Gericht | VG Frankfurt (Oder) 3. Kammer | Entscheidungsdatum | 21.08.2013 | |
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Aktenzeichen | 3 K 330/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 8 KAG BB |
Der Bescheid des Beklagten vom 2. August 2006 über die Erhebung eines Straßenausbaubeitrages in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 2010 wird insoweit aufgehoben, als damit ein 3492,07 € übersteigender Straßenbaubeitrag festgesetzt worden ist.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, sofern nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Bescheides, mit dem die Klägerin zu Beiträgen für den Ausbau des ... in Frankfurt (Oder) herangezogen worden ist.
Die Straße verläuft im Frankfurter Ortsteil ... auf einer Länge von ca. 400 m vom ... in nordöstlicher Richtung bis zum ....
In der Zeit von 2002 bis 2004 wurden die Fahrbahn und die Straßenentwässerung des ... ausgebaut. Die letzte Schlussrechnung datiert vom 31. Oktober 2004, die Abnahme der letzten Teilleistung erfolgte am 22. September 2004.
Die Klägerin ist zusammen mit ihrem Bruder Miteigentümerin des Grundstücks ... in ... mit der katastermäßigen Bezeichnung Flur ..., Flurstück ... (mit einer Größe von 1214 m²) sowie des Flurstücks ... (1151 m²), welches sich von der rückwärtigen Grenze des Flurstücks ... in gerader Verlängerung bis zum ... erstreckt und die dortige Hausnummer ... trägt. Beide Flurstücke sind jeweils unter der laufenden Nr. 02 auf einem Grundbuchblatt verzeichnet.
Mit Bescheid vom 2. August 2006 zog der Beklagte die Klägerin zu einem Straßenbaubeitrag in Höhe von 3309,02 € für das Flurstück ... bzw. 3497,50 € für das Flurstück ... heran.
Der Festsetzung lag die "Einzelsatzung über die Erhebung von Straßenbaubeiträgen für die Straßenbaumaßnahmen Erneuerung und Verbesserung des ..., des ..., des ... und des ... in ... / Ortsteil ..." vom 15. Juni 2006, veröffentlicht im Amtsblatt für die Stadt Frankfurt (Oder) vom 5. Juli 2006 zu Grunde. Die Satzung trat rückwirkend zum 1. Juni 1999 in Kraft.
Die Klägerin legte gegen den Heranziehungsbescheid am 1. September 2006 Widerspruch ein, mit dem sie insbesondere geltend machte, von dem Beitragsbescheid werde mit dem Flurstück ... eine Grundstücksfläche erfasst, die nicht an den ... grenze, und der deshalb durch den Straßenausbau auch kein wirtschaftlicher Vorteil zuwachse.
Mit Bescheid vom 10. März 2010, zugestellt am 12. März 2010, wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und setzte den Straßenbaubeitrag unter Anwendung des für eine Anliegerstraße vorgesehenen Beitragssatzes von 2,3014421 €/m² abschließend auf 6930,37 € (3492,07 € für das Flurstück ...; 3438,30 € für das Flurstück ...) fest. Zur Begründung führte er aus, auch für das Flurstück ... entstehe durch den Straßenausbau für die Klägerin ein wirtschaftlicher Vorteil, weil sie als Miteigentümerin beider Flurstücke auch insoweit eine dauerhaft gesicherte Inanspruchnahmemöglichkeit hinsichtlich des ... habe.
Die Klägerin hat am 12. April 2010 Klage erhoben. Sie macht geltend, bei den Flurstücken ... und ... handle es sich um jeweils eigenständige wirtschaftliche Grundstücke. Das Flurstück ... werde von ihr selbst, und zwar zu Wohnzwecken genutzt; das Flurstück ... werde von ihrem Bruder zu Erholungszwecken genutzt und sei lediglich mit einer dafür geeigneten Baulichkeit bebaut. Sie bestreite nicht, dass sie für das von ihr selbstgenutzte Grundstück (...) Beiträge zu leisten habe, jedoch wachse ihr keinerlei wirtschaftlicher Vorteil aus dem Ausbau dieser Straße im Hinblick auf das Grundstück ... zu. Beide Flurstücke seien durch einen Zaun getrennt.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 2. August 2006 über die Erhebung eines Straßenausbaubeitrages in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 2010 insoweit aufzuheben, als damit ein 3492,07 € übersteigender Straßenbaubeitrag festgesetzt wird.
Der Beklagte verteidigt die angegriffenen Bescheide und beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie die vom Beklagten vorgelegte Bau- und Abrechnungsakte Bezug genommen, die der Verhandlung und Entscheidung zu Grunde lagen.
A.
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Straßenbaubeitragsbescheid des Beklagten vom 2. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 2010 ist - soweit er im vorliegenden Verfahren angegriffen ist, also hinsichtlich der Festsetzung für das Grundstück ... - rechtswidrig und verletzt die Klägerin deshalb in ihren Rechten.
I.
Allein in Betracht kommende Rechtsgrundlage des angegriffenen Straßenbaubeitragsbescheides ist § 8 Abs. 1 Satz 2 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg (KAG). Nach dieser Vorschrift sollen unter anderem bei den dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straßen Straßenbaubeiträge erhoben werden. Beiträge sind Geldleistungen, die dem Ersatz des Aufwandes unter anderem für die Herstellung, Erweiterung und Verbesserung öffentlicher Einrichtungen und Anlagen oder Teilen davon dienen, jedoch ohne die laufende Unterhaltung und Instandsetzung (§ 8 Abs. 2 Satz 1 KAG). Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 KAG werden Beiträge insbesondere von Grundstückseigentümern als Gegenleistung dafür erhoben, dass ihnen durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Einrichtungen und Anlagen wirtschaftliche Vorteile geboten werden. Straßenbaubeiträge dürfen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG nur auf Grund einer Satzung erhoben werden.
II.
Diese tatbestandlichen Erhebungsvoraussetzungen liegen nicht vor.
1. Der Beklagte legt seiner Abrechnung zwar eine zutreffend bestimmte Anlage zu Grunde. Zwischen den Beteiligten ist auch nicht umstritten und auch sonst nicht zweifelhaft, dass in den durchgeführten straßenbaulichen Maßnahmen eine Verbesserung der Anlage liegt.
2. Die Klägerin hat aber - soweit das in ihrem Miteigentum stehende Grundstück ... (Flurstück ...) betroffen ist - keine vorteilsrelevante Möglichkeit der Inanspruchnahme der ausgebauten Straße.
Die Prüfung, welche Grundstücke eines Abrechnungsgebietes eine derartige Möglichkeit der Inanspruchnahme haben, ist wesentlich einerseits für die Kalkulation des Beitragssatzes - weil dieser zutreffend nur errechnet werden kann, wenn alle aber auch lediglich die bevorteilten Grundstücke in die Betrachtung einbezogen werden -, andererseits im Anfechtungsfall für die Entscheidung der Frage, ob für das im Einzelfall veranlagte Grundstück tatsächlich die sachliche Beitragspflicht entstanden ist.
Sie vollzieht sich, auch wenn die einzelnen Elemente in einer Wechselbeziehung stehen, im Grundsatz in mehreren Schritten. Die diesbezügliche Betrachtung hat ihren Ausgangspunkt bei den Grundstücken des an dieser Stelle noch nicht abschließend bestimmten Abrechnungsgebiets. Für jedes einzelne davon ist zu entscheiden, ob es die Möglichkeit der Inanspruchnahme der ausgebauten Anlage hat, und schließlich ist gegebenenfalls zu prüfen, ob sich daraus ein wirtschaftlicher Vorteil ergibt.
a) Bei der Entscheidung über die Frage, ob ein bestimmtes Grundstück in die straßenbaubeitragsrechtliche Veranlagung einzubeziehen ist, ist in Brandenburg der so genannte wirtschaftliche Grundstücksbegriff maßgebend (Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20. Februar 2008 - OVG 9 S 26.07 -, http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de Rn. 6; siehe dazu auch Urteil der Kammer vom 19. Dezember 2011 - VG 3 K 312/09). Ist davon einmal auszugehen, so ist dessen Begriffsinhalt weithin unumstritten. Wirtschaftliches Grundstück im Sinne des Straßenbaubeitragsrechts ist danach die wirtschaftliche Einheit, also der demselben Eigentümer gehörende Teil der Grundfläche, der selbstständig - regelmäßig baulich oder gewerblich - genutzt werden kann.
aa) Auch nach § 8 KAG ist Ausgangspunkt der erforderlichen Einordnung das Buchgrundstück, weil in der Mehrzahl der Fälle Grundstücke im Sinne des Grundbuchrechts zugleich auch wirtschaftliche Einheiten sind (zum Anschlussbeitragsrecht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. Januar 2011 - OVG 9 B 15.09 -, nicht veröffentlicht, Seite 17 des Entscheidungsabdrucks; Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. Dezember 2009 - 15 A 2307/09 -, http://www.justiz.nrw.de Rn. 6). Ein Buchgrundstück ist (sofern es nicht ohnehin allein auf einem eigenen Grundbuchblatt geführt wird) dadurch gekennzeichnet, dass es - dies in Fällen, in denen ein gemeinschaftliches Grundbuchblatt für mehrere Grundstücke desselben Eigentümers angelegt ist - dort im Bestandsverzeichnis unter einer eigenen laufenden Nummer geführt wird (Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 7. Januar 2009 - 15 B 1609/08 -, http://www.justiz.nrw.de Rn. 9 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Vom Buchgrundstück ausgehend ist festzustellen, ob dieses zur Bildung einer wirtschaftlichen Einheit um Flächen vergrößert oder verkleinert werden muss. Dazu können entweder nicht selbstständig baulich oder gewerblich nutzbare Buchgrundstücke mit anderen zusammengefasst oder das Buchgrundstück unter Reduzierung um die insoweit nicht nutzbaren Flächen auf die baulich oder gewerblich nutzbare Größe verringert werden, um die Grundflächen desselben Eigentümers, denen ein einheitlicher Vorteil durch die beitragsauslösende Maßnahme vermittelt wird, als wirtschaftliche Einheit zu erfassen (vgl. das bereits zitierte Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. Januar 2011, a.a.O.).
bb) Ob und welche baulichen, gewerblichen oder sonstigen Nutzungen bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Grundstücke in den Blick zu nehmen sind, hängt - sofern die maßgebende Straßenbaubeitragssatzung gültig ist, also insbesondere auch einen vollständigen und vertretbaren Maßstab enthält - von den darin enthaltenen Maßstabsregelungen ab. Die auf ein konkretes Grundstück bezogene Einordnung ergibt sich dagegen aus dem jeweiligen Fachrecht, in der Regel also aus baurechtlichen Vorschriften.
cc) An diesen Grundsätzen gemessen stellen sich die der Klägerin und ihrem Bruder gehörenden Grundstücke ... (Flurstück ...) und ... (Flurstück ...) als jeweils eigenständige wirtschaftliche Grundstücke und nicht als eine wirtschaftliche Einheit dar. Dabei kann letztlich offen bleiben, ob das maßgeblich schon dadurch beeinflusst ist, dass es sich um jeweils eigenständige Buchgrundstücke handelt. Ausweislich des von der Klägerin eingereichten Auszuges aus dem Liegenschaftskataster vom 12. Dezember 1996 ist die ursprünglich ungeteilte Vorgänger-Parzelle (Flur ..., Flurstück ...) in die beiden genannten Flurstücke geteilt worden. Im Bestandsverzeichnis des Grundbuches von Frankfurt (Oder), Bl. ... ist dann zwar das bisher unter der laufenden Nr. ... geführte Flurstück ... gestrichen worden; die beiden daraus hervorgegangenen Flurstücke sind aber nicht fortlaufend mit Nr. ... und ..., sondern beide mit der Nr. ... nummeriert worden. Insoweit bedarf keiner Aufklärung, ob es sich bei der Vergabe derselben Nummer um ein Versehen handelt oder dafür spezifisch grundbuchrechtliche Ursachen maßgebend waren. Selbst wenn diese Angaben nicht als jeweils eigene laufende Nummer im Bestandsverzeichnis zu verstehen sein und beide Flurstücke deshalb nach wie vor ein einziges Buchgrundstück bilden sollten, so ergibt doch eine Gesamtwürdigung der örtlichen Verhältnisse, dass sie nicht zu einer wirtschaftlichen Einheit gehören, sondern bei der Abrechnung des Straßenausbaus des ... das Buchgrundstück um das Flurstück ... zu vermindern wäre. So fällt bei einer mit allgemein zugänglichen Quellen (vgl. etwa http://isk.geobasis-bb.de/BrandenburgViewer/basiskarte.html) möglichen, an § 34 Baugesetzbuch (BauGB) orientierten Betrachtung auf, dass die Grenze zwischen beiden Flurstücken identisch ist mit Flurstücksgrenzen, die nahezu genau und geradlinig in der Mitte zwischen dem ... und dem ... verlaufen, sich über die gesamte Länge beider Straßen erstrecken und die an den beiden Straßen gelegenen Grundstücke jeweils an der rückwärtigen Seite trennen. Soweit ersichtlich überschreitet lediglich ein einziges Flurstück (..., Flurstück ...) diese Grenze und ist lediglich am ... bebaut, nicht aber am ..., kann aber schon wegen seiner Vereinzelung den Gesamteindruck nicht prägen. Die - mit dieser einen Ausnahme durchgehende - Flurstücksgrenze zwischen den Grundstücken am ... und am ... markiert zugleich die jeweilige rückwärtige Grenze aller (anderen) Grundstücke, die sich mithin nicht in ihrer Länge, sondern - und zwar zumeist geringfügig - lediglich in ihrer Breite unterscheiden. Aus dem Zuschnitt der Grundstücke ergibt sich wiederum mit ganz wenigen Ausnahmen ein nahezu einheitliches Bild der Bebauung. Die vorhandene nähere Bebauung, in deren Eigenart sich neue Vorhaben einfügen müssten, ist fast ausnahmslos dadurch gekennzeichnet, dass (wohl mit Ausnahme des Grundstücks ...) alle Grundstücke bebaut sind, und zwar sowohl die am ... angrenzenden Grundstücke wie auch diejenigen am ... jeweils straßennah. Das hat zur Folge, dass sämtliche Grundstücke zwischen beiden Straßen eine eindeutige Ausrichtung zu der jeweiligen Straße haben. Grundstücke, die stattdessen durchgehend genutzt werden, gibt es mit der erwähnten Ausnahme (...) nicht. All dies gilt schließlich auch für die beiden Flurstücke, die im Miteigentum der Klägerin und ihres Bruders stehen. So ist das von der Klägerin bewohnte Haus eindeutig zum ... hin ausgerichtet, während die von ihrem Bruder genutzte Wochenendbebauung bei einer Gesamtlänge des Flurstücks von ca. 70 m lediglich ca. 10 m vom ... entfernt liegt und sich dabei ungefähr an die dortige Baulinie anpasst.
b) Der Begriff der Inanspruchnahmemöglichkeit ist demgegenüber in der Rechtsprechung stärker umstritten. Übereinstimmung besteht noch darin, dass bei der Bildung der diesbezüglichen Maßstäbe zu unterscheiden ist zwischen Anliegergrundstücken, ferner so genannten gefangenen und schließlich nicht gefangenen bzw. zweiterschlossenen Hinterliegergrundstücken (vgl. etwa Driehaus in: Driehaus, Kommentar zum KAG, § 8 Rn. 401a ff.), wobei die beiden erstgenannten Grundstücksarten aus Anlass des vorliegenden Falles bei der Bestimmung des Begriffs der Inanspruchnahmemöglichkeit außer Betracht bleiben können. Denn das Flurstück ... hat seine Erschließung vorrangig über den ..., ist also im Verhältnis zum ... ein zweiterschlossenes Hinterliegergrundstück. In der Rechtsprechung der Kammer ist ferner geklärt, dass bei einem derartigen nicht gefangenen Hinterliegergrundstück die Inanspruchnahmemöglichkeit der ausgebauten Straße über das Anliegergrundstück in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf Dauer gesichert sein muss, also entweder Anlieger- und Hinterliegergrundstück im selben Eigentum stehen müssen oder für das Hinterliegergrundstück neben der tatsächlichen Erreichbarkeit über das Anliegergrundstück eine hinreichende dauerhafte rechtliche Sicherung dieser Erreichbarkeit gegeben sein muss (vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 01. August 2005 - OVG 9 S 2.05 -, zitiert nach juris, Rn. 15; Urteil der Kammer vom 20. Mai 2011 - 3 K 1083/07 -, http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de Rn. 20; Becker in: Becker et al., Kommentar zum KAG, Loseblattsammlung, § 8 Rn. 135). Maßgebend für die hinreichende dauerhafte rechtliche Sicherung ist insoweit, dass die Inanspruchnahme der Anlage betreffend den Verkehr zu dem und von dem Grundstück nur noch von dem Willen des Eigentümers des Hinterliegergrundstücks abhängen darf (vgl. das bereits zitierte Urteil der Kammer vom 20. Mai 2011 a.a.O.; sowie Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14. Oktober 2005 - 15 A 240/04 -, http://www.justiz.nrw.de Rn. 23; Beschluss vom 17. Mai 2004 - 15 B 747/04 -, http://www.justiz.nrw.de Rn. 3; Driehaus, Kommentar Kommunalabgabenrecht Loseblattsammlung, § 8 KAG Rn. 401 e und 401 i).
Offen bleiben kann, ob in Fällen, in denen - wie hier - das Vorder- und das Hinterliegergrundstück als zwei jeweils selbstständige wirtschaftliche Einheiten zu betrachten sind, eine Inanspruchnahmemöglichkeit des Hinterliegergrundstücks nur unter der Voraussetzung zu bejahen ist, dass an dessen Grenze über das Vorderliegergrundstück herangefahren werden kann (so Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. Dezember 2009 - 15 A 2307/09 -, http://www.justiz.nrw.de Rn. 7), und ob diese Voraussetzung bei dem Grundstück ... trotz der auf dem Gundstück ... vorhandenen Bebauung erfüllt wäre oder ob dafür auch eine andere Art der Inanspruchnahme ausreichen könnte.
Jedenfalls wäre selbst eine gegebene Inanspruchnahmemöglichkeit des Flurstücks ..., ... vom ... aus nach Lage der Dinge ohne wirtschaftlichen Vorteil für die Klägerin.
c) Nach der für Brandenburg maßgeblichen obergerichtlichen Rechtsprechung muss zu der Inanspruchnahmemöglichkeit ein wirtschaftlicher Vorteil in der Gestalt einer Erhöhung des Gebrauchswertes des betroffenen Grundstücks hinzutreten, um die Beitragspflicht auszulösen (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg, Urteil vom 23. März 2000 - 2 A 226/98 -, zitiert nach juris Rn. 55; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.02.2009 - OVG 9 S 26.08 -, Rn. 13; Urteil der Kammer vom 20. Mai 2011 - VG 3 K 1083/07 -, jeweils zitiert nach http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de Rn. 18; vgl. insgesamt dazu auch Urteil der Kammer vom 19. Dezember 2011 - VG 3 K 312/09; ebenso Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 03. September 2008 - 5 A 348/08 -, http://www.justiz.sachsen.de).
Die vom Beklagten vertretene Auffassung, bei einer bloßen Eigentümeridentität hinsichtlich des anliegenden und des hinterlegenden Grundstücks vermittele schon die dadurch auf Dauer gesicherte Möglichkeit der Inanspruchnahme den wirtschaftlichen Vorteil, ist vor diesem Hintergrund nicht richtig (so allerdings auch Hessischer VGH, Urteil vom 6. Mai 2009 - 5 A 2017/08 -, http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de Rn. 22 ff., jedoch auf der Grundlage anderen Landesrechts; offen gelassen vom Thüringer Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 17. März 2009 - 4 EO 269/07 -, zitiert nach http://www.thovg.thueringen.de).
Zudem ist die den wirtschaftlichen Vorteil ausmachende Besserstellung grundstücksorientiert, d. h. sie muss sich, um dem Merkmal "Vorteil" zu genügen, aus der in einer räumlich engen Beziehung des Grundstücks zu der ausgebauten Anlage begründeten Inanspruchnahmemöglichkeit dieser Anlage ergeben (vgl. Driehaus, "Erschließungs- und Ausbaubeiträge" 8. Aufl. § 29 Rn. 14). Diese Grundstücksbezogenheit ergibt sich aus § 8 Abs. 2 S. 2 bis 5 KAG, wonach der eine Beitragserhebung rechtfertigende wirtschaftliche Sondervorteil nur Grundstückseigentümern, Erbbauberechtigten oder Nutzern nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz zugutekommen soll, d. h. einem Personenkreis, der befugt ist, das Grundstück in rechtlich zulässiger Weise zu nutzen.
Muss nach den oben gemachten Ausführungen der wirtschaftliche Vorteil zu der Inanspruchnahmemöglichkeit hinzutreten, versteht sich die wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit bei zweiterschlossenen Hinterliegergrundstücken weder von selbst noch wird sie durch die Inanspruchnahmemöglichkeit indiziert. Anders als die Eigentümer gefangener Hinterliegergrundstücke, die die ausgebaute Straße in Anspruch nehmen müssen, um überhaupt das öffentliche Straßenland zu erreichen, ist das hier nämlich nicht der Fall; in der Regel ist es nicht einmal naheliegend, zusätzlich zu der vorhandenen Zufahrt auf die andere, unmittelbar anliegende Straße eine weitere unter Inanspruchnahme eines anderen Grundstücks auf die ausgebaute Anlage herzurichten.
Das erfordert eine Bewertung der wirtschaftlichen Vorteilhaftigkeit, weil andernfalls der mit dem Straßenbaubeitragsrecht bezweckte Vorteilsausgleich nicht zu erreichen ist. Der Vorteilsausgleich hat sich zu orientieren an dem Ausmaß der von dem betroffenen (zweiterschlossenen) Grundstück zu erwartenden Inanspruchnahme der ausgebauten Anlage. Ist die Inanspruchnahmemöglichkeit objektiv wertlos, fehlt für einen Vorteilsausgleich die Grundlage. Das ist insbesondere der Fall, wenn bei einer an objektiven Kriterien orientierten Betrachtung nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit nicht zu erwarten ist, dass die Straße von dort in einem relevanten Umfang in Anspruch genommen werden wird (vgl. Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 3. April 2007 - 4 L 230/06 -, Juris Rn. 22 f.; Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 3. September 2008 - 5 A 348/08 -, http://www.justiz.sachsen.de; Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14. Oktober 2005 - 15 A 240/04 -, http://www.justiz.nrw.de Rn. 19; Driehaus in: Driehaus, Kommentar zum KAG, § 8 Rn. 401 i f.).
Sieht man damit bei zweiterschlossenen Hinterliegergrundstücken die wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit einer Inanspruchnahmemöglichkeit der ausgebauten Straße, wenn nicht sogar als nur ausnahmsweise gegeben an (so wohl Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 6 B 10.132 -, http://www.gesetze-bayern.de Rn. 40), so ist sie zumindest besonders begründungsbedürftig. Die insoweit in Betracht zu ziehenden Anhaltspunkte sind zwar nicht abschließend zu benennen, doch sind in der Rechtsprechung Indizien herausgearbeitet worden, die die vorzunehmende Bewertung entscheidend prägen können. Danach wird auf der einen Seite von einer wirtschaftlichen Vorteilhaftigkeit einer Inanspruchnahmemöglichkeit einer ausgebauten Straße bei einem zweiterschlossenen Hinterliegergrundstück umso weniger die Rede sein können, als dieses aufgrund planungsrechtlicher, sonstiger rechtlicher oder tatsächlicher Umstände eindeutig erkennbar auf diejenige Straße ausgerichtet ist, an die es angrenzt, falls sich nicht aus tatsächlich vorhandenen Umständen des Gegenteil ergibt (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 25. Oktober 2012 a.a.O.; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, § 35 Rn. 45). Umgekehrt spricht namentlich in Fällen, in denen über das Vorderliegergrundstück eine Zufahrt zu dem dahinterliegenden zweiterschlossenen Grundstück bereits angelegt ist, alles dafür, dass von dort über diesen Zuweg eine Inanspruchnahme der ausgebauten Straße erfolgen wird (Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14. Oktober 2005 a.a.O. Rn. 22 ff.; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 20. Oktober 2012 a.a.O. Rn. 40 ff.;), deren wirtschaftlicher Vorteil mit einem Straßenbaubeitrag abgegolten werden kann.
An diesen Grundsätzen gemessen liegen die Voraussetzungen für eine Veranlagung der Klägerin zu einem Straßenbaubeitrag für den Ausbau des ... hinsichtlich des Flurstücks ... nicht vor, weil von diesem Grundstück aus nicht mit einer einen wirtschaftlichen Vorteil vermittelnden verkehrlichen Inanspruchnahme der ausgebauten Straße zu rechnen ist. Wie bereits ausgeführt, ist das fragliche Grundstück eindeutig zum ... hin ausgerichtet. Nach den vom Beklagten nicht bestrittenen Angaben sind beide Grundstücke durch einen Zaun getrennt. Eine Zufahrt über das Grundstück ... zu dieser Parzelle ist nicht angelegt, ganz abgesehen davon, dass nicht klar ist, ob sich eine solche trotz der auf dem Anliegergrundstück befindlichen Gebäude überhaupt realisieren ließe. Auf die oben offen gelassene Frage, ob ein durch bauliche Maßnahmen angelegter Fußweg eine Inanspruchnahmemöglichkeit überhaupt herstellen würde, kommt es nicht an, weil ein solcher ausweislich den auf allgemein zugänglichen Quellen (vgl. etwa http://isk.geobasis-bb.de/BrandenburgViewer/basiskarte.html) verfügbaren Luftbildern nicht angelegt ist. Offen bleiben kann schließlich auch, ob sich in dem angesprochenen Zaun zwischen beiden Grundstücken eine Tür befindet. Eine solche wäre nicht geeignet, auf eine zu erwartende Inanspruchnahme des ausgebauten ... durch den Bruder der Klägerin hinzudeuten; anders als insbesondere eine angelegte Zufahrt hätte dies keinerlei indizielle Bedeutung für eine zu erwartende verkehrliche Inanspruchnahme dieser Anlage, sondern könnte ebenso gut dafür sprechen, dass damit Wege von Grundstück zu Grundstück, also nachbarliche oder - wie hier - familiäre Begegnungen ermöglicht werden. Das reicht angesichts der bei zweiterschlossenen Hinterliegergrundstücken zu fordernden besonderen Begründung für die Annahme einer wirtschaftlichen Vorteilhaftigkeit einer unterstellten Inanspruchnahmemöglichkeit nicht aus.
B.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 154 Abs. 1, 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Gründe, die Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO zuzulassen, sind nicht gegeben.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.438,30 € festgesetzt.
Gründe
Die Streitwertfestsetzung hat ihre Grundlage in § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes - GKG -.