimiert und mehr als kompensiert würden. Hieran schließt sich die Feststellung (Seite 67 oben) an, dass im Ergebnis somit keine erheblichen Beeinträchtigungen im Sinne von § 34 BNatSchG unter der Voraussetzung entstünden, dass die Kompensationsmaßnahme dauerhaft erhalten bleibt und ihre Lebensraumfunktion dauerhaft erfüllt. Dies sowie die vom Verwaltungsgericht zitierte Zusammenfassung der Studie zeigt, dass die Gutachter von rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen sind, die der vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten und auch von der Beigeladenen als maßgeblich angesehenen höchstrichterlichen Rechtsprechung gerade nicht entsprechen.
Auch soweit die Beigeladene in ihrem Berufungszulassungsvorbringen sich auf einzelne Zitate der Studie stützt und damit belegen möchte, dass keine erheblichen Beeinträchtigungen vorliegen, folgt daraus nichts anderes. So beruft sich die Beigeladene zunächst auf ein Zitat auf Seite 28 der Studie. Die dort angesprochene – abstrakte – Schlussfolgerung, dass von kleinen Einzelstegen, die die Ufervegetation nicht merklich verändern, keine verheerenden Auswirkungen auf die Flachwasserzone oder das angrenzende Ufer ausgingen, bezieht sich schon nicht auf die konkrete, hier in Rede stehende Steganlage. Unabhängig davon heißt es im Folgesatz, dass aufgrund der Summationswirkung der Beeinträchtigungen (vgl. Kap. 7) insgesamt mit einer Verschlechterung der Ökosystemfunktionen zu rechnen sei. Etwas anderes folgt entgegen der Auffassung der Beigeladenen auch nicht aus den Ausführungen der Studie auf Seite 46, wonach keine der aufgeführten FFH-Arten gefunden werden konnte bzw. im derzeitigen Zustand die Flachwasserzone im Baubereich für die infrage kommenden geschützten Arten als Teillebensraum sehr unattraktiv sei. Denn hiermit zitiert die Beigeladene lediglich Einzelfeststellungen der Studie, die an deren Gesamtergebnis, das ohne Berücksichtigung der Kompensationsmaßnahmen erhebliche Beeinträchtigungen anzunehmen seien, nichts ändern. Entsprechendes gilt für den Hinweis der Beigeladenen auf die ca. 50 m² große Anlegeplattform als Altbestand (Seite 44) .
1.3. Das Zulassungsvorbringen begründet auch insoweit keine ernstlichen Zweifel an der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, als dieses die als Auflagen vorgeschriebenen Maßnahmen (wie z.B. die Anpflanzung von Röhricht) als Kompensationsmaßnahmen und nicht als Vermeidungs- oder Minimierungsmaßnahmen angesehen hat.
Die Beigeladene macht geltend, dass eine Beeinträchtigung durch den Steg infolge Verschattung und Störung der Uferzone nicht eintrete, da gleichzeitig und nur bei Errichtung des Steges die Wasserfläche erheblich vergrößert werde, sodass eine Vermeidungsmaßnahme vorliege. Diese vermindere gleichzeitig die Störmöglichkeit des Stegs für die Uferzone, indem sie die Uferlinie zurückverlege und erheblich verbessere. Dieser Einwand greift nicht durch. Von einer Vermeidungs- bzw. Minimierungsmaßnahme kann nur dann gesprochen werden, wenn durch ein Projekt entstehende Beeinträchtigungen der Schutzgebiete als solche bereits wirksam verhütet oder verringert werden. Hier wird die Verschattung durch die streitgegenständliche Steganlage als solche – wie das Verwaltungsgericht ausgeführt hat – nicht verhindert. Dies entspricht auch der Verträglichkeitsstudie. Dort heißt es in Tabelle 7 (Seit 43 der Studie), dass die anlagenbedingten Beeinträchtigungen in Form von Beschattung des Gewässergrundes durch eine lichtdurchlässige Ausführung des Steges minimiert werden könnten, aber nicht vermeidbar seien. Demgegenüber ist die von der Beigeladenen angesprochene Vergrößerung der Wasserfläche durch eine Zurückverlegung des Ufers nur eine Kompensation der beschriebenen Beeinträchtigung. Auch die Beeinträchtigungen durch Lärm, Abgase und Wellenentstehung sind ausweislich der Tabelle 7 nicht vermeidbar. Die von der Beigeladenen angesprochenen Maßnahmen wie z.B. eine Geschwindigkeitsreduktion gelten danach nur als Minimierungsmaßnahme. Soweit die Beigeladene vorbringt, der Beklagte könne jederzeit nachträglich anordnen, dass die Boote nur elektrische Antriebe haben dürfen, ist darauf hinzuweisen, dass Gegenstand des Verfahrens die Errichtung einer Steganlage ist, die unter anderem Liegeplätze für 12 Motorboote bietet. Dass es sich hierbei um Elektroboote handeln soll, ist hingegen nicht ersichtlich und dürfte dem Antragsgegenstand der Beigeladenen auch nicht entsprechen. Angesichts der ausdrücklichen Feststellungen der Verträglichkeitsstudie kann es auch nicht darauf ankommen, dass es in dem fraglichen Bereich bereits einen Steg gibt. Denn insoweit handelt es sich bei der genehmigten Steganlage um eine weitaus größere Anlage als bisher (vgl. Steg- und Uferanlage „M…“, Draufsicht, Übersichtskarte, Zeichnung G-6/1-05-47 sowie die im Berufungszulassungsverfahrens eingereichten Fotos).
Etwas anderes folgt entgegen der Ansicht der Beigeladenen auch nicht aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Januar 2016 – 4 A 5.14 – hinsichtlich der Berücksichtigung des Rückbaus einer Freileitung als möglicherweise schadensmindernde Maßnahme. Die Beigeladene meint, dass die Auflagen, den Steg nicht mehr wie bisher von der Ufermauer anzuordnen, sondern nach Öffnung der Ufermauer auf einer Länge von 50 m in ein neues naturnahes Ufer einzubinden, eine vergleichbare Wirkung habe. Im Gutachten werde festgestellt, dass damit alle durch einen Steg abstrakt denkbaren Schäden vollständig entfielen.
Dem ist jedoch schon entgegenzuhalten, dass die von der Beigeladenen ins Feld geführten Maßnahmen zumindest teilweise nicht der Vermeidung, sondern der Kompensation dienen und insoweit nicht geeignet sind, eine erhebliche Beeinträchtigung zu verneinen.
Der für § 34 Abs. 2 BNatSchG erforderliche Maßstab ergibt sich aus der zu Art. 6 Abs. 3 S. 2 FHH-Richtlinie ergangenen Rechtsprechung des BVerwG und des EuGH. Danach kann ein Plan oder Projekt nur zugelassen werden, wenn die zuständigen nationalen Behörden unter Berücksichtigung der besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse Gewissheit darüber erlangt haben, dass sich der Plan oder das Projekt auch im Zusammenwirken mit anderen Plänen oder Projekten nicht nachteilig auf das Gebiet als solches auswirkt. Das ist dann der Fall, wenn aus wissenschaftlicher Sicht kein vernünftiger Zweifel daran besteht, dass es keine solchen Auswirkungen gibt (BVerwG, Urteil vom 15. Mai 2019 – 7 C 27/17 – juris Rn. 47 unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 26. April 2017 – C-142/16 –, juris Rn. 33). Hier lässt sich der Bewertung der Erheblichkeit (Kap. 9 der Verträglichkeitsstudie) entnehmen, dass trotz Einhaltung der aufgeführten Vermeidungs- und Minimierungsmaßnahmen erhebliche Beeinträchtigungen hinsichtlich der Erhaltungs- und Entwicklungsziele für FHH-Arten, FFH-Lebensräume sowie des ökologischen Zustands gemäß WRRL für den Müggelsee durch den Bau der Bootssteganlage (ohne Kompensationsmaßnahmen) nicht ausgeschlossen werden könnten (Seite 64). Dieses Risiko könne allerdings durch die Renaturierung der gesamten Uferlänge der Müggelsee-Residenz als Kompensationsmaßnahme aufgewogen werden, die in der Summe sogar eine Verbesserung des Erhaltungszustands gemäß EG-FFH-RL sowie des ökologischen Zustands gemäß EG-WRRL bewirke (Seite 65). Auf der gesamten Uferlänge (mit einer Unterbrechung für einen Wasserzugang) werde ein Schilfgürtel von 5-10 m Breite angelegt, der größtenteils durch doppelreihige Holzpalisaden vor bootsbedingtem Wellenschlag geschützt werde. Die zunächst ungeschützten Abschnitte des Schilfgürtels sollen ebenso geschützt werden, falls das Schilf dort im Zeitraum von zwei Jahren nicht anwachsen sollte. Bei einem möglichen Fehlschlag der Etablierung des Schilfgürtels wäre die Verträglichkeit der Bootssteganlage mit der FFH-Richtlinie nicht mehr gewährleistet (Seite 66).
Diese Ausführungen zeigen (erneut), dass die erhebliche Beeinträchtigung im Sinne von § 34 Abs. 2 BNatSchG durch die Renaturierung als Schutzmaßnahme nicht vermieden oder verringert, sondern – sofern sie gelingt – ausgeglichen würde. Jedoch ist hierfür erforderlich, dass der Schilfgürtel auch tatsächlich langfristig besteht, was nicht als gesichert unterstellt werden kann. So sieht der angegriffene Bescheid unter II. 2. (Seite 4) zwar die Pflanzung und Unterhaltung eines Röhrichtgürtels vor. Sofern die Schilfpflanzung jedoch ausfalle, sei maximal eine dreimalige Nachpflanzung des Röhrichts vorzunehmen (II. 4., Seite 4). Damit ist gerade nicht eine langfristige und beständige Renaturierung in dem von der Studie geforderten Umfang gesichert, so dass im Sinne der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung Zweifel daran bestehen, dass es nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen des Schutzgebiets kommen wird.
1.4. Auch die Einwände der Beigeladenen gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu § 34 Abs. 3 BNatSchG greifen nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat insoweit ausgeführt, dass das in dieser Norm vorausgesetzte öffentliche Interesse nicht gegeben sei. Die Steganlage solle vielmehr für einen privaten Investor zur Nutzung durch die Eigentümer der Wohnanlage errichtet werden. Auch der Rückbau und die naturnahe Umstrukturierung des Uferbereichs kämen vielmehr unmittelbar der Beigeladenen und den Eigentümern der errichteten Wohnungen zugute. Mittelbare Sekundärwirkungen – beispielhaft denkbar etwa in Gestalt der mit der Anpflanzung neueren Röhrichts tendenziell verbundenen Verminderung des CO2-Gehalts der Luft – seien hier ersichtlich nicht Gegenstand (UA Seite 14 f.).
Demgegenüber trägt die Beigeladene vor, dass es bereits angesichts des Mangels auch an repräsentativen Wohnmöglichkeiten für hohe Steuern zahlende Berliner, die sonst abwandern würden, zweifelhaft sei, dass an der Steganlage selber kein öffentliches Interesse bestehe. Jedenfalls sei es aber schon mit Blick auf § 34 Abs. 4 BNatSchG unzutreffend, dass das Verwaltungsgericht den Rückbau der verspundeten Uferwand vor dem Grundstück und die naturnahe Umstrukturierung dieses Uferbereich nicht als zwingendes öffentliches Interesse gewertet habe. Auch dieser Einwand greift nicht durch. Die Beigeladene berücksichtigt nicht, dass das hier in Rede stehende und durch die angegriffene Genehmigung zugelassene Projekt die Steganlage und nicht die Renaturierung ist, die lediglich als Kompensationsmaßnahme Berücksichtigung finden soll. Dass die privat zu nutzende Steganlage aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses notwendig wäre, ist fernliegend.
Etwas anderes folgt auch nicht aus dem von der Beigeladenen zitierten „Leybucht-Fall“ des EuGH (Urteil vom 28. Februar 1991 – C-57/89 – BeckRS 2004, 77575, Rn. 23 ff.). In dieser Entscheidung hat der EuGH ausgeführt, dass die Überschwemmungsgefahr und der Küstenschutz gewichtige Gründe seien, die die Maßnahmen zur Eindeichung und zur Verstärkung der Küstenanlagen rechtfertigten, solange sich diese Maßnahmen auf das allernotwendigste beschränkten und die geringstmöglichen Verkleinerung des besonderen Schutzgebiets bewirkten. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass bei dem Teil des Vorhabens, der das Leyhörngebiet betreffe, nicht nur Erwägungen der Küstensicherheit den Verlauf der Deichtrasse bestimmt hätten, sondern auch Bestrebungen, für die Fischereiflotte den Zugang zu diesem Hafen zu erhalten. Die Berücksichtigung derartiger Belange sei grundsätzlich nicht möglich. Dieser Teil des Vorhabens habe jedoch gleichzeitig konkrete positive Auswirkungen auf die Lebensräume der Vögel. Bei der Entscheidung über die Trassenführung des neuen Deichs habe somit dem Willen, den Fortbestand des Fischereihafens zu sichern, Rechnung getragen werden dürfen, da dem die vorerwähnten ökologischen Kompensationen gegenüberstünden. Diese Entscheidung ist auf den vorliegenden Fall schon deshalb nicht übertragbar, da das hier in Rede stehende Projekt (die Steganlage) ausschließlich privaten Interessen dient.
Der Hinweis der Beigeladenen, dass sie durch den richterlich geförderten und bestätigten Vergleich eine Vertrauensposition erhalten hätte, aufgrund derer sie Eigentumsdispositionen getroffen habe, die durch eine Versagung der Steggenehmigung in vollem Umfang entwertet werden würden, verfängt ebenfalls nicht. Die Beigeladene lässt dabei unberücksichtigt, dass ein in einem Güteverfahren gefundener Vergleich wie dargelegt keine Rechtskraftwirkung entfaltet und bereits deshalb keine Vertrauensposition – jedenfalls nicht gegenüber am Vergleich unbeteiligten und wie hier anfechtungsbefugten Dritten – begründen kann.
2. Auch das Vorliegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zeigt die Beigeladene mit ihrer Zulassungsbegründung nicht auf. Sie wiederholt insoweit nur die im Rahmen von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bereits aufgeworfenen Aspekte, die wie dargelegt aber sämtlich nicht durchgreifen. Der Verweis der Beigeladenen auf den rechtlichen Begründungsaufwand des angegriffenen Urteils zeigt besondere rechtliche Schwierigkeiten ebenfalls nicht auf. Entscheidend ist, ob derartige Schwierigkeiten auch in Auseinandersetzung mit der Begründung des angefochtenen Urteils verbleiben. Das ist gemessen am Rechtsbehelfsvorbringen der Beigeladenen hier nicht der Fall.
3. Die Rechtssache besitzt schließlich auch nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
Dieser Zulassungsgrund liegt vor, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechts- oder Tatfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich in dem erstrebten Rechtsmittelverfahren stellen würde und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer obergerichtlichen Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf (Beschluss des Senats vom 10. Juni 2020 – OVG 11 N 14.18 –, juris Rn. 26).
Hinsichtlich der von der Beigeladenen aufgeworfenen Frage, ob der abgeschlossene Vergleich einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 4 UmwRG gleichzustellen sei, bedarf es nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens, da sich diese Frage wie (zumal bereits anhand des Wortlauts der Vorschrift) dargelegt bereits im Zulassungsverfahren klären lassen konnte. Gleiches gilt im Ergebnis für die von der Beigeladenen dargestellte Frage nach dem Verständnis des öffentlichen Interesses im Sinne des § 34 Abs. 3 BNatSchG.
Die Erwägungen der Beigeladenen im Schriftsatz vom 8. Oktober 2018 stellen Vertiefungen ihres bisherigen Vortrags dar und können als solche aus den dargelegten Gründen nicht die Zulassung der Berufung begründen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG (Streitwertkatalog Nr. 51.2.3, bei Zugrundelegung von 18 Bootsliegeplätzen).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).