Gericht | VG Frankfurt (Oder) 5. Kammer | Entscheidungsdatum | 10.09.2014 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | VG 5 K 577/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Kostenentscheidung in dem Änderungsbescheid des Beklagten vom 18. Dezember 2009 (Az. xxx) in der Fassung des dazu ergangenen Widerspruchsbescheides vom 29. April 2011 (Az. xxx) wird aufgehoben.
Der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 29. April 2011 (Az.: xxx) wird aufgehoben, soweit der Beklagte darin Verwaltungsgebühren erhoben hat.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin und der Beklagte je zur Hälfte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Klägerin wendet sich gegen die Erteilung einer baurechtlichen Änderungsgenehmigung zu einem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid und vom Beklagten hierfür erhobene Gebühren.
Mit Bescheid vom 25. Februar 2008 (Nr. xxx) erteilte das Landesumweltamt Brandenburg der Klägerin die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von zwei Windenergieanlagen vom Typ Enercon 82 (WEA 01 und WEA 02), jeweils mit einer elektrischen Leistung von 2 MW, einem Rotordurchmesser von 82 m, einer Nabenhöhe von 108,3 m und einer Gesamthöhe von 149,3 m in der Gemeinde xxx. Der Standort der WEA 01 befindet sich auf dem Grundstück Gemarkung xxx Flur xxx Flurstück xxx, der der WEA 02 auf dem Grundstück Gemarkung xxx Flur xxx Flurstück xxx. Zur Sicherung der Abstandsflächen der WEA 01 ist auf dem Grundstück Gemarkung xxx Flur xxx Flurstück xxx eine Dienstbarkeit eingetragen. Beide Anlagenstandorte befinden sich im Geltungsbereich des rechtsverbindlichen Bebauungsplans „Windeignungsgebiet Nr. 26 xxx, OT xxx und xxx“.
Nach der Einmessung der errichteten WEA 01 und WEA 02 wurden Abweichungen von der genehmigten örtlichen Lage der Anlagenmittelpunkte auf den jeweiligen Standortgrundstücken festgestellt. Der tatsächliche Abstand der WEA 01 zur nördlichen Grundstücksgrenze beträgt 46,0 m, genehmigt war ein Abstand von 45,0 m, und der zur östlichen Grundstücksgrenze 22,0 m, genehmigt war ein Abstand von 22,2 m. Der Abstand der WEA 02 zur nördlichen Grundstücksgrenze beträgt 48,8 m, genehmigt war ein Abstand von 48,7 m.
Mit Schreiben vom 09. Juni 2009 wies der Beklagte die Klägerin auf diese Abweichungen hin und forderte sie auf, für ein einzuleitendes Verfahren zur Änderung der Baugenehmigung für die betroffenen Windenergieanlagen die notwendigen Antragsunterlagen mit einem entsprechenden amtlichen Lageplan einzureichen.
Daraufhin beantragte die Klägerin bei dem Beklagten – untere Bauaufsichtsbehörde - mit Posteingang vom 13. Oktober 2009 die Erteilung einer Baugenehmigung hinsichtlich der Lageänderung der betroffenen Anlagen. Zugleich wies sie daraufhin, dass sich durch Verschiebungen der Anlagenmittelpunkte Änderungen bezüglich der in Anspruch genommenen Flurstücke nicht ergäben. Die erforderlichen Abstandsflächen lägen weiterhin auf den Baugrundstücken und - hinsichtlich der WEA 01 – auf dem dafür mit Zustimmung der Eigentümer in Anspruch genommenen Nachbargrundstück.
Nach vorangegangener Einholung des gemeindlichen Einvernehmens erteilte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 18. Dezember 2009 die beantragten Baugenehmigungen mit der Begründung, die Lageänderungen seien geringfügig, so dass „im Ermessen“ eine erneute Nachbarbeteiligung nicht für erforderlich gehalten werde. Auch eine Änderung der eingetragenen Dienstbarkeiten werde „im Ermessen“ nicht für erforderlich gehalten. Gleichzeitig setzte der Beklagte im Rahmen der Kostenentscheidung für die Erteilung der Änderungsgenehmigung eine Gebühr in Höhe von 3.594,00 Euro nach dem Gebührengesetz für das Land Brandenburg (GebG Bbg) vom 07. Juli 2009 (GVBl. I S. 246) in Verbindung mit der Verordnung über die Gebühren in bauordnungsrechtlichen Angelegenheiten im Land Brandenburg (Brandenburgische Baugebührenordnung – BbgBauGebO) vom 20. August 2009 unter Anwendung der Tarifstelle 1.6.3 des Gebührenverzeichnisses (Anlage 1 zur BbgBauGebO) fest. Die festgesetzte Gebühr errechnete er, indem er je Windenergieanlage Herstellungskosten in Höhe von 1.496.393,00 Euro, also 2.992.786,00 Euro, in Ansatz brachte, 40% der Summe (gerundet 1.198.000,00 Euro) als anrechenbaren Bauwert bestimmte, und davon 1%, also 11.980,00 Euro, als Gebühr nach Tarifstelle 1.1.1. des Gebührenverzeichnisses ermittelte und diese Gebühr um 70%, also auf 3.594,00 Euro reduzierte.
Den dagegen von der Klägerin erhobenen, aber von ihr nicht begründeten Widerspruch vom 18. Dezember 2009 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. April 2011 zurück, legte der Klägerin die Kosten des Widerspruchsverfahrens auf und setzte für die Zurückweisung des Widerspruchs diese Kosten in Höhe von 362,85 Euro (359,40 Euro Gebühren und 3,45 Euro Auslagen) fest. Zur Begründung führte der Beklagte aus: Der Widerspruch gegen die Erteilung der beantragten Baugenehmigung sei unzulässig, weil die Klägerin durch sie nicht belastet sei. Der Widerspruch gegen die Kostenentscheidung sei unbegründet. Diese sei korrekt ergangen. Kosten seien Gegenleistungen des Kostenschuldners für Amtshandlungen einer Behörde. Kostenschuldner im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 GebGBbg sei, wer die Amtshandlung zurechenbar veranlasst oder zu dessen Gunsten die Amtshandlung vorgenommen worden sei. Die Verwaltungsgebührenschuld und die Auslagenschuld entstehe mit der Beendigung der gebührenpflichtigen Amtshandlung (§ 10 Abs. 1 GebG Bbg). Gem. § 1 BbgBauGebO erhöben die Bauaufsichtsbehörden Gebühren und Auslagen. Nach § 2 Abs. 1 BbgBauGebO seien die Gebühren und Amtshandlungen nach dem Gebührenverzeichnis, Anlage 1 zur BbgBauGebO zu berechnen. Für die Beurteilung der Zulässigkeit des Vorhabens sei die Einbeziehung verschiedener Behörden erforderlich gewesen. Demzufolge sei hier die Tarifstelle 1.6.3. (Änderung einer Baugenehmigung - § 67 Abs. 1 BbgBO - auf Grund wesentlich geänderter Bauvorlagen wenn eine Beteiligung anderer Behörden nach § 63 BbgBO erforderlich war – 30 bis 80% der Tarifstellen 1.1.1 bis 1.1.4) angewendet worden. Vorliegend sei, ausgehend von den anzusetzenden Herstellungskosten je Windkraftanlage, eine Genehmigungsgebühr ermittelt und diese gemäß Tarifstelle 1.6.3. auf 30% reduziert worden. Die Erhebung der Gebühr in der so ermittelten Höhe sei nicht zu beanstanden.
Nach § 18 Abs. 3 GebG Bbg i. V. m. Tarifstelle 8.3 der Anlage 1 zur Bbg BauGebO sei für die Zurückweisung eines Widerspruchs gegen die Kostenentscheidung eine Gebühr in Höhe von 10% der angefochtenen Gebühr und Auslagen zu erheben.
Die Widerspruchsbescheide vom 29. April 2011 wurden den Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Postzustellungsurkunde am 03. Mai 2011 zugestellt.
Die Klägerin hat am 03. Juni 2011 Klage erhoben. Diese trägt im Wesentlichen vor:
Der Änderungsbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheids sei rechtswidrig. Eine Kosten auslösende Erteilung einer Baugenehmigung nach § 67 BbgBO hätte nicht ergehen dürfen, da die geringfügigen Anlagenverschiebungen keine Genehmigungspflicht i. S. des § 54 BbgBO ausgelöst hätten. Vom Änderungsbegriff des § 54 BbgBO seien keine unerheblichen oder so geringfügigen Baumaßnahmen umfasst, welche – wie vorliegend - keine relevanten Auswirkungen hätten. Die Abstandsflächen der Windkraftanlagen lägen auch nach deren geringfügigen Lageänderungen weiterhin auf den Baugrundstücken und zum Teil – wie genehmigt und per eingetragener Dienstbarkeit gesichert – auf einem Nachbargrundstück. Bei einer unterstellten Genehmigungsbedürftigkeit sei zumindest die Kostenentscheidung rechtswidrig, weil es sich bei der Genehmigung der geringfügigen Lageänderungen lediglich um eine Tektur handele, für die die einschlägige Tarifstelle im Gebührenverzeichnis einen Rahmen von 100 Euro bis 1000,00 Euro vorsehe. Eine Behördenbeteiligung im Sinne des § 63 Abs. 3 BbgBO sei, ebenso wie eine erneute Nachbarbeteiligung, nicht erforderlich gewesen. Selbst, wenn kein Fall der Tektur vorliege, verstießen die festgesetzten Gebühren ihrer Höhe nach gegen das Äquivalenzprinzip. Unter dem Gesichtspunkt des Äqivalenzprinzips wären dann Gebühren nach der Tarifstelle 1.6.2. im untersten Bereich mit 10% der nach der Tarifstelle 1.1.1. des Gebührenverzeichnisses zu erhebenden Gebühren angemessen, weil eine Behördenbeteiligung nicht erforderlich und die Lageänderungen geringfügig gewesen seien.
Die Klägerin beantragt,
den Änderungsbescheid vom 18. Dezember 2009 (Az. xxx) in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. April 2011 (Az. xxx) aufzuheben,
hilfsweise, den Änderungsbescheid vom 18. Dezember 2009 (Az. xxx) in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. April 2011 (Az. xxx) dahingehend abzuändern, dass die Kostenentscheidung auf 100,00 € reduziert wird,
höchst hilfsweise, den Änderungsbescheid vom 18. Dezember 2009 (Az. xxx) in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. April 2011 (Az. xxx) dahingehend abzuändern, dass die Kostenentscheidung auf 1.198,00 € reduziert wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung vertieft er seine Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid und dem Widerspruchbescheid.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (3 Hefter) Bezug genommen.
Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet die Kammer über die Klage ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).
Die Klage ist mit ihrem Hauptantrag zulässig.
Die auf Aufhebung des Änderungsbescheides des Beklagten vom 18. Dezember 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 29. April 2011 gerichtete Klage ist als Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 VwGO statthaft. Der Änderungsbescheid enthält zwei selbständige Verwaltungsakte: Die baurechtliche Änderungsgenehmigung, nämlich die Zulassung der Standortänderungen der (bereits errichteten) Windenergieanlagen WEA 01 und WEA 02 gegenüber der von der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung umfassten (Bau-)Genehmigung der geplanten Standorte dieser Windenenergieanlagen, und eine selbständige Kostenentscheidung, mit der der Beklagte die Verwaltungsgebühren für die Erteilung der Änderungsgenehmigung festgesetzt hat.
Ferner umfasst das Klagebegehren die Aufhebung der in dem gleichfalls angefochtenen Widerspruchsbescheid des Beklagten getroffenen Kostenentscheidung. Ein Vorverfahren ist insoweit nach § 68 Abs. 1 Nr. 2 VwGO entbehrlich.
Soweit die Klägerin mit ihrem Klageantrag die in dem Änderungsbescheid des Beklagten enthaltene Baugenehmigung (Änderungsgenehmigung) angreift, steht der Zulässigkeit ihres Aufhebungsbegehrens nicht entgegen, dass es sich bei der erteilten Baugenehmigung grundsätzlich um einen begünstigenden Verwaltungsakt handelt, der in der Regel seinen Adressaten nicht in seinen Rechten verletzt. Ist – wie hier - streitig, ob ein bestimmtes Handeln einer Genehmigung bedarf, hat der Adressat einer erteilten Genehmigung hinsichtlich einer Anfechtungsklage gegen eine solche Genehmigung sowohl die erforderliche Klagebefugnis als auch das erforderliche Rechtsschutzinteresse (so auch VG Darmstadt, Urteil vom 11. März 2004 - 3 E 815/01[4], juris, Rn. 24 und VG Würzburg, Urteil vom 05. Juli 2012 – W 5 K 11.255, juris, Rn. 17). Die Erteilung einer Genehmigung kann zum einen zur Folge haben, dass unmittelbar oder mittelbar mit ihr Belastungen verbunden sind, die der Genehmigungsadressat ohne die erteilte Genehmigung nicht zu tragen hätte. Dies ist vorliegend primär die Kostenschuld der Klägerin aus der Änderungsgenehmigung. Darüber hinaus erweckt die Existenz einer erteilten Genehmigung den Anschein, als ob das dem Verwaltungsakt zugrundeliegende tatsächliche Geschehen auch genehmigungsbedürftig sei. Der Adressat einer ihm erteilten „aufgedrängten“ Genehmigung hat im Hinblick auf die in Art. 2 Abs. 1 GG verbürgte allgemeine Handlungsfreiheit die Befugnis, diese Genehmigung vor den Verwaltungsgerichten mit der Begründung, er bedürfe ihrer von Rechts wegen nicht, anzufechten (vgl. VG Darmstadt, Urteil vom 11. März 2004, a. a. O.) Die Klägerin kann auch nicht auf die Möglichkeit der Erhebung einer Klage auf Feststellung, die geringfügige Abweichung von den ursprünglich genehmigten Standorten der Windenergieanlagen sei nicht genehmigungsbedürftig, verwiesen werden. Zwar ist die Feststellungsklage in der Regel die geeignete Klageart, wenn die Beteiligten darüber streiten, ob für eine bestimmte Tätigkeit eine behördliche Erlaubnis benötigt wird. Eine erfolgreiche Feststellungsklage hätte aber nicht zur Folge, dass die als „aufgedrängt“ empfundene Genehmigung beseitigt würde (vgl. VG Darmstadt, Urteil vom 11. März 2004, a. a. O. und VG Würzburg, Urteil vom 05. Juli 2012, a. a. O.).
Die Klage ist mit ihrem Hauptantrag aber nur teilweise begründet.
Soweit mit dem angefochtenen Änderungsbescheid des Beklagten vom 18. Dezember 2009 in der Fassung des dazugehörigen Widerspruchsbescheides vom 29. April 2011 die Standortabweichung der Windenergieanlagen WEA 01 und WEA 02 von der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung des damaligen Landesumweltamtes Brandenburg genehmigt wird, ist dieser rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (I.) Hingegen ist die Festsetzung einer Gebühr für die Erteilung der vorgenannten Änderungsgenehmigung in Höhe von 3.594,00 Euro in dem Änderungsbescheid des Beklagten vom 18. Dezember 2009 in der Fassung des dazu ergangenen Widerspruchsbescheides vom 29. April 2011 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, (II). Rechtswidrig ist auch die Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 29. April 2011. Auch sie verletzt die Klägerin in ihren Rechten (III.), vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
I.
Die von der Klägerin beantragte und ihr von dem Beklagten erteilte Änderungsgenehmigung ist rechtmäßig.
Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die Standortänderungen der WEA 01 auf dem Grundstück Gemarkung xxx Flur xxx Flurstück xxx und der WEA 02 auf dem Grundstück Gemarkung xxx Flur xxx Flurstück xxx gem. § 54 Abs. 1 der Brandenburgischen Bauordnung (BbgBO) genehmigungsbedürftig. Nach dieser Vorschrift bedürfen die Errichtung, die Änderung und die Nutzungsänderung baulicher Anlagen der Baugenehmigung, soweit in den §§ 55, 58, 60, 61, 71 und 72 nichts anderes bestimmt ist. Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass es sich bei der erfolgten Errichtung der WEA 01 und WEA 02 abweichend von den in der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung des Landesumweltamtes Brandenburg vom 25. Februar 2008 zugelassenen Standorten nicht um die Änderung einer baulichen Anlage handelt. Vielmehr handelt es sich hier um die Errichtung baulicher Anlagen an Standorten, die so nicht genehmigt waren. Anders als die Klägerin meint, war die Genehmigung der der von der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung abweichenden Anlagenstandorte auch erforderlich, weil mit der angefochtenen Änderungsgenehmigung des Beklagten die formelle Illegalität der errichteten Windenergieanlagen beseitigt und damit der sichernden Ordnungsfunktion des formellen Baurechts genüge getan ist. Dass – wie die Klägerin meint – die geringfügigen und in der Praxis unvermeidlichen Standortabweichungen der errichteten Windenergieanlagen keine maßgebliche bauordnungsrechtliche Relevanz haben, ändert nichts an der formellen Illegalität der errichteten WEA 01 und WEA 02. Diese Umstände mögen für die Qualifizierung der erteilten Änderungsgenehmigung als echte Änderungsgenehmigung, Nachtragsgenehmigung oder bloße „Tekturgenehmigung“ und ihre gebührenrechtliche Einordnung im Rahmen der gleichfalls angefochtenen Gebührenfestsetzung relevant sein (dazu unten). An der Genehmigungsbedürftigkeit der Standortverschiebungen ändern sie nichts. Insofern hat der Beklagte auch zu Recht die Klägerin aufgefordert, einen Änderungsantrag zu stellen.
II. Die Festsetzung der Gebühr für die Erteilung der Änderungsgenehmigung in Höhe von 3.594,00 Euro ist rechtswidrig.
Rechtsgrundlage für die Festsetzung der Gebühr für die Erteilung einer baurechtlichen Änderungsgenehmigung sind hier §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1, 26 des (seit dem 16. Juli 2009 geltenden) Gebührengesetzes für das Land Brandenburg vom 07. Juli 2009 - GebG BbG – (GVBl. I Nr. 18, S. 246) in Verbindung mit §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 der im Zeitpunkt des Erlasses der Amtshandlung (vgl. Benedens, Kommentar zum Gebührengesetz für das Land Brandenburg, in Kommunalpraxis kompakt Brandenburg, Stand Februar 2012, § 10 Erläuterung unter Nr. 2). - hier des Erlasses der Änderungsgenehmigungen am 18. Dezember 2009 - maßgeblichen Verordnung über Gebühren in bauordnungsrechtlichen Angelegenheiten im Land Brandenburg (Brandenburgische Baugebührenordnung – BbgBauGebO - vom 20. August 2009 (GVBl. II Nr. 28 S. 562), die gemäß ihrem § 6 Satz 1 am 01. November 2009 in Kraft getreten ist. Gleichzeitig trat die Brandenburgische Baugebührenordnung vom 01. September 2003, die zuletzt durch Verordnung vom 26. September 2007 geändert worden ist, außer Kraft (§ 6 Satz 2 BbgBauGebO).
Gem. § 1 Abs. 1 BbgBauGebO erheben u. a. die Bauaufsichtsbehörden für ihre Amtshandlungen Gebühren und Auslagen nach dieser Verordnung. Gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 BbgBauGebO sind die Gebühren nach dem Gebührenverzeichnis (Anlage 1) zu bestimmen. Für die Änderung einer Baugenehmigung (§ 67 Abs. 1 BbgBO) auf Grund geringfügig geänderter Bauvorlagen (Tektur) sieht die Tarifstelle 1.6.1 des Gebührenverzeichnisses einen Gebührenrahmen von 100 Euro bis 1000 Euro vor. Nach der Tarifstelle 1.6.2 beträgt die Gebühr bei der Änderung einer Baugenehmigung (§ 67 Abs. 1 BbgBO) auf Grund geänderter Bauvorlagen, wenn die Beteiligung anderer Behörden nach § 63 Abs. 3 BbgBO nicht erforderlich ist, 10 bis 40 Prozent der nach den Tarifstellen 1.1.1 bis 1.1.4 erhobenen Gebühr. Für die Änderung einer Baugenehmigung (67 Abs. 1 BbgBO) auf Grund wesentlich geänderter Bauvorlagen, wenn eine Beteiligung anderer Behörden nach § 63 Abs. 3 BbgBO erforderlich ist, sieht die Tarifstelle 1.6.3 des Gebührenverzeichnisses eine Gebühr in Höhe von 30 bis 80 Prozent der Gebühr nach den Tarifstellen 1.1.1 bis 1.1.4 vor.
Der Beklagte ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Tarifstelle 1.6.3 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 1 Satz 1 BbgBauGebO für die von ihm erteilte Änderungsgenehmigung Anwendung findet. Die Voraussetzungen für die Anwendung dieses Gebührentatbestandes sind nicht gegeben. Die Tarifstelle 1.6.3 ist nur bei der Änderung einer Baugenehmigung auf Grund wesentlich geänderter Bauvorlagen anwendbar. Damit erfasst die Tarifstelle 1.6.3 die echte Änderungsbaugenehmigung. Diese regelt – im Gegensatz zur Nachtragsbaugenehmigung - inhaltlich ein vom ursprünglichen Genehmigungsgegenstand wesensverschiedenes Vorhaben („aliud“). Ein solches „aliud“ ist anzunehmen, wenn sich das neue Vorhaben in Bezug auf baurechtlich relevante Kriterien von dem ursprünglich genehmigten Vorhaben unterscheidet. Ein baurechtlich relevanter Unterschied zwischen dem ursprünglich genehmigten und dem abgewandelten Bauvorhaben ist immer dann anzunehmen, wenn sich für das abgewandelte Bauvorhaben die Frage der Genehmigungsfähigkeit wegen geänderter tatsächlicher oder rechtlicher Voraussetzungen neu stellt, d. h. diese geänderten Voraussetzungen eine erneute Überprüfung der materiellen Zulässigkeitskriterien erfordern (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 13. Dezember 2012 – 2 B 1250/12 – juris Rn. 15 m. w. N. aus der Rspr.). Hingegen ergänzt oder ändert eine Nachtragsbaugenehmigung die Ausgangsbaugenehmigung lediglich, ohne das Vorhaben in seinem Wesen zu verändern. Sie ist zwar ein Verwaltungsakt, modifiziert aber nur die ursprüngliche Baugenehmigung und rechtfertigt - für sich genommen - die Verwirklichung des Vorhabens nicht. Sie betrifft kleinere Änderungen und regelt inhaltlich kein von dem Genehmigungsgegenstand wesensverschiedenes Vorhaben ("aliud") (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 13. Dezember 2012, a. a. O.) In der Konsequenz bilden Ausgangsbaugenehmigung und Nachtragsbaugenehmigung in aller Regel eine genehmigungsrechtliche Einheit, Ausgangsbaugenehmigung und Änderungsbaugenehmigung jedoch nur dann, wenn die an sich selbständige Änderung lediglich abgrenzbare Teile des bereits genehmigten Vorhabens betrifft und die Ausgangsgenehmigung im Übrigen die Legalisierungsgrundlage des Vorhabens bleibt (OVG Münster, Beschluss vom 13. Dezember 2012 a. a. O. m. w. N.)
Daran gemessen handelt es sich bei der mit der Änderungsgenehmigung vom 18. Dezember 2009 genehmigten Standortänderung der WEA 01 und WEA 02 um eine echte Änderungsgenehmigung. Sie modifiziert nicht die in der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung des Landesumweltamtes Brandenburg vom 25. Februar 2008 enthaltene Baugenehmigung, sondern gestattet – aus bauordnungsrechtlicher Sicht – die Verwirklichung eines wesentlich anderen Vorhabens, das gegenüber dem ursprünglich genehmigten Vorhaben als „aliud“ anzusehen ist. Denn die Errichtung der WEA 01 und der WEA 02 an anderen Standorten als an den ursprünglich genehmigten erweist sich sachlich als ein (verwirklichtes) Vorhaben, das erneut auf seine materielle (bauordnungsrechtliche) Zulässigkeit überprüft werden muss. Dass die Abweichungen der tatsächlichen Standorte der WEA 01 und 02 von den ursprünglich genehmigten Standorten mit maximal 1,0 m (WEA 01) und lediglich 0,10 m (WEA 02) nur geringfügig erscheinen, ist für die Frage, ob die Genehmigungsfähigkeit wegen geänderter tatsächlicher und rechtlicher Voraussetzungen neu beurteilt werden muss, ohne Belang. Gerade wenn es um die Einhaltung von Abstandsflächen geht, können Änderungen im Zentimeterbereich für die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines Vorhabens entscheidend sein (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 04. Mai 2004 - 10 A 1476/04 -, juris, Rn 11).
Die Voraussetzungen des Gebührentatbestandes der Tarifstelle 1.6.3 des Gebührenverzeichnisses zur BbgBauGebO liegen aber deswegen nicht vor, weil eine Beteiligung anderer Behörden nach § 63 Abs. 3 BbgBO nicht erforderlich war. Insbesondere machte die Änderung des Standortes der WEA 01 und 02 ein Ersuchen an die Standortgemeinde Rehfelde um Erteilung des Einvernehmens nach § 36 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB) nicht erforderlich, weil der Beklagte mit der erteilten Änderungsgenehmigung nicht über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach den §§ 31, 33 und 35 des BauGB, sondern über die Zulässigkeit eines Vorhabens im Geltungsbereich des rechtsverbindlichen Bebauungsplanes „Windeignungsgebiet Nr. 26 Rehfelde, OT Werder und Zinndorf“ (vgl. § 30 BauGB) entschieden hat. Anhaltspunkte dafür, dass die erfolgte Standortverschiebung der beiden Windenergieanlagen zu neuen Standorten außerhalb des planerisch ausgewiesenen Eignungsgebietes geführt hätte, lagen mit Blick auf die geringfügigen Standortabweichungen der errichteten Windenergieanlagen von maximal 1,0 m offensichtlich nicht vor.
Die festgesetzte Gebühr in Höhe von 3.594 Euro ist auch nicht vom Gebührentatbestand der Tarifstelle 1.6.2 des Gebührenverzeichnisses gedeckt. Dieser Gebührentatbestand kommt nach Auffassung der Kammer im vorliegenden Fall grundsätzlich zur Anwendung, weil es sich bei der angefochtenen Änderungsgenehmigung – wie zuvor dargelegt – nicht um eine Tekturgenehmigung, sondern vielmehr um eine echte Änderungsbaugenehmigung handelt. Dies schließt gleichzeitig die Anwendbarkeit des Tatbestandes der Tarifstelle 1.6.1. des Gebührenverzeichnisses aus.
Die Tarifstelle 1.6.2. des Gebührenverzeichnisses sieht keinen festen Gebührensatz, sondern einen Gebührenrahmen vor. In einem solchen Fall verbleibt der Behörde bei Anwendung der Vorschrift ein gewisser, in seinem Umfang sachentsprechend auszufüllender Entscheidungsspielraum. Es liegt ein Fall der Ermessensausübung vor. Das verstößt zwar nicht gegen das Bestimmtheitsgebot, weil eine Gebührenregelung in der Praxis nur brauchbar ist, wenn sie auf eine größere Zahl von Einzelfällen angewendet werden kann. Der Gebührenrahmen ist aber ermessensgerecht zu bestimmen. Das bedeutet im Anwendungsbereich des staatlichen Gebührenrechts, dass bei der Festsetzung der Gebühr im Einzelfall zu berücksichtigen ist, welchen Verwaltungsaufwand die Amtshandlung verursacht hat und welche Bedeutung, welchen wirtschaftlichen Wert oder sonstigen Nutzen die Amtshandlung für den Gebührenschuldner hat (vgl. VG Potsdam, Urteil vom 19. Mai 2010 – 4 K 624/08 – juris Rn. 20 unter Berufung auf Benedens, in: Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg, Loseblatt-Kommentar, Stand Juli 2009, § 5 Rn. 60 ff, m. w. N.). So sind nach § 14 BbgGebG bei der Festsetzung einer Rahmengebühr, wie sie die einschlägigen Tarifstellen in der Anlage 1 zur hier maßgeblichen Baugebührenordnung vom 20. August 2009 festlegen, im Einzelfall grundsätzlich von Amts wegen sowohl der Verwaltungsaufwand (Nr. 1) als auch die Bedeutung, der wirtschaftliche Wert oder der sonstige Nutzen der öffentlichen Leistung für den Gebührenschuldner (Nr. 2 der Vorschrift) zu berücksichtigen.
Unter Berücksichtigung dessen hat der Beklagte das ihm hinsichtlich der anzuwendenden Tarifstelle 1.6.2 eingeräumte Ermessen zur Bestimmung einer sog. Rahmengebühr i. S. v. § 5 Abs. 1, Abs. 3 GebGBbg nicht und damit rechtsfehlerhaft ausgeübt. Ermessenserwägungen, die die Festsetzung der Gebühr in Höhe von 3.594,00 Euro (= 30% der nach der Tarifstelle 1.1.1. erhobenen Gebühr) oberhalb der Mindestgebühr von 10% der nach der Tarifstelle 1.1.1. erhobenen Gebühr stützen, lassen sich den angefochtenen Bescheiden nicht entnehmen. Da auch Gründe für eine Ermessensreduzierung nicht gegeben sind, ist die Gebührenfestsetzung in dem Änderungsbescheid des Beklagten aufzuheben. Denn die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich auf die Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung (vgl. § 114 S. 1 VwGO).
Nach dem (tw.) Erfolg des Hauptantrages war über die auf die Kostenentscheidungen beschränkten gestellten Hilfsanträge nicht mehr zu entscheiden.
III.
Da die Zurückweisung des Widerspruchs der Klägerin durch den angefochtenen Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 29. April 2011 im Hinblick auf die festgesetzten Gebühren rechtswidrig war, sind die rechtlich selbstständige Kostenentscheidung und die Festsetzung der Gebühren in Höhe von 362,85 Euro und der Auslagen in Höhe von 3,45 Euro ebenfalls als rechtswidrig aufzuheben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, 709 S. 2, 711 Zivilprozessordnung. Gründe, die Berufung zuzulassen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich, § 124 a Abs. 1 VwGO.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 8.956,85 Euro festgesetzt.
.
G r ü n d e:
Die Kammer hat hinsichtlich des von der Klägerin angefochtenen Änderungsbescheides in Ermangelung genügender Anhaltspunkte den Auffangstreitwert angenommen, § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes.
Die Streitwertfestsetzung im Übrigen entspricht dem streitbefangenen Geldbetrag (§ 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes).