Gericht | VG Frankfurt (Oder) 3. Kammer | Entscheidungsdatum | 25.03.2013 | |
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Aktenzeichen | 3 K 767/09 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 127 BauGB, § 242 Abs 9 BauGB, § 141 Abs 3 KomVerf BB, § 3 Abs 4 KomVerf BB, § 48 Abs 7 S 1 StrG BB, Erschließungsbeitragssatzung Frankfurt (Oder), Erschließungsbeitragssatzung Frankfurt (Oder), Zweites Gesetz zur Entlastung der Kommunen von pflichtigen Aufgaben |
Der Bescheid des Oberbürgermeisters der Stadt Frankfurt (Oder) vom 28. Oktober 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2009 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Bescheides, mit dem die Kläge-rin zu Beiträgen für den Bau der Straße ... im heutigen Ortsteil ... in Frankfurt (Oder) herangezogen worden ist. Die früher selbstständige Gemeinde ... wurde im Jahr 1949 nach Frankfurt (Oder) eingemeindet.
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks ... in ... mit der katastermäßigen Bezeichnung Flur ..., Flurstücke ... und ... und einer Größe von insgesamt 1939 m².
Die Straße zweigt in östlicher Richtung von der ... ab und verläuft zunächst - in einer leichten Rechtskurve - parallel zur Autobahn A 12. Nach ca. 140 m gabelt sich die Straße; ein insgesamt etwa 100 m langes Teilstück setzt sich - gesehen von einem Standpunkt vor der Gabelung - in einem Winkel von ca. 150° nach schräg links fort. Nach einer geraden Strecke von ca. 50 m knickt auch dieses Straßenstück etwa im gleichen Winkel wiederum nach links ab und verläuft auf einer Länge von weiteren 50 m in nordöstlicher Richtung. Am Ende dieses Teilstücks liegt das Gebäude des am 4. Oktober 1948 in Betrieb genommenen und im Jahr 1995 stillgelegten Bahnhofs von ... Das andere Straßenteilstück zweigt - wiederum gesehen von einem Standpunkt vor der Gabelung - in einem Winkel von ca. 130° nach rechts ab und verläuft von dort geradlinig bis zur Straße ..., in die es - nicht ganz rechtwinklig - einmündet. Von diesem Straßenstück aus knickt etwa 50 m südlich der Gabelung rechtwinklig in östlicher Richtung ein weiteres, etwa 80 m langes Straßenstück ab, das ebenfalls den gleichen Straßennamen trägt. Es verläuft auf den Bahndamm zu, vor dem es um wenige Meter verschwenkt. Der Bahndamm wird danach von einer Brücke überquert. In dem dargestellten Umfang ist die Straße ... auch gewidmet.
Die Straße wies vor Beginn der im vorliegenden Verfahren umstrittenen Baumaßnahme einen unterschiedlichen Ausbauzustand auf. In einer "Nachweisung" überschriebenen Aufstellung der Stadtverwaltung Frankfurt (Oder) vom 7. Februar 1952 war die Länge der Straße ... mit 490 m und ihre Befestigung mit "Kopfsteinpflaster" auf einer Länge von 150 m und mit "unbefestigt" auf einer Länge von 340 m angegeben. Auf einer "Stadtkarte" aus dem Jahr 1962 und einer "Stadtgrundkarte" aus dem Jahr 1978/80 ist der Straßenzustand im Bereich von der ... bis einige Meter hinein in den heutigen Abzweig zum Bahnhof sowie in einem ebenfalls nur wenige Meter messenden, in südlicher Richtung abzweigenden Bereich mit "befestigt" gekennzeichnet. Ausweislich eines am 1. November 1983 aufgestellten Bewertungsnachweises für Straßen war die Straße ... seinerzeit auf einer Länge von 160 m mal 3,50 m (insgesamt ungefähr 560 m²) mit Kopfsteinpflaster befestigt; in einem weiteren Bewertungsnachweis vom 11. November 1983 wurde der Rest der Straße als "unbefestigt" bezeichnet.
Wann die Pflasterung der Straße und ihre Ausstattung mit den weiteren Teileinrichtungen erfolgt ist, ist nicht restlos geklärt.
Ausweislich einer nachträglich im Jahr 2009 angefertigten diesbezüglichen Kurzbeschreibung lag die Straßenbreite im Hauptzug bei 3,5 m bis 3,75 m und in dem Abzweig zur Brücke über den Bahndamm bei 2,0 m. Die Befestigungsart war für den Bereich von der ... bis zum Abzweig zum alten Bahnhofsgebäude mit "Feldsteinpflaster", im Übrigen mit "Baustraßenplatten" angegeben. Bis zu diesem Abzweig sei auch ein Gehweg angelegt gewesen. Die Straßenentwässerung sei durch seitliches Ablaufen des Oberflächenwassers auf das Erdreich und durch Versickerung, die Beleuchtung durch vier nicht im Eigentum der Stadt ... stehende Lampen mit Freileitungen an Betonmasten in Abständen zwischen 60 m und 80-90 m mit einer Leuchtkraft von 5600 Lumen erfolgt.
In der Zeit von November 1993 bis Mai 1995 erfolgten die Baumaßnahmen an der Straße, die mit dem im vorliegenden Verfahren streitbefangenen Bescheid abgerechnet werden sollen. Die Fahrbahn der Straße ... wurde mit Ausnahme des - nicht ausgebauten Abzweigs zum Bahnhof - auf der ganzen Länge mit Betonsteinpflaster, auf dem Hauptzug in einer Breite von 3,0 m bis 4,0 m und im Bereich des Abzweigs zur Brücke in einer Breite von 3,0 m ausgebaut. Auf der gleichen Länge wurde ein einseitiger Gehweg mit Betonsteinpflaster angelegt. Die Straßenentwässerung erfolgt nunmehr über eine Regenwasserleitung mit Einläufen, die Beleuchtung durch 15 erdverkabelte Leuchten mit jeweils 3500 Lumen.
Die Schlussrechnung der Baufirma wurde unter dem 6. Juni 1995 gestellt; die Abnahme der letzten Teilleistung erfolgte wohl am 22. Juni 1998.
Ausweislich eines Grunderwerbsplans vom 15. Oktober 1993 war bereits zu diesem Zeitpunkt für den Ausbau der Straße ein Grunderwerb geplant. Die entsprechenden Erwerbsmaßnahmen wurden durch Grundbucheintragungen in den Jahren zwischen 1999 und 2001 abgeschlossen.
Da der Beklagte seinerzeit davon ausging, die Maßnahme sei erst mit dem vollständigen Grundstückserwerb abgeschlossen, zog er die Klägerin erst mit Bescheid vom 28. Oktober 2004, und zwar gestützt auf die rückwirkend zum 28. November 2000 in Kraft gesetzte "Einzelsatzung über die Erhebung von Straßenbaubeiträgen für die Straßenbaumaßnahme (1993-2000) - Ausbau der Straße '...' in .../..." vom 26. August 2004 zu einem Straßenbaubeitrag in Höhe von 4775,42 € heran. Die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) ordnete mit Beschluss vom 19. Juli 2005 die aufschiebende Wirkung eines von der Klägerin eingelegten Widerspruchs an und führte zur Begründung aus, die angewendete Straßenbaubeitragssatzung sei nichtig. Denn sie sei noch an einer Gesetzesfassung zu messen, die in Fällen, in denen der Aufwand im Zeitpunkt der Beschlussfassung des Satzungsgebers habe beziffert werden können, die Angabe eines Beitragssatzes erfordert habe. Daran fehle es.
Am 15. Dezember 2005 beschloss die Stadtverordnetenversammlung der vom Beklagten vertretenen Stadt eine ansonsten gleichlautende Straßenbaubeitragssatzung, die nunmehr einen Beitragssatz je Quadratmeter anrechenbare Grundstücksfläche (3,1949063 €) enthielt, rückwirkend zum 28. November 2000 in Kraft gesetzt und im Amtsblatt der Stadt Frankfurt (Oder) vom 25. Januar 2006 bekannt gemacht wurde.
An 21. September 2009 nahm der Beklagte eine erneute Kalkulation des Beitragssatzes vor. Dabei errechnete er aus den bezahlten Rechnungen für die durchgeführten Baumaßnahmen an der Fahrbahn, dem Gehweg, der Straßenentwässerung, der Beleuchtung und dem Grunderwerb Gesamtkosten in Höhe von insgesamt 547.042,05 €, wovon er von vornherein einen Betrag in Höhe von 73.953,21 € als nicht beitragsfähig ansah und einen weiteren Betrag von 145.002,26 € so genannten "anderen Maßnahmen" zuordnete und deshalb in der Beitragskalkulation fortan außer Betracht ließ.
Nach Abzug des in der Straßenbaubeitragssatzung vorgesehenen Eigenanteils der Stadt in Höhe von 30 % errechnete der Beklagte einen Anteil der Beitragspflichtigen von 229.660,58 €. Hiervon brachte er einen Betrag von 108.134,66 € in Abzug, indem er erhaltene Fördermittel anteilig den Anliegern zuordnete und errechnete daraus umlagefähige Kosten in Höhe von 121.525,92 €. Unter Berücksichtigung einer (gewichteten) Gesamtverteilungsfläche von 38.295,25 m² ergab sich daraus ein Beitragssatz von 3,1733944 € pro Quadratmeter.
Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juli 2009, setzte der Beklagte den Straßenbaubeitrag abweichend von der satzungsmäßigen Bestimmung, jedoch unter Zugrundelegung des zuletzt errechneten Beitragssatzes abschließend auf 4743,27 € fest und wies den von der Klägerin eingelegten Rechtsbehelf im Übrigen zurück.
Die Klägerin hat am 31. Juli 2009 Klage erhoben. Sie macht unter anderem geltend, im Vorfeld der Baumaßnahmen sei zugesagt worden, die Kosten könnten aus Fördermitteln gedeckt werden und Beiträge würden nicht erhoben. Die Fördermittel seien dann aber nicht ordnungsgemäß verwendet worden. Außerdem seien etwaige Beitragsansprüche verjährt.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 28. Oktober 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2009 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die abzuweisen.
Er verteidigt den angegriffenen Bescheid und hält die rückwirkende Ersetzung der fehlerhaften Vorgängersatzung für zulässig. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei nicht eingetreten, weil der Grundstückserwerb Herstellungsmerkmal gewesen, jedoch erst im Jahr 2000 abgeschlossen worden sei. Die Fördermittel seien ausweislich der Zuwendungsbescheide lediglich zu Gunsten der Kommune, nicht aber zur Entlastung der Grundstückseigentümer ausgereicht worden; gleichwohl sei ein Teilbetrag der insgesamt erhaltenen Zuwendung von 280.513,84 €, nämlich 173.733,95 € zur Reduzierung der Anliegerbeiträge verwendet worden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge (2 Hefte) sowie die Bauakten und sonstigen Unterlagen von verfahrensübergreifendem Interesse (3 Ordner, 2 Hefte; Beiakten 2-5 und 8 aus dem Verfahren VG 3 K 767/09) Bezug genommen, die der Verhandlung und Entscheidung zu Grunde lagen.
A.
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid des Oberbürgermeisters der Stadt Frankfurt (Oder) vom 28. Oktober 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2009 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).
I.
Der angegriffene Beitragsbescheid kann jedenfalls nicht auf die - vom Beklagten in den angegriffenen Bescheiden angewendeten - ausbaubeitragsrechtlichen Vorschriften des § 8 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg (KAG) und die dazu ergangene Ortssatzung, also zuletzt die "Einzelsatzung über die Erhebung von Beiträgen für die Straßenbaumaßnahme (1993 - 2000) Ausbau der Straße '...' in .../OT ..." vom 15. Dezember 2005 (im Folgenden: Straßenbaubeitragssatzung - SBBS 2005) gestützt werden.
1. Das gilt einerseits deshalb, weil die Satzung sich keine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht beigelegt hat.
Nach der im Land Brandenburg gültigen Rechtslage müssen die satzungsrechtlichen Voraussetzungen für die Erhebung eines Straßenbaubeitrags bereits im Zeitpunkt der Entstehung der Beitragspflicht vorliegen oder - gegebenenfalls durch rückwirkende Inkraftsetzung - hergestellt werden (Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg, Urteil vom 23. November 2004 - 2 A 269/04 -, Juris Rn. 57; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12. November 2010 - OVG 9 N 121.08 -, zitiert nach http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de Rn. 7).
Daran fehlt es. Die am 15. Dezember 2005 beschlossene Straßenbaubeitragssatzung 2005 ist gemäß § 8 zum 28. November 2000 in Kraft gesetzt worden.
Zu diesem Zeitpunkt lag die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht bereits mehrere Jahre zurück. Gemäß § 8 Abs. 7 Satz 1 KAG entsteht die Beitragspflicht mit der endgültigen Herstellung der Einrichtung oder Anlage und in den Fällen der Kostenspaltung nach § 8 Abs. 3 KAG mit der Beendigung der Teilmaßnahme bzw. in den Fällen der Abschnittsbildung nach § 8 Abs. 5 KAG mit der endgültigen Herstellung des Abschnittes. Der Begriff der "endgültigen Herstellung" ist straßenbautechnisch zu verstehen. Er knüpft damit in der Regel an die durch die Bauabnahme markierte technische Verwirklichung des Bauprogramms an (Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg, Beschluss vom 2. August 2002 - 2 A 682/01.Z -, zitiert nach http://beck-online.beck.de; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29. April 2008 - 15 A 1809/05 -, Rn. 41, zitiert nach http://www.justiz.nrw.de). Dass dieser Teil der Maßnahme im Jahr 1995 abgeschlossen worden ist und die letzte Abnahme hat bereits 1998 stattgefunden hat, ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten.
Ein weiterer Aufschub der endgültigen Herstellung kommt deshalb nur in Betracht, wenn zusätzlich der Grunderwerb als Herstellungsmerkmal gelten sollte. Das ist nicht selbstverständlich. Daher wird in der - soweit ersichtlich - übereinstimmenden obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. November 2010 -, a.a.O. Rn. 8; Thüringer Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 16. Juni 2010 - 4 ZKO 313/09 -, http://www.thovg.thueringen.de; Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 29. August 2003 - 9 ME 421/02, zitiert nach http://www.dbovg.niedersachsen.de; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29. April 2008, a.a.O. Rn. 45, 48) verlangt, dass in Fällen, in denen der Grundstückserwerb Herstellungsmerkmal der Straße sein soll, gerade dies klar und deutlich im Bauprogramm zum Ausdruck gebracht wird, falls es nicht schon satzungsmäßig so bestimmt ist.
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat in dem zitierten Beschluss vom 12. November 2010 am angegebenen Ort ausgeführt:
"Die "endgültige Herstellung der Anlage" ist dem Wortsinne nach straßenbautechnisch zu verstehen. Der Abschluss des Erwerbs der für den Straßenbau benötigten Grundstücke gehört dagegen von Gesetzes wegen nicht zu den Merkmalen der endgültigen Herstellung (vgl. Driehaus, a. a. O., § 33 Rdnr. 32). Ungeachtet dessen belässt § 8 Abs. 7 Satz 1 KAG den Gemeinden einen Spielraum dafür, zusätzlich zur straßenbautechnischen Herstellung der Anlage auch den Abschluss des Grunderwerbs zum Herstellungsmerkmal zu machen. Wegen der damit verbundenen Entfernung vom Wortlaut des § 8 Abs. 7 Satz 1 KAG und mit Blick auf das Erfordernis von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit bedarf es dazu aber entweder einer entsprechenden Satzungsregelung oder einer eindeutigen Festlegung im Bauprogramm für die konkrete Anlage (vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. April 2008 - 15 A 1809/05 - juris, m. w. N.; Driehaus a. a. O.). Das letztgenannte Erfordernis wird gelegentlich auch damit umschrieben, dass der Grunderwerb zum Teil des Bauprogramms gemacht werden müsse (vgl. etwa Driehaus. a. a. O., am Ende). Dies darf vor dem Hintergrund der allgemein nur geringen förmlichen Anforderungen an die Aufstellung des Bauprogramms (vgl. Driehaus, a. a. O., § 37 Rdnr. 6) allerdings nicht dahin verstanden werden, dass es für eine Festlegung des Grunderwerbs als Herstellungsmerkmal bereits ausreichen würde, wenn sich anhand von Unterlagen überhaupt die Absicht der Gemeinde belegen lässt, zwecks Straßenbaus einen Grunderwerb zu tätigen. Solche Unterlagen werden sich so gut wie immer auffinden lassen, wenn die Gemeinde die Absicht gehabt hat, zwecks Straßenbaus einen Grunderwerb zu tätigen. Sähe man ihre Existenz bereits als ausreichend dafür an, den Grunderwerb als Herstellungsmerkmal anzusehen, würde damit das Erfordernis einer zumindest im Bauprogramm erfolgenden Festlegung des Grunderwerbs als Herstellungsmerkmal praktisch aufgegeben. Soll dieses Erfordernis seinen Sinn behalten, kann es demgegenüber nur dahin verstanden werden, dass aus den im Zusammenhang mit dem Straßenbau erstellten Unterlagen nicht nur die Grunderwerbsabsicht als solche, sondern auch der Wille der Gemeinde hervorgehen muss, gerade die endgültige Herstellung der Anlage vom Abschluss des Grunderwerbs abhängig zu machen (vgl. OVG NW, Urteil vom 13. Dezember 1990 - 2 A 1952/87 - Gemeindehaushalt 1992, S. 21). Letzteres muss darüber hinaus klar und zweifelsfrei erkennbar sein; andernfalls bleibt es dabei, dass der Grunderwerb nicht Herstellungsmerkmal ist (vgl. OVG NW a. a. O.; Driehaus, a. a. O.)."
An diesen Voraussetzungen gemessen gibt es keinen Beleg, dass der Abschluss des Grunderwerbs im vorliegenden Fall spätestens bei Abschluss der Maßnahme im Jahr 1998 Merkmal der endgültigen Herstellung im Sinne des § 8 Abs. 7 Satz 1 KAG sein sollte. Richtig ist lediglich, dass wohl von Anfang an ein Grunderwerb beabsichtigt war; das ergibt sich aus dem bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen Grunderwerbsverzeichnis und wird durch die teilweise schon im Jahr 1994 eingeleiteten Erwerbsvorgänge bestätigt. Daraus folgt jedoch nicht, dass damit - klar und eindeutig - die Vorstellung verbunden war, ihn zugleich zum Herstellungsmerkmal der Straße selbst zu bestimmen, also auch die Entstehung der Beitragspflicht davon abhängig zu machen.
Aus dem gleichen Grund kommt auch die durch die Straßenbaubeitragssatzung 2005 abgelöste Vorgängersatzung vom 26. August 2004 nicht als Rechtsgrundlage der Erhebung eines Straßenbaubeitrages in Betracht, denn auch sie misst sich eine Rückwirkung auf den spätestens in das Jahr 1998 zu datierenden Entstehungszeitpunkt der sachlichen Beitragspflicht nicht bei.
2. Ohne dass es abschließend darauf ankäme, spricht im Übrigen alles dafür, dass die Straßenbaubeitragssatzung 2005 nichtig ist. Die im vorliegenden Verfahren fragliche Straßenbaubeitragssatzung 2005 musste - anders als nach nunmehr geltender Rechtslage - einen Beitragssatz noch enthalten. Das nämlich erforderte § 2 Abs. 1 KAG in der vor dem Inkrafttreten des "Zweiten Gesetzes zur Entlastung der Kommunen von pflichtigen Aufgaben" vom 17. Dezember 2003 (GVBl. I S. 294) geltenden Fassung und bedeutete in Fällen, in denen - wie hier - eine Satzung auf die Erhebung von Straßenbaubeiträgen einwirkte, die vor dem Inkrafttreten einer neuen gesetzlichen Regelung entstanden waren, die satzungsrechtlichen Regelungen noch an der alten Fassung des Kommunalabgabengesetzes zu messen waren (Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg, Urteil vom 23. November 2004 - 2 A 269/04 -, Juris). Die in der Satzung getroffene Bestimmung über den Beitragssatz war jedoch - die letzte eigene Kalkulation des Beklagten zu Grunde gelegt - nicht richtig, was die Gesamtnichtigkeit der Straßenbaubeitragssatzung 2005 zur Folge hätte. Entspricht nämlich die Kalkulation vom 21. September 2009 den gesetzlichen Erfordernissen - wovon der Beklagte ersichtlich ausgeht, da er den dort ermittelten Beitragssatz der Neufestsetzung im Widerspruchsbescheid zugrunde gelegt hat -, kann das für die vorausgegangene satzungsmäßige Festlegung des Beitragssatzes gerade nicht gelten.
II.
Der Beklagte kann die festgesetzte Beitragsforderung auch nicht auf § 127 Abs. 1 BauGB stützen, wonach die Gemeinden zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwandes für Erschließungsanlagen einen Erschließungsbeitrag nach Maßgabe der Vorschriften des Baugesetzbuches erheben.
1. Dem steht nicht von vornherein entgegen, dass der Beklagte selbst seinen Beitragsbescheid auf Vorschriften des Straßenausbaubeitragsrechts gestützt hat. Eine derartige Auswechselung der Rechtsgrundlage stößt nicht auf grundsätzliche Bedenken. Vielmehr ist in Fällen, in denen die Behörde zu Unrecht eine straßenbaubeitragsrechtliche Rechtsgrundlage herangezogen hat, durch das Verwaltungsgericht zu prüfen, ob und gegebenenfalls inwieweit die Verfügung nach dem richtigerweise anzuwendenden Erschließungsbeitragsrecht aufrechterhalten werden kann. Dies ist ohne Umdeutung möglich, weil es sich insoweit lediglich um einen Austausch der rechtlichen Begründung handelt, während die Festsetzung selbst unverändert bleibt (vgl. BVerwG, Urteile vom 19. August 1988 – 8 C 29.87 -, Juris Rn. 11 ff.; vom 18. November 2002 - BVerwG 9 C 2.02 -, http://www.bverwg.de; Urteil der 7. Kammer des erkennenden Gerichts vom 31. März 2008 – 7 K 1504/03 -; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, § 2 Rn. 64 m.w.N.).
Freilich ist mit einem solchen Austausch der Rechtsgrundlage die Konsequenz verbunden, dass unabhängig von dem in der Straßenbaubeitragssatzung verwendeten Anlagenbegriff nunmehr jedenfalls der enge, erschließungsbeitragsrechtliche Anlagenbegriff Anwendung findet.
2. Als ortsrechtliche Rechtsgrundlage kommt vorliegend allein die "Satzung über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen in der Stadt Frankfurt (Oder) - Erschließungsbeitragssatzung -" vom 10. November 2011, veröffentlicht im Amtsblatt für die Stadt Frankfurt (Oder) vom 7. Dezember 2011 (im Folgenden: Erschließungsbeitragssatzung - EBS 2011) in Betracht, die - anders als die Straßenausbaubeitragssatzung - den Eigentumserwerb der Stadt zum Merkmal der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage bestimmt. Gesonderte Bedenken gegen ihre Gültigkeit sind nicht geltend gemacht oder ersichtlich.
Die ihr vorausgegangene "Satzung über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen in der Stadt Frankfurt (Oder) vom 11. November 1997, veröffentlicht im Amtsblatt für die Stadt Frankfurt (Oder) vom 17. Dezember 1997, Seite 9 (Erschließungsbeitragssatzung - EBS 1997), war nichtig. Denn sie ist nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden, weil die ihrer Veröffentlichung zu Grunde liegende Hauptsatzung vom 15. Dezember 1994 auch in Gestalt von deren Änderungssatzung vom 28. August 1997 ungültig war (vgl. Beschluss der 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 18. Dezember 2002 - 5 L 843/01 -, Seite 4 f.). Dieser Mangel ist auch nicht gemäß den §§ 3 Abs. 4, 141 Abs. 3 der Brandenburgischen Kommunalverfassung (BbgKVerf) unbeachtlich, weil er die Bekanntmachung der Erschließungsbeitragssatzung 1997 betrifft.
3. Die Voraussetzungen für die Erhebung eines Erschließungsbeitrags liegen aber nicht vor. Gemessen an den für den vorliegenden Fall maßgebenden erschließungsbeitragsrechtlichen Regelungen (dazu nachfolgend unter a) ergibt sich, dass bei einer heutigen natürlichen Betrachtungsweise die Straßenstrecke von der ... bis zur Straße ... zusammen mit den beiden Abzweigen zum ehemaligen Bahnhof bzw. zur Brücke über den Bahndamm eine einheitliche öffentliche Anlage bildet (b). Dies zu Grunde gelegt, ist jedenfalls für den Fall der Klägerin festzustellen, dass sie - zumindest derzeit, möglicherweise sogar endgültig - nicht erschließungsbeitragspflichtig ist. Bildete nämlich entweder vormals das mit Kopfsteinpflaster versehene Straßen-Teilstück, dessen Anliegerin sie ist, seinerzeit eine eigenständige Anlage, so war diese "bereits hergestellt" im Sinne von § 242 Abs. 9 BauGB, mit der Folge, dass das ihr gehörende Grundstück endgültig aus dem Erschließungsbeitragsrecht ausgeschieden ist (vgl. dazu c) bb)). War das nicht der Fall, war mithin das genannte Straßen-Teilstück auch damals lediglich Teil einer größeren Erschließungsanlage, ist diese mit der Pflasterung des fraglichen Abschnitts nicht endgültig hergestellt worden und deshalb damals auch nicht aus dem Anwendungsbereich des Erschließungsbeitragsrechts ausgeschieden; dann ist die Straße ... aber bis zum heutigen Tage nicht fertig hergestellt, und kann deshalb derzeit nicht nach Erschließungsbeitragsrecht abgerechnet werden (c) aa)).
a) Nach § 242 Abs. 9 Satz 1 BauGB kann für Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts bereits hergestellt worden sind, ein Erschließungsbeitrag nicht erhoben werden. Bereits hergestellte Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen sind gemäß § 242 Abs. 9 Satz 2 BauGB die einem technischen Ausbauprogramm oder den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprechend fertig gestellten Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen. Zu prüfen ist insoweit der gesamte Zeitraum vor dem 03. Oktober 1990, gleichgültig, ob die infrage stehende Fertigstellung zu Zeiten der DDR oder zu noch früheren Zeiten erfolgt sein soll (BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2007 – BVerwG 9 C 5.06 –, zitiert nach http://www.bverwg.de, Rn. 29).
aa) Die Prüfung, ob eine Erschließungsanlage oder Teile von ihr vor dem 03. Oktober 1990 „bereits hergestellt“ im Sinne des § 242 Abs. 9 Sätze 1 und 2 BauGB waren, setzt in einem ersten Schritt die genaue Bestimmung und Abgrenzung der maßgebenden Erschließungsanlage voraus (vgl. hierzu Urteil der Kammer vom 5. September 2012 - 3 K 456/09 -, zur Veröffentlichung auf http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de vorgesehen). Der Begriff der „Erschließungsanlage“ im Sinne des § 242 Abs. 9 BauGB entspricht inhaltlich dem Begriff der Erschließungsanlage i.S.v. § 127 Abs. 2 BauGB (BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2010 – BVerwG 9 C 1.09 – http://www.bverwg.de Rn. 16; so auch OVG Magdeburg, Beschluss vom 09. März 2010 – 4 L 127/10 – zitiert nach Juris); bei der Anwendung dieses Begriffes ist aber auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen, die in dem Zeitpunkt bestanden, in dem Straßenbaumaßnahmen im Bereich der heute abzurechnenden Anlage stattfanden.
Erschließungsanlagen sind dabei unter anderem die öffentlichen zum Anbau bestimmten Straßen, Wege und Plätze (§ 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB). Bei der erforderlichen Abgrenzung ist zunächst von der „räumlichen Ausdehnung“ auszugehen, die die heute abzurechnende Erschließungsanlage hat. Sodann ist zu prüfen, ob in diesem Bereich in dem für die Anwendung des § 242 Abs. 9 BauGB maßgeblichen Zeitraum vor dem 03. Oktober 1990 bereits Erschließungsanlagen fertig gestellt waren. Dabei kann es sich sowohl um Erschließungsanlagen mit derselben räumlichen Ausdehnung handeln, als auch um Anlagen, die kürzer oder länger waren als die heute abzurechnende Erschließungsanlage.
Die sich hiernach stellende Frage nach der räumlichen Ausdehnung einer „Erschließungsanlage“ im Sinne von § 242 Abs. 9 BauGB ist inhaltlich nach den zum Begriff der Erschließungsanlage im Sinne von § 127 Abs. 2 BauGB entwickelten Grundsätzen zu beurteilen (BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2010 – BVerwG 9 C 1.09 – http://www.bverwg.de Rn. 16; so auch OVG Magdeburg, Beschluss vom 09. März 2010 – 4 L 127/10 – zitiert nach Juris). Danach ist der Begriff der Erschließungsanlage nicht ein Begriff des Erschließungs- oder des Planungsrechts, sondern ein solcher des Erschließungsbeitragsrechts. Er stellt auf eine „natürliche Betrachtungsweise“ ab; maßgebend ist das durch die tatsächlichen Gegebenheiten geprägte Erscheinungsbild, nicht eine (etwa) nur „auf dem Papier stehende“ planerische Festsetzung. Es kommt auf den Gesamteindruck an, den die tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter vermitteln. Diese Betrachtungsweise ist auch geboten, wenn zu entscheiden ist, wie weit die (Straßen-)Fläche einer bestimmten Anbaustraße reicht (BVerwG, Urteile vom 15. Februar 1991 – 8 C 56.89 –; vom 22. März 1996 – 8 C 17.94 – und vom 07. Juni 1996 – 8 C 30.94 – alle zitiert nach juris; vgl. auch OVG Thüringen, Urteil vom 14. Februar 2011 – 4 KO 514/08 –, http://www.thovg.thueringen.de).
Ob ein von einer Erschließungsanlage abzweigender Stichweg eine eigenständige Verkehrsanlage oder unselbstständiges "Anhängsel" ist, ist ebenfalls nach der natürlichen Betrachtungsweise zu beurteilen. Entscheidend ist letztlich, ob der Stichweg nach den tatsächlichen Verhältnissen den Eindruck einer Zufahrt vermittelt. Maßgebliche Einflussfaktoren sind insoweit insbesondere die Länge und Breite des Stichweges, die Frage, ob er geradlinig oder mehr oder weniger rechtwinklig abknickend verläuft oder verzweigt ist oder Zahl und Zuschnitt der anliegenden Baugrundstücke. In der Regel wird bei einem bis zu 100 m langen, nicht verzweigenden bzw. nicht rechtwinklig abknickenden und nicht durch eine seitliche massive Bebauung gekennzeichneten Weg alles für eine fehlende Selbstständigkeit sprechen (vgl. zusammenfassend etwa Driehaus, a.a.O., § 12 Rn. 15 m.w.N. auch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts).
bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gilt eine Erschließungsanlage erst dann als „bereits hergestellt“ im Sinne des § 242 Abs. 9 Sätze 1 und 2 BauGB, wenn sie auf ihrer ganzen Länge mit allen ihren Teileinrichtungen vor dem 03. Oktober 1990 entsprechend einem Ausbauprogramm oder den örtlichen Ausbaugepflogenheiten fertig gestellt war (BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2010 – BVerwG 9 C 1.09 –, zitiert nach http://www.bverwg.de, Rdnr. 15). Unter „Teilen“ im Sinne des § 242 Abs. 9 BauGB sind danach nicht Teilstrecken im Sinne von Abschnitten zu verstehen, sondern solche Teile der Erschließungsanlage, die sich regelmäßig durch deren ganze Länge ziehen, also Fahrbahnen, Gehwege, Radwege, Beleuchtung und Entwässerung (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, § 2 Rn. 37 Abs. 2 m.w.N. sowie Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg, Beschluss vom 23. September 1996 – 2 B 53/96 –, Seite 4 des Beschlussabdrucks zu § 246a Abs. 4 BauGB a.F.; BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2010 – BVerwG 9 C 1.09 –, a.a.O. Rn. 15; OVG Thüringen, Urteil vom 14. Februar 2011 – 4 KO 514/08 –, http://www.thovg.thueringen.de).
Die damit im Grundsatz umrissene innere Beziehung zwischen der Anlage und ihrer - danach regelmäßig auf ganzer Länge erforderlichen - Herstellung bedarf in mehrfacher Hinsicht der Abgrenzung und Präzisierung.
Zu berücksichtigen ist unter anderem, dass die Begriffe der „Erschließungsanlage“ in § 127 Abs. 2 BauGB und § 242 Abs. 9 BauGB inhaltlich zwar übereinstimmen, der maßgebliche Zeitpunkt für die Bestimmung der Ausdehnung der jeweiligen Erschließungsanlage im Sinne des § 242 Abs. 9 BauGB aber nicht dem Zeitpunkt entspricht, der für die Bestimmung der Erschließungsanlage im Sinne des § 127 Abs. 2 BauGB maßgeblich ist. Während es für die Bestimmung der Erschließungsanlage im Sinne des § 127 Abs. 2 BauGB auf den Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflichten ankommt, geht es bei der Prüfung der „Herstellung“ im Sinne des § 242 Abs. 9 Satz 1 BauGB bzw. der „Fertigstellung“ im Sinne des § 242 Abs. 9 Satz 2 BauGB darum, welche Ausbauprogramme bzw. Ausbaugepflogenheiten es zu einem beliebigen Zeitpunkt vor dem 03. Oktober 1990 gab, und ob eine Erschließungsanlage entsprechend diesem Ausbauprogramm oder den örtlichen Ausbaugepflogenheiten fertig gestellt war. Deshalb muss auch die Bestimmung der Erschließungsanlage, deren Übereinstimmung mit dem Ausbauprogramm oder den örtlichen Ausbaugepflogenheiten geprüft werden soll, sich an den damaligen tatsächlichen Verhältnissen orientieren, die in den Zeiträumen bestanden, in denen Ereignisse stattfanden, die zur „Herstellung“ einer Erschließungsanlage in dem fraglichen Bereich geführt haben könnten. So kommt zunächst in Betracht, dass eine Erschließungsanlage unabhängig von der bei einer heutigen natürlichen Betrachtungsweise maßgebenden Ausdehnung auf einer Teilstrecke im erschließungsbeitragsrechtlichen Sinn deswegen fertiggestellt war, weil sie nur in dieser Länge überhaupt vorhanden war (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2010 – BVerwG 9 C 1.09 – http://www.bverwg.de Rn. 16).
cc) Ein in der ersten Tatbestandsalternative des § 242 Abs. 9 Satz 2 BauGB weiter vorausgesetztes technisches Ausbauprogramm für die Baumaßnahmen in dem gepflasterten Bereich der Straße ... ist – trotz Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten – nicht ersichtlich und scheidet deshalb als Prüfungsmaßstab von vornherein aus (vgl. Urteil der Kammer vom 5. September 2012 - 3 K 456/09 -, zur Veröffentlichung auf http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de vorgesehen).
dd) Der in der zweiten Alternative derselben Vorschrift verwendete Begriff "örtliche Ausbaugepflogenheiten" bezeichnet ein – über einen längeren Zeitraum feststellbares – Verhalten der Gemeinde bei der bautechnischen Herstellung von Erschließungsanlagen. Das Hinnehmen von Provisorien oder das „Sich-Abfinden“ mit einem notdürftigen Zustand, weil ein höherwertiger, an sich zu fordernder oder angestrebter Ausbauzustand nicht zu verwirklichen war, kann keine „Ausbaugepflogenheiten“ begründen. Erforderlich ist in jedem Fall ein Mindestmaß an bautechnischer Herrichtung, nämlich das Vorhandensein einer hinreichend befestigten Fahrbahn (wofür z.B. auch eine Schotterdecke genügen kann), einer wenn auch primitiven Form von Straßenentwässerung (ein bloßes Versickernlassen wäre dagegen nicht ausreichend) sowie einer eigenen Straßenbeleuchtung, die einen ungefährdeten Haus-zu-Haus-Verkehr ermöglicht (BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2007 – BVerwG 9 C 5.06 –, zitiert nach http://www.bverwg.de, Rn. 40; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. April 2008 - OVG 10 B 10.07 -; Urteil der Kammer vom 5. September 2012 - 3 K 456/09 -, zur Veröffentlichung auf http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de vorgesehen).
b) An diesen Grundsätzen gemessen ist bei einer zum gegenwärtigen Zeitpunkt angestellten natürlichen Betrachtungsweise festzustellen, dass die Straße ... den gesamten Bereich umfasst, der diesen Namen trägt. Das ergibt sich auch ohne Einnahme des Augenscheins aus den vom Beklagten vorgelegten Karten und Fotografien sowie aus öffentlich zugänglichen Luftbildern. Danach verläuft die Straße von der ... aus zunächst in östlicher Richtung auf einer Länge von ca. 140 m. Dort endet sie allerdings nicht. Die dort in südlicher Richtung weiterführende Straße stellt sich aber nach den zitierten Erkenntnisquellen und unter Zugrundelegung der oben dargestellten Maßstäbe nicht als eine hiervon zu unterscheidende anderweitige Anlage dar. Denn sie ist nicht durch eine rechtwinklige Kreuzung getrennt, sondern verläuft in einem Bogen mit einem Winkel von ca. 130°. Auch die beiden Abzweigungen sind Teile der Straße ... Der Abzweig in Richtung Brücke ist lediglich ca. 80 m lang, und an ihm liegen sieben Grundstücke, von denen nur fünf straßennah bebaut sind. Auch der Abzweig in Richtung Bahnhof stellt sich als ein unselbstständiges Anhängsel der Straße ... dar. Dieser Teil der Straße ist zwar ca. 100 m lang; an ihm liegen jedoch lediglich vier Grundstücke, von denen drei bebaut sind. Prägend für den Eindruck der Unselbstständigkeit ist ferner, dass es sich um eine Sackgasse handelt. Die Zusammengehörigkeit mit dem Rest der Straße legt ferner der Umstand nahe, dass dieser ehemalige Weg zum Bahnhof nicht etwa rechtwinklig abzweigt, sondern - betrachtet von einem Standpunkt vor der Gabelung - wenn auch nicht geradeaus, so doch lediglich in einem stumpfen Winkel von ca. 150° nach links abzweigt, dort etwa 50 m geradeaus verläuft, bevor er wiederum etwa im gleichen Winkel nach links abknickt, auf einer Länge von weiteren 50 m in nordöstlicher Richtung verläuft und dort am Bahnhofsgebäude endet.
In diesem sich bei natürlicher Betrachtungsweise ergebenden Ausmaß ist die Anlage auch gewidmet, also öffentlich. Das ergibt sich aus dem vom Beklagten eingereichten Kartenmaterial und wird - gerade auch hinsichtlich des Abzweigs zum Bahnhof - dadurch bestätigt, dass dieser erst 1995 außer Betrieb gesetzt worden ist. Daraus folgt, dass die mit § 48 Abs. 7 Satz 1 des Brandenburgischen Straßengesetzes verbundene Widmungsfiktion auch für das genannte Straßenstück gilt.
c) Aus Anlass des vorliegenden Verfahrens kann offen bleiben, ob das Straßenstück zwischen der ... und dem Abzweig zum Bahnhof, welches zu einem nicht endgültig feststehenden Zeitpunkt gepflastert und mit weiteren Nebeneinrichtungen ausgestattet worden ist, und an dem das Grundstück der Klägerin liegt, zu eben jenem Zeitpunkt eine eigenständige Anlage bildete oder nicht. In beiden Fällen lässt sich der Beitragsbescheid auch nach erschließungsbeitragsrechtlichen Rechtsgrundlagen nicht aufrechterhalten.
aa) Nach gegenwärtigem Erkenntnisstand spricht einiges dafür, dass die fragliche Straßenstrecke im Zeitpunkt ihrer Pflasterung keine selbstständige Erschließungsanlage war. Denn nach der vom Kläger des Verfahrens VG 3 K 784/09 in der mündlichen Verhandlung unter Berufung auf Mitteilungen seines Onkels gemachten Angabe erfolgte der Ausbau im Zusammenhang mit der Inbetriebnahme des Bahnhofs im Jahr 1948. War das aber so, dann wären die Grenzen der damaligen Anlage bei der Aufbringung des Straßenbelages auf der einen Seite durch die ... und auf der anderen Seite durch den Bahnhof markiert. Das hätte zur Folge, dass diese Anlage auch seinerzeit nach den oben ausgeführten Maßstäben nicht fertig hergestellt war, weil sie nicht über die ganze Länge, also bis zum Bahnhof ausgebaut wurde. Träfe all das zu, wäre das betreffende Straßenstück zum damaligen Zeitpunkt nicht aus dem Erschließungsbeitragsrecht ausgeschieden und deshalb nach dem im Erschließungsbeitragsrecht anzuwendenden engen Anlagenbegriff noch heute Teil der sich bei einer natürlichen Betrachtungsweise ergebenden Anlage in den oben dargestellten Grenzen (also einschließlich des Abzweigs zum Bahnhof). Das wiederum hätte zur Folge, dass diese nach wie vor insgesamt gewidmete öffentliche Anlage nicht in ihrer ganzen Ausdehnung ausgebaut und dementsprechend mangels Ausbaus bis zum Bahnhof bis zum heutigen Tage nicht fertig hergestellt wäre, mithin die Voraussetzungen für die Erhebung eines Erschließungsbeitrags gegenüber der Klägerin nicht vorlägen.
Offen bleiben kann, ob in diesem Fall die Erschließungsbeitragspflicht noch - etwa durch eine Entwidmung des Straßen-Teilstücks vom Abzweig bis zum Bahnhof - zur Entstehung gebracht werden könnte oder ob dem die Grundsätze des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 (1 BvR 3457/08, http://www.bundesverfassungsgericht.de) entgegenstünden.
bb) Handelte es sich bei dem vormals ausgebauten Straßenstück stattdessen entgegen den zitierten Angaben des anderen Straßenanliegers um eine selbstständige Anlage, etwa weil die Straße ... zum Zeitpunkt der Pflasterung überhaupt nur in dieser Länge vorhanden war, käme eine erschließungsbeitragsrechtliche Veranlagung der Klägerin wegen § 242 Abs. 9 BauGB nicht in Betracht.
Dann nämlich wäre diese Anlage mit der Pflasterung, der Straßenbeleuchtung und einer Straßenentwässerung in dem die Klägerin betreffenden Bereich endgültig hergestellt gewesen. Das insoweit erforderliche Mindestmaß an bautechnischer Herstellung war in jedem Fall erreicht. Das gilt ohne weiteres für die gepflasterte Fahrbahn. Es gilt aber auch für die Beleuchtung. Jedenfalls unter den im vorliegenden Fall vorgefundenen örtlichen Verhältnissen, bei denen auf einer im fraglichen Bereich nur leicht gekrümmten Straße drei Laternen mit Abständen von ca. 60 bzw. 80-90 m und einer Leuchtkraft von 5600 Lumen gestanden haben, ist nicht ansatzweise ersichtlich, dass damit ein ungehinderter Haus-zu-Haus-Verkehr nicht möglich gewesen sein soll. Schließlich kann auch im Hinblick auf die Entwässerung keine Rede davon sein, dass diese das erforderliche Mindestmaß an bautechnischer Herrichtung nicht erfüllen konnte. Soweit sie in der im Jahr 2009 aufgestellten Kurzbeschreibung damit gekennzeichnet wird, die Straßenentwässerung sei durch seitliches Ablaufen des Oberflächenwassers erfolgt, erfüllt das jedenfalls im Zusammenhang mit der übrigen Ausstattung die diesbezüglichen Voraussetzungen. Dem zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Juli 2007 (a.a.O. Rn. 40) zufolge ist eine - wenn auch primitive - Form der Straßenentwässerung erforderlich, für die ein bloßes Versickernlassen des Niederschlagswassers nicht genügt. Danach sind die Anforderungen an die dazu bestimmten technischen Einrichtungen nicht zu überspannen. Das ergibt eine an der Funktion der Straßenentwässerung orientierte Auslegung. Erforderlich aber auch ausreichend ist in jedem Fall, dass eine Straßenentwässerung gewährleistet wird, anfallendes Niederschlagswasser also nicht auf der Straße stehen bleibt und dort versickert, denn das würde die Benutzbarkeit der Straße beeinträchtigen oder sogar zu einer Gefährdung der Verkehrsteilnehmer führen. Die Versickerung als solche, etwa in seitlichen Mulden, ist deshalb für sich betrachtet nicht zu beanstanden, sofern sie ihr Ziel, die Straßenentwässerung, erreicht (a.A. wohl Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. September 2008 - 4 L 572/04 -, Juris Rn. 32). Vor diesem Hintergrund bestehen keine Bedenken, jedenfalls unter den Umständen des vorliegenden Falles, eine Straßenentwässerung im Randbereich der Straße, also selbst ohne Mulde, für bautechnisch hinreichend ausgeführt hinzunehmen. Da nämlich die Straße ... im fraglichen Bereich mit einem einseitigen Gehweg ausgestattet war, der nach den vom Beklagten nicht bestrittenen Angaben des Klägers aus dem Verfahren VG 3 K 784/09 durch einen Bordstein getrennt war, drängt es sich auch für die dann in den Blick zu nehmenden Zeiträume vor dem Zweiten Weltkrieg auf, dass ein Ablaufen des Niederschlagswassers von der Fahrbahn durch eine bautechnisch hergestellte Wölbung gewährleistet wurde.
Dies zugrundegelegt, ist im vorliegenden Verfahren davon auszugehen, dass damit den ortsüblichen Ausbaugepflogenheiten Genüge getan wurde. Dass namentlich die Pflasterung einer Straße mit Kopfsteinpflaster in einer Zeit, die dann noch vor den Zweiten Weltkrieg zu datieren wäre, nicht den ortsüblichen Ausbaugepflogenheiten in der damals noch selbstständigen Gemeinde ... entsprochen hätte, ist bei lebensnaher Betrachtung ausgeschlossen. Die in der vom Beklagten eingereichten "Nachweisung" aus dem Jahr 1952 erfassten 22 Straßen von ... waren zum überwiegenden Teil unbefestigt; fünf Straßen, darunter auch die Straße ..., waren auf Teilstrecken oder halbseitig mit Kopfsteinpflaster befestigt; keine befand sich in einem besseren Ausbauzustand.
Selbst wenn man die vorstehend erörterte Frage, ob die Straße ... - die frühere Selbstständigkeit des in früheren Zeiten ausgebauten Bereichs hier unterstellt - für ungeklärt halten würde, ergäbe sich daraus nichts anderes, weil dann der Beklagte die materielle Beweislast dafür trüge, dass die Anlage vor der im vorliegenden Verfahren umstrittenen Maßnahme nicht bereits endgültig hergestellt war (vgl. das bereits mehrfach zitierte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Juli 2007, a.a.O. Rn. 53), sie hierzu aber keine Angaben machen konnte.
War nach der soeben angestellten Alternativbetrachtung der gepflasterte Teil der Straße ... eine selbstständige Erschließungsanlage und ferner hinsichtlich der Fahrbahn, der Straßenentwässerung und der Beleuchtung fertig hergestellt, kommt die Erhebung von Erschließungsbeiträgen auch für erstmals hinzugefügte Teilanlagen nicht in Betracht (BVerwG, Urteil vom 18. November 2002 - BVerwG 9 C 2.02 -, http://www.bverwg.de).
B.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 154 Abs. 1, 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung. Gründe, die Berufung zuzulassen (§ 124 VwGO) liegen nicht vor.