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Entscheidung L 17 EG 8/10


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 17. Senat Entscheidungsdatum 15.01.2015
Aktenzeichen L 17 EG 8/10 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 20. August 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Höhe des Elterngeldes.

Die 1975 geborene Klägerin ist die Mutter des 2007 geborenen N P und nahm nach Ende ihres Studiums im Jahr 2004 ab 2005 eine selbstständige Tätigkeit als Architektin auf. Sie war vom 1. Januar 2006 bis 30. November 2007 nach Art und (zeitlichem) Umfang im Wesentlichen übereinstimmend selbstständig tätig. Ausweislich der Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2006 bis 2008 erzielte sie folgende Einkünfte aus selbstständiger Arbeit: 3.363,00 EUR für 2006, 44.344,00 EUR für 2007, - 5.521,00 EUR für 2008. Mit Bescheid vom 17. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2008 bewilligte die Beklagte der Klägerin Elterngeld für die Zeit vom 20. Dezember 2007 bis 19. Dezember 2008 (1. bis 12. Lebensmonat des Kindes N P) in Höhe von (iHv) monatlich 300,00 EUR. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die Berechnung des Elterngeldes aus dem im Kalenderjahr 2006 erzielten Einkommen aus selbstständiger Arbeit iHv 3.363,00 EUR (280,25 EUR durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen im Bemessungszeitraum) erfolge. Es finde § 2 Abs. 9 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) Anwendung. Ein Wahlrecht bezüglich der Einkommensermittlung bestehe nicht.

Hiergegen hat die Klägerin am 14. Juli 2008 bei dem Sozialgericht (SG) Cottbus Klage erhoben, gerichtet auf die Gewährung eines höheren Elterngeldes auf der Basis des Einkommens aus dem Jahr 2007. Zur Begründung hat sie ausgeführt: Die Beklagte wende die Vorschrift des § 2 Abs. 9 BEEG falsch an. Dies führe zu einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes. Sie habe 2005 eine freiberufliche Tätigkeit begonnen und 2006 noch ein Einkommen von Null Euro erzielt. Im Jahr 2007, nach einer typischen Anlaufphase, habe sich das Einkommen entwickelt, da erst über mehrere Jahre gehende Projekte abgerechnet werden konnten. In dem für vergleichbare Angestellte entscheidenden Zeitraum vom 1. Dezember 2006 bis 30. November 2007 habe sie ein Einkommen von 24.122,23 EUR erzielt. Dies ergebe einen Monatsdurchschnitt von 2.010,19 EUR. Hieraus errechne sich ein monatliches Elterngeld iHv 1.346,82 EUR. Sie verfüge über keine monatlichen Nachweise des Einkommens. Das monatliche Einkommen könne ermittelt werden, indem Jahresbeträge durch 12 geteilt würden.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG Cottbus mit Gerichtsbescheid vom 20. August 2010 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die zulässige Klage sei unbegründet. Der Anspruch auf Gewährung eines Elterngeldes von monatlich 300,00 EUR folge aus § 2 Abs. 5 Satz 1 BEEG. Zutreffend habe die Beklagte auf die Angaben im Einkommensteuerbescheid für 2006 abgestellt. Dies folge aus § 2 Abs. 9 Satz 1 BEEG. Auf die Angaben im Steuerbescheid für 2007 könne nicht zurückgegriffen werden, weil der diesbezügliche steuerliche Veranlagungszeitraum (1.1. bis 31. Dezember 2007) zu dem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Hierin liege auch keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung im Vergleich zu abhängig Beschäftigten. Etwas anderes könne allenfalls dann gelten, wenn die im maßgebenden steuerlichen Veranlagungszeitraum durchgängig ausgeübte selbstständige Tätigkeit ihrer Art nach nicht übereinstimme und deren zeitlicher Umfang hinter demjenigen aus den letzten 12 Monaten vor der Geburt des Kindes um mindestens 20% abweiche (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 3. Dezember 2009, B 10 EG 2/09 R). Es sei jedoch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die von der Klägerin ausgeübte selbstständige Tätigkeit in den beiden Vergleichszeiträumen ihrer Art nach nicht übereingestimmt habe bzw. ihr zeitlicher Umfang um mindestens 20% abgewichen sei. Auch auf gerichtliche Nachfrage habe die Klägerin diesbezüglich weder entsprechende Ausführungen gemacht noch Nachweise vorgelegt. Da es sich insoweit um in ihrer Sphäre liegende Tatsachen handele, trage sie diesbezüglich die Feststellungslast.

Gegen den ihr am 31. August 2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin - nach Ablehnung der Zulassung der Revision durch Beschluss des SG Cottbus vom 22. September 2010 - am 29. September 2010 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr bisheriges Vorbringen. Sie habe einen Anspruch auf monatliches Elterngeld iHv 1.346,82 EUR im klagegegenständlichen Zeitraum. Sie habe ihre selbstständige Tätigkeit vom 1. Januar 2006 bis 30. November 2007 nach Art und zeitlichem Umfang durchgehend ausgeübt. Der Nachweis über eine monatliche Berechnung des Gewinns (im Zeitraum vom 20. Dezember 2007 bis 19. Dezember 2008) würde durch den für die Steuerberaterin verbunden Aufwand Mehrkosten iHv ca. 600,00 EUR verursachen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß (siehe Schriftsatz vom 29. September 2010),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 20. August 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 17. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2008 zu verurteilen, der Klägerin für die Zeit vom 20. Dezember 2007 bis 19. Dezember 2008 weiteres Elterngeld in Höhe von insgesamt monatlich 1.346,82 EUR zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung nimmt sie auf ihr erstinstanzliches Vorbringen Bezug.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätzen nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der gerichtlichen Entscheidungsfindung gewesen sind.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhobene Berufung der Klägerin ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung eines höheren Elterngeldes für Zeit vom 20. Dezember 2007 bis 19. Dezember 2008 (1. bis 12. Lebensmonat des Kindes). Der angefochtene Gerichtsbescheid und der Bescheid der Beklagten vom 17. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2008 sind rechtmäßig. Die Beklagte hat zu Recht (nur) den Mindestbetrag des Elterngeldes iHv monatlich 300,00 EUR gewährt.

Der Anspruch der Klägerin auf Elterngeld und die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides beurteilen sich nach den vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2010 gültigen Vorschriften des BEEG (aF - Gesetz vom 5. Dezember 2006, BGBl I 2748). Die Klägerin ist zum Bezug von Elterngeld berechtigt. Sie erfüllt die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 BEEG, weil sie während des hier streitigen Zeitraums (20. Dezember 2007 bis 19. Dezember 2008) ihren Wohnsitz in Deutschland hatte (Nr.1), mit ihrem Kind in einem Haushalt lebte (Nr. 2), dieses Kind selbst betreute und erzog (Nr. 3) und keine volle Erwerbstätigkeit ausübte (Nr. 4) (siehe Erklärung der Klägerin vom 19. März 2008). Elterngeld wird gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 BEEG aF iHv 67 % des in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1.800 EUR monatlich gezahlt. Dabei ist als Einkommen aus Erwerbstätigkeit die Summe der positiven Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbstständiger Arbeit und nichtselbstständiger Arbeit iS von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 EStG nach Maßgabe des § 2 Abs. 7 bis 9 BEEG zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 BEEG). Bei Selbstständigen - wie der Klägerin - ist das zu berücksichtigende Einkommen entweder gemäß § 2 Abs. 8 BEEG oder nach § 2 Abs. 9 BEEG zu ermitteln (siehe dazu BSG, Urteil vom 17. Februar 2011, B 10 EG 1/10 R, Rn. 16, juris). Für die Anwendung des § 2 Abs. 9 Satz 1 BEEG aF reicht es nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik, Sinn und Zweck des Elterngeldes sowie unter Beachtung der sich aus Art 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) ergebenden Grenzen typisierender Regelungen nicht aus, dass im letzten steuerlichen Veranlagungszeitraum ebenso wie in dem maßgeblichen Zwölfmonatszeitraum vor der Geburt überhaupt eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgeübt worden ist. Vielmehr muss die in beiden Zeiträumen durchgängig ausgeübte Erwerbstätigkeit nach Art und (zeitlichem) Umfang im Wesentlichen übereinstimmen. Weicht der (zeitliche) Umfang in beiden Zeiträumen um mindestens 20 % voneinander ab, kann nicht nach § 2 Abs. 9 BEEG vorgegangen werden. Vielmehr hat die Einkommensermittlung nach § 2 Abs. 8 BEEG zu erfolgen (BSG, aaO, Rn. 21, unter Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 3. Dezember 2009, B 10 EG 2/09 R, juris). Dazu hat der Senat weiter ausgeführt: "Eine erhebliche Abweichung der Art nach erfordert eine unterschiedliche Ausrichtung der in den beiden Zeiträumen durchgängig ausgeübten Erwerbstätigkeit. Eine solche liegt nicht bereits dann vor, wenn sich die selbstständige Erwerbstätigkeit im letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum noch in einer Aufbau- oder Anlaufphase befunden hat, denn die damit verbundenen Auswirkungen auf das Einkommen sind für eine selbstständige Erwerbstätigkeit typisch (BSG, aaO, Rn. 23).

Dieser Rechtsprechung folgt der erkennende Senat.

In Anwendung dieser Grundsätze ist ein vorgeburtliches Einkommen (zu dieser Terminologie siehe nur BSG Urteil vom 5. April 2012, B 10 EG 6/11 R, Rn 22, juris) iHv 280,25 EUR monatlich zugrunde zu legen. Nach § 2 Abs. 9 Satz 1 BEEG aF ist abweichend von § 2 Abs. 8 BEEG aF der durchschnittliche monatliche Gewinn aus selbständiger Arbeit aus dem Steuerbescheid für den Veranlagungszeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2006 zu ermitteln. Ein anderer Bemessungszeitraum, insbesondere das steuerliche Veranlagungsjahr 2007 oder der Zeitraum von 12 Kalendermonaten vor der Geburt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 BEEG aF), ist nicht nach § 2 Abs. 8 und Abs. 9 BEEG aF zugrunde zu legen. Der Veranlagungszeitraum 1.1. bis 31. Dezember 2007 war im Zeitpunkt der Geburt des Kindes N P ( 2007) noch nicht abgeschlossen. Die Klägerin hat ihre selbstständige Tätigkeit zur Überzeugung des Senats sowohl im steuerlichen Veranlagungszeitraum vom 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2006 als auch in dem maßgeblichen Zwölfmonatszeitraum vor der Geburt vom 1. Dezember 2006 bis 30. November 2007 nach Art und (zeitlichem) Umfang im Wesentlichen übereinstimmend ausgeübt (auf die Höhe des Einkommens kommt es nach der Rechtsprechung des BSG, Urteile vom 5. April 2012 und 3. Dezember 2009, aaO, nicht an). Dies ergibt sich insbesondere aus den Angaben der Klägerin in ihren Schriftsätzen vom 25. April 2014 und 13. Mai 2014, mit welchen die Klägerin die gerichtlichen Aufforderungen zu Klarstellung des zeitlichen Umfangs ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit in den beiden maßgeblichen Zeiträumen im Sinne einer Übereinstimmung bejahend beantwortet hat. Voraussetzungen des § 2 Abs. 7 Satz 5 und 6 BEEG aF haben im Veranlagungszeitraum nicht vorgelegen. Auch hat die Klägerin in dem für die Einkommensermittlung vor der Geburt maßgebenden Zeitraum kein zusätzliches Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit erzielt (siehe § 2 Abs. 9 Satz 2 und 3 BEEG aF). Da als vorgeburtliches Einkommen lediglich ein Betrag von monatlich 280,25 EUR (3.363,00/12 EUR) zugrunde gelegt werden kann und deshalb die Differenz zwischen dem vor- und dem nachgeburtlichen Einkommen nicht den Mindestbetrag des Elterngeldes iHv monatlich 300,00 EUR (§ 2 Abs. 5 BEEG aF) erreichen kann, kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, in welcher Höhe die Klägerin für jeden Monat des Bezugszeitraum des Elterngeldes (20. Dezember 2007 bis 19. Dezember 2008) ein (positives) Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit erwirtschaftet hat. Insofern erübrigt sich in diesem Einzelfall eine nach Monaten getrennte Berechnung des Gewinns für den Bezugszeitraum des Elterngeldes. Lediglich ergänzend sei angemerkt, dass die Klägerin als Angehörige eines freien Berufs (§ 6 Abs. 1 Gewerbeordnung) zwar nicht buchführungspflichtig ist. Sie wäre jedoch verpflichtet, die für den Einkommensnachweis erforderliche Aufstellung vorzulegen und ggf. auf eigene Kosten einen Steuerberater zu beauftragen (siehe Hk-MuSchG/BEEG/Lenz, 2. Auflage, § 2 BEEG Rn. 22 aE).

Die von Klägerin aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Bedenken teilt der Senat nicht. Insbesondere vermag er keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung der Klägerin bzw. von Selbstständigen mit der Gruppe der abhängig Beschäftigten durch § 2 Abs. 9 BEEG aF zu erkennen. Der Gesetzgeber hat bei der Ausgestaltung des Elterngeldes als Einkommensersatzleistung einen weiten Gestaltungsspielraum (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 9. November 2011, 1 BvR 1853/11, juris). Zudem ist die Höhe des Einkommens von Berufsanfängern sowohl bei abhängig Beschäftigten als auch bei selbstständig Tätigen nicht nur von dem sozialversicherungsrechtlichen Status, sondern einer Vielzahl von Parametern abhängig. Das BSG hat - wie bereits dargelegt - im Urteil vom 17. Februar 2011 (aaO, Rn. 23) ausdrücklich ausgeführt, dass die mit einer Aufbau- oder Anlaufphase verbundenen Auswirkungen auf das Einkommen typisch für eine selbständige Tätigkeit sind. Auch haben ständig Tätige hinsichtlich der steuerlichen Gestaltung ihres Einkommens aus Erwerbstätigkeit in einzelnen Veranlagungsjahren einen größeren Gestaltungsspielraum als abhängig Beschäftigte haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.