Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 11. Senat | Entscheidungsdatum | 08.03.2012 | |
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Aktenzeichen | OVG 11 M 10.12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 166 VwGO, § 92 VwGO, § 269 Abs 3 S 1 ZPO |
Nach Klagerücknahme kommt eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe grundsätzlich nicht mehr in Betracht. Hiervon ist allenfalls dann aus Billigkeitsgründen eine Ausnahme zu machen, wenn der Kläger das Gericht darauf hinweist, dass die Klagerücknahme Voraussetzung für eine gütliche Streitbeilegung ist, das Gericht jedoch dennoch nicht alsbald über den Antrag entscheidet, und dem Kläger ein weiteres Zuwarten nicht zumutbar ist.
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 6. Januar 2012 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Die Beschwerde des Klägers gegen die erstinstanzliche Versagung von Prozesskostenhilfe hat keinen Erfolg. Zur Begründung nimmt der Senat auf die zutreffenden und durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräfteten Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug. Entgegen der Auffassung des Klägers kommt eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach Klagerücknahme grundsätzlich nicht in Betracht. Prozesskostenhilfe wird für die beabsichtigte Rechtsverfolgung (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO) und damit für die Zukunft bewilligt. Maßgeblich für die Frage, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, ist allerdings nicht der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, sondern derjenige der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Juli 2003 - 1 B 386.02 -, Buchholz 310 § 166 VwGO Nr. 39 S. 2, 3; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. August 2005 - 12 M 3.05 -). Daher kann Prozesskostenhilfe ausnahmsweise auch noch nach dem Abschluss des Verfahrens vor dem Gericht des betreffenden Rechtszuges bewilligt werden, wenn der Antrag während des Verfahrens gestellt, aber nicht beschieden worden ist und der Antragsteller mit seinem Antrag bereits alles für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe Erforderliche getan hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. März 1998 - 1 PKH 3/98 -, zit. nach Juris; für den Fall der streitigen Entscheidung: KG, Beschluss vom 5. Juli 1999 - 3 WF 1126/99 -, FamRZ 2000, 838, 839; für den Fall übereinstimmender Erledigungserklärung: OVG Berlin, Beschluss vom 5. März 1998 - 8 M 9/98 -, NVwZ 1998, 650). Dies gilt jedoch grundsätzlich nicht für den Fall der Klagerücknahme (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Senatsbeschlüsse vom 26. Februar 2008 - 11 M 35 u. 36.07 -, und vom 25. November 2008 - OVG 11 M 62.08; Beschlüsse vom 12. Mai 2006 - OVG 9 M 81.05 -, vom 6. Juni 2006 - OVG 12 M 28.05 - und vom 26. August 2005 - 8 M 41.05 -; OVG Greifswald, Beschluss vom 16. Februar 2005 - 1 O 390/04 -, bei Juris sowie DÖV 2006, 128 [Leitsatz]). Denn die Klagerücknahme lässt gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO die Rechtshängigkeit der Klage rückwirkend entfallen. Damit gibt es keinen Zeitpunkt der Entscheidungsreife mehr, auf den bezogen rückwirkend Prozesskostenhilfe bewilligt werden könnte. Insoweit erschließt sich nicht, warum, wie mit der Beschwerde geltend gemacht, für eine Bescheidungsklage Abweichendes gelten sollte.
Ob aus Billigkeitsgründen ausnahmsweise auch nach Klagerücknahme Prozesskostenhilfe gewährt werden kann, wenn der Kläger das Gericht darauf hinweist, dass die Klagerücknahme Voraussetzung für eine gütliche Streitbeilegung ist, das Gericht jedoch dennoch nicht alsbald über den Antrag entscheidet (vgl. hierzu VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. April 2002 - 11 S 119/02 -, VBlBW 2002, 529 m.w.N.), bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn der Kläger hat die Klagerücknahme bereits einen Tag nach ihrer Ankündigung erklärt, ohne dem Gericht zuvor noch Gelegenheit zur Entscheidung gegeben zu haben (vgl. dazu auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. Juni 2006 - OVG 12 M 28.05 -). Dass ihm ein weiteres befristetes Zuwarten unzumutbar gewesen wäre, ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Vielmehr hatte er mit Schriftsatz vom 27. September 2011 selbst die Möglichkeit angesprochen, das Verfahren nach Ergehen eines Beschlusses über den Prozesskostenhilfeantrag durch einen vom Gericht vorzuschlagenden Vergleich zu beenden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 127 Abs. 4 ZPO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es wegen der gesetzlich bestimmten Festgebühr nicht.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).