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Arbeitslosenhilfe; Aufhebung; TCMB; Beweislast


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 18. Senat Entscheidungsdatum 07.06.2010
Aktenzeichen L 18 AL 35/10 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 45 SGB 10

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 28. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) und über die Erstattung entsprechender Leistungen für die Zeit vom 17. April 2003 bis 3. August 2003, vom 19. August 2003 bis 14. Januar 2004 und vom 15. Juli 2004 bis 31. Dezember 2004.

Der 1956 geborene türkische Kläger ist seit 1976 mit der 1955 geborenen NG verheiratet. Er war von 1982 bis 1994 bei der H S GmbH als Gabelstaplerfahrer und von Oktober 1994 bis Ende September 1996 bei der G AG als Lagerarbeiter beschäftigt. Vom 14. Januar 1997 bis 2. Februar 1998 bezog er mit aus Krankheit und Ortsabwesenheit bedingten Unterbrechungen Arbeitslosengeld (Alg).

Von 1992 bis 1997 verfügten der Kläger und seine Ehefrau auf sieben gemeinsamen Konten bei der Türkischen Nationalbank (TCMB) in A über Guthaben in wechselnder Höhe. Nach einer Erträgnisaufstellung der TCMB vom 31. Juli 2007, auf die Bezug genommen wird, wurden auf diesen Konten bis 1. März 1997 insgesamt 66.248,- DM eingezahlt bzw. gutgeschrieben, darunter auch zwei zwischenzeitlich erwirtschaftete Zinsbeträge in Höhe von 3.572,- DM und 4.806,- DM (tatsächlich eingezahlt: 57.870 DM). Die Aufstellung weist weitere Zinserträge in Höhe von 238,84 DM, 20,19 DM und 4.806,- DM auf. Mit Ausnahme des zuletzt genannten Zinsbetrages, der am 2. Februar 1997 gutgeschrieben worden war, wurden sämtliche Guthaben (66.507,03 DM) vom 2. Mai 1994 bis zum 15. September 1997 (ganz überwiegend bei der Dresdner Bank) ausgezahlt.

Ab 3. Februar 1998 bezog der Kläger mit ortsabwesenheits- bzw. krankheitsbedingten Unterbrechungen Alhi (mit Nebeneinkommen aus Tätigkeiten als Reinigungskraft). Nachdem er am 8. April 2003 eine Beschäftigung als Staplerfahrer bzw. Transportarbeiter bei der F B C AG aufgenommen hatte, die am 10. April 2003 durch seine Kündigung beendet worden war, meldete er sich zum 17. April 2003 erneut arbeitslos. Die Beklagte hob die auf den Fortzahlungsantrag des Klägers vom 21. Januar 2003 - bei dem er die Frage nach Geldanlagen und Konten mit Girokonto „0,-€“ beantwortete und im Übrigen verneinte – mit Bescheid vom 7. Februar 2003 für die Zeit vom 3. Februar 2003 bis 2. Februar 2004 verlautbarte Bewilligung von Alhi (täglicher Leistungssatz 21,23 €) mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 7. Mai 2003 in der Fassung des Bescheides vom 9. Juli 2003, bestätigt mit Widerspruchsbescheid vom 5. August 2003, für die Zeit vom 8. April 2003 bis 16. April 2003 auf und setzte unter Aufrechnung mit Geldleistungsansprüchen des Klägers einen Erstattungsbetrag in Höhe von 191, 07 € fest. Vom 14. Juli 2003 bis 18. August 2003 hielt sich der Kläger „auswärts“ mit Zustimmung der Beklagten für die ersten drei Wochen auf. Die Bewilligung der Alhi wurde mit Aufhebungsbescheid vom 4. August 2003 für die Zeit vom 4. August 2003 bis 18. August 2003 aufgehoben.

Nachdem der Kläger die Aufnahme einer Beschäftigung bei der S R Bund Q mbH (S GmbH) zum 15. Januar 2004 angekündigt hatte, hob die Beklagte mit Bescheid vom gleichen Tag die Bewilligung der Alhi ab 15. Januar 2004 auf. Das Beschäftigungsverhältnis des Klägers mit der S GmbH endete am 14. Juli 2004. Auf seine Arbeitslosmeldung vom 9. August 2004 und den rückwirkend zum 15. Juli 2004 gestellten Antrag auf Bewilligung von Alhi vom 16. August 2004, in dem der Kläger die Frage nach Konten und Geldanlagen mit „Girokonto 186,60 €“ beantwortete und im Übrigen verneinte, bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 23. August 2004 Alhi (Bemessungsentgelt: 400,94 € wöchentlich) vom 15. Juli 2004 bis 31. Dezember 2004.

Mit Schreiben vom 1. Februar 2007 teilte das Finanzamt W (FA) der Beklagten mit, der Kläger und seine Ehefrau hätten im Jahr 2004 Zinseinkünfte in Höhe von 22.000,- € und im Jahr 2005 Zinseinkünfte von 5.000,- € erzielt. Die Beklagte wies mit Schreiben vom 15. Mai 2007 unter Bezugnahme auf § 24 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) den Kläger darauf hin, ihm sei ab 17. April 2003 Alhi in Höhe von 9.103,08 € zu Unrecht gezahlt worden. Die fehlerhafte Bewilligung sei erfolgt, weil er im Antrag vom 17. April 2003 zumindest grob fahrlässig falsche und unvollständige Angaben gemacht habe. Unter dem 4. Juli 2007 teilte das FA der Beklagten mit, die Einkünfte des Klägers und seiner Frau aus Kapitalvermögen seien für 2004 und 2005 geschätzt worden, weil die Eheleute zu in den Kalenderjahren 1994/1995 angelegten Beträgen in Höhe von 135.643,- DM nie Angaben gemacht hätten. Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 25. Juli 2007 hob die Beklagte gegenüber dem Kläger die Bewilligung von Alhi für die Zeit ab 17. April 2003 auf und forderte den Kläger auf, Alhi in Höhe von 9.103,08 € sowie - unter Hinweis auf § 335 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) - Beiträge in Höhe von 1.410,98 € zur Krankenversicherung und in Höhe von 154,75 € zur Pflegeversicherung zu erstatten.

Das FA übersandte der Beklagten unter dem 3. September 2007 sieben Belege in Kopie über Finanztransaktionen des Klägers, seiner Ehefrau sowie der gemeinsamen Tochter S G mit der TCMB in den Jahren 1993 bis 1996 über Beträge in Höhe von insgesamt 135.643,- DM. Mit Schreiben vom 16. September 2007 trug der Kläger unter Vorlage zweier Bescheinigungen der TCMB vom 6. Juli 2007 und vom 4. September 2007 sowie der Erträgnisaufstellung vom 31. Juli 2007 vor: Seit August 1997 verfüge er über kein Vermögen mehr bei der „türkischen Bank“. Nach den von ihm eingereichten Bescheinigungen der TCMB verfügten seine Frau und er seit August 1997 nicht mehr über Konten bei der TCMB. Das gesamte Guthaben sei zu den in der Kontenübersicht angegebenen Daten abgehoben und „anderweitig verbraucht“ worden. Im Zeitpunkt der Abhebung sei er erwerbstätig gewesen und habe auch keine Leistungen bezogen.

Die Beklagte wertete das Schreiben des Klägers vom 16. September 2007 als Widerspruch, den sie mit Widerspruchsbescheid vom 26. Oktober 2007 wegen Verfristung als unzulässig verwarf, sowie als Überprüfungsantrag, den sie mit Bescheid vom 2. November 2007 ablehnte.

Während des Klageverfahrens hat die Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 26. Oktober 2007 mit Bescheid vom 28. Mai 2008 zurückgenommen und den Widerspruch unter Abtrennung des die Rückforderung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung betreffenden Verfahrens mit Widerspruchsbescheid vom 7. Juli 2008 als unbegründet zurückgewiesen. Anspruch auf Alhi habe nur, wer bedürftig sei. In seinen Anträgen auf Alhi habe der Kläger keine Vermögenswerte angegeben. Der Kläger und seine Ehefrau hätten in den Jahren 1995/96 mindestens 135.643,- DM auf Konten der TCMB eingezahlt. Vollständige Kontoauszüge über den tatsächlichen Kontostand und die weitere Entwicklung der Geldanlage habe der Kläger trotz mehrfacher Aufforderung nicht beigebracht. In vergleichbaren Fällen hätten derartige Kontoauszüge von den Kontoinhabern beschafft werden können. Die Bescheinigung der TCMB vom 4. September 2007 treffe keine Aussage „zu 1997“. Bei Abhebung der Gelder 1997 wäre außerdem nachzuweisen, wo die Gelder verblieben seien. Bei rückwirkender Aufhebung der Bewilligung von Alhi treffe zwar den Leistungsträger grundsätzlich die Beweislast für die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides. Ergebe sich jedoch nach Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglichkeiten, dass der Sphäre des Arbeitslosen zuzuordnende Vorgänge nicht aufklärbar seien, gehe dies zu dessen Lasten (BSG, Urteil vom 24. Mai 2006 – B 11a AL 7/05 -). Angesichts der 1995/1996 getätigten Überweisungen sei davon auszugehen, dass der Kläger durchgehend über Vermögen verfügt habe, das seine Bedürftigkeit ausgeschlossen habe. Die Bewilligung der Alhi sei gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nrn. 2 und 3 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 2 SGB III zurückzunehmen. Die Erstattungspflicht ergebe sich aus § 50 Abs. 1 SGB X. Der Kläger hat im Klageverfahren vorgetragen: Die (vollständige) Abhebung der Geldanlagen im Jahre 1997 werde durch die eingereichte Erträgnisaufstellung vom 31. Juli 2007 dokumentiert. Die von der Beklagten monierte fehlende Übereinstimmung zwischen dieser Erträgnisaufstellung und den (vom FA beschafften) Belegen über Überweisungen an die TCMB sei schon deshalb nicht zu erwarten, weil die TCMB auf die Überweisung vom 7. März 1994 hin die Eröffnung eines Kontos (auch) für die am 31. März 1978 geborene und damals noch minderjährige Tochter S abgelehnt habe. Mit der Vorlage der Unterlagen der TCMB sei er seiner Mitwirkungspflicht „vollumfänglich“ nachgekommen.

Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) Berlin den Kläger mit Schreiben vom 13. Mai 2009 aufgefordert, den Verbleib des vom FA W genannten Anlagebetrags von 135.643,- DM sowie der in der T angelegten Beträge unter Vorlage entsprechender Nachweise darzulegen. Mit den im Verwaltungsverfahren eingereichten Unterlagen der TCMB vom 4. September 2007 habe der Kläger seinen Mitwirkungspflichten nicht genügt. Zugleich hat das SG den Kläger darauf hingewiesen, dass bei Nichtaufklärbarkeit seiner Vermögensverhältnisse die Beweislast nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 13. September 2006 – B 11a AL 19/06 R – bei ihm liegen könnte. Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 29. Juni 2009 vortragen ließ, er sei seiner Beweispflicht durch Vorlage der Kontounterlagen vollumfänglich nachgekommen und eine Übereinstimmung zwischen den Überweisungen in die Türkei und der Kontoaufstellung sei nicht zu erwarten, weil im Falle einer (auch) im Namen seiner minderjährigen Tochter veranlassten Überweisung die TCMB die Eröffnung des Kontos wegen der Minderjährigkeit der Tochter abgelehnt habe, hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 28. Dezember 2009 abgewiesen. Zur Begründung ist auf den Widerspruchsbescheid vom 7. Juli 2008 verwiesen und ergänzend ausgeführt worden: Die Klage sei unbegründet. Es habe eine Umkehr der Beweislast zu erfolgen, denn der Kläger habe die Ermittlungen zu seiner Bedürftigkeit vereitelt. Es fehle an der lückenlosen Darlegung, was aus dem vom FA genannten Anlagen in den Kalenderjahren 1995/96 von ursprünglich 135.643,- DM geworden sei. Belege über das Schicksal dieses Geldbetrages seien trotz Aufforderung des Gerichts nicht beigebracht worden. Das Schreiben vom 4. September 2007 beschränke sich auf eine Auskunft zum Stichtag 30. Juli 2007. Die Kontenaufstellung vom 31. Juli 2007 enthalte keine Angaben zu dem Anlagebetrag von 135.643,- DM in den Jahren 1995/1996 oder von den 65.000,- DM im Jahr 1994.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und trägt vor: Seine Mitwirkungspflicht bedeute nicht, dass er sämtliche Fragen oder Widersprüche ausräumen müsse. Seiner Pflicht, Tatsachen und Umstände, die in seiner Sphäre lägen, vorzulegen, sei er nachweislich nachgekommen.

Nachdem die Beklagte den Bescheid vom 2. November 2007 aufgehoben hat, beantragt der Kläger,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 28. Dezember 2009 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Juli 2008 insoweit aufzuheben, als darin die Entscheidungen über die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe aufgehoben werden und die Erstattung der gezahlten Arbeitslosenhilfe gefordert wird.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid. und hält im Übrigen die angegriffene Entscheidung für zutreffend.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Ehefrau des Klägers hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.

Die den Kläger betreffenden Leistungsakten der Beklagten (2 Bd.), die Gerichtsakte dieses Verfahrens nebst diversen im erstinstanzlichen Verfahren angefertigten Kopien aus den die Ehefrau des Klägers betreffenden Leistungsakten der Beklagten sowie aus den Gerichtsakten des die Ehefrau des Klägers betreffenden Verfahrens S 57 AL 1301/08 haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist unbegründet.

Der angegriffene Bescheid vom 26. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 2008 ist rechtmäßig, soweit darin die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 17. April 2003 bis 3. August 2003, vom 19. August 2003 bis 14. Januar 2004 und vom 15. Juli 2004 bis 31. Dezember 2004 aufgehoben und die Erstattung der gezahlten Alhi gefordert wird.

Ermächtigungsgrundlage der Rücknahme der Alhi-Bewilligungen ist mit Blick auf die von Anfang an rechtswidrigen Bewilligungsbescheide die Bestimmung des § 45 SGB X in der Modifikation durch § 330 Abs. 2 SGB III. Die Beurteilung der Rechtswidrigkeit bestimmt sich hierbei nach den tatsächlichen und materiell rechtlichen Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses des begünstigenden Verwaltungsakts (vgl. BSG SozR 3-1500 § 54 Nr. 18). Nach § 45 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III ist ein begünstigender Verwaltungsakt unter Beachtung der Einschränkungen der Absätze 2 und 4 von § 45 SGB X ganz oder teilweise zurückzunehmen. Auf Vertrauensschutz (vgl. § 45 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB X) kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bösgläubigkeit ist der Erlass der zurückzunehmenden begünstigenden Bescheide (vgl. BSGSozR 3-1300 § 45 Nr. 24 S. 82; SozR aaO Nr. 39 S. 127).

Die vorgenannten Voraussetzungen für eine Rücknahme der Bescheide liegen für die von der Aufhebungsentscheidung noch erfassten Zeiträume vom 17. April 2003 bis 3. August 2003, vom 19. August 2003 bis 14. Januar 2004 und vom 15. Juli 2004 bis 31. Dezember 2004 vor. Die Bewilligungsbescheide für diese Zeiträume waren von an Anfang an rechtswidrig, weil sich die Hilfebedürftigkeit des Klägers nicht feststellen lässt.

Anspruch auf Alhi haben Arbeitnehmer nach § 190 Abs. 1 Nr. 5 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden und damit hier maßgebenden Fassung des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24. März 1997 (BGBl. I, 594) nur dann, wenn sie bedürftig sind. Nicht bedürftig ist ein Arbeitsloser u. a., solange mit Rücksicht auf sein Vermögen und das Vermögen seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten die Erbringung von Alhi nicht gerechtfertigt ist (§ 193 Abs. 2 SGB III idF des Gesetzes vom 16. Februar 2001, BGBl. I, 266). Hierzu enthält die auf der Grundlage des § 206 Nr. 1 SGB III ergangene, bis zum 31. Dezember 2004 geltende Arbeitslosenhilfe-Verordnung (AlhiV 2002) nähere Regelungen. Zwar steht die AlhiV 2002 in der hier maßgebenden ab 1. Januar 2003 geltenden Fassung mit der Ermächtigungsgrundlage in § 206 Nr. 1 SGB III nicht in Einklang (BSG SozR 4-4300 § 193 Nr. 3). Dies gilt allerdings nur insoweit, als die AlhiV 2002 keine Regelung enthält, nach der die besonderen Umstände des Einzelfalles Berücksichtigung finden können. Bei Zugrundelegung der Notwendigkeit einer derartigen Härteklausel genügt indes die Ermächtigungsgrundlage der AlhiV 2002 den Erfordernissen des Bestimmtheitsgebotes nach Artikel 80 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz - GG - (BSG, Urteil vom 13. September 2006 - B 11a AL 53/05 R - juris). Die AlhiV 2002 ist auch im Übrigen ermächtigungskonform und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BSG SozR 4-4300 § 193 Nrn 9, 5).

Nach § 1 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 AlhiV 2002 ist das gesamte verwertbare Vermögen des Arbeitslosen und seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten zu berücksichtigen, soweit der Wert des Vermögens den Freibetrag übersteigt. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 AlhiV 2002 in der bis zum 31. Dezember 2004 gültigen Fassung des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I, 4607) ist Freibetrag für den Arbeitslosen und seinen Partner ein Betrag von 200,- € je vollendetem Lebensjahr von beiden; der Freibetrag darf jeweils 13.000,- € nicht übersteigen. Diese Fassung von § 1 Abs. 2 Satz 1 AlhiV 2002 ist hier anwendbar, weil die Übergangsvorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 2 AlhiV 2002 in der ebenfalls bis zum 31. Dezember 2004 gültigen Fassung des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 nicht eingreift. Der Kläger und seine Ehefrau sind im Jahre 1956 bzw. 1955 und damit nicht bis zum 1. Januar 1948 geboren (§ 4 Abs. 2 Satz 2 AlhiV 2002). Da es sich bei den hier zu beurteilenden Ansprüchen auf Alhi jeweils um Neubewilligungen in den Jahren 2003 und 2004 und nicht um eine laufende Bewilligung handelt, findet auch § 4 Abs. 2 Satz 1 AlhiV 2002 keine Anwendung. Die dem Kläger und seiner Ehefrau nach § 1 Abs. 2 Satz 1 AlhiV 2002 zustehenden Freibeträge betrugen mithin in den für die Vermögensbewertung nach § 1 Abs. 4 Satz 2 grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkten der Antragstellung im Januar 2003 18.600,- € (46 x 200,- € + 45 x 200,- €) bzw. im August 2004 19.200,- € (47 x 200,- € + 49 x 200,-€).

Nach der Erträgnisaufstellung vom 31. Juli 2007 wurden von den darin aufgeführten Konten des Klägers und seiner Ehefrau bei der TCMB in der Zeit vom 2. Mai 1994 bis 15. September 1997 insgesamt 66.507.03 DM (3.572,- DM am 2. Mai 1994, 20.000,- DM am 18. Juli 1994, 3.572,- DM am 5.August 1994, 4.806,- DM am 1. März 1995, 4.628,- DM am 28. Dezember 1995, 27.000,- DM und 2.670,- DM am 7. August 1997 sowie 238, 64 DM und 20,19 DM am 7. September 1997) abgehoben. Bereits diese Summe der abgehobenen Beträge überschreitet bei weitem die angeführten Freibeträge nach § 1 Abs. 2 Satz 1 AlhiV 2002. Der Verbleib dieser abgehobenen Beträge ist ungeklärt. Der Kläger hat im Widerspruchsverfahren insoweit lediglich angegeben, er verfüge seit August 1997 über keinerlei Konten bei der TCMB mehr und habe sein gesamtes Guthaben zu den angegebenen Daten abgehoben und „anderweitig verbraucht“. Auch im gerichtlichen Verfahren hat der Kläger sich auf die Feststellung beschränkt, sie seien jedes Jahr in Urlaub gefahren und hätten die entsprechenden Beträge abgehoben und ausgegeben. Im Hinblick auf die Vermögensverhältnisse des Klägers ist weiter zu berücksichtigen, dass er und/oder seine Ehefrau nach den vom FA mit Schreiben vom 3. September 2007 übermittelten Belegen insgesamt 56.000 DM (11.000,- DM am 5. Mai 1994, 15.000 DM am 3. März 1995, 20.000,- DM am 2. Januar 1996 sowie 10.000 DM am 1. Juli 1996) an die TCMB überwiesen hatten, die in der Erträgnisaufstellung der TCMB vom 31. Juli 2007 nicht verzeichnet sind. Zum Schicksal dieser Beträge hat der Kläger ungeachtet der Aufforderung des SG vom 13. Mai 2009 zunächst keine Angaben gemacht und sodann in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unter Hinweis auf seine Erinnerungslücken lediglich erklärt, das Geld sei „eingezahlt, abgehoben und dann ausgegeben“ worden. Der Verbleib dieser überwiesenen Beträge ist mithin ebenso ungeklärt wie das Schicksal der am 2. Februar 1997 von der TCMB gutgeschriebenen Zinsen in Höhe von 4.806,- €. Bezüglich der am 2. Februar 1997 gutgeschriebenen Zinsen weist die Erträgnisaufstellung vom 31. Juli 2007 - anders als im Falle der sonstigen Zinsguthaben - keine Abhebung aus. Die Angabe der (Kurz-)Kontonummer unter der Rubrik „Erläuterung“ deutet darauf hin, dass dieses Guthaben – entsprechend der aus der Erträgnisaufstellung vom 31. Juli 2007 bezüglich anderer Zinsguthaben des Klägers und seiner Ehefrau praktizierten Verfahrensweise - auf dieses Konto mit der Nummer gebucht worden ist. Wer Inhaber des Kontos ist, konnte nicht ermittelt werden. Der Kläger hat insoweit in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat lediglich erklärt, er könne sich an eine Überweisung des am 2. Februar 1997 gutgeschriebenen Zinsbetrages auf ein anderes Konto nicht erinnern. Das Geld sei abgehoben und ausgegeben worden. Trotz entsprechender gerichtlicher Aufforderung hat der Kläger keinen Beleg dafür vorgelegt, dass entsprechend seiner Behauptung im August 1997 sämtliche Konten bei der TCMB aufgelöst worden sind. Die den Kläger und seine Ehefrau betreffenden Auskünfte der TCMB vom 6. Juli 2007 und vom 4. September 2007 besagen lediglich, dass zum 4. bzw. 30. Juli 2007 kein laufendes und einen Saldo verzeichnendes Konto bestand. Im Übrigen ergibt sich auch aus der Erträgnisaufstellung vom 31. Juli 2007 nicht, dass im Zeitpunkt der Beantragung der Alhi in den Jahren 2003 bzw. 2004 keine Konten mehr bei der TCMB für den Kläger und/oder seine Ehefrau geführt worden waren. Die Erträgnisaufstellung, die noch eine Abhebung am 15. September 1997 ausweist, belegt lediglich, dass die Behauptung des Klägers, die Konten hätten seit August 1997 nicht mehr bestanden, unrichtig ist. Selbst wenn unterstellt wird, dass im Jahre 1997 sämtliche Konten bei der TCMB aufgelöst worden, ergeben sich aus den von Anfang an ausweichenden und keine Details enthaltenden Angaben des Klägers zur Anlage von Beträgen in der Türkei und zum behaupteten Verbrauch der in der Türkei angelegten und bis 1997 abgehobenen Beträge keine hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die abgehobenen Beträge bis zur Beantragung der Alhi im Jahr 2003 bzw. 2004 tatsächlich verbraucht worden sind. Soweit der Kläger einen Zusammenhang zwischen dem Finanzbedarf für den jährlichen Urlaub in der Türkei und dem angeblichen Verbrauch der abgehobenen Beträge hergestellt hat, vermag dies angesichts der Größenordnung der abgehobenen Beträge bereits im Ansatz nicht zu überzeugen. Insgesamt deutet das vom Kläger durch sein Verhalten im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren manifestierte Desinteresse an einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts darauf hin, dass in der hier zu Überprüfung gestellten Zeit offensichtlich noch Vermögen des Klägers und seiner Ehefrau, das die jeweiligen Freibeträge deutlich überstieg, vorhanden gewesen ist.

Die Unaufklärbarkeit der konkreten Vermögensverhältnisse des Klägers und seiner Ehefrau geht zu Lasten des Klägers; auf seine objektive Feststellungs- und Beweislast ist er bereits mit den Schreiben des Vorsitzenden der 70. Kammer des Sozialgerichts vom 13. Mai 2009 und vom 7. Juli 2009 hingewiesen worden. Allerdings ist vorliegend zu beachten, dass um die Rechtmäßigkeit eines Rücknahmebescheides nach § 45 SGB X gestritten wird und in derartigen Fällen grundsätzlich die Beklagte die objektive Feststellungslast hinsichtlich der die Rechtswidrigkeit der zurückgenommenen Verwaltungsakte begründenden Tatsachen trägt (vgl. BSG, Urteile vom 24. Mai 2006 – B 11a AL 7/05 R - = SozR 4-4220 § 6 Nr. 4 und – B 11a 24. Mai 2006 – B 11a AL 49/05 R – juris sowie vom 13. September 2006 – B 11a AL 13/06 R -, juris, und - B 11a AL 19/06 R -, juris). Dabei kann offen bleiben, ob zu diesen Tatsachen auch das Fortbestehen einer – unstreitig - vor Antragstellung gegebenen und die Bedürftigkeit ausschließenden Vermögenslage zu rechnen ist oder nicht insoweit hier von vorneherein der Kläger das Risiko der Nichtfeststellbarkeit zu tragen hat. Selbst wenn die Beklagte grundsätzlich die Feststellungslast für das weitere Vorhandensein der von den TCMB-Konten des Klägers und seiner Ehefrau in den Jahren 1994 bis 1997 abgehobenen Beträge zu tragen hätte, wäre eine Ausnahme von dieser Beweislastverteilung hier deshalb gerechtfertigt, weil es sich dabei um unaufklärbare Vorgänge handelt, die in der persönlichen Sphäre bzw. der Verantwortungssphäre des Klägers liegen. Die eine Beweislastumkehr rechtfertigende besondere Beweisnähe zum Arbeitslosen kann sich nicht nur daraus ergeben, dass im Bewilligungsverfahren Angaben zu Vermögenswerten unterlassen worden sind mit der Folge der Erschwerung der Aufklärung in späteren Jahren oder dass vollständige Kontenbewegungen nicht zugänglich gemacht worden sind mit der Folge der Unmöglichkeit einer Plausibilitätsprüfung (vgl. BSG, Urteil vom 24. Mai 2006 – B 11a AL 7705 R – aaO.). Entsprechendes muss gelten, wenn der Arbeitslose – wie hier – im Aufhebungs- und anschließenden Gerichtsverfahren ein entsprechendes Verhalten zeigt. Der Kläger hat sich an der Aufklärung des Sachverhalts im Aufhebungs- und Gerichtsverfahren völlig uninteressiert gezeigt. Obwohl er vom SG und vom erkennenden Senat auf die Unvollständigkeit bzw. die Untauglichkeit der vorgelegten Dokumente hinsichtlich der von ihm behaupteten Auflösung sämtlicher TCMB-Konten hingewiesen worden ist, hat er keine weiteren die Auflösung der Konten belegenden Unterlagen vorgelegt. Er hat ferner trotz gerichtlicher Aufforderung weder eine plausible Erklärung zum Verbleib der von 1994 bis 1996 an die TCMB überwiesenen 56.000 DM (11.000,- DM am 5. Mai 1994, 15.000 DM am 3. März 1995, 20.000,- DM am 2. Januar 1996 sowie 10.000 DM am 1. Juli 1996, vgl. die Anlagen zum Schreiben des FA vom 3. September 2007) noch zum Verbrauch der 1994 bis 1997 von seinen TCMB-Konten abgehobenen Beträge abgegeben. Dass er hieran aufgrund von Erinnerungslücken gehindert gewesen wäre, hält der Senat für nicht glaubhaft. Abgesehen davon, dass er sich erst in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat auf solche Erinnerungslücken berufen hat, hat er durch seine Angaben zu der von der TCMB abgelehnten Anlage eines gemeinsamen Kontos für seine damals minderjährige Tochter gezeigt, dass er sich durchaus an lange zurückliegende finanzielle Transaktionen erinnern kann. Die von ihm im Übrigen gezeigte demonstrative Passivität bei der Aufklärung seiner Vermögensverhältnisse war nach Überzeugung des Senats ausschließlich prozesstaktisch bedingt.

Das vom Kläger und seiner Ehefrau in der Türkei bei der TCMB angelegte Vermögen des Klägers war auch verwertbares Vermögen im Sinne des § 1 Abs. 1 AlhiV 2002. Es sind auch keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich, welche Zweifel an der Zumutbarkeit der Verwertung wecken könnten. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Kläger und seiner Ehefrau im Rahmen der gebotenen Härtefallprüfung (vgl. BSG SozR 4-4300 § 193 Nr. 3) Altersvorsorgefreibeträge nach § 12 Abs. Nr. 3 Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – in der Fassung des Art. 1 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2954) beanspruchen können.

Der Kläger kann sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen, da er die Rechtswidrigkeit der von der Aufhebungsentscheidung der Beklagten erfassten Alhi-Bewilligungen zur Überzeugung des Senats kannte (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Das gesamte Verhalten des Klägers im gerichtlichen Verfahren und dem diesem Verfahren vorhergehenden Verwaltungsverfahren, das von dessen Weigerung, an der Aufklärung seiner Vermögensverhältnisse mitzuwirken, geprägt worden ist, lässt nur den Schluss zu, dass der Kläger bereits im Zeitpunkt des Erlasses der Bewilligungsbescheide vom 7. Februar 2003 und vom 23. August 2004 deren Rechtswidrigkeit erkannt hatte.

Die in § 45 Abs. 3 und 4 SGB X genannten Fristen sind eingehalten. Nach § 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 SGB X kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden, wenn - wie hier - die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X vorliegen. Die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit muss innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen erfolgen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts für die Vergangenheit rechtfertigen (§ 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X). Auch diese Frist, die frühestens mit der Mitteilung des FA vom 1. Februar 2007 zu laufen begonnen hatte, ist eingehalten.

Der Kläger ist nach § 50 Abs. 1 SGB X verpflichtet, die für die Zeit vom 17. April 2003 bis 3. August 2003, vom 19. August 2003 bis 14. Januar 2004 und vom 15. Juli 2004 bis 31. Dezember 2004 überzahlte Alhi zu erstatten. Der Rückforderungsbetrag ist für diese Zeiträume von der Beklagten zutreffend mit 9.103,08 € festgesetzt worden. Berechnungsfehler sind nicht vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.