Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 25. Senat | Entscheidungsdatum | 09.05.2012 | |
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Aktenzeichen | L 25 AS 931/12 B ER | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 193 Abs 6 VVG, § 110 Abs 1 SGB 11, § 110 Abs 4 SGB 11, § 44 SGB 10, § 86b Abs 2 SGG |
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 22. März 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Die erstinstanzliche Kostenentscheidung bleibt hiervon unberührt.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der T R wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Antragstellers, mit der er sein Begehren weiterverfolgt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm ein Darlehen zum Ausgleich von Beitragsrückständen bei seiner privaten Krankenversicherung und seiner Pflegeversicherung zu gewähren, ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.
In Bezug auf die rückständigen Beiträge für die Pflegeversicherung fehlt es bereits an einem Anordnungsgrund. Denn abgesehen davon, dass gegenwärtig keine Notwendigkeit für die Inanspruchnahme von Leistungen der Pflegeversicherung durch den Antragsteller besteht, ist eine Kündigung der Pflegepflichtversicherung seitens des Versicherungsunternehmens gemäß § 110 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch angesichts des bestehenden Kontrahierungszwangs des privaten Versicherungsunternehmens ausgeschlossen (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Juli 2011 - L 14 AS 618/11 B ER - juris).
Soweit der Antragsteller die Gewährung eines Darlehens zum Ausgleich von Beitragsrückständen bei seiner privaten Krankenversicherung begehrt, steht der Statthaftigkeit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zwar nicht bereits der Umstand entgegen, dass der Antragsgegner zumindest über einen Teil der hier in Rede stehenden Beitragsrückstände durch Bescheid vom 11. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2010 bestandskräftig – abschlägig – entschieden hat. Denn insoweit hat der Antragsteller bei dem Antragsgegner einen Überprüfungsantrag nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch gestellt (vgl. Beschluss des Senats vom 1. November 2011 - L 25 AS 1646/11 B ER - juris). Er hat mit Schreiben vom 4. März 2011 die „Überprüfung aller Bewilligungsbescheide im Hinblick auf die Beiträge der H Krankenversicherung“ beantragt. Soweit davon nicht die Zeiträume vor dem Beginn des Leistungsbezuges des Antragstellers am 23. April 2010 und damit namentlich nicht die Beitragsrückstände von Dezember 2009 bis 22. April 2010 erfasst sind, hat der Antragsteller mit weiterem Schreiben vom 4. März 2011 einen Überprüfungsantrag auf „Übernahme [s]einer Rückstände der Krankenversicherungsbeiträge von Dezember 2009 bis April 2010 in Höhe von 1.300,42 €“ gestellt. Dieses Schreiben hat zwar nur die damals mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebende Frau S J unterschrieben, so dass zweifelhaft sein könnte, um wessen Beitragsrückstände es gehen soll. Der Kopf des Schreibens, in dem auch der Name des Antragstellers erwähnt ist, sowie eine offenkundig dem Schreiben beigefügte und an den Antragsteller gerichtete Beitragsaufstellung der H Krankenversicherung vom 19. November 2010 für den Zeitraum von Dezember 2009 bis April 2010, aus der sich – ohne Säumniszuschläge – exakt ein Betrag für rückständige Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 1.300,42 Euro ergibt, erhellen aber, dass es auch insoweit um Beitragsrückstände des Antragstellers gehen sollte.
Der zulässige Antrag ist aber nicht begründet. Dabei kann hier dahinstehen, ob der Antragsteller bereits einen Anordnungsgrund deshalb nicht glaubhaft gemacht hat, weil er trotz der bei ihm offenbar bestehenden Erkrankungen auf die Haftung seiner Krankenversicherung für solche Aufwendungen, die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände erforderlich sind (§ 193 Abs. 6 Satz 6 des Versicherungsvertragsgesetzes <VVG>), zu verweisen sein könnte (vgl. Beschluss des Senats vom 23. März 2010 - L 25 AS 43/10 B ER - juris). Denn jedenfalls hat der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Durchgängig fehlt es an einer Anspruchsgrundlage für das Begehren des Antragstellers. Namentlich § 24 Abs. 1 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) scheidet als Anspruchsgrundlage aus, weil es sich bei den geltend gemachten Beitragsschulden um keinen vom Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfassten Bedarf handelt (zu Aufwendungen für Kranken- und Pflegeversicherungsschutz Breitkreutz in Beck'scher Online-Kommentar Sozialrecht, § 20 SGB II, Rn. 4; zu Schulden Rn. 6; vgl. auch Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 16. August 2011 - L 7 AS 1953/11 ER-B - juris). Auch ein Anspruch nach § 21 SGB II besteht nicht. Dabei kann offen bleiben, ob § 21 Abs. 6 SGB II bereits deshalb nicht anzuwenden ist, weil der Antragsteller unter Umständen schon keinen laufenden Bedarf im Sinne eines regelmäßig wiederkehrenden Bedarfs (vgl. Düring in Gagel, § 21 SGB II, Rn. 46), sondern einen einmaligen Bedarf geltend macht, oder ob § 21 Abs. 6 SGB II so zu verstehen ist, dass (auch) laufende Bedarfe aus einem in der Vergangenheit liegenden, abgeschlossenen Zeitraum erfasst werden (so Sozialgericht Hildesheim, Beschluss vom 8. Dezember 2011 - S 55 AS 1910/11 ER - juris). Denn jedenfalls liegt kein unabweisbarer Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II vor.
Dem Vorliegen der vom Antragsteller angenommenen planwidrigen Regelungslücke im Zusammenhang mit § 24 Abs. 1 SGB II einerseits und der Annahme eines unabweisbaren Bedarfs im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II andererseits steht bereits entgegen, dass der Gesetzgeber offenkundig davon ausgegangen ist, dass die Leistungsansprüche hilfebedürftiger Personen gegen ihre private Krankenversicherung auch im Fall von Beitragsrückständen nicht ruhen (vgl. Klerks, info also 2009, Seite 153, 157; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 4. Januar 2012 - L 5 AS 455/11 B ER - juris). Denn auch im Falle von Beitragsrückständen endet gemäß § 193 Abs. 6 Satz 5 VVG das Ruhen, wenn alle rückständigen und die auf die Zeit des Ruhens entfallenden Beitragsanteile gezahlt sind oder wenn der Versicherungsnehmer oder die versicherte Person hilfebedürftig im Sinn des Zweiten oder Zwölften Buches Sozialgesetzbuch wird. Soweit teilweise die Auffassung vertreten wird, dass diese Vorschrift dann nicht gelte, wenn die Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II bereits vor dem Ruhen des Leistungsanspruchs eingetreten war (vgl. zum Meinungsstand Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, a. a. O.), überzeugt dies mindestens dann nicht, wenn – wie hier – Beitragsrückstände bereits vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit bestanden haben, die zudem das Versicherungsunternehmen zur Feststellung des Ruhens nach § 193 Abs. 6 Satz 2 VVG berechtigt hätten. Denn es hinge dann allein von der Willkür des Versicherungsunternehmens ab, ob dieses zeitnah das Ruhen der Leistungen feststellt mit der Folge, dass bei anschließendem Eintritt der Hilfebedürftigkeit das Ruhen wieder endet, oder die entsprechende Feststellung auf die Zeit nach Eintritt der Hilfebedürftigkeit verzögert mit der Folge des Ruhens der Leistungen bis zum - angesichts der eingetretenen Hilfebedürftigkeit häufig gar nicht möglichen - Ausgleich der Beitragsrückstände.
Dass das Krankenversicherungsunternehmen des Antragstellers vorliegend das Ruhen der Leistungen tatsächlich und wohl zu Unrecht festgestellt hat, rechtfertigt nicht die gesetzlich nicht vorgesehene Übernahme von Beitragsrückständen durch den Grundsicherungsträger. Denn jedenfalls in vorliegendem Einzelfall ist dem Antragsteller, soweit eine Behandlung erforderlich ist, die nicht unter § 193 Abs. 6 Satz 6 VVG fällt, ein Vorgehen gegen sein Krankenversicherungsunternehmen zuzumuten.
Schließlich rechtfertigt auch der Hinweis des Antragstellers auf die drohende Überleitung in den Basistarif nach § 193 Abs. 6 Satz 9 VVG und der damit aller Voraussicht nach verbundenen höheren Beitragslast keine andere Betrachtungsweise, zumal durchgreifende Zweifel daran, dass der Antragsgegner diese höheren Beiträge nicht übernehmen würde, auch angesichts seines Schriftsatzes vom 3. Mai 2012 nicht bestehen.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten war abzulehnen, weil die Beschwerde aus den vorstehenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. §§ 114 ff., 121 Abs. 2 der Zivilprozessordnung.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer analogen Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG. Die erstinstanzliche Kostenentscheidung war dabei unberührt zu lassen.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).