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Entscheidung 15 Sa 1517/17


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 15. Kammer Entscheidungsdatum 23.05.2018
Aktenzeichen 15 Sa 1517/17 ECLI ECLI:DE:LAGBEBB:2018:0523.15SA1517.17.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 7 Abs 6 SokaSiG, § 67 Abs 4 ArbGG, § 204 Abs 1 Zeichen 3 BGB, § 263 ZPO, § 167 ZPO, § 264 Nr 2 ZPO, § 533 ZPO, § 691 Abs 2 ZPO

Leitsatz

Das Montieren und Aufstellen von Photovoltaikanlagen stellt grundsätzlich eine bauliche Tätigkeit dar in Form der Erstellung oder Änderung von Bauwerken gemäß § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV-Bau.

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 19. Oktober 2017 – 65 Ca 80399/17 – wird zurückgewiesen.

II. Die Klageerweiterung im Rahmen der Anschlussberufung des Klägers wird als unzulässig zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz hat die Beklagte zu tragen.

Die Berufungskosten sind von dem Kläger alleine zu tragen.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger, der in der Rechtsform eines Vereins mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher Verleihung organisierten Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft (ULAK), begehrt von der Beklagten die Zahlung von Beiträgen für das Jahr 2012. Erstinstanzlich betraf dies auf der Basis sogenannter Mindestbeiträge für sechs Monate ausschließlich den Arbeitnehmer K. für die Zeiträume Juni bis November 2012. Im Wege der Anschlussberufung begehrt der Kläger für weitere 54 Arbeitnehmer Beiträge in Höhe weiterer 31.475,81 €.

Inzwischen ist unstreitig, dass die Beklagte mit 55 gewerblichen Arbeitnehmern im streitigen Zeitraum Photovoltaikanlagen auf Dächern montiert oder auf Feldern aufgestellt hat. Hinsichtlich des übrigen unstreitigen Sachverhalts und des Vorbringens der Parteien in der 1. Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.164,00 € zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 19.10.2017 hat das Arbeitsgericht Berlin der Klage stattgegeben. Der Kläger sei aktivlegitimiert. Die Beklagte unterfalle dem betrieblichen Geltungsbereich des § 1 Abs. 2 Abschnitt 2 VTV Bau. Die Montage diene der Erstellung von Bauwerken. Soweit die Beklagte bestritten habe, die Montage dieser Anlagen durchzuführen und hierzu lediglich pauschal behaupte, diese an Subunternehmer zu vergeben, sei dieser Vortrag unbeachtlich. Insofern habe die Beklagte auch nicht vorgetragen, womit die bei ihr angestellten Arbeitnehmer beschäftigt gewesen sein sollen. Der Betrieb der Beklagten sei auch nicht als Betrieb eines Elektroinstallationsgewerbes vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV ausgenommen. Die Beklagte habe weder vorgetragen, dass sie die entsprechenden Anlagen anschließe noch, dass sie hierfür ausgebildete Elektriker beschäftige. Das SokaSiG sei verfassungsgemäß.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung der Beklagten. Sie ist der Ansicht, die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert. Dies ergebe sich aus der Eintragung im Handelsregister. Sie unterfalle nicht dem persönlichen Geltungsbereich des VTV Bau. Im Gegensatz zur Auffassung des Arbeitsgerichts sei einfaches Bestreiten ausreichend gewesen. Ihr obliege keine sekundäre Beweislast. Bei den Photovoltaikanlagen handele es sich nicht um Bauwerke. Es liege allenfalls eine Montage einer elektrischen Anlage vor. Sie sei Mitglied der Elektroinnung und zugelassener Installationsbetrieb. Das SokaSiG sei verfassungswidrig. Die Ansprüche seien verjährt, denn die Zustellung des Mahnbescheides sei erst am 01.02.2017 erfolgt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 19.10.2017, Az.: 65 CA 80399/17, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

1. die Berufung zurückzuweisen;

2. im Wege der Klageerweiterung die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 31.475,81 € (insgesamt also 33.839,81 €) zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung als unbegründet und unzulässig zurückzuweisen.

Der Kläger behauptet, durch eine Drittinformation erst am 21.09.2015 darüber in Kenntnis gesetzt worden zu sein, was die Beschäftigung der übrigen Arbeitnehmer angeht. Daher seien die entsprechenden Beitragsansprüche nicht verjährt.

Mit Schriftsatz vom 17.05.2018 behauptet die Beklagte, die Unterkonstruktionsmontage und die vorbereitenden Arbeiten würden gerade einmal 5 % der gesamtzeitlichen Tätigkeiten ausmachen. Insofern handele es sich um vorbereitende Elektroarbeiten. Die weiteren Arbeiten umfassen die Verlegung der notwendigen Kabel, die den typischen Gewerk des Elektrohandwerks zugehörig seien sowie die Verbindung der Photovoltaikmodule, wobei die einzelnen Sonnenkollektoren durch Kabel miteinander verbunden werden. Sie hält die Klageerweiterung für unzulässig, da sie nicht sachdienlich sei.

Entscheidungsgründe

A)

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Sie war daher zurückzuweisen.

I.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung ist nicht begründet. Sie war daher zurückzuweisen. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zu Recht verurteilt, an den Kläger 2.164,00 EUR an Sozialkassenbeiträgen zu zahlen. Die Beitragspflicht ergibt sich aus § 18 VTV-Bau, da die Beklagte in dem hier streitigen Zeitraum einen Betrieb des Baugewerbes unterhalten hat (1.). Der Kläger ist aktivlegitimiert (2.). Die Anwendung des VTV Bau ergibt sich aus § 7 Abs. 6 SokaSiG. Diese Norm ist nicht verfassungswidrig (3.). Die Ansprüche sind auch nicht verjährt (4.). Die Höhe des Betrages ist zutreffend berechnet (5.).

1. Die Beklagte hat im Jahre 2012 einen Baubetrieb unterhalten.

1.1. In dem für den Klagezeitraum jeweils anwendbaren VTV heißt es zum betrieblichen Geltungsbereich in § 1 Abs. 2 auszugsweise:

"Betriebe des Baugewerbes. Das sind alle Betriebe, die unter einen der nachfolgenden Abschnitte I bis IV fallen.

Abschnitt I

Betriebe, die nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich Bauten aller Art erstellen.

Abschnitt II

Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Abschnitt I erfasst, nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die - mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen - der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.

Abschnitt III

Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Abschnitt I oder II erfasst, nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung - mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen - gewerblich sonstige bauliche Leistungen erbringen.
...

Abschnitt VII

Nicht erfasst werden Betriebe
...

12. ... des Elektroinstallationsgewerbes ..., soweit nicht Arbeiten der in Abschnitt IV oder V aufgeführten Art ausgeführt werden;

1.2. Für die Frage, ob in einem Betrieb Tätigkeiten verrichtet worden sind, die vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst werden, ist auf die arbeitszeitlich überwiegende Tätigkeit der Arbeitnehmer und nicht auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst, aber auch nicht handels- und gewerberechtliche Kriterien abzustellen (BAG, 18.03.2009 – 10 AZR 242/08 – juris Rn. 15).

1.3. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass in einem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend baugewerbliche Tätigkeiten verrichtet werden, obliegt nach den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen dem Kläger. In ständiger Rechtsprechung geht das Bundesarbeitsgericht aber von einer abgestuften Darlegungslast aus (BAG 18.05.2011 –10 AZR 190/10 – Rn 12f; 15.01.2014 – 10 AZR 415/13 – Rn 20). Danach ist der klägerische Sachvortrag schlüssig, wenn Tatsachen vorgetragen werden, die den Schluss zulassen, der Betrieb des Arbeitgebers werde vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst. Dazu gehört neben der Darlegung von Arbeiten, die sich § 1 Abs. 2 VTV zuordnen lassen, auch die Darlegung, dass diese Tätigkeiten insgesamt arbeitszeitlich überwiegen. Die Sozialkasse muss nicht jede Einzelheit der behaupteten Tätigkeit vortragen. Das könne sie in der Regel auch gar nicht, wenn sie nicht in jeden potenziell unter den Geltungsbereich des VTV fallenden Betrieb einen Prüfer setzt, der die gesamte Tätigkeit ständig überwacht (BAG 16.06.2010 – 4 AZR 934/08 – Rn 25). Eine Partei, die – wie hier der Kläger in seiner Funktion als Gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien – keine näheren Einblicke in die dem Gegner bekannte Geschehensabläufe hat und deren Darlegung deshalb erschwert ist, kann auch von ihr nur vermutete Tatsachen behaupten und unter Beweis stellen. Unzulässig ist ein derartiges prozessuales Vorgehen erst dann, wenn die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhaltes willkürlich Behauptungen „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufstellt und sich deshalb rechtsmissbräuchlich verhält. Dies kann in der Regel nur bei Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte angenommen werden oder wenn die Partei selbst nicht an die Richtigkeit ihrer Behauptungen glaubt (BAG 18.05.2011 – 10 AZR 190/10 – Rn 12; 15.01.2014 – 10 AZR 415/13 – Rn 20).

Liegt entsprechender Tatsachenvortrag der Sozialkasse vor, hat sich der Arbeitgeber hierzu nach § 138 Abs. 2 ZPO zu erklären. Regelmäßig obliegt ihm die Last des substanziierten Bestreitens, weil die Sozialkasse außerhalb des Geschehensablaufs steht und sie keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen hat, während der Arbeitgeber diese kennt und ihm die entsprechenden Angaben zuzumuten sind. Das substanziierte Bestreiten kann sich auf die Art und/oder den Umfang der verrichteten Arbeiten beziehen. Um feststellen zu können, welche Tätigkeiten in welchem Umfang ausgeübt wurden, muss der Arbeitgeber im Rahmen des substanziierten Bestreitens entsprechende Tatsachen darlegen. Dazu gehört insbesondere auch die Darlegung der zeitlichen Anteile der verschiedenen Tätigkeiten (BAG 18.05.2011 – 10 AZR 190/10 – Rn 13).

1.4. Bei Anwendung dieser Kriterien ist festzustellen, dass der Betrieb der Beklagten dem VTV unterfällt. Die arbeitszeitlich überwiegende Tätigkeit der gewerblichen Arbeitnehmer betrifft Tätigkeiten, die vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst werden.

1.4.1. Das Montieren und Aufstellen von Photovoltaikanlagen stellt grundsätzlich eine bauliche Tätigkeit dar in Form der Erstellung oder Änderung von Bauwerken gemäß § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV-Bau (Hessisches LAG 27. 8. 2014 – 12 Sa 1082/13 – juris Rn. 25 zu Anlagen, bei denen das Haus selbst mit Strom und Wärme versorgt wird). Auch wenn zu Gunsten der Beklagten unterstellt wird, dass mit den von ihr montierten Anlagen nur Strom in das öffentliche Netz geliefert wird, ändert sich hierdurch nichts. Das bestehende Bauwerk (Haus oder Stall) wird durch die zusätzliche Montage dieser Anlage verändert. Die Änderung soll bewirken, dass das Bauwerk nicht nur der Unterbringung von Menschen oder Tieren dient, sondern auch der Erzeugung von Strom. Soweit die Solarmodule auf offenem Feld aufgestellt werden, stellt die Photovoltaikanlage ein Bauwerk dar, was vom Arbeitsgericht ebenfalls zutreffend angenommen wurde. Technische Anlagen sind Bauwerke im Sinne des VTV, da es sich um mit dem Erdboden verbundene oder infolge ihrer eigenen Schwere auf ihm ruhende, aus Baustoffen oder Bauteilen mit baulichem Gerät hergestellte Anlagen handelt (BAG 18.03.2009 – 10 AZR 242/08 – Rn 24). Auf die sachenrechtliche Beurteilung des BGH zu Windkraftanlagen etc. kommt es bei der Auslegung des VTV-Bau nicht an.

Soweit Arbeiten dem § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV zuzuordnen sind, ist nach ständiger Rechtsprechung des BAG ferner erforderlich, dass der betreffende Betrieb baulich geprägt ist. Dies ist dann der Fall, wenn darin mit Werkstoffen, Arbeitsmitteln und Arbeitsmethoden des Baugewerbes gearbeitet wird (BAG 25.04.2007 – 10 AZR 246/06 – Rn 36).

Auch dies ist hier der Fall. Das Herstellen von Unterkonstruktionen auch aus Metall ist im Trockenbau eine übliche Bauleistung. Gleiches gilt für das Zusammenschrauben und das Verbinden mittels Klemmen.

1.4.2. Nach dem Vorbringen der Parteien ist auch davon auszugehen, dass der zeitlich überwiegende Anteil mit folgenden Arbeiten erbracht wird, die der Kläger schon im Schriftsatz vom 12.05.2017 vorgetragen hat: Aufbau/Montage von Photovoltaikanlagen auf Gebäuden, Montage von Solaranlagen auf Freiflächen und Montage von Solaranlagen auf Gebäuden. Die Beklagte hat erstinstanzlich und auch in der Berufungsbegründung diesen Vortrag nur pauschal bestritten. Damit ist sie ihrer sekundären Beweislast nicht nachgekommen.

Erstmals im Schriftsatz vom 17.05.2013 (2 Arbeitstage vor dem Berufungstermin) hat die Beklagte insofern substantiierten Vortrag geleistet, als sie sich zum Umfang der Arbeitszeiten der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer geäußert hat. Sie hat insofern vorgetragen, dass gerade einmal 5 % der gesamten Arbeitszeit auf die Montage der Unterkonstruktionen entfallen. Die weiteren Arbeiten (somit 95 %) sollen danach auf die Verlegung der notwendigen Kabel und die Verbindung der Photovoltaikmodule entfallen. Dieser Einwand ist erheblich.

Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten erfolgt hierdurch kein Vortrag zu den so genannten sowohl-als-auch-Tätigkeiten. Dies scheitert schon daran, dass das Verlegen von Kabeln keine bauliche Tätigkeit darstellt. Selbst wenn man aber von so genannten sowohl-als-auch-Tätigkeiten ausgehen müsste, hätte die Beklagte zu den weiteren Voraussetzungen (BAG 15.06.2011 – 10 AZR 861/09 – Rn. 29) näher vortragen müssen, was jedoch unterblieben ist.

Der Vortrag ist jedoch deswegen erheblich, weil die Beklagte sich darauf beruft, dass ihr Betrieb als Elektroinstallationsbetrieb gemäß § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Z. 12 VTV vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV nicht erfasst wird. Die Darlegungs- und Beweislast trifft insofern denjenigen, der sich auf die Ausnahmebestimmung beruft. Insofern müssen Tatsachen vorgetragen werden, die den Schluss zulassen, dass die Arbeitnehmer in den jeweiligen Kalenderjahren des Klagezeitraums zu mehr als 50 % ihrer Arbeitszeit Elektroinstallationsarbeiten ausgeführt haben (BAG 20.04.2005 – 10 AZR 282/04 – juris Rn. 20). Betriebe des Elektroinstallationsgewerbes verlegen elektrische Leitungen, bauen Transformatorenstationen und errichten Freileitungen und Antennenanlagen. Darüber hinaus installieren Sie alles, was elektrisch betrieben wird und tragen die Verantwortung für die Sicherheit der von ihnen errichteten Leitungen und Anschlüsse gemäß der VDE-Vorschriften (BAG aaO Rn. 21). Die Beklagte hat insofern vorgetragen, dass ihre Arbeitnehmer jedenfalls zu mehr als 50 % ihrer Arbeitszeit Kabel verlegen und die Module untereinander verbinden würden. Beide Tätigkeiten sind auch nach Ansicht des BAG Elektroinstallationsarbeiten.

Dieser erhebliche Vortrag kann jedoch wegen Verspätung nicht berücksichtigt werden (§ 67 Abs. 4 S. 2 ArbGG).

Es kann offen bleiben, ob die Beklagte entsprechend § 67 Abs. 1-3 ArbGG diesen Vortrag noch hätte erbringen dürfen. Selbst in diesem Fall hätte das neue Vorbringen gemäß § 67 Abs. 4 S. 1 ArbGG von der Beklagten spätestens in der Berufungsbegründung erfolgen müssen. Das trifft hier nicht zu. Danach kann es nur zugelassen werden, wenn es nach der Berufungsbegründung entstanden ist, was hier nicht der Fall ist, oder das verspätete Vorbringen nach der freien Überzeugung des LAG die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder nicht auf Verschulden der Partei beruht. Ein mangelndes Verschulden hat die Beklagte nicht vorgetragen. Ein Verschulden der Partei ist vorliegend schon deswegen anzunehmen, weil die Beklagte über diese Informationen durchgängig verfügte und das Arbeitsgericht in seinem Urteil darauf hingewiesen hatte, dass die Beklagte sich mit einem pauschalen Bestreiten nicht begnügen dürfe. Die Zulassung dieses neuen Vorbringens hätte auch zu einer Verzögerung des Rechtsstreits geführt. Im Berufungstermin am 23.05.2018 hat der Klägervertreter zu Protokoll erklärt, dass seine Partei dabei bleibe, dass die Montage von Solaranlagen arbeitszeitlich überwiegend Bautätigkeiten darstellten, also zu mehr als 50 % anfiele. Daher wäre nunmehr eine Beweisaufnahme durch Vernehmung der benannten Zeugen zu dem jeweiligen arbeitszeitlichen Anteil notwendig geworden, was die Erledigung des Rechtsstreits verzögert hätte.

2. Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten ist der Kläger zur Einziehung der Beträge aktivlegitimiert.

Die Beklagte meint insofern, aus dem Handelsregisterauszug (Anl. B1, Bl. 56 der Akte) ergebe sich insofern etwas anderes, da dort aufgeführt ist: „Die Durchführung der Nr. 1 genannten Aufgaben erfolgt auf der Grundlage und im Rahmen der jeweils gültigen Tarifverträge ...“ Dies schließe eine Aufgabenwahrnehmung auf Basis eines Gesetzes aus.

Dem kann nicht gefolgt werden. Der VTV selbst ist gültig. Etwas anderes behauptet die Beklagte nicht. Schon insofern nimmt die Beklagte ihre Aufgaben im Rahmen der jeweils gültigen Tarifverträge wahr. Der Vereinszweck wird auch nicht dahingehend eingeschränkt, dass die Anwendung der gültigen Tarifverträge nur auf näher bestimmter Grundlage zu erfolgen hat. Hierzu erfolgt keinerlei Einschränkung. Insofern sind alle Anwendungsfälle zur Wirkung des VTV umfasst: Die Tarifgebundenheit, die Allgemeinverbindlicherklärung oder die Anwendung auf Basis einer Rechtsverordnung oder – wie hier – auf Basis eines Gesetzes. Insofern kommt es auf eine festgestellte Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung nicht an.

3. Die Anwendung des VTV Bau ergibt sich aus § 7 Abs. 6 SokaSiG. Diese Norm ist nicht verfassungswidrig.

Nach § 7 Abs. 6 SokaSiG i.V.m. der Anl. 31 gelten für den Zeitraum vom 01.01.2012 bis 31.12.2012 die Rechtsnormen des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 18.12.2009 in der Fassung des Tarifvertrages vom 21.12.2011. Damit ist hinreichend deutlich, welcher Tarifvertrag in welcher Fassung zur Anwendung zu kommen hat. Der Gesetzgeber hat damit diesen konkreten Tarifvertrag der jeweiligen Fassung zum Gegenstand seines gesetzgeberischen Handelns gemacht. Da der VTV selbst eine Definition bezüglich des Baubetriebes enthält, ist der Anwendungsbereich im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten hinreichend bestimmt.

Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten ist das SokaSiG nicht verfassungswidrig. Dies hat das Arbeitsgericht in der angegriffenen Entscheidung ausführlich unter auszugsweise Wiedergabe des Urteils des Hessischen LAG vom 02.06.2017 – 10 Sa 907/16 – juris Rn. 64-193 dargelegt. Hierauf wird Bezug genommen (Seiten 7-14 der angegriffenen Entscheidung). Das Berufungsvorbringen rechtfertigt insofern keine abweichende Entscheidung.

Das SokaSiG verstößt auch nicht gegen das grundsätzliche Verbot rückwirkender belastender Gesetze, was aus den Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes hergeleitet wird. Zwar liegt eine unechte Rückwirkung vor, doch ist dieser ausnahmsweise zulässig. Es liegt keine Konstellation vor, wonach die Normunterworfenen zunächst auf eine Ihnen günstige Rechtslage vertrauten konnten und entsprechende Dispositionen trafen. Die Rechtslage blieb vielmehr gleich. Bis zur Feststellung der Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung galt der VTV auch für nicht tarifgebundene Arbeitgeber. Das SokaSiG ändert hieran nichts. Es ist auch nicht ersichtlich, dass in der kurzen Zwischenzeit die Bauarbeitgeber relevante Dispositionen in Bezug auf Ihr Vertrauen in die Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung getätigt hätten. Die getroffene Rückwirkung lässt sich mit überragenden Belangen des Gemeinwohls rechtfertigen. Der Gesetzgeber hat die Einrichtung gemeinsamer Einrichtungen der Tarifvertragsparteien in § 4 Abs. 2 TVG einfachgesetzlich anerkannt. Durch die Sozialkassen werden Leistungen für mehrere 100.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und einige zehntausend Auszubildender erbracht. Hierdurch wird gleichzeitig der Arbeitnehmerschutz verwirklicht. Ohne dass SokaSiG wäre der Bestand der Sozialkassen gefährdet. Daher kann offen bleiben, ob das rückwirkend geänderte Recht unklar und verworren war, was von der Beklagten bestritten wird. Dies ist nur eines der möglichen Tatbestandsmerkmale, wann das Rückwirkungsverbot nicht gilt. Dies übersieht die Beklagte. Gegensatz zur Auffassung der Beklagten war von den betroffenen Bauarbeitgebern nur in ganz seltenen Fällen die Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung substantiiert angegriffen worden. Auch das hiesige LAG hatte keine Zweifel an der Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung.

4. Die Ansprüche sind nicht verjährt.

Nach § 25 Abs. 4 VTV verjähren Ansprüche der ULAK, wenn sie nicht innerhalb von 4 Jahren seit Fälligkeit geltend gemacht worden sind. Nach § 204 Abs. 1 Z. 3 BGB wird die Verjährung gehemmt durch Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren. Soll durch die Zustellung die Verjährung nach § 204 BGB gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt (§ 167 ZPO). Kommt es zu Zustellverzögerungen von bis zu 14 Tagen, dann gilt nach der Rechtsprechung allgemein, dass eine Zustellung noch als „demnächst“ angesehen werden kann (BGH 22.09.2004 – VIII ZR 360/03 – juris Rn. 24). Im Mahnverfahren gelten demgegenüber Besonderheiten (Zöller/Seibel, 32. Auflage, § 691 ZPO Rn. 6). Selbst wenn der Erlass eines Mahnantrags wegen bestehender Mängel zurückgewiesen wird, dann tritt die fristwahrende Wirkung mit der Anbringung des Antrages auf Erlass des Mahnbescheides trotzdem ein, wenn innerhalb eines Monats seit der Zustellung der Zurückweisung des Antrags Klage eingereicht und diese demnächst zugestellt wird (§ 691 Abs. 2 ZPO). Liegt ursprünglich ein mangelhafter Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides vor, dann räumt die Rechtsprechung dem Antragsteller für die Behebung des Mangels nach einer Zwischenverfügung des Gerichts eine Monatsfrist ein. Wird der Mangel innerhalb dieser Frist behoben, ist für die Hemmung der Verjährung auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Einreichung des Mahnantrags abzustellen (BGH 12.01.2011 – VIII ZR 148/10 – juris Rn. 19; BAG 23.11.2016 – 5 AZR 53/16 – juris Rn. 23).

Bei Anwendung dieser Kriterien war der Anspruch nicht verjährt. Gemäß § 199 Abs. 1 BGB begann die Verjährungsfrist mit Schluss des Jahres 2012 und endete daher mit Ablauf des Jahres 2016. Der Antrag vom 19.12.2016 auf Erlass des Mahnbescheides ging am 27.12.2016 beim Arbeitsgericht Berlin ein. Mit Zwischenverfügung vom 02.01.2017 wies das Arbeitsgericht unter anderem darauf hin, dass kein Vertretungsberechtigter benannt worden sei. Dieser Mangel wurde mit Schriftsatz vom 12.01.2017, der am 17.01.2017 beim Arbeitsgericht Berlin einging, behoben. Damit war die Monatsfrist zur Mängelbeseitigung gewahrt. Insofern ist es nach der Rechtsprechung ausreichend, dass der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides noch im Jahre 2016 beim Arbeitsgericht Berlin einging.

5. Die Höhe des Betrages ist zutreffend berechnet.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BAG, dass der Kläger die Berechnung der Beitragsforderungen auf der Grundlage der statistischen Durchschnittslöhne im Baugewerbe dann vornehmen kann, wenn der auskunftspflichtige Unternehmer seiner Auskunftspflicht nicht nachkommt. Die Beklagte ist auch im Berufungsverfahren ihrer Auskunftspflicht nicht nachgekommen. Sie hat zu keinem Zeitpunkt Angaben über den Verdienst der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer gemacht.

Nach den Angaben des Statistischen Bundesamtes betrug der durchschnittliche Bruttomonatslohn in der Baubranche in den neuen Bundesländern im Jahre 2012 2.377,50 €. Der Beitragssatz nach § 18 VTV betrug 16,6 %, somit 394,67 € im Jahre 2012. Der Kläger hat hierbei nur 394,00 € nach eigenen Angaben für jeden der sechs Monate geltend gemacht, so dass sich ein Gesamtbetrag von 2.364,00 € ergibt. In dieser Höhe hat das Arbeitsgericht Berlin der Klage zu Recht stattgegeben.

B)

Die Klagererweiterung im Wege der Anschlussberufung ist als unzulässig zurückzuweisen, da sie auf neuem Vorbringen beruht, das nicht berücksichtigt werden kann (§ 533 ZPO i. V. m § 67 Abs. 4 ArbGG).

Bei der Klageerweiterung handelt es sich um eine nachträgliche Klagehäufung.

Wird in der Berufungsinstanz ein neuer Streitgegenstand neben dem bisherigen eingeführt, so handelt es sich um den Fall einer nachträglichen Klagehäufung (§ 260 ZPO). Dessen Zulässigkeit bestimmt sich nach den §§ 263, 533 ZPO. Davon zu unterscheiden ist der Fall des § 264 Nr. 2 ZPO, wonach keine Klageänderung gegeben ist, wenn ohne Änderung des Klagegrundes der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird. Davon ist bei Erweiterungen oder Beschränkungen des Klageantrags auszugehen, die den bisherigen Streitgegenstand bei unverändertem Sachverhalt lediglich quantitativ oder qualitativ modifizieren und nicht durch einen anderen ersetzen (BAG 19.08.2010 - 8 AZR 315/09 – juris Rn. 25).

Vorliegend wird der Klagegrund verändert. Erstinstanzlich war Streitgegenstand nur die Beitragszahlung bezogen auf das Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers K.. Nunmehr geht es um die Beitragspflicht bezogen auf weitere 54 Arbeitnehmer im Jahre 2012.

Nach § 533 ZPO ist eine Klageänderung nur zulässig wenn 1. der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und 2. diese auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Gericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.

Ob und inwiefern die Berücksichtigung neuer Tatsachen im arbeitsgerichtlichen Berufungsverfahren zulässig ist, richtet sich nicht nach § 531 ZPO, sondern nach der Spezialregelung in § 67 ArbGG (BAG a.a.O. Rn. 28).

Die Beklagte hat die Zulässigkeit der Klageerweiterung gerügt. Es kann offen bleiben, ob die Voraussetzungen der Sachdienlichkeit (BGH 24.09.2006 – VIII ZR 19/04 – juris Rn. 10) erfüllt sind. Das Vorbringen des Klägers kann jedenfalls nach § 67 Abs. 4 ArbGG nicht berücksichtigt werden, da eine Verzögerung bei der Erledigung des Rechtsstreits andernfalls eintreten würde.

Die Beklagte hat bestritten, dass der Kläger erst im Jahre 2015 von der Tätigkeit der anderen 54 Arbeitnehmer Kenntnis erhalten hat. Dieses Bestreiten ist nicht verspätet, sondern erfolgte innerhalb der einmonatigen Stellungnahmefrist. Sie ist erheblich. Hätte der Kläger – wie bei dem Arbeitnehmer K. – schon im Jahre 2012 Kenntnis erhalten, hätte die Klageerweiterung zur Fristwahrung spätestens im Jahre 2016 und nicht erst 2 Jahre später anhängig gemacht werden müssen. Insofern hätte über die Behauptung des Klägers der angebotene Beweis erhoben werden müssen. Dadurch wäre es zu einer Verzögerung bei der Erledigung des Rechtsstreits gekommen. Einen Entschuldigungsgrund für das verspätete Vorbringen hat der Kläger nicht vorgetragen. Er ist auch nicht ersichtlich.

C)

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens hat die Beklagte zu tragen, da sie insofern vollständig unterlegen ist (§ 91 ZPO). Die Berufungskosten sind demgegenüber von dem Kläger zu tragen (§ 92 Abs. 2 Z. 1 ZPO).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) liegen nicht vor. Insofern ist gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel nicht gegeben.