Gericht | OLG Brandenburg 5. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 05.11.2012 | |
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Aktenzeichen | 3 WF 115/12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.
Dem Antragsteller wird Verfahrenskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren unter Beordnung von Rechtsanwältin … in … ratenfrei bewilligt.
Kosten werden nicht erstattet.
Die gemäß §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Dem Antragsteller ist Verfahrenskostenhilfe ratenfrei zu bewilligen.
Das Landgericht hat im angefochtenen Beschluss ein einzusetzendes Einkommen von 29 € ermittelt und deshalb monatliche Raten von 15 € festgesetzt. Mit der sofortigen Beschwerde hat der Antragsteller geltend gemacht, über ein niedrigeres Einkommen, als vom Amtsgericht angesetzt, zu verfügen und dass Kreditverbindlichkeiten über das vom Amtsgericht angenommene Maß hinaus abzusetzen seien. Das Amtsgericht hat dem Antragsteller im Abhilfeverfahren eine Ausschlussfrist von einer Woche gewährt und alsdann durch Beschluss vom 20.9.2012 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Dabei hat es insbesondere ausgeführt, der Antragsteller habe die gesetzte Ausschlussfrist nach § 571 Abs. 3 ZPO ungenutzt verstreichen lassen.
Diese Verfahrensweise des Amtsgerichts begegnet Bedenken. Gemäß § 571 Abs. 3 Satz 1 ZPO kann der Vorsitzende oder das Beschwerdegericht für das Vorbringen von Angriffs- und Verteidigungsmitteln eine Frist setzen. Gemeint ist insoweit der Vorsitzende des Beschwerdegerichts (vgl. Musielak/Ball, ZPO, 9. Aufl., § 571 Rn. 7).
Im Übrigen ist die Vorschrift des § 571 Abs. 3 ZPO auf Verfahren, die dem Beibringungsgrundsatz unterliegen, wie etwa sofortige Beschwerden nach §§ 91 a Abs. 2, 99 Abs. 2, 269 Abs. 5 Satz 1 ZPO i.V.m. §§ 567 ff. ZPO, zugeschnitten. Dies wird deutlich an § 571 Abs. 3 Satz 2 ZPO, wonach Angriffs- und Verteidigungsmittel, die nicht innerhalb der Frist vorgebracht werden, nur zuzulassen sind, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts ihre Zulassung die Erledigung des Verfahrens nicht verzögern würde oder wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt. Bei dem Verfahren über die Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe handelt es sich hingegen um ein Amtsverfahren. Zwar besteht insoweit eine Mitwirkungspflicht des bedürftigen Antragstellers. Kommt der Antragsteller dieser Mitwirkungspflicht nicht nach, ist die Spezialvorschrift des § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO anzuwenden. Danach lehnt das Gericht, wenn der Antragsteller innerhalb einer von dem Gericht gesetzten Frist Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht oder bestimmte Fragen nicht oder ungenügend beantwortet hat, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe insoweit ab (vgl. hierzu Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 118 Rn. 17; Verfahrenshandbuch Familiensachen -FamVerf-/Gutjahr, 2. Aufl., § 1 Rn. 47). Entsprechend muss dem Antragsteller mit der Fristsetzung konkret die verlangte Handlung aufgegeben werden. Eine alleinige Fristsetzung im Hinblick auf ergänzendes Vorbringen ohne solche konkreten Anordnungen genügt nicht.
Dementsprechend hat der Senat nun im Beschwerdeverfahren unter Anwendung von § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO (vgl. FamVerf/Gutjahr, § 1 Rn. 90) dem Antragsteller Auflagen gemacht. Diesen ist der Antragsteller fristgemäß nachgekommen. Danach ergibt sich ein einzusetzendes Einkommen nicht.
Aus der im Beschwerdeverfahren auf Anforderung des Senats vorgelegten Verdienstbescheinigung für September 2012 ergibt sich ein Bruttoeinkommen für die ersten neun Monate des Jahres 2012 von insgesamt 14.607,61 €. Setzt man hiervon Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge ab, verbleibt ein Nettoeinkommen von 10.441,90 €. Das sind im Monatsdurchschnitt rund 1.160 € (=10.441,90 € : 9 Monate). Abzusetzen sind hiervon nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Amtsgerichts der Erwerbstätigenfreibetrag mit 187 €, der Unterhaltsfreibetrag mit 411 €, die Unterhaltszahlungen mit 183 € und Wohnkosten mit 290 €. Es verbleiben zunächst 89 €.
Darüber hinaus aber jedenfalls abzusetzen sind monatliche Kreditraten von 79 € an die … Bank. Diese Zahlungen hat der Antragsteller im Beschwerdeverfahren belegt. Sie sind auch berücksichtigungsfähig, da die Verbindlichkeit zu einem Zeitpunkt eingegangen worden ist, in dem noch nicht absehbar war, dass es zu dem vorliegenden Verfahren komme werde. Denn nach den glaubhaften Angaben im Schriftsatz vom 24.102012 ist der Darlehensvertrag im Februar 2009 geschlossen worden. Zu Streitigkeiten der Eltern über den Umgang ist es erst nach Beendigung der Lebensgemeinschaft im März 2012 gekommen.
Soweit das Amtsgericht in der Nichtabhilfeentscheidung ausgeführt hat, Schulden des Bedürftigen seien nicht abzusetzen, weil dies nach dem SGB nicht vorgesehen sei, kann dem nicht gefolgt werden. Auch wenn Verfahrens- bzw. Prozesskostenhilfe eine spezialgesetzlich geregelte Einrichtung der Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege darstellt (vgl. BGH, FamRZ 2012, 1374 Tz. 19; FamVerf/Gutjahr, § 1 Rn. 34), finden die sozialrechtlichen Vorschriften nur insoweit Anwendung, als im Recht der Verfahrens- bzw. Prozesskostenhilfe auf sie verwiesen wird. Dies gilt etwa für die Verweisung auf § 82 Abs. 2 SGB XII in § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Buchst. a ZPO oder für die Verweisung auf § 90 SGB XII in § 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Soweit es etwa die zu berücksichtigenden Fahrtkosten betrifft, hat der BGH entschieden, dass sich an § 3 Abs. 6 Nr. 2 a der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII angelehnt werden kann. Zugleich hat der BGH aber klargestellt, dass zwar die Pauschale von monatlich 5,20 € für den Entfernungskilometer herangezogen werden kann, nicht jedoch die in derselben Vorschrift vorgesehene Begrenzung des Fahrtkostenabzugs auf Fahrtschrecken von bis zu 40 Entfernungskilometern (vgl. BGH, FamRZ 2012, 1629 Tz. 11 ff.). Dies macht deutlich, dass im Recht der Verfahrens- bzw. Prozesskostenhilfe nicht pauschal mit dem Sozialrecht argumentiert werden darf. Soweit es Kreditverbindlichkeiten betrifft, ist im Übrigen die Spezialvorschrift des § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 ZPO zu beachten, wonach weitere Beträge abgesetzt werden können, soweit dies mit Rücksicht auf besondere Belastungen angemessen ist. Im Rahmen dieser Vorschrift sind insbesondere Kredittilgungen in angemessener Höhe zu berücksichtigen (vgl. BGH, NJW-RR 1990, 450; FamVerf/Gutjahr, § 1 Rn. 147). Nach ganz überwiegender Auffassung werden im Regelfall Verbindlichkeiten, die schon begründet wurden, bevor der Rechtsstreit absehbar war, volle Berücksichtigung finden (FamVerf/Gutjahr, § 1 Rn. 146; siehe auch BGH, FamRZ 2007, 1720 Tz. 15).
Da, wie ausgeführt, monatliche Kreditraten in Höhe von 79 € an die … Bank berücksichtigungsfähig sind, reduziert sich das einzusetzende Einkommen auf 10 € (= 89 € - 79 €). Bei einem so geringen einzusetzenden Einkommen sind nach der Tabelle in § 115 Abs. 2 ZPO keine Raten festzusetzen.
Mithin bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob auch die geltend gemachte weitere Verbindlichkeit gegenüber der S… Bank Berücksichtigung finden kann. Ebenfalls kann offen bleiben, ob Unterhaltsvorschusszahlungen, die der Antragsteller mit monatlich 20 € angegeben hat, abzusetzen sind. Auch auf Umgangskosten, die zurzeit wegen verweigerten Umgangs auch nach dem Vortrag des Antragstellers nicht anfallen, kommt es ebenso wenig an.
Die für die Antragsgegnerin bestimmte Ausfertigung dieses Beschlusses enthält die Ausführungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragstellers mit Rücksicht auf § 127 Abs. 1 Satz 3 ZPO nicht (vgl. OLG Brandenburg, 2. Familiensenat, JurBüro 2000, 366; FamVerf/Gutjahr, § 1 Rn. 68).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.