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Kindergartenrecht, Heimrecht


Metadaten

Gericht VG Cottbus 1. Kammer Entscheidungsdatum 15.12.2016
Aktenzeichen VG 1 L 516/16 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 17 Abs 1 KTagStG BB, § 17 Abs 3 KTagStG BB, § 80 Abs 5 VwGO

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin (Az. VG 1 K 1740/16) gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 1. Juli 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2016 wird angeordnet.

Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt der Antragsgegner.

Gründe

Die Entscheidung erfolgt gemäß § 87 a Abs. 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) durch die Berichterstatterin, nachdem sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben.

Der – sinngemäße - Antrag der Antragstellerin,

die aufschiebende Wirkung ihrer Klage (Az. VG 1 K 1740/16) gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 1. Juli 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2016 anzuordnen,

hat Erfolg.

Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs – hier der Klage gegen die gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sofort vollziehbare rückwirkende Erhebung von Elternbeiträgen – anordnen; der noch auf den Widerspruch bezogene Antrag war, da das Widerspruchsverfahren bereits abgeschlossen ist, entsprechend auszulegen. Dabei trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung, in deren Rahmen es abzuwägen hat, ob das private Interesse eines Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfes das öffentliche Vollziehungsinteresse überwiegt. Maßgeblich ist hierfür auf die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfes abzustellen; ist der erlassene Verwaltungsakt im Rahmen der im vorliegenden Eilrechtsschutzverfahren nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage offensichtlich rechtswidrig, besteht an dessen Vollziehung regelmäßig kein öffentliches Interesse.

So liegt der Fall hier.

Der Bescheid des Antragsgegners vom 1. Juli 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2016 ist rechtswidrig und verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Rechtsgrundlage für die Erhebung von Elternbeiträgen für die Betreuung eines Kindes in einer Tageseinrichtung sind §§ 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, 17 Abs. 1 des Kindertagesstättengesetzes des Landes Brandenburg (KitaG) i. V. m. den Bestimmungen der am 1. Januar 2015 in Kraft getretenen Kita-Gebührensatzung des Antragsgegners vom 25. November 2014. Dass der hier zu Grunde liegende Betreuungsvertrag bereits zuvor im August 2012 abgeschlossen wurde, steht der Anwendbarkeit der Kita-Gebührensatzung nicht entgegen, da Ziffer 2.1 des Vertrages insoweit dynamisch auf die (jeweils) gültige Regelung verweist.

Der Bundesgesetzgeber hat die Ausgestaltung der Erhebung der Elternbeiträge weitgehend dem Landesrecht überlassen. § 17 Abs. 3 KitaG weist die Befugnis, Elternbeiträge festzulegen und zu erheben, dem Träger der jeweiligen Einrichtung zu; handelt es sich hierbei um eine Gemeinde oder einen Gemeindeverband, kann diese(r) nach Satz 3 der Regelung die Elternbeiträge durch Satzung festlegen und als Gebühr erheben.

Von dieser Befugnis hat das Amt ……. mit seiner Kita-Gebührensatzung Gebrauch gemacht. Nach § 7 Abs. 3 und 4 der Satzung bemisst sich die Höhe der Elternbeiträge nach dem Elterneinkommen, der Betreuungsform, der Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder und dem vereinbarten Betreuungsumfang. Maßgebliches Einkommen ist gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 der Satzung das des laufenden Kalenderjahres, wobei das Jahreseinkommen im Folgejahr überprüft wird und sodann die Elternbeiträge (endgültig) festgesetzt sowie Überzahlungen erstattet bzw. Nachzahlungen erhoben werden, § 8 Abs. 3 der Satzung. Diesbezüglich bestimmt § 10 Abs. 1 der Satzung, dass die Erziehungsberechtigten mindestens bei der jährlichen Einkommensüberprüfung nach Aufforderung bzw. bis zum 31. Mai des Folgejahres ihr maßgebliches Einkommen anzugeben und nachzuweisen haben (Satz 1). Werden nach Aufforderung entsprechende Einkommensnachweise nicht oder nicht vollständig vorgelegt, wird die für die jeweilige Betreuungsform in der Gebührentabelle ausgewiesene Höchstgebühr festgesetzt.

Diese Regelungen unterliegen grundsätzlich keinen Bedenken und stehen mit den gesetzlichen Vorgaben im Einklang. Insbesondere ist es im Hinblick auf den Grundsatz der Beitragsgerechtigkeit und der Beitragserhebung nach der tatsächlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zulässig, die sich im Rahmen der nachträglichen Prüfung des maßgeblichen Jahreseinkommens ergebenden Einkommensänderungen bei der Festsetzung der Gebühren zu berücksichtigen. Elternbeitragsbescheide stehen unabhängig davon, ob sie ausdrücklich unter einem Vorbehalt festgesetzt wurden, von vornherein unter dem Vorbehalt nachträglicher Prüfung und Änderung. Die durch § 10 Abs. 1 Satz 4 der Kita-Gebührensatzung eröffnete Möglichkeit, in Fällen, in denen die Erziehungsberechtigten ihr Einkommen trotz Aufforderung nicht hinreichend nachweisen, die jeweiligen Höchstbeträge festzusetzen, trägt dem Umstand Rechnung, dass die Einrichtungsträger bei der Ermittlung des maßgeblichen Einkommens entscheidend auf die Mitwirkung der Eltern angewiesen sind. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Erhebung der Elternbeiträge im Rahmen einer - ohnehin mehr Spielraum eröffnenden – sozialen Leistungsgewährung erfolgt (vgl. hierzu Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 10. März 1998 – 1 BvR 178/97 -, juris Rn. 55, 68 ff.; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 15. September 1998 – 8 C 25/97 -, juris Rn. 22), indem die – regelmäßig nicht im Ansatz kostendeckenden – Elternbeiträge lediglich den Wert der den Erziehungsberechtigten gewährten Betreuungs- und Bildungsleistung anteilig mindern. Insofern erscheint es auch im Hinblick auf den sachlich begründeten Grundsatz der Verwaltungspraktikabilität nicht willkürlich oder unverhältnismäßig, die Leistungsgewährung gegenüber Eltern, die an der Feststellung ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht in gebotenem Maße mitwirken, nach Maßgabe der jeweiligen Höchstsätze einzuschränken. Den von der Antragstellerin behaupteten „Strafcharakter“ vermag die Kammer der Regelung des § 10 Abs. 1 Satz 4 der Kita-Gebührensatzung unter Beachtung dieser Grundsätze nicht beizumessen.

Vorliegend erfolgte die verfahrensgegenständliche rückwirkende Festsetzung der Elternbeiträge nach den in der Gebührentabelle ausgewiesenen Höchstbeträgen jedoch deshalb rechtswidrig, weil die Antragstellerin nach ihrem unbestritten gebliebenen Vortrag und ausweislich des beigezogenen Verwaltungsvorganges dem Antragsgegner die erforderlichen Einkommensnachweise jedenfalls im Rahmen des Widerspruchsverfahrens vorgelegt hat. Der Antragsgegner hat insoweit nicht hinreichend eingestellt, dass der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Verwaltungsentscheidung regelmäßig der Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch ist, so dass es maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage bei Erlass des Widerspruchsbescheides ankommt. Denn auf den Widerspruch hin ist der Ausgangsbescheid grundsätzlich umfassend in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu überprüfen, wobei die Behörde neues Vorbringen ebenso wie eine Änderung der Sach- und Rechtslage zu berücksichtigen hat (vgl. ebenso Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 68 Rn. 196; Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 68 Rn. 12, 14 m. w. N.). Der Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1 Satz 4 der Kita-Gebührensatzung war dementsprechend nicht (mehr) eröffnet, nachdem die Antragstellerin mit ihrem Widerspruch auch ihre Einkommensunterlagen vorgelegt hat, aus denen sich ergibt, dass sie in dem in Rede stehenden Zeitraum ein Einkommen unterhalb der die Festsetzung der Höchstbeträge rechtfertigenden Bemessungsgrundlage bezogen hat, zumal § 10 Abs. 1 Satz 4 der Kita-Gebührensatzung die Festsetzung der Höchstbeträge nur für den Fall bestimmt, dass Einkommensnachweise nicht oder nicht vollständig vorgelegt werden, während eine bloß verspätete Vorlage nicht erfasst wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 VwGO.

Einer Entscheidung über den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe bedarf es nicht, da dieser Antrag im Hinblick auf die tenorierte Kostenentscheidung zu Lasten des Antragsgegners gegenstandslos ist.