Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 32. Senat | Entscheidungsdatum | 21.11.2013 | |
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Aktenzeichen | L 32 AS 579/13 B PKH | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 387 BGB |
Auf die Beschwerde des Klägers zu 1 wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 29. Januar 2013 geändert.
Dem Kläger zu 1 wird Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt BG bewilligt.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
I.
Die Kläger begehren von dem Beklagten Zahlung von 20 Euro monatlich ab 01. Januar 2010.
Der im November 1967 geborene Kläger zu 1, der mit der Klägerin zu 2, seiner Ehefrau, und den Klägern zu 3 und 5, den gemeinsamen Kindern, in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, erklärte gegenüber der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit am 27. Juli 2008: Die gegen mich bestehenden Forderungen Leistung für Unterkunft/Heizung, Alg II, 01. September bis 30. November 2006, Mahnung in Höhe von 1.294,18 Euro erkenne ich an. Ich beziehe zurzeit Alg II vom Jobcenter Reinickendorf. Hiermit erkläre ich, dass ich auf den gesetzlichen Aufrechnungsschutz verzichte bzw. erkläre ich die Aufrechnung meiner Forderungen gegenüber der Bundesagentur für Arbeit mit der/den gegen mich bestehenden Forderungen. Die mir zustehende Leistung soll teilweise, in Höhe von 20 Euro monatlich, aufgerechnet werden. Der Beklagte erteilte daraufhin den Bescheid vom 26. August 2008 zum Leistungszeitraum vom 01. Oktober 2008 bis 31. Dezember 2008, mit dem er wegen Berücksichtigung der Aufrechnung in Höhe von 20 Euro an die Regionaldirektion Berlin-Brandenburg ab 01. Oktober 2008 den Bescheid über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes teilweise aufhob.
Der Beklagte gewährte den Klägern auf deren Antrag auf Weiterbewilligung mit Bescheid vom 02. Dezember 2009 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 01. Januar 2010 bis 30. Juni 2010 von 1.541,92 Euro monatlich, davon an den Kläger zu 1 323 Euro zur Sicherung des Lebensunterhalts und 140,56 Euro für Unterkunft und Heizung. Als Zahlungsempfänger werden der Kläger zu 1 und die Regionaldirektion BB mit dem Hinweis Festbetrag vorrangig BA genannt.
Der Beklagte zahlte an die Regionaldirektion Berlin-Brandenburg ab Januar 2010 bis Juni 2010 jeweils 20 Euro.
Mit Beschluss vom 14. Januar 2010 eröffnete das Amtsgericht Wedding (38 IK 316/09) über das Vermögen des Klägers zu 1 das Insolvenzverfahren und bestellte den Prozessbevollmächtigten der Kläger zum Treuhänder. Mit Schreiben vom 02. Februar 2010 forderte dieser als Treuhänder die Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Berlin-Brandenburg auf, ihre Forderungen gegenüber dem Kläger zu 1 anzumelden.
Mit Bescheid vom 27. Mai 2010 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01. Juli 2010 bis 30. November 2010 von 1.549,92 Euro und für Dezember 2010 von 1.568,92 Euro, davon an den Kläger zu 1 323 Euro zur Sicherung des Lebensunterhalts und 140,56 Euro für Unterkunft und Heizung. Die Angaben zum Zahlungsempfänger blieben unverändert.
Der Beklagte zahlte an die Regionaldirektion Berlin-Brandenburg ab Juli 2010 bis Dezember 2010 jeweils 20 Euro.
Mit Bescheid vom 16. November 2010 gewährte der Beklagte den Klägern Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01. Januar 2011 bis 30. Juni 2011 von 1.627,92 Euro, davon an den Kläger zu 1 323 Euro zur Sicherung des Lebensunterhalts und 149 Euro für Unterkunft und Heizung. Die Angaben zum Zahlungsempfänger blieben unverändert.
Der Beklagte zahlte an die Regionaldirektion Berlin-Brandenburg ab Januar 2011 bis Juni 2011 jeweils 20 Euro.
Nachdem dem Kläger zu 1 Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01. September 2010 bis 31. Januar 2013 in Höhe von 1.026,40 Euro monatlich bewilligt worden war (Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 21. Januar 2011), erteilte der Beklagte u. a. die Änderungsbescheide jeweils vom 18. Februar 2011, mit dem sie Leistungen nach dem SGB II nunmehr für die Zeit vom 01. März 2011 bis 31. März 2011 in Höhe von 631, 52 Euro, davon an den Kläger zu 1 32,68 Euro zur Sicherung des Lebensunterhalts und 149,00 Euro sowie für Unterkunft und Heizung, sowie für die Zeit vom 01. April 2011 bis 30. Juni 2011 in Höhe von 637,98 Euro monatlich, davon an den Kläger zu 1 33,05 Euro zur Sicherung des Lebensunterhalts und 150,26 Euro für Unterkunft und Heizung, bewilligte.
Mit Änderungsbescheid vom 18. Mai 2011 gewährte der Beklagte den Klägern Leistungen nach dem SGB II nunmehr für die Zeit vom 01. Januar 2011 bis 31. März 2011 von 682,33 Euro, davon an den Kläger zu 1 38,66 Euro zur Sicherung des Lebensunterhalts und 157,17 Euro für Unterkunft und Heizung, sowie für die Zeit vom 01. April 2011 bis 30.Juni 2011 von 680,79 Euro, davon an den Kläger zu 1 39,03 Euro zur Sicherung des Lebensunterhalts und 158,43 Euro für Unterkunft und Heizung
Mit weiterem Bescheid vom 18. Mai 2011 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01. Juli 2011 bis 30. November 2011 von 680,79 Euro, davon an den Kläger zu 1) 39,03 Euro zur Sicherung des Lebensunterhalts und 158,43 Euro für Unterkunft und Heizung, vom 01. Dezember 2011 bis 14. Dezember 2011 von 317,70 Euro monatlich, davon an den Kläger zu 1) 3,56 Euro zur Sicherung des Lebensunterhalts und 73,93 Euro für Unterkunft und Heizung, und vom 15. Dezember 2011 bis 31. Dezember 2011 von 363,09 Euro monatlich, davon an den Kläger zu 1) 37,10 Euro zur Sicherung des Lebensunterhalts und 84,50 Euro für Unterkunft und Heizung. Die Angaben zum Zahlungsempfänger blieben unverändert, wobei allerdings nunmehr die Regionaldirektion BB als BA-SH/Zentralkasse bezeichnet wurde.
Der Beklagte zahlte an die Regionaldirektion Berlin-Brandenburg ab Juli 2011 bis Dezember 2011 jeweils 20 Euro monatlich.
Im Juli 2011 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Kläger die Überprüfung aller auf Grundlage des SGB II ab Januar 2010 bestandskräftigen Bescheide, die eine teilweise Tilgung/Aufrechnung der Regelleistungen mit offenen Forderungen der Bundesagentur für Arbeit vornähmen, nämlich die Bescheide vom 02. Dezember 2009, 27. Mai 2010, 16. November 2010, 18. Februar 2011 und jeweils vom 18. Mai 2011. Obwohl die Bundesanstalt für Arbeit mit Schreiben vom 02. Februar 2010 aufgefordert worden sei, ihre Forderungen im Insolvenzverfahren anzumelden, habe sie davon keinen Gebrauch gemacht. Die Forderung der Bundesanstalt für Arbeit könne als Forderung eines Insolvenzgläubigers nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgt werden. Trotz mehrfachen Hinweises darauf seien dem Kläger zu 1 ab Januar 2010 monatlich 20 Euro aufgrund der rechtswidrigen Bewilligungsbescheide zu Unrecht vorenthalten worden.
Mit Bescheiden jeweils vom 20. Januar 2012 lehnte der Beklagte die Rücknahme der Bescheide vom 02. Dezember 2009, 27. Mai 2010, 16. November 2010, 18. Februar 2011 und 18. Mai 2011 ab. Die dagegen eingelegten Widersprüche wies er mit Widerspruchsbescheid vom 10. April 2012 zurück: Die genannten Bescheide enthielten keine Regelung hinsichtlich der monatlichen Aufrechnung. Das Recht zur Aufrechnung ergebe sich nicht aus diesen Bescheiden, sondern allein auf der Aufrechnungserklärung des Klägers zu 1 vom 27. Juli 2008.
Mit Bescheid vom 28. November 2011 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01. Januar 2012 bis 30. Juni 2012 von 688,59 Euro, davon an den Kläger zu 1) 42,81 Euro zur Sicherung des Lebensunterhalts und 158,43 Euro für Unterkunft und Heizung. Die Angaben zum Zahlungsempfänger blieben unverändert.
Der Beklagte zahlte an die Regionaldirektion Berlin-Brandenburg ab Januar 2012 bis Juni 2012 jeweils 20 Euro monatlich.
Am 02. Mai 2012 haben die Kläger Leistungsklage erhoben und zugleich Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen beantragt.
Sie tragen vor, mit Beschluss vom 02. März 2011 habe das Amtsgericht Wedding das Insolvenzverfahren aufgehoben, so dass nunmehr eine Anmeldung der Forderung der Bundesagentur für Arbeit nicht mehr möglich sei. Der Kläger zu 1 habe den Antrag auf Erteilung einer Restschuldbefreiung gestellt, die nach § 301 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO) gegen alle Insolvenzgläubiger wirke, auch wenn diese ihre Forderungen nicht angemeldet hätten. Für eine monatliche Aufrechnung sei daher kein Platz; sie könne keine Wirkung entfalten. Da nach dem Widerspruchsbescheid vom 10. April 2012 die erteilten Bescheide keine Regelung zur Aufrechnung enthielten, sei die allgemeine Leistungsklage die zutreffende Klage. Die geübte Aufrechnungspraxis sei mit Insolvenzbeginn rechtswidrig. Der rechtswidrige Vermögensgewinn sei zu beenden. Die erhaltenen Leistungen nach dem SGB II lägen zweifelsfrei unter den Pfändungsfreigrenzen der §§ 850 ff. Zivilprozessordnung (ZPO). Eine Aufrechnungslage nach § 51 SGB I sei nicht gegeben, da die Leistungen nicht pfändbar seien.
Mit Beschluss vom 29. Januar 2013 hat das Sozialgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt: Zwar gehörten die Alg-II-Leistungen gemäß § 35 Abs. 1 InsO grundsätzlich als so genannter Neuerwerb zur Insolvenzmasse, allerdings nur mit ihrem pfändbaren Anteil. Die dem Kläger zu 1) von dem Beklagten seit Januar 2010 monatlich gewährten Grundsicherungsleistungen hätten innerhalb der Pfändungsfreigrenzen des § 850 c ZPO (989,99 Euro bis 30. Juni 2011, 1.129,90 Euro ab 01. Juli 2011) gelegen. Sie hätten daher von vornherein nicht zur Befriedigung anderer Gläubiger zur Verfügung gestanden. Die Aufrechnung gegen den unpfändbaren Teil der Sozialleistung werde von § 51 Abs. 2 SGB I i. V. m. § 43 SGB II ausdrücklich zugelassen. Da die Aufrechnungsbefugnis des Beklagten bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgelegen habe, sei der Beklagte als Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO) gemäß § 94 InsO zur Aufrechnung befugt gewesen und habe seine Forderung nicht zur Tabelle anmelden müssen. Ungeachtet dessen könnten Insolvenzgläubiger nach § 201 Abs. 1 InsO nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ihre restlichen Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend machen, denn erst wenn die Restschuldbefreiung erteilt werde, werde der Schuldner von den im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern befreit (§ 286 InsO). Eine mögliche spätere Restschuldbefreiung des Schuldners stehe der Durchsetzbarkeit der Forderungen während der sechsjährigen Wohlverhaltensperiode (§ 287 Abs. 2 Satz 1 InsO) nicht entgegen (Bundesgerichtshof – BGH, Urteil vom 18. November 2010 – IX ZR 67/10).
Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 05. Februar 2013 zugestellten Beschluss richtet sich die am 28. Februar 2013 eingelegte Beschwerde der Kläger.
Sie weisen darauf hin, dass eine wirksame Aufrechnung einer empfangsbedürftigen Aufrechnungserklärung bedürfe. Erklärungsempfänger sei nach § 80 i. V. m. § 313 InsO der Treuhänder. Eine solche sei nicht abgegeben worden. Die Klausel in den betroffenen Bewilligungsbescheiden verstecke die Aufrechnung; die Aufrechnung werde als technischer Takt der Überweisung eines unbestimmten vorrangigen Festbetrages zu Gunsten BA-SH/Zentralkasse deklariert. Eine mögliche Aufrechnung sei sowohl der Höhe als auch hinsichtlich des Zeitraums des zugrunde liegenden Aufhebungs- und Bestattungsbescheides vom 13. Februar 2007 nach begrenzt.
Der Beklagte hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des sonstigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten Band I bis III des Beklagten (), die bei der Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde des Klägers zu 1) ist begründet.
Das Sozialgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Unrecht abgelehnt, denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Hinreichende Erfolgsaussicht ist - soweit die Entscheidung des Rechtsstreits allein von der Beantwortung einer Rechtsfrage abhängt - anzunehmen, wenn zum maßgebenden Zeitpunkt der Erfolgsprüfung, der frühestens mit dem Tag des Eingangs der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorliegt, der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat. Dies ist der Fall, wenn der Rechtsstandpunkt des Prozesskostenhilfe beantragenden Beteiligten für zutreffend oder zumindest für vertretbar gehalten werden kann und somit die Möglichkeit seines Obsiegens ebenso wahrscheinlich wie sein Unterliegen ist (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 9. Auflage, § 73a Rdnr. 7a). Ist eine Rechtsfrage aufgeworfen, die in der Rechtsprechung noch nicht geklärt ist, aber klärungsbedürftig ist, muss Prozesskostenhilfe bewilligt werden. Ebenso gilt dies, wenn das Gericht von Rechtsprechung oder der herrschenden Meinung im Schrifttum abweichen will. Schließlich darf Prozesskostenhilfe nicht abgelehnt werden, wenn eine schwierige Rechtsfrage zu beantworten ist (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 73a Rdnr. 7b m.w.N.).
Eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Leistungsklage erfolgreich sein wird, ist zu bejahen.
Nach § 54 Abs. 5 SGG kann mit der Klage die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.
Die Leistungsklage ist danach zulässig, denn der Kläger zu 1) leitet den Anspruch auf Zahlung von 20 Euro monatlich ab 01. Januar 2010 aus bereits ergangenen Bescheiden über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab und begehrt (lediglich) Auszahlung dieser bewilligten Leistung auch hinsichtlich eines Restbetrages von 20 Euro monatlich, den der Beklagte an die Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Berlin-Brandenburg gezahlt hat.
Dieser Zahlungsanspruch des Klägers zu 1) gegenüber dem Beklagten besteht.
Dem Zahlungsanspruch kann allein die Einwendung der Erfüllung entgegengehalten werden, die voraussetzt, dass die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt worden ist (analog § 362 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB). Der Kläger zu 1 ist jedoch Gläubiger des ihm von dem Beklagten noch geschuldeten monatlichen Betrages von 20 Euro ab 01. Januar 2010. Eine wirksame Aufrechnung ist nicht erfolgt.
Nach § 43 Sätze 1 und 3 SGB II in der Fassung des Gesetzes vom 19. November 2004 (BGBl I 2004, 2902) bzw. nach § 43 Sätze 1 und 2 SGB II in der Fassung des Gesetzes vom 09. Dezember 2010 (BGBl. I 2010, 1885) gilt: Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts können bis zu einem Betrag in Höhe von 30 v. H. der für den Hilfebedürftigen maßgebenden Regelleistung mit Ansprüchen der Träger von Leistungen nach diesem Buch aufgerechnet werden, wenn es sich um Ansprüche auf Erstattung oder Schadenersatz handelt, die der Hilfebedürftige durch vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben veranlasst hat. Die Aufrechnungsmöglichkeit ist auf drei Jahre beschränkt.
Nach § 43 Abs. 1 und Abs. 4 SGB II in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Mai 2011 (BGBl. 2011, 850) gilt: Die Träger von Leistungen nach diesem Buch können gegen Ansprüche von Leistungsberechtigten auf Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aufrechnen, mit ihren 1. Erstattungsansprüche nach § 42 Abs. 2 Satz 2 § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB I, § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III oder § 50 SGB X oder 2. Ersatzansprüchen nach den §§ 34 oder 34 a. Die Aufrechnung ist gegenüber der leistungsberechtigten Person schriftlich durch Verwaltungsakt zu erklären. Sie endet spätestens drei Jahre nach dem Monat, der auf die Bestandskraft der in § 43 Abs. 1 SGB II genannten Entscheidungen folgt. Zeiten, in denen die Aufrechnung nicht vollziehbar ist, verlängern den Aufrechnungszeitraum entsprechend. Wegen der Höhe der Aufrechnung trifft § 43 Abs. 2 SGB II nähere Regelungen. Soweit die Regelungen des SGB II keine besonderen Bestimmungen zur Aufrechnung treffen, sind die Vorschriften des BGB über die Aufrechnung (§ 387 ff. BGB) entsprechend heranzuziehen (vgl. Bundessozialgericht – BSG, Urteil vom 18. Februar 1992 – 13/5 RJ 61/90, abgedruckt in SozR 3-1200 § 52 Nr. 3 zur entsprechenden Vorschrift des § 51 SGB I).
Maßgebende Vorschrift ist mithin § 387 BGB. Danach gilt: Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann. Die Forderung des aufrechnenden Leistungsträgers muss mithin entstanden und fällig sein, während die gleichartige Forderung, mit der aufgerechnet werden soll, entstanden und erfüllbar sein muss. Nach § 388 Satz 1 BGB erfolgt die Aufrechnung durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil. Der zuständige Leistungsträger ist berechtigt, die Verrechnung durch Verwaltungsakt (§ 31 Satz 1 SGB X) vorzunehmen. Einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung für den Erlass eines Verwaltungsaktes mit dem Inhalt der Aufrechnung bedarf es nicht (vgl. BSG, Urteil vom 07. Februar 2012 – B 13 R 85/09 R, abgedruckt in SozR 4-1200 § 52 Nr. 5; BSG, Beschluss des Großen Senats vom 31. August 2011 – GS 2/10, abgedruckt in BSGE 109, 81 = SozR 4-1200 § 52 Nr. 4 zu § 52 SGB I). Mit § 43 Abs. 4 Satz 1 SGB II ist dies zwischenzeitlich mit Wirkung ab 01. April 2011 ausdrücklich klargestellt. Die Aufrechnung bewirkt nach § 389 BGB, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind. Schuldtilgende Wirkung tritt damit erst mit der Aufrechnungserklärung, dann jedoch rückwirkend auf den Zeitpunkt ein, zudem erstmalig eine Aufrechnung möglich war (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juli 2003 – B 4 RA 60/02, abgedruckt in SozR 4-1200 § 52 Nr.1).
Eine Aufrechnungserklärung insbesondere durch Verwaltungsakt des Beklagten liegt nicht vor. Die Bescheide vom 02. Dezember 2009, 27. Mai 2010, 16. November 2010, 18. Februar 2011, 18. Mai 2011 und vom 28. November 2011 enthalten eine solche Erklärung bzw. Verfügung nicht. Sie ist insbesondere nicht in der Angabe der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg als Zahlungsempfänger zu sehen. Ungeachtet dessen, dass daraus schon kein Betrag ersichtlich ist, der als Aufrechnungsbetrag in Betracht käme, so dass es an einer hinreichenden Bestimmtheit der Aufrechnungserklärung bzw. des Verfügungssatzes mangeln würde, handelt es sich dabei ausschließlich um eine schlichte Mitteilung darüber, an wen Zahlungen erfolgen. Dies wird auch daran ersichtlich, dass als Zahlungsempfänger neben der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg auch der Kläger zu 1) genannt wird. Der Beklagte ist insoweit keiner anderen Ansicht, wie aus dem Widerspruchsbescheid vom 10. April 2012 ersichtlich ist, wonach diese Bescheide keine Regelung hinsichtlich der monatlichen Aufrechnung enthalten.
Soweit der Beklagte meint, das Recht zur Aufrechnung ergäbe sich allein aus der Aufrechnungserklärung des Klägers zu 1) vom 27. Juli 2008, erschließt sich nicht, was der Beklagte mit „das Recht“ meint. Sollte er der Ansicht sein, dass sich sein Recht zur Aufrechnung daraus ableiten lässt, irrt er, denn ein Recht zur Aufrechnung wird ihm vom Kläger zu 1 darin gerade nicht eingeräumt. Der Kläger zu 1 hat unter 27. Februar 2008 vielmehr erklärt, dass er auf den gesetzlichen Aufrechnungsschutz verzichte bzw. selbst die Aufklärung seiner Forderungen gegenüber der Bundesagentur für Arbeit mit der/den gegen ihn bestehenden Forderungen erklärt. Es ist daraus nicht andeutungsweise ersichtlich, dass dem Beklagten damit ein (neben dem Gesetz bestehendes) schuldrechtliches Recht zur Aufrechnung eingeräumt würde.
Sollte der Beklagte hingegen der Ansicht sein, die unter dem 27. Februar 2008 vom Kläger zu 1) erklärte Aufrechnung räume ihr das Recht ein, mit schuldbefreiender Wirkung gegenüber dem Kläger zu 1) einen monatlichen Betrag von 20 Euro ab 01. Januar 2010 an die Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Berlin-Brandenburg zu leisten, könnte dies zwar grundsätzlich in Betracht zu ziehen sein, denn es dürfte nichts dagegen sprechen, dass der Kläger zu 1) selbst mit einer eigenen Forderung gegenüber einer Forderung der Bundesagentur für Arbeit aufrechnen könnte. Allerdings ist hierbei § 387 BGB zu beachten. Da nach § 387 BGB jeder Teil seine Forderung ... (nur) aufrechnen kann, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern … kann, folgt daraus, dass seine Forderung vollwirksam und fällig sein muss. Dies setzt voraus, dass die Forderung bereits entstanden ist. Damit scheidet die Aufrechnung mit künftigen Forderungen, deren Entstehung nur zu erwarten ist, aus. Eine Aufrechnung mit einer künftigen Forderung ist daher unwirksam (Schlüter in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, § 387 Rdnrn. 36, 37; Gursky in Staudinger, BGB - Neubearbeitung 2011, § 387 Rdnr. 136; Grüneberg in Palandt, 72. Auflage 2013, § 387 Rdnr. 11; so schon Reichsgericht, Urteil vom 28. Juni 1943 – III 5/43, abgedruckt in RGZ 171, 215, 220/221; insbesondere auch zur Frage der Aufrechnung von erst fällig werdenden Einzelansprüchen im Rahmen eines bereits begründeten Dauerschuldverhältnisses).
Die Ansprüche des Klägers zu 1) auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab 01. Januar 2010 waren jedenfalls bei Erklärung der Aufrechnung des Klägers zu 1) vom 27. Juli 2008 noch nicht entstanden, so dass es sich um künftige Ansprüche handelt, gegen die eine Aufrechnung unzulässig und damit unwirksam ist.
Damit stand bzw. steht dem Beklagten nicht das Recht zu, mit schuldbefreiender Wirkung ab 01. Januar 2010 20 Euro monatlich an die Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Berlin-Brandenburg zu leisten.
Mithin bietet die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Der Kläger zu 1) kann die Kosten der Prozessführung nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen auch nicht aufbringen.
Die Vertretung des Klägers zu 1) durch einen Rechtsanwalt erscheint geboten.
Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet, denn es ist nach dem eigenen Vortrag der Kläger zu 2 bis 5 schon nicht ersichtlich, dass sie neben dem Kläger zu 1) als weitere Gesamtgläubiger Anspruch auf Zahlung von 20 Euro monatlich hätten, denn dieser Betrag wurde nicht Ihnen gegenüber aus den ihnen bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes vorenthalten.
Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).